Haben Sie, lieber Leser, manchmal Angst um Ihr Hab und Gut, Ihr Haus und Ihren Hof? Zum Beispiel im Sommer, wenn es in Griechenland brennt? Könnte doch mal schnell rüberkommen, das Feuer. Und dann – zack – mit einem Mal ist das Reihenhaus in Troisdorf abgefackelt.
Blödsinn?
Moment mal, zwischen Troisdorf und Brandherden wie Karystos liegen laut Distance Calculator 1970,9 Kilometer – und das ist so rund ein halber Kontinent? Solche Argumente ziehen nicht, wenn Sie deutscher Journalist sind.
Derzeit, zum Beispiel, wird ein atemberaubender Weise ein kompletter Kontinent in einen Topf geworfen. Wird der Anschlag auf die Togolesische Fußball-Nationalmannschaft zum Anlass genommen, die Sicherheit der Fußball-WM in Südafrika zu hinterfragen. Immerhin: Der „Tagesspiegel“ schreibt in Kooperation mit DPA von „über 1000 Kilometern„, die zwischen den Verbrechen und dem Turnierort liegen. Münsterländisch würden wir diese Taxierung als Pi mal Q mal Schnauze bezeichnen: Es sind laut Distance Calculator 2367,9 Kilometer zwischen Cabinda und Kapstadt.
Aber egal, ist ja alles Afrika, also so ne Steppe mit Löwen und Elefanten und Gnus und Wilden. So, scheint es, denkt mancher deutsche Journalist, vor allem aus dem Fernsehfach.
Aber vielleicht ist das auch keine Frage der Lust an der Differenzierung- sondern des Wissens. Denn wie der gemeine deutsche Journalist den Globus sieht, das lässt sich exemplarisch am Beispiel der „Welt“ ergründen. Deren Iphone-App enthält nämlich eine kleine Spielerei, die auf traurige Weise dokumentiert, worüber eine nicht unbedeutende deutsche Zeitung mit gewissem Qualitätsanspruch so berichtet.
Diese Funktion nennt sich Iwelt (Foto: Welt Online) und besteht aus einem Globus mit darin verorteten Nachrichten. Die meisten – klar – kommen aus Europa und den USA. Israel und der Iran sind ebenfalls regelmäßig vertreten. Afrika wäre ohne die WM kaum vertreten. Oder bestenfalls durch lustige Boulevardesken wie „Die Suche nach dem milliardsten Bürger Afrikas“ oder „Mit 88 in die Grundschule, mit 120 Doktor in der Therapie“. Handfeste politische oder wirtschaftliche Nachrichten sind eine absolute Ausnahme.
Immerhin aber wird über Afrika noch gelegentlich berichtet. Südamerika ist für die „Welt“ ein steter Ort des Nichts-Passierens, Asien besteht fast nur aus China, heute immerhin gibt es aus Singapur zu berichten: „Mörder-Müll – Frau warf Chilisauce aus 16. Stock“. Australien? Dunkel. Passiert nix.
Es ist traurig. In einer Zeit, da ein Großteil der Bevölkerung höchst reiseaktiv ist, da Menschen rund um die Welt reisen, ein Besuch in Asien, Afrika oder Neuseeland immer noch aufregend aber nicht mehr unmöglich ist – da scheinen viele Redaktionsmitglieder deutscher Medien in einer Weltsicht gefangen, zu der mir nur ein Wort einfällt: „kleinbürgerlich“.
Kommentare
Sascha Stoltenow 11. Januar 2010 um 17:10
Afrika? Das ist doch das Land, in dem immer so viele Leute sterben, deren Erbe ich dann antreten soll, oder war das wo anders?
Marc 11. Januar 2010 um 18:11
Ach Distanzen, das darf man nicht so eng sehen. Schließlich berichtete die ARD vergangenes Jahr „live“ aus Tokio über Samoa (7485 Kilometer Distanz) und das ZDF war dichte 1900km dran, als es 2007 aus Singapur über die Unruhen in Rangun erzählte.
QotD #7 « Seeing Beyond the Absurd 11. Januar 2010 um 21:57
[…] Aber egal, ist ja alles Afrika, also so ne Steppe mit Löwen und Elefanten und Gnus und Wilden. So, … […]
Fischer 13. Januar 2010 um 1:03
Was haben Sie bloß gegen die Kleinbürger? Das sind die Leute, die damals mit der Ente über den Brenner gezuckelt sind, um die Welt zu sehen…