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Wer sich für den Zustand der Medien interessiert, der konnte heute heftig schmunzeln. Er sah vor seinem inneren Auge eine verzückte Miriam Meckel, Medien-Professorin in St. Gallen ihres Zeichens. Ein Weichzeichner glättete ihre Konturen, ihr Lächeln strahlt vor Glück, ihre Blick ist sanftmütig. Leise Musik spielt im Hintergrund, vielleicht Vivaldi oder Rossini. Meckel sitzt an einem hölzernen Tisch in einem provencalischen Garten. Sie seufzt zufrieden und blättert ihre Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen“ um.

In diesem Moment ertönt ein Schrei. „Verdammte Scheiße!“, durchreißt es die Idylle. Der Ruf kommt aus dem Nebenhaus. Die imaginäre Kamera in unserem Kopf fliegt hinüber, in das Schlafzimmer. Dort liegt, die Bettdecke von Kaffee durchnässt, „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und wirft entnervt sein eigenes Blatt neben das Bett. Über die digitale Spaltung wird seit Jahren spekuliert. Angeblich sollen – je nach Auslegung – die Armen von den Reichen abgehängt werden oder die Ländlichen von den Städtern. Grund: mangelnder Online-Zugang.

Nun kann inzwischen aber fast jeder irgendwie online sein. Und vielleicht sollten wir, wenn wir über die Zukunft der Medien sprechen, die papierene Spaltung betrachten. Denn es gibt eine Kluft zwischen jenen, die Tageszeitungen ehrfürchtig und in aller Muße genießen – und jenen, die nicht mehr wissen, warum und wie sie dies tun sollen.

Ein schönes Bild jener papierenen Spaltung liefert ein Artikel von Miriam Meckel für die „FAZ“. In diesem räsonniert sie über den traumhaft hochqualitativen Journalismus, der im Alltag zu oft an Budegrestriktionen und Personalknappheit scheitert. Dass Bürger keineswegs Amateure sind, sondern in bestimmten Bereich kundiger als Journalisten – ach, diese Diskussion ist jetzt so alt. Deshalb mag ich hier auch nicht mehr diesen Artikel schreiben, der seine flache Argumentation hinter hübschen Worten verbirgt.

Interessant aber ist der Einstieg. Da schreibt Meckel:
„Stellen Sie sich vor, Sie säßen an einem sonnigen Sonntagmorgen in einem Sessel, Tee oder Kaffee auf dem Tischchen neben sich, und läsen eine Zeitung. Das ist es, was ich als Außenbeobachter sehen könnte, wenn ich Sie bei dieser Tätigkeit betrachtete: einen glücklichen Menschen, eins in Geist und Körper, in entspannter Haltung der Lektüre und dem Nachdenken darüber gewidmet.“

So also sieht Meckel den Zeitungsleser. Nur: Wo gibt es ihn denn noch dergestalt? Vielleicht ist genau das der Haken bei der Wahrnehmung der Zeitung. Zu viele Entscheider der Branche haben noch genau diese Zeit. Sie sitzen am Morgen daheim oder im Büro und gönnen sich beim Espresso die Zeitung.

Die Lebensrealität eines weiten Teils der Bevölkerung aber sieht ganz anders aus. Im Büro ist keine Zeit mehr zum Lesen, daheim auch nicht. Wir leben in einer schnellen Welt mit hohen Ansprüchen. Und vieles von dem, was am Morgen in der Zeitung steht, gab es schon am Vortag online, man hat es auf dem Computer gelesen, dem Handy oder dem Ipod Touch. Warum dann noch Zeitung?

„Glückliche Menschen, eins in Geist und Körper, in entspannter Haltung der Lektüre und dem Nachdenken darüber gewidmet“? Das können sich innerhalb der Woche bestenfalls noch Top-Manager, Politiker, Rentner und Professoren leisten. Reichen die um das Wirtschaftskonstrukt Tageszeitung zu erhalten? Und mehr noch: Nicht einmal die sind ja glücklich mit dem gedruckten Papier. Das verrät ausgerechnet „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo im Interview mit Persönlich.com:
„Die Zeit im Bett zu lesen, ist die Hölle.“

Kurz vorher sagt er:
„Die Zeit hat die gleiche Grösse wie die Süddeutsche Zeitung oder die FAZ. Alle wichtigen Titel Deutschlands – inklusive der Bildzeitung – besitzen das Nordische Format.“

Sprich: Auch die Lektüre von „FAZ“ oder „Süddeutscher“ im Bett ist die Hölle. Immer weiter schränkt sich also das Feld ein, in dem Zeitung anscheinend gelesen werden kann. Man muss also am Tisch sitzen und Muße haben. Wie war das noch mit der „haptischen Komponente“, die bedrucktem Papier so viel Vorteil sichern soll?

Nein, es reicht nicht, wenn nostalgische Medienprofessorinnen im Gleichklang mit pitbulligen Rechteverteidigern versuchen zu erhalten, was schon bröckelt. Es wird Zeit, sich endlich mit den neuen technischen Möglichkeiten zu beschaffen um den Journalismus in die Zukunft zu bringen – statt die Zeitung in der Vergangenheit zu halten.


Kommentare


Ugugu 12. Mai 2009 um 15:07

Möchte dem hinzufügen, dass die \“Zeit\“ in der Badewanne zu lesen noch einiges übler ist. Wobei sich ein Kindle als Alternative auch nicht wirklich aufdrängt…

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Frank Hamm 12. Mai 2009 um 16:11

Gerne säße ich an einem sonnigen Werktagmorgen im Stuhl auf der Terrasse, einen frisch gebrühten Kaffee auf dem Tisch vor mir, daneben mein Notebook, mit dem ich genüßlich meine RSS-Zeitung gemischt mit privaten und \“dienstlichen\“ Inhalte läse.

Das ist es, wenn Sie mich bei dieser Tätigkeit betrachteten: Einen glücklichen digitalen Menschen, eins in Geist und Körper, in entspannter Haltung der Lektüre, dem Nachdenken darüber und der Kommunikation mit Menschen gewidmet.

Zufrieden mit sich und der Welt und darüber, dass er die lange Fahrt ins Büro sich sparte, sich erfreute an der ergebnisorientierten Arbeitsumgebung (ROWE, Results Oriented Working Environment), mit der er die Umwelt, sich selbst und seine Chefs schonte.

Gerne würde ich mich an \“Qualitätsinhalten\“ erfreuen – und mir wäre schnurzpiepegal, ob die Inhalte von Journalisten oder anderen Menschen kämen.

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Felyx 12. Mai 2009 um 16:33

Häufig schmunzeln, ganz richtig… die Einleitung habe ich als philosophischen Schnickschnack ohne Relevanz abgetan. Die \“Argumente\“ fand ich hingegen sehr viel interessanter, will heißen: Sie boten eine bessere Angriffsfläche.

Bei einigen Schlüssen Meckels sträuben sich mir die Nackenhaare. Die \“soziale Synchronisation\“ sei etwas, das nur der \“Qualitäts\“journalismus sichert? Was ist mit dem was ich gerade tue, kommentieren? Man kann dem Web 2.0 viel vorhalten. Dass der Diskurs bzw. die Möglichkeiten hierzu zu kurz kämen, sicherlich nicht!

Das habe ich in einem Blogbeitrag in aller Ausführlichkeit dargelegt: http://blogts.wordpress.com/2009/05/12/der-grose-online-stempel/
Die Eigenwerbung möge man mir verzeihen, dankeschön.

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Hans Bayartz 12. Mai 2009 um 17:03

Herr Knüwer ich stimme Ihnen zu:
1. Wir brauchen Konzepte für die Print- und einen Online-Medien.
2. Wir brauchen Journalisten, die das umsetzen können.
3. Wir brauchen Offenheit, Ideen und viele Mitdenker, die Neues entwickeln, neue Strukturen zulassen, neue Partner ins Boot holen, Bürger mitmachen lassen, und den Mut, vieles zu testen und sich an das, was einmal in Zukunft Journalisten und andere über Medien dem Bürger vermitteln, mühsma erarbeiten wollen.
4. Wir brauchen Verleger, die den Mut und die Kreativität haben, sich diesem zu öffnen.
5. Wir brauchen Geschäftsmodelle, die genügend abwerfen, um das zu finanzieren.
6. Wir sollten nicht übereinander sondern miteinander kommunizieren – Journalisten, Verleger, Ideengeber, Mitmacher.

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Weltenweiser 12. Mai 2009 um 17:03

Es soll ja jetzt ganz neu diese Klapprechner geben, die man herum tragen kann und da dachte ich vielleicht kann man sich damit an den Frühstückstisch..? Nein, das wäre wohl doch eine zu gewagte futuristische Vorstellung.

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Ulrike Langer 12. Mai 2009 um 17:51

Mich hat Meckel auch zum Widerspruch gereizt. Bei der Visualisierung glücklicher zeitunglesender Menschen (könnte glatt ein Werbespot des Zeitungsverlegerverbandes sein) habe ich zwar nur geschmunzelt, aber die simple inhaltliche Vereinfachung: Zeitung = Qualitätsjournalismus, unbedingt in seinen Strukturen zu erhalten, Inhalte aus dem Netz = von klassischen Medien abgeschrieben und weiterverwurstet, konnte ich nicht unkommentiert lassen. Meine Replik auf Meckel auf meinem Blog: http://medialdigital.wordpress.com/2009/05/12/in-der-grotte-verharren-hilft-dem-journalismus-nicht-weiter-antwort-auf-miriam-meckel/

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xconroy 12. Mai 2009 um 20:09

Ich lese gern Miriam Meckels privates Blog, dort steht viel Nachdenkenswertes. Umso, äh, nachdenkenswerter finde ich es jetzt, daß sie mit diesem Artikel einfach nur exakt in die seit Monaten von jammernden \“Qualitätsbewahrern\“ geschlagene Kerbe haut, ohne wenigstens ein paar neue Aspekte reinzubringen.

Auch bei ihr, wenn sie es auch nicht direkt ausspricht, klingt dieses Irgendwie-Beleidigtsein durch, dieses \“wir gegen euch\“.

Dabei geht es doch gar nicht darum (und auch das wurde schon oft gesagt), daß \“die Blogger\“ oder \“die böse Kostenloskultur\“ \“den Qualitätsjournalismus\“ verdrängen würden. Das sind Sandkastengefechte, die übrigens von beiden Seiten bestritten werden und die ihre Zeit hatten, aber könnte jetzt vielleicht mal gut sein damit? Der Lauf der Dinge wird dadurch nicht aufgehalten.

Vielmehr sollte es darum gehen, wie künfig eine sich gegenseitig befruchtende Koexistenz möglich wäre. Und vielleicht sollten dazu nicht nur die Publizisten (ob professionelle Journalisten oder Blogger) gehört werden, sondern auch die Leser. Ich mach mal den Anfang:

ich persönlich lese *keine* Tageszeitung. Aktuelle News hole ich mir ausschließlich aus dem Netz, der Google Reader ist meine Startseite.
Das ist das eine. Dabei geht es um allgemeine Nachrichten für möglichst viele, deren Wert in ihrer Aktualität besteht. Diejenigen, die längerfristig für mich von Bedeutung sind, habe ich früher ausgeschnitten, heute landen sie bei delicious.
Die andere Seite sind dann aber die nicht auf sofortige \“Instant\“-Aktualität zielenden Spezialpublikationen. Ich lese (und kaufe bzw. halte als Abo) regelmäßig verschiedene Zeitschriften: 11Freunde (Fußball), Galore (Interviews), Juice (HipHop); unregelmäßiger, aber doch recht häufig: Keys (Musikproduktion), musikexpress, Neon, Men`s Health, konkret. Ab und an trotz teuer sogar den Cicero (doch echt… es macht durchaus Spaß und Sinn, mal Leute auf vergleichsweise hohem Niveau argumentieren zu sehen, die in fast allem komplett anders denken als man selber). Früher – muß so um 2000 gewesen sein – den SPIEGELreporter (das beste, was vom SPIEGEL jemals produziert wurde, leider viel zu früh wieder eingestampft… dafür hätte ich problemlos den doppelten Preis bezahlt).

In diesem Sektor liegt der Qualitätsjournalismus ohne \“\“, nicht nur weil dort tatsächlich recherchiert wird statt nur dpa-Meldungen abzuschreiben, sondern weil nicht der Druck des Sofortganzprontoaktuellseinmüssens besteht.

Die Tagesnachrichten gehören dem Netz, das läßt sich nicht mehr ändern und das ist auch ganz ok so. Für die tiefergehenden Berichte gibt es nach wie vor Bedarf, und es macht wohl mehr Sinn, Entwicklungsmöglichkeiten in diese Richtung zu erforschen, statt seine Zeit mit einem zunehmend peinlicher werdenden Dauergejammer zu verschwenden.

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Media Addicted 13. Mai 2009 um 10:02

Witzig, denn genau die Nummer mit der völlig unformatigen ZEIT habe ich neulich auch durchlebt.

Ich lese -bis auf die ZEIT- auch keine Print-Zeitung. Und das nur aus einem einzigen Grund: wegen dieses blöden Formats. Ganz zu schweigen von der Bahn, vom Flieger oder dem Taxi.

Das Teil passt gefaltet gerade so eben in die Aktentasche, aber wenn man die Artikel lesen will, hat man mit dem Falten schon keine Chance mehr, weil man zu ständigem Um-Falten gezwungen wird. Selbst im Bett ist das nervig, an anderen Orten erst recht.

Gäbe es Zeitungen auch in A3, besser noch: in SPIEGEL-Format, meinetwegen auch \“nur\“ gefalzt statt geheftet, ich läse mindestens drei oder vier Tageszeitungen.

Der große Witz ist: es geht mir dabei überhaupt nicht um den Content. Bis auf wenige, wenige Blogs sind die \“Qualitätsblätter\“ ziemlich weit vorne, wenn es um Informationen geht. Es geht mir nur um das Format.

Machen Zeitungen eigentlich Kundenumfragen? Oder Pretests, wie Procter bei Fast Moving Consumer Goods? Irgendwas? Das müsste doch schonmal thematisiert worden sein….

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Mirko 13. Mai 2009 um 16:01

Freitag Morgen im Hotel. Am Frühstückstisch gönne ich mir den Blick in die Zeitung, bevor der Tag mit Terminen beginnt…

Am Nebentisch 3 Jungs um die zwanzig. Keine Zeitung weit und breit. Dafür als Frühstückslektüre das Netbook mit web\’n\’walk Stick.

Ah, das ist die Generation, die dem Print den Todesstoß versetzt.

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