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Ich Mann. Ich müssen essen. Viel essen. Und dazu trinken. Und dann nicht mehr können bloggen. Deshalb gestern konnte nicht vollenden Gruner + Jahr-Testosteron-Day. Aber heute sein auch noch Tag.

Also widmen wir uns den schönen Seiten des Lebens mit der „Gala Men“. Liebe „Gala Men“-Redaktion, bitte buchen Sie mal eine Reise. Ich weiß, ich weiß, das ist teuer und Ihr Redaktionsetat begrenzt. Aber trotzdem: Reisen Sie mal nach London. Hippe Stadt, gibt ne gute Geschichte her, da bin ich sicher.

Welche Form von Ausweis nehmen Sie mit? Hm? Na?

„Den Reisepass“ werden sie antworten und ich entgegne: Och, der Perso reicht.

Nicht aber, wenn man das überflüssige Quiz auf Seite 127 der ersten Ausgabe von „Gala Men“ beantwortet – dort darf man nach Großbritannien und Irland nur mit dem Pass.

Das ist eine Petitesse – aber irgendwie bezeichnend für eine zu zwei Dritteln lieblos hingeschluderte Premierenausgabe.

Ich kann mir gut vorstellen, wie es überhaupt zu diesem Blatt gekommen ist. Da fliegt ein hochrangiger G+J-Manager, nennen wir ihn einfach mal Bernd, viel durch die Gegend und er darf das vielleicht sogar noch in der Business-Klasse. Dort greifen sich flanellbetuchte Führungskräfte jeden Donnerstag „Gala“ und „Bunte“.

Bernd also denkt sich: „Da geht was“. Und beschließt einen männlichen Ableger der „Gala“ – schließlich lesen die Männer ja schon das nicht an sie gerichtete Mutterblatt.

Die Weisung geht in die Verlagsgremien. Und dann, in der Projektgruppe, liegen viele, viele Marktforschungsdaten vor. Die besagen einerseits, dass Männer sich nie im Leben für Klatsch, Tratsch und Promis interessieren – es dafür aber einen neuen Männertypus gibt, der Mode liebt und sich pflegt.

Und dann kommt das heraus, was „Gala Men“ ist – ein Magazin, das überhaupt nichts mit der „Gala“ zu tun hat.

Dabei beginnt es stark. Das Brad-Pitt-Portrait ist tatsächlich das: ein Portrait. Ein saustarkes sogar. Eines das den Leser nicht unterfordern will: „Pitt bringt man nur zum reden, wenn man seine Erwachsenheit, oder besser, seinen Homo politicus im Sinne Aristoteles ernst nimmt.“

Leider, leider ist das Stück nur 1,67 Seiten lang. Warum, wie bei „Beef“, diese Kürze? Menschen, die ein Magazin kaufen, wollen es auch lesen, behaupte ich. Und erst recht, wenn eine Redaktion so tolle Texte hervorbringt, wie das nächste Portrait, eines über den Bodyguard von Beyoncé. Wobei Textpassagen geschwärtz wurden – ohne zu erklären warum. Merkwürdig.

49 Seiten hält der Journalismus durch. Dann muss er Platz machen – den Wünschen der Anzeigenkunden und den verdrehten Vorstellungen von Verlagsvermarktern über das, was Männer so zu lesen haben.

Und schon geht es los mit Modestrecken, die man in „GQ“ schon besser gesehen hat und den immerimmerimmer gleichen Herrepflegetipps. Da ist egal, ob „Gala Men“ drübersteht oder „Player“ oder „Vogue Men“. Immer die gleichen Marken, immer die gleichen Themen – austauschbar wie weiße Blätter Papier.

Zwischendurch dann mal was redaktionelles, doch es geht einfach unter. Ganz schlimm eine Fotostrecke mit Kate Moss, eine Nacht mit ihr soll sie dokumentieren, faktisch aber geht es nur darum, ihre halb entblößten Brüste in körnige Fotos zu dekorieren.

Und hier noch ein Rat an die Redaktion: Hochpreisige Marken (ich spreche da aus meiner Erfahrung mit dem „Weekend Journal“ des Handelsblatts) mögen es eher so gar nicht, wenn sie mit Billigprodukten platziert werden. Erst das Billigzeug von Gillette, dann Clarins – das findet Clarins wenig motivierend in Sachen künftige Anzeigenschaltungen. Und nur wegen solcher werden Redaktionen ja genötigt, diese Themen zu machen.

So endet der Gruner + Jahr-Testosteron-Day mit Verärgerung. Weil die „Gala Men“-Redaktion stellenweise zeigen darf, was sie kann. Weil dies aber nur Spurenelemente im Verdauungsmechanismus eines nach Anzeigen gierenden Großverlags sind.

Drei neue Produkte für Männer an einem Tag. Eines mit Potenzial, eines mit dünnen Ansätzen und ein Durchfaller – das ist keine gute Bilanz. Man würde sich so sehr wünschen, dass neue Magazine nicht floppen. Weil jedes, das nicht floppt andere Verlage motiviert, auch etwas zu wagen.

Doch genau das ist es ja: Zwei der drei Blätter wagen zu wenig. Sie sind Kopfgeburten ohne Seele und ohne Herz. Warum also sollte sich der Leser in sie verlieben?


Kommentare


Eric Klepptenberger 16. Oktober 2009 um 14:35

Hier bitte auch beachten. Blattkritik am Business Punk

http://fruehstuecksfleisch.blogspot.com/2009/10/no-future-for-business-punk-eine.html

Grüße
ek

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Olaf 16. Oktober 2009 um 15:18

Wie Sie schon sagen, Herr Knüwer, kein Herz und keine Seele.

Es ist das immer gleiche Zerhäckseln von Menschen in Zielgruppen und das wiederholte Stopfen von Individuen in Schubladen. Es geht nicht darum einen echten und wahrhaften Nutzen zu bieten, sondern darum Bedürfnisse zu wecken, von denen man(n) gar nicht wusste, dass es sie gibt, aber die in der großen Mehrzahl unnütz bis unnötig sind. Wen interessiert denn das 328igste Parfüm irgendeiner Marke oder das neue und für die meisten unbezahlbare Modell einer weltraumsicheren Taucheruhr?

Ich möchte auch nicht in jedem Magazin Brüste sehen, denn ich will lesen, lernen und unterhalten sein. Das, entschuldigen Sie bitte, kotzt mich schon lange an. Diese permanente Fleischbeschau versaut einem nämlich gehörig den Appetit. Und wenn ich dann noch höre, dass eines der Magazine „Beef“ heißt, dann weiß ich wes Geistes Kinder sich da austoben konnten und hoffe auf eine vernichtenden Verriss in der EMMA.

Ich brauche G. + J. nicht um mich sexuell in Schwung zu bringen. Ich brauche G. + J. aber auch nicht, wenn ich auf der Suche nach geistigem Stimulus bin. Es gibt Gott sei Dank noch ein paar Oasen mit echtem Journalismus, wo die Liebe zum Handwerk, zu den Geschichten und den Menschen dahinter spürbar sind. Das ist das was ich suche, weil es nämlich authentisch ist. Und damit hat es auch einen Nutzen für mich, denn damit kann ich was anfangen.

Vielleicht noch ein Wort zur Werbung, denn ich möchte nicht den Eindruck erwecken, ich wäre grundsätzlich dagegen. Für mich ist Werbung immer (leider all zu oft schlechte) Kommunikation, manchmal Unterhaltung aber fast nie Information. Wenn die Werber wollen, dass ich mich mit ihren Produkten beschäftige, dann sollten sie mich neugierig machen und mir nicht irgendeinen Schmarrn vom „axe-Effect“ erzählen. So was greift doch wirklich nur noch bei denen, die dem Primaten näher sind, als dem Menschen.

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smatthes 16. Oktober 2009 um 15:45

ich weiß nicht, ob Testosteron wirklich der Antrieb ist. Jemand mit viel Testosteron braucht solche Magazine nicht, eher die metrosexuellen, die sich eigentlich für Frauenmagazine interessieren, sich aber nicht trauen, die öffentlich zu lesen…

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Olaf 16. Oktober 2009 um 16:39

Okay, okay, \“Beef\“ ist ein Koch-Magazin. Die dort behandelten Brüste sind dann vielleicht doch nichts für einen Verriss in der EMMA. 😉

Lesen werde ich´s dennoch nicht, denn das Zepter beim Kochen hat meine Frau – und zwar aus gutem Grund. Und wegen der tollen Messer alleine, Zitat: \“Wer Essen will, muss schälen und schneiden!\“, lohnt sich die teure Ausgabe für das Heftchen auch nicht. Aus dem Geld zaubert die beste Ehefrau aller Zeiten nämlich ein opulentes Abendessen. Mit Wein.

Vielleicht gehöre ich aber auch einfach nur nicht zur Zielgruppe von G.+J.?

Wie schade aber auch…

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Chat Atkins 17. Oktober 2009 um 9:49

Vati, wer ist denn der schlecht rasierte Onkel da auf der Titelseite?

Und sollte nicht jemand, der hochgestochen daherzuknödeln wähnt, nicht auch den bildungsbürgerlichen Genitiv-Apostroph zwecks Lesehilfe noch kennen (\“… Homo politicus im Sinne Aristoteles\‘ …\“)?

\“Herrepflegetipps\“ ist übrigens gut. Lebt der eigentlich noch?

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Franziska 18. Oktober 2009 um 0:13

Bernd? Warum ausgerechnet Bernd?

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Ulf J. Froitzheim 19. Oktober 2009 um 15:16

Warum nicht Bernd? Axel, Gerd und Rolf können es wohl kaum gewesen sein. Wer nicht weiß, welcher Bernd gemeint ist, kann mit dem heutigen Blog eh nichts anfangen.

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Mirko 20. Oktober 2009 um 10:18

Muss ich mich schämen ein Mann zu sein? Verdammt nach dem ich das gelesen habe kann die Antwort nur \“Ja\“ lauten.

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