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Die Kollegen bei der „Amica“ tun mir heute sehr, sehr leid. Oder auch nicht. Denn auch Mitarbeiter von Frauenzeitschriften sollten nicht alles glauben, was früher schon mal geschrieben wurde. Zum Beispiel über Susanne Birkenstock, die es anscheinend geschafft hat, ein Unternehmen zu gründen, wie es so luftig seit 2001 wohl nicht mehr zu finden war. New Economy muss eben nicht immer gleich Internet sein. Unser neuer Kollege Sönke Iwersen hat für die Montagsausgabe eine gar unglaublich anmutende Geschichte recherchiert. Es geht um Susanne Birkenstock, die getrennte Frau des Sandalen-Erben. Die wurde in den vergangenen Monaten immer wieder als Vorzeige-Business-Frau Deutschlands installiert. Jüngst noch von der „Amica“:

„Gut zu Fuß
Susanne Birkenstock, Vorkämpferin für gesundes Schuhwerk, und ihre Liebe zu High Heels“

Klingt schön. Ist aber wohl nur eine gigantische Blase. Birkenstocks Unternehmen ist insolvent, ihre Verkaufszahlen bei weitem nicht so hoch wie propagiert.

Womit wir bei einem generellen Problem des Journalismus sind: Darf ich alles glauben, was Kollegen in anderen Blättern schreiben? „Nein“ ist die logische Antwort des gesunden Menschenverstands. Doch der Mensch hat zwar Verstand aber ist auch mit deftiger Faulheit gesegnet. Und da es keinen Hinweis gab, dass jenes Unternehmen SB, das nichts mit den Birkenstock Sandalen gemein hat, außer dass seine Gründerin mal mit einem Herren gleichen Namens verheiratet war, überall gelobt wurde, hat die „Amica“ einfach weitergelobt.

Von sonderlicher Ambition spricht das nicht. Wer eine Geschichte, die 23.498 mal geschrieben wurde, noch einmal schreiben will, muss verdammt gut sein. Wer ein Interview führen will, mit einer Person, die außer ihrem Unternehmertum nicht viel zu erzählen hat, befragt, muss sich schon die Hirnwindungen ein wenig verdrehen, um etwas Originelles zu erzeugen.

Aber Wollen und Müssen werden bei Blättern wie „Amica“ leider häufig zum Sollen. Und dann zum „Ignorieren“. Hübsch reicht, schön muss nicht sein. Das ist so wie die ungeschminkte Abendkleidträgerin, wie Industriepommes zur Gänseleberpastete. Das kann alles gut gehen – bis zu dem Moment, wo es knallt. Und so lobt die „Amica“ ein Unternehmen, das anscheinend nie so existiert hat, wie es sich beschrieb.


Kommentare


experteritis 6. August 2006 um 21:14

1:0 fuer\’s HB!
Das macht die Ente mit der KMU-Forschungspraemie neulich wieder wett ;-)!

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Stefan Jaeger 7. August 2006 um 12:49

Gratulation vor allem dem Kollegen, klingt nach einer sauber recherchierten Geschichte – uns Tageszeitungsheinzis fehlt für groß angelegte Stories ja leider manchmal die Zeit (aber ja, auch wir recherchieren sauber 🙂 )

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Petra Pfaller 7. August 2006 um 18:43

Genau: Wir dürfen nicht alles glauben, was früher schon mal geschrieben wurde. Zum Beispiel: \“Der bisherige Bestseller ist ein Schuh für Frauen, der beim Gehen die Beine trainiert und Cellulite verhindern soll.\“ Dieses \“Lob\“ für Susanne Birkenstock stand übrigens nicht in AMICA, sondern im Handelsblatt Nr. 126 vom 02.07.04. Dort durfte die \“Jungunternehmerin Susanne Birkenstock\“ einen japanischen Luxuswagen testen (\“Das Leder ist echt. Das sieht man.\“) und über sich als \“den neuen Typ der Unternehmerin\“ sprechen. In AMICA 08/2006 sprach Susanne Birkenstock über Vorbilder, Style und den Rechtsstreit mit ihrer Familie. Geld war nicht Thema des Interviews. Cellulite auch nicht. Zu beidem erwarten wir brandneue Informationen vom Handelsblatt.
GlG, Petra Pfaller, Chefredaktion AMICA

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lanu 7. August 2006 um 19:01

@ frau pfaller

ein einfaches \“blöd gelaufen\“ hätte es auch getan.

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Thomas Knüwer 8. August 2006 um 9:29

Danke für diesen Kommentar, Frau Pfaller. Ja, auch wir haben über Frau Birkenstock geschrieben, das wird in den Artikel ja auch erwähnt. Ich bin mir sicher, dass Sie in der kommenden Ausgabe von \“Amica\“ die neue Entwicklung ihrer aktuellen Interviewpartnerin zumindest zu einer Meldung verarbeiten werden.

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Thomas Knüwer 8. August 2006 um 11:01

Vielen Dank für den Hinweis, den ich an die Verantwortlichen weitergereicht habe. Ich kann der Kritik an dieser Auswahl zustimmen und von Seiten der Redaktion Besserung geloben.

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Mimi 8. August 2006 um 11:04

Wer bei Frauenmagazinen irgendeine Form von kritischen \“Journalismus\“ erwartet, ist im falschen Medium. Hier gilt eindeutig, je enger und näher am Produkt bzw. Anzeigenkunden, umso besser. Ich wundere mich schon lange, mit welcher Unverfrorenheit die Redakteurinnen und Ihre Chefinnen Ihre persönlichen Spezies (meist aus südlichen Regionen) mit reinen PR Artikeln unter redaktioneller Fahne bedienen. Für mich heisst es deshalb: nur schöne Fotos anschauen…

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Stefanie 8. August 2006 um 12:11

Gründliches Googlen hätte übrigens ausgereicht, um auch schon früher kritische Stimmen zu Frau Birkenstock zu finden (z.B. beim Manager-Magazin).

Schade finde ich es, wenn manche Stimmen solch ein Fiasko mal wieder zum Anlass für frauenfeindliche Bemerkungen nehmen. Es gibt in der Wirtschaft auch seriöse, erfolgreiche Frauen ohne den zweifelhafen Glamour von Sandalenprinzessin Birkenstock und Fernsehfee Bauersachs. Über die wird aus irgendwelchen Gründen aber nicht so gerne berichtet…

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Thomas Knüwer 8. August 2006 um 13:36

Das sehe ich, als jemand, der unsere Portrait-Seite mitverantwortet, ganz anders: Es gibt leider zu wenig erfolgreiche Frauen in der Wirtschaft. Wir sind auf der Profil-Seite inzwischen zu Invers-Chauvis geworden: Eine Frau wird immer bevorzugt, selbst wenn die Story ein klein wenig weniger interessant ist als die eines Mannes.

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Arnold 8. August 2006 um 16:10

Wer bei Frauenmagazinen irgendeine Form von kritischen \“Journalismus\“ erwartet, ist im falschen Medium. Hier gilt eindeutig, je enger und näher am Produkt bzw. Anzeigenkunden, umso besser.
Warum ist das eigentlich so? Lesen intelligente Frauen keine Zeitschriften? Oder lesen die \“geschlechtslose\“ Zeitschriften?
Warum gibt es keine Frauenzeitschrift, die die Leserinnen als mündige Menschen betrachtet? Da tut sich eine Marktlücke auf. Los, Herr Knüwer, machen Sie sich selbstständig und verlegen Sie das \“Handelsblatt für die Frau\“

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Hans S 27. April 2007 um 16:13

Hier geht´s doch laut Überschrift um: \“Birkenstocks Blase\“

Wie kommt dann ein Herr Schrade dazu, diesen Ort zu Missbrauchen um seine Privat-Fehde mit Frau Bauersachs hier auszutragen und zu versuchen, Frau Bauersachs in ein \“lächerliches\“ Licht zu rücken. Was hat ihre private Vorliebe für brasilianischen Tanz hier zu suchen? Tiefstes Niveau finde ich das von Herrn Schrade !

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A. Interessierter 22. Mai 2007 um 15:42

Sie wundern sich noch über Herrn Schrade,

ich habe nicht einmal zehn Minuten gebraucht, um im Internet ein Konvolut an interessanten Informationen über diesen Herrn zu finden…Ganz nach dem Motto, \“Wer nur laut genug schreit, wird schon von den eigenen Fehlern ablenken.\“.

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