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Es ist ein Bild des Jammers. Angst vor „Kontrollverlust im Netz, Angst vor der unbekannten Masse der weltweiten User und das Unvermögen, Vorteile der Onlinewelt mit den Nutzern erwartungsgerecht zu teilen“. Das ist nicht die Beschreibung verängstigter Kleingeister. Das ist die Beschreibung von Großunternehmen im Rahmen jener Studie der FH Mainz über die Web-2.0-Aktivitäten der Dax-30-Konzerne.

Das ist die Unternehmenselite der Technologienation Deutschland?

Warum tun sich diese Firmen so schwer?

smprism14_web_smallEinerseits liegt das am eigenen Versäumnis. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase wischte sich so mancher Entscheider erleichtert den Schweiß von der Stirn: Puh, Glück gehabt – um das Internet muss man sich nicht mehr großartig kümmern. Dann wurde es 2008, 2009 und er hatte gelernt, nicht nur seinen Namen, sondern auch den seiner Marke zu googeln – und stieß auf das, was Verbraucher da so reden. Da muss man hinein. Aber wie. Schnell taucht das Social-Media-Prisma auf, das zwar eine beeindruckende Fleißarbeit ist – aber auch jeden Neueinsteiger aufs Tiefste abschreckt.

Wo soll man anfangen?

Selbst wenn diese Frage aber geklärt ist, gibt es noch ein großes Hindernis: Die völlig unterschiedlichen Kommunikationsstränge zwischen On- und Offline. Unternehmen haben praktisch alle einen klassischen Pyramiden-Aufbau. Und jene, die oben an der Spitze walten entscheiden, ob das Gebilde noch vorne, hinten, oben, unten, rechts oder links geht. Das funktioniert nur deshalb, weil von oben nach unten die Beziehungen immer stark sind. Wenn der CEO durch die Werkhalle geht, kann er den Arbeiter am Band rausschmeißen. Gut, es gibt noch so was wie den Betriebsrat – aber prinzipiell. Und der Arbeiter am Band, der weiß das auch.

Im Gegenzug sind die Macht- und Kommunikationsstränge von unten nach oben immer schwach ausgeprägt. Entdeckt der Mitarbeiter am Band, dass das Verrücken einer Maschine ein paar Tausend Euro einspart, kann er nicht einfach ins CEO-Büro laufen. Er muss zu seinem Vorgesetzten, der seinerseits zum Vorgesetzten…

touchgraphfacebookIm Internet sieht das anders aus. In einem Kommunikationsnetz (hier ein Teil meiner Facebook-Kontakte visualisiert per Touchgraph). Wer am Rand ist, bewegt dieses Wolkengebilde kaum. Nur wer in der Mitte ist, vernetzt über starke und schwache, direkte und indirekte Verbindungen, der kann dafür sorgen, dass sich die Wolke nach vorne, hinten, unten, oben, rechts oder links verschiebt.

Da hilft nur das Vernetzen. Aber das ist schwerer, als zu senden und zu diktieren. Sehr schön umschrieben hat es Alisa Yasui von Pilot 1/0 in einem Artikel in Deutsche Startups:
„Es wird aber immer dann schwierig, wenn man glaubt, man könne die klassische Kommunikation in den Social Networks fortführen und eine Werbebotschaft in die Masse drücken. Man muss als Unternehmen unglaublich ehrlich zu sich und den Usern sein. Das ist für die meisten Kunden schon eine Hürde. Banale Botschaften wie aus dem TV helfen dort nicht weiter. Die Informationen müssen viel granularer ausgesteuert werden, es sind ja manchmal nur 20.000 oder gar nur 2.000 Menschen, die angesprochen werden können“



Kommentare


maxwed 10. Dezember 2009 um 6:53

„Entdeckt der Mitarbeiter am Band, dass das Verrücken einer Maschine ein paar Tausend Euro einspart, kann er nicht einfach ins CEO-Büro laufen.“

Das stimmt so nicht. Die meisten Betriebe haben ein Vorschlagswesen, das auch schnelle Rückkoppelungen von unten zulässt. Das krankt eher an der Trägheit der Mitarbeiter ganz unten, solche Systeme anzunehmen.

Ich denke, die Unternehmen sind nüchtern und lassen sich erstmal von Gerede über „Chancen in Web 2.0“ nicht beeindrucken, von Ausnahmefällen abgesehen. Erst wenn die Leitung dann in den entsprechenden Business-Leitmedien nicht nur ein Blah über Chancen liest, sondern die ersten Erfolgsstories anderer auftauchen, setzt man sich in Bewegung. Und zwar erstmal in Richtung auf einen Ausschuß, der die Möglichkeiten und Chancen für das Unternehmen prüft. Da kann dann schonmal ein halbes Jahr mit Ausschußarbeit vergehen. Und sollten die zum Ergebnis kommen: „es sind ja manchmal nur 20.000 oder gar nur 2.000 Menschen, die angesprochen werden können“, dann kann es zu Vertagungen kommen der Art: In ein, zwei Jahren prüfen wir das nochmal. 2000 potentielle Kunden, für einen Autohersteller schon was wert; ein Zahnbürstenhersteller lacht doch darüber, 2000 potentielle Käufer von Pfennigartikeln über Twitter „möglichst persönlich betreuen“ zu sollen. Aufwand, Nutzen!

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Peter Zarger 10. Dezember 2009 um 20:06

> Warum tun sich diese Firmen so schwer?

Weil sie sich wie die Maden im Speck in einem Umfeld aus Lobbyismus, Subventionen und „guter alter Zeit“ (Kohl-Republik) eingegraben haben.

Und weil auf der anderen Seite im Umfeld der neuen Technologien so ungeheuer viele durchgeknallte Typen rumlaufen.

Und weil es zum Teil wirklich sinnlos ist. Commerzbank, Hannover Rückersicherung, K+S, Metro, Münchener Rück, ThyssenKrupp sollen die schlimmsten Social-Media Verweigerer sein. Und?

Sollte ich mal Bedarf an einem U-Boot von ThyssenKrupp habe, brauche ich dazu kein Twitter-Geschwätz. Da lass ich mir die Herren kommen. Dann erwarte ich, dass mich keine Web 2.0-Knallchargen besuchen, denn töten ist ein ernstes Geschäft.

Mein Bedarf an Kali und Salzen hält sich in Grenzen und hängt nicht von einer K+S Facebook-Seite ab. Rückversicherungen? Metro? Bei denen kann ich gar kein Kunde werden. Warum sollte mich ein YouTube-Channel von denen interessieren? Überhaupt, sind Marketingmaßnahmen von Versicherungen durch die Abwesenheit von Wahrheit gekennzeichnet …

Wollen sie wirklich ein Commerzbank-Blog? Da würde sowieso nur drin stehen wie geil die Commerzbank ist und dass man Commerzbankprodukte kaufen, kaufen, kaufen soll.

Was sich die WiWis in Mainz da zusammenstudiert haben ist ziemlich wertlos.

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Ralph 10. Dezember 2009 um 20:56

Naja, ich weiß nicht ob Vernetzung das Mittel gegen steile Hierarchien und Desinteresse der Mitarbeiter in den Unternehmen ist. Ist für mich ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen. Erst müssten mal Mitarbeiter am Unternehmen stärker beteiligt werden (auch materiell), mehr Mitsprache- und Entscheidungsmöglichkeiten bekommen und Bosse dürften sich nicht mehr wie Monarchen gerieren – dann würden die Hierarchien zwangsläufig flacher, und die Vernetzung – sei es über Facebook oder auch ganz altmodisch über Gespräche – würde sich automatisch einstellen. Das Social Web ist nur ein Tool, after all, für das die Voraussetzungen in den Firmen erst geschaffen werden müssen – und nicht umgekehrt.

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