Gestern abend saß ich auf einem Podium einer Veranstaltung, die „Die Zeit“ und die „Hildesheimer Allgemeine Zeitung“ organisiert hatten. Deren Chefredakteur Hartmut Reichardt moderierte ZDF-Chefredakteur Peter Frey und „Zeit“-Vize Moritz Müller-Wirth.
Es war eine lebhafte Diskussion und wie so oft kam wenig neues dabei heraus. Langweilig aber war es nicht, hoffe ich.
Am bemerkenswertesten fand ich Freys Interpretation des Auftrages öffentlich-rechtlicher Anstalten. Sein alleiniges Argument war die „Mehrheitsfähigkeit“ des Programms. Zwei Drittel seiner Aussagen hätten auch von RTL-Chefin Anke Schäferkordt kommen können – denn sie bezogen sich nur auf möglichst gute Quoten.
Anwürfe zum Durchschnittsalter der ZDF-Zuschauer – 61 Jahre – ließ er auch nicht gelten. Deshalb habe das ZDF ja die Champions League gekauft – „die gefällt einer jüngeren Zuschauerschaft“. Und was unterscheidet das ZDF dann von privaten? „In der Halbzeit gibt es bei uns das Heute Journal.“ Und auch hinterher gäbe es dann anspruchsvolles – „da bleiben einige Millionen dabei“.
Sicher. Wieviele davon noch wach sind, ist eine andere Frage.
Vor allem aber glaubt Frey weiter an die Zeitung. Jeden Morgen freue er sich auf die „Süddeutsche“, auf das Knistern des Papiers, auf die Haptik eben.
Und deshalb ganz speziell für Peter Frey eine wunderschöne Dokumentation, die ich bei Gizmodo fand. Über die letzte handgeschriebene Zeitung der Welt. Ja, die gibt es noch. Genauso, wie es heute noch Kutschenbauer gibt. Es sind nur eben nicht so fürchterlich viele…
Kommentare
Blogposting 05/28/2011 « Nur mein Standpunkt 28. Mai 2011 um 11:31
[…] Die letzte handgeschriebene Zeitung der Welt […]
teekay 28. Mai 2011 um 13:39
Wer als Chefredakteur eines grossen Fernsehsenders auf das Eintreffen einer (!) Tageszeitung wartet, den kann ich persoenlich nicht als Profi ernst nehmen und verliere den Respekt vor ihm.
Und selbst wenn man ‚Mehrheitsfaehigkeit‘ als wichtigstes Oe-R-Merkmal bezeichnen will, dann heisst doch nicht automatisch, dass IMMER ALLE Sendungen so sein muessen. Die Mehrheit der jungen Menschen soll ein Musikmagazin sehen wollen, oder die Mehrheit der Filmfreunde soll bei aktuellen werbefreien Filmen einschalten usw. Mal abgesehen davon, dass ich das Gebuehrenmodell genau anders verstehe, naemlich, dass es erlaubt auch mal Minderheitenfernsehen zu machen. Aber zu hoffen, dass nach einem CL-Spiel ganz ganz viele noch eine Kulturreportage schauen wollen-also fuer diese Weltsicht braucht es wohl eine SZ im Papierabo…
Manuel X. 28. Mai 2011 um 15:12
wer „Mehrheitsfähigkeit“ als oberstes Prinzip ansieht, soll Hardcore-Pornos zeigen…gut, dass ich keine GEZ-Gebühren zahle
Marc 29. Mai 2011 um 13:26
@teekay: Fernseh- und Rundfunkleute wartetn tatsächlich auf unsere Zeitungen – wo bekommen sie denn sonst die Termine für Gerichtsverhandlungen und die Geschichten maroder Kitas her? Solche Termine (o, die kann man auch beim Gericht erfragen) und Themen greifen die aus den Lokalteilen ab.
Aber das nur nebenbei. Der Hinweis auf handgeschriebene Zeitungen und vor allem Kutschen zeigt mir, dass man dann konsequent auf Qualität setzen muss. Dann bleibt man mit seinem Holzmedium eher übrig, als die, die die Billigheimer kopieren wollen.
Allerdings wäre die Zielgruppe „ÖR-Chefredakteure“ doch sehr klein.
r3v 30. Mai 2011 um 6:19
@Marc
Ich glaube es geht um die „eine“ Zeitung 🙂
Von einem Menschen in dieser medialen Position könnte man theoretisch erwarten das er viele verschiedene Nachrichtenquellen heranzieht um verschiedene Sichtweisen auf die Materie zu bekommen also z.B. 2-n Zeitungen.
Meiner Meinung nach sollte das ÖR nicht so quotenbessessen sein sonst sehen wir in Zukunft nur noch Shows a la „Wetten Das?“ und den „Musikantenstadl“ oder noch mehr SOAPS auf ARD und Gerichtsshows und Talkshows am Nachmittag.
Dann gibts noch die Supernanny oder Supergranny und wir sind bald auf dem Niveau der Privaten angelangt. Ich weiß schon warum ich keinen Fernseher mehr habe und dies ist nur eine weitere Meldung die mich nicht gerade ermuntert daran etwas zu ändern.
Philip 30. Mai 2011 um 10:40
Ich würde ja sagen, dass es in Zukunft eher wieder mehr handgeschriebene Zeitungen geben wird. Spätestens wenn es die Zeitung auf Papier nur noch als spleeniges Nischenprodukt für Leute gibt, die damit zeigen wollen, dass sie es sich leisten können, altmodisch zu sein.
Die Mär vom unvoreingenommenen Journalismus 31. Mai 2011 um 9:59
[…] Woche, auf dem Podium der “Hildesheimer Allgemeinen Zeitung” erntete ich für eine meiner Äußerungen aufgeregtes Gegrummele aus dem Zuschauerraum und ein […]
czyslansky » Print ist out–The Musalman ist in! 31. Mai 2011 um 15:40
[…] Entdeckt bei Thomas Knüwer. […]