Neue Possen gibt es rund um den Journalistenverein Netzwerk Recherche. Es war einmal, das kurz zum Reinkommen, jenes Journalistenbündnis namens Netzwerk Recherche. Das verschrieb sich dem sauberen Journalismus, was ja zu begrüßen ist.
Sollten Sie, lieber Leser, mit der Vorgeschichte vertraut sein, dann lesen Sie bitte unter
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Aus heiterem Himmel veröffentlichte also das Netzwerk einen Ehrenkodex, in dem es ohne Differenzierung hieß: „Journalisten machen keine PR“. Das war jetzt dumm für viele freie Journalisten, deren geistige Kapazität es ermöglicht für den einen Kunden PR zu machen und über ein ganz anderes Thema journalistisch-kritisch zu berichten.
Der Häuptling jenes Netzwerks, Thomas Leif, verarbeitete das Thema dann schnell in eine TV-Reportage und musste sich fragen lassen, ob die Moderationen, die er selbst regelmäßig im Auftrag von Unternehmen macht, nicht auch PR sind. Und ob denn jener Kodex nicht von ihm einfach durchgedrückt wurde. Es entstand ein kritischer Artikel im „Journalist“, dem Organ der Gewerkschaft DJV. Autor des ganzen: ein Mitglied des Netzwerks Recherche.
Das Netzwerk behauptete nun, der Autor sei gar kein Mitglied, was diesen angesichts der Beitragsabbuchung von seinem Konto erstaunte. Satisfaktion verlangend, kollerkommunizierte das Netzwerk nun dem „Journalist“ und forderte eine Gegendarstellung, wie im aktuellen Heft nachzulesen ist. Dann wieder einigt man sich kollegial auf eine Darstellung der Netzwerk-Sicht – und erhält einen zweiseitigen Brief „im Stil einer Gegendarstellung“, wie „Journalist“-Chefin Ulrike Kaiser schreibt.
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Angesichts dieser Vorgeschichte ist das Magazin interessant, dass mir beim Rückflug aus Berlin in die Hände fiel. Mitglied der Redaktion laut Impressum: Thomas Leif.
„Berliner Zugpferde“ heißt das Blättchen, das gemacht wird unter dem Dach der Berlin Tourismus Marketing GmbH. In der aktuellen Ausgabe findet sich das Interview Leifs mit Franz-Josef Wagner im Wortlaut – natürlich mit Hinweis auf eine erneute Ausstrahlung von Leifs Wagner-Portrait im SWR gestern Abend. Da die Zugpferde auch pflichtschuldigst ein „TM“ hinter jeder Nennung der Fifa WM schreiben (das Weglassen des Wortes Fussball ist wohl schon journalistische Rebellion), ist davon auszugehen, dass der Text eher nicht mehr bearbeitet wurde, nachdem Leif ihn eingereicht hat. Dürfen wir ihn somit als PR für den SWR werten?
Und auch in Sachen „Journalist“ und Netzwerk Recherche gibt es Neues. Der Autor des „Journalist“-Artikels, laut Netzwerk ja eigentlich niemals Mitglied, ist nun von der Mitgliedschaft ausgeschlossen worden. Das steht so im Vorstandsprotokoll des Netzwerks vom 19./20. Mai, das mir vorliegt.
Bemerkenswert an diesem Protokoll ist aber vor allem die paranoide Anwandlung der Netzwerker gegenüber dem DJV:
„Nach Ansicht von Hans Leyendecker stellt der Artikel im „Journalist“ einen prinzipiellen Angriff auf das Netzwerk Recherche dar. Thomas Leif
vermutet als Motiv des DJV den Erfolg des nr-Medienkodexes, der eine strikte Trennung von Journalismus und PR fordert.“
Ja, ich habe an dem Punkt auch gelacht. Schade, dass dies der ansonsten von mir sehr geschätzte Hans Leyendecker gesagt haben soll.
„Schließlich will jetzt auch der Deutsche
Presserat den zu laschen PR-Paragrafen ändern. Der DJV ist nach Aussage von Leif in seiner Führung und Mitgliedschaft stark von PR-Leuten und Pressesprechern geprägt und will die PR-Diskussion möglichst ausklammern. Zudem wurde in einem
DJV-Strategiepapier (vgl. Anlage) die Arbeit des Netzwerkes gelobt und in Bezug zur Arbeit des DJV gesetzt ? NR wird zunehmend als Konkurrenz empfunden.“
Wieso eine Gewerkschaft glauben soll, dass ein kleiner Verein zur Konkurrenz werden kann, das mag man dann gerne mal erklären. In diesem Stil klingt es nach einer Mischung Verfolgungswahn und Selbstüberschätzung im Hause Leif.
Hinweis: Ich bin Mitglied des DJV, habe mich aber noch nie in irgendeiner Art und Weise dort engagiert.
Kommentare
DonDahlmann 14. Juni 2006 um 17:04
Das ist doch ein sehr hübsches Sommertheater zweier konkurrierender Kindergärten. Ich würde jetzt gerne ein Eis dazu haben. Vanille, wenn es geht.
niels 14. Juni 2006 um 17:09
PR in eigener Sache von Journalisten wird generell zuweilen peinlich. Wenn ein öffentlich-rechtlicher Sender beispielsweise über Intendantenwahlen oder Quotenerfolge eigener Formate berichtet, gleitet das ganze nicht selten ab in einen sperrigen Verlautbarungsstil. Minutenlang werden dann O-Töne von Führungskräften des eigenen Hauses gzeigt oder sie werden umständlich und länglich zitiert.
Chat Atkins 15. Juni 2006 um 10:38
Welcher Journalist ist schon \“unkontaminiert\“? PR gehören seit Karls des Krausen Zeiten schon immer zum Berufsbild.
Die Unwissenheit des Hans Leyendecker 10. September 2010 um 13:27
[…] Arbeitgebers. Das aber dürfte er eigentlich nicht. Schließlich ist er zweiter Vorsitzender des befremdlichen Journalisten-Geheimbundes “Netzwerk Recherche” – und dieses wütete in seinem Medienkodex doch noch gegen Journalisten, die PR machen. Oder aber […]