Sie ist schon seltsam, die PR-Branche. Einerseits tupft sie sich in trauter Runde mit Wattebällchen ab, andererseits lässt sie sich gern von Journalisten auspeitschen. Wirtschaft ist manchmal gar nicht so schwer. Deshalb gibts ja auch Managementbücher auf einem Niveau, das „Die kleine Raupe Nimmersatt“ als Werk der Hochkultur aussehen lässt.
Eine der ganz einfachen Regeln lautet: Wenn man ein Problem erkennt, sollte man erstmal intern daran arbeiten. Erst wenn die Lösung scheitert, ist der Weg nach außen eine Alternative. Schließlich muss ja nicht gleich jeder mitkriegen, dass im eigenen Bereich Bockmist gebaut wird.
Deutschlands Berufskommunikatoren sehen das aber genau andersherum. „Sie haben ja Recht“, murmeln mir eine ganze Reihe von ihnen zu, „in unserer Branche gibt es reichlich Qualitätsprobleme.“ Auch das eklige Bild mit dem Finger in der Wunde (Bäh!) wird gerne bemüht und dann fällt immer wieder der Satz: „Aber in der Branche redet ja keiner drüber“.
Stimmt. Selbst beim Kommunikationskongress des Pressesprecherverbandes fehlten Themen wie Qualitätskontrolle oder das gespannte Verhältnis zu Journalisten. Alles war schön und gut, so weit ich das mitbekommen habe.
Andererseits aber lässt man sich gerne geißeln von Journalisten. Kein PR-Blatt, das nicht gerne eine Anklage von Journalisten in Kolumnenform einholt, je fester drauf, desto besser. Wie eine selbstreinigende Ablasshandlung wirkt das, wie 12mal „Ave Maria“ nach der Beichte. Dann darf weiter gesündigt werden. Jüngstes Beispiel: Der in den USA bestens bekannte Journalist und Blogger Dan Gillmor schreibt jetzt für die „PR Week“. Ob’s was ändert? Wahrscheinlich nicht. Aber ein paar Berufskommunikatoren werden nach der Lektüre nicken, „So ist es“ murmeln – und weitermachen wie zuvor.
Kommentare
PR Blogger 13. Oktober 2005 um 17:09
Thomas Knüwer, bloggender Journalist beim Handelsblatt, legt die Finger gerne in die (von ihm zitierte) Wunde, wenn er u.a. mit seiner Blog-Soap Die kleine PR-Agentur am Rande der Stadt die Berufskommunikatoren (Zitat Knüwer) verballhornt. Und die Praxi…
Christian 17. Oktober 2005 um 7:07
Sehr geehrter Herr Knüwer,
gerne lese ich Ihren Blog. Als Mitarbeiter einer PR-Agentur finde ich den Alltag gut, aber natürlich zugespitzt, beschrieben.
Zu der von Ihnen in diesem Beitrag angestoßenen Diskussion denke ich aber nicht, dass die PR-Branche bei Ihren Artikeln nickt, aber nichts ändert. Meiner Meinung nach unterschätzen Sie die Sachzwänge unter denen PR-Agenturen und Abteilungen stehen. Man sagt nicht umsonst „Wer zahlt, schafft an!“ und das ist nunmal der Kunde. Nur vor diesem Hintergrund sind die meisten Pressemitteilungen zu verstehen. Die Entscheider bei den Kunden kommen meist aus dem Marketing und bewerten nach Zahlen. Man muss eine bestimmte Auflage, eine bestimmte Anzahl von Unternehmensportraits in „meinungsführenden“ Medien und wenn es hart kommt, sogar einen gewissen Media-Gegenwert erreichen. Qualität der Beiträge zählt dabei kaum und auch der Weg, auf dem man dorthin gekommen ist, ist egal.
Hinzukommt, dass Journalisten häufig erzählen sie seien unabhängig und sie seien allein ihrer journalistischen Ethik verpflichtet, obwohl das nicht in allen Fällen zu stimmen scheint. Ich könnte ohne Problem ein Dutzend Medien nennen, bei denen man redaktionell erwähnt wird, wenn man Anzeigen schaltet – und das mit Inhalten, die redaktionell nicht im Geringsten überprüft werden. Kein Wunder, dass man dann in einem Pressetext die komplette Werbebotschaft packt. Unehrlich ist vor diesem Hintergrund die scheinheilige Debatte zur Schleichwerbung und wenig aufrichtig ist auch so mancher Beitrag in Ihrem Blog. Wo ist bei den „Notizen aus dem Journalistenalltag“ der Anzeigenleiter Heiner, der in die Redaktion kommt, und will, dass Sie positiv über Manager XY schreiben, weil es dann ein großes Anzeigenpaket geben soll?
Als Journalist muss man ja nicht unbedingt die Arbeit von PR-Leuten akzeptieren oder respektieren. Aber man sollte mindestens versuchen, die Sachzwänge zu kennen und sich auf diesem Hintergrund eine begründete Meinung zu bilden. Das gehört zu einer guten Recherche dazu. Denn fest steht doch: Kein PR-Mitarbeiter ist grundsätzlich dümmer als ein Journalist – und umgekehrt.
Viele Grüße,
Christian
tknuewer 17. Oktober 2005 um 12:09
Lieber Christian,
Sie treffen die Wurzel des Problems. Die Sachzwänge der Agenturen kenne ich aus Erzählungen von Freunden nur zu gut. Sie sind ein Problem der PR-Branche. Denn eigentlich sind PR-Agenten ja spezialisierte Unternehmensberater. Nur: Sie werden nicht so wahrgenommen.
Kommt der große McKinsey, fällt der Vorstand auf die Knie und ruft: „Guru, erleuchte mich!“ Kommen die Werber, sind das zwar „diese Irren“ – aber irgendwie haben sie ja Ideen, auf die man sonst nicht käme. Kommen aber die PR’ler, sind sie die Dienstleistungssklaven.
Genau dieses Standing müsste die PR-Branche einmal diskutieren. Denn macht sie so weiter, wie bisher, befriedigt sie weder Kunden noch Journalist.
Denn: Erscheinen diese kruden Pressemitteilungen aus den kleinen PR-Agenturen an den Rändern der Städte weitflächig? Nein. Die meisten sind grauenhaft geschrieben und verstoßen sogar gegen das, was die PR-Volos in Fortbildungskursen (so die überhaupt finanziert werden – auch das ein diskussionswürdiges Problem) lernen.
Womit wir bei den Journalisten wären. Denn: Ob eine PR-Agentur unter Sachzwängen leidet, ist mir schnurzpiepegal. Es muss mir sogar egal sein, denn ich werde dafür bezahlt, meine Zeit sinnvoll zu verbringen. Und darunter verstehe ich nicht, aus hyroglyphenartigen Schreiben einen Sinn zu schnitzen. Oder Nachfass-Anrufe von Praktikantinnen zu beantworten, die keinen Schimmer vom Inhalt der Pressemitteilung haben.
Was die journalistische Unabhängigkeit betrifft: Ich hoffe, meine Haltung dazu wird hier deutlich. Die Presse hat eine gesellschaftliche Aufgabe. Wenn Anzeigenkunden Inhalte bestimmen, sind Medien nicht mehr unabhängig – dies ist ein untragbarer Zustand.
Fazit: Die Medien müssen ihre Unabhängigkeit wahren, die PR’ler bei ihren Kunden als Berater anerkannt werden – dann sieht die Zukunft für alle rosiger aus.
Christian 17. Oktober 2005 um 18:26
Lieber Herr Knuewer,
ich fühle unseren Berufsstand zu Unrecht hinabgewürdigt. Journalisten ahnen nicht, wie Betriebsbesichtigungen bei unseren Kunden ablaufen würden, wenn die Termine nicht durch uns vorbereitet würden. Drehtermine wären gar nicht möglich und auch Interviews kämen nicht zustande. Doch der Journalist sieht das meist nicht. Er denkt, es sei selbstverständlich, dass der Geschäftsführer da ist, wenn er kommt und dass alle Maschinen still stehen, damit er Fotos machen kann. Haben Sie schon einmal mit Sekretärinnen in Betrieben gesprochen? Die Chef-Sekretärinnen bekommen Wutanfälle, wenn Journalisten anrufen. Denn niemand lässt so häufig Termine platzen wie Journalisten. Niemand ruft so kurzfristig an und ist dabei so unfreundlich. Und niemand muss so exakt betreut werden. Manchmal denkt man, Journalisten meinen, sie seien die einzigen, die stressige Tage hätten.
Im Gegenzug geben einem viele Journalisten wenig Chancen, sie maßgeschneidert zu beliefern. Fragt man etwa bei einem Wirtschaftsmedium an, ob bei ihnen zu bestimmten Ereignissen Unternehmensportraits vorgesehen sind, wird man mit einem „wir machen Unternehmensportraits, wenn es uns passt“ abgespeist. Dabei ist es doch kein unangemessenener Anruf, einem Journalisten einen großen Getränkehersteller vorzustellen, wenn man weiß, dass in Kürze die Nahrungsmittelmesse Anuga beginnt. Ich finde, das Freundlichkeit zu den Grundlagen unserer Zivilisation gehört. Und da wir dem Journalisten ja auch stets alles organisieren, was er haben will (Interviewtermine, Gesprächspartner, Zahlen etc), ist ein hohes Ross in diesem Fall eine unagemessene Sitzgelegenheit.
Ich glaube auch nicht, dass wir weniger als Berater anerkannt werden als andere Berufsgruppen. Sehen Sie: Die Werbeagenturen müssen mit genau den gleichen Beschneidungen an ihren Ideen rechnen wie die PR-Agenturen. Schauen Sie sich die meisten Werbespots an – die Verbraucher sind so genervt von langweiliger Werbung wie Sie von den Pressemitteilungen. Und McKinsey-Berater werden doch häufig nur eingestellt, damit die Geschäftsführung Unterstützung für Maßnahmen hat, die ohnehin durchgeführt würden. Es sei denn, es gibt eine ernsthafte Krise. Dann allerdings werden auch die PR-Berater sehr viel ernster genommen. So ist der Job der Berater.
Viele Grüße,
Christian
tknuewer 17. Oktober 2005 um 18:42
Lieber Christian,
diese Diskussion wird echt spannend – und ich möchte sie gerne fortführen. Aber erst nach meinem Urlaub. Ich finde es toll, dass jemand aus der PR hier zurückschießt und ich glaube, wir kriegen hier eine richtig gute Diskussion zusammen.
Machen wir ab 10.11. weiter?
Christian 17. Oktober 2005 um 19:05
Alles klar. Machen wir. Ich habe meinen Urlaub schließlich gerade hinter mir…
Schönen Urlaub
Christian 11. November 2005 um 17:54
Hallo Herr Knüwer,
ich würde mich nun darüber freuen, unsere Diskussion fortzusetzen. Wenn ich die Beiträge betrachte, wären nun wieder Sie „an der Reihe“. Ich freue mich also auf eine Antwort.
Viele Grüße,
Christian