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Die vergangenen zwei Tage verbrachte ich auf der Web-Konferenz Next09. Es waren zwei Tage mit wenigen High- aber fast ohne Lowlights.

Das klingt nach Kritik – ist aber nicht so gemeint. Seit vier Jahren organisiert die Multimedia-Beratung Sinner Schrader nun den Haus-Kongress Next. Sie begann als leicht chaotische Reminiszenz an die New Economy, betrieb im Jahr darauf Buzzword Bullshit Bingo und fand im vergangenen Jahr ihren Platz als Schnittstelle zwischen klassischen Branchen und der Online-Gemeinde mit dem Schwerpunkt auf Marketing.

Auf 1300 Teilnehmer ist sie inzwischen angeschwollen und auf anderthalb Tage. Die Verlängerung des Programms ist eine mittelgute Idee, der Dienstag verlief ein wenig schleppend. Nur im großen Saal, fast nur Einzelredner, es fehlte ein wenig der Schwung.

Jeff Jarvis war exzellent, auch wenn er nur die Thesen seines empfehlenswerten Buches „Was würde Google tun?“ vortrug. Umair Haque vom Havas Media Lab sinnierte über die Zukunft der Wirtschaft mit interessanten Thesen aber leider mit dem mitreißenden Elan eines Beamten kurz vor der Pensionierung. Andrew Keen ist inzwischen irgendwie gegen alles, so lange es ihm ein Redner- oder Buchhonorar einbringt, außer gegen Twitter – bei Twitter ist er dafür. Und die Telekom in Form von T-Mobile wird wohl nie begreifen, dass bei solch einem Kongress eine Verkaufsveranstaltung nicht nur langweilt, sondern auch das Vorurteil bestätigt, dass der Konzern einfach keine Lust hat, in die Zukunft zu denken – oder es einfach nicht kann.

Der zweite Tag war bunter und bewegter. Im Halbstundentakt wechselten die Redner, Handmikros wurden zu Staffelstäben und das in vier Räumen. Und doch war es nie wirklich hektisch, die Next wurde zum langen, ruhigen Fluss – und zu einer Art Business-Bestandsaufnahme.

Viele Redner gehörten nicht zum üblichen Podiumskreis der Web-Kongresse. In Hamburg tauchen auch Großkonzerne wie BMW auf und zeigen ihre Online-Arbeit. Das ist interessant und wichtig – aber selten mitreißend-inspirierend.

Das ist keine Kritik: Denn auch die Besucher haben eine eher geringe Schnittmenge zu Le Web, Picnic oder Re-Publica. Viele Werber sind da und Marketing-Leute von Großunternehmen. Sie könnten wenig anfangen mit einer Veranstaltung gehobenen Geek-Faktors.

So mäanderten die Teilnehmer umher, für das Vernetzen war die Kampnagel-Fabrik großartig. Doch in diesen Tagen, da es allerorten kriselt, ist diese Form der Ruhe auch bemerkenswert: Während andere paniken bleiben jene, die mit dem Netz zu tun haben, einigermaßen gelassen. Entweder, sie unterschätzen die Lage – oder sie werden nicht so hart getroffen. Na gut, mancher bleibt auch deshalb entspannt, weil er die Jahre 99 bis 01 miterlebt hat – schlimmer kann ein Absturz nicht mehr werden.

Die Next09 war somit fast eine Next08/15. Derart könnte eine Konferenz der Internet-Branche in ein paar Jahren immer aussehen, wenn das furiose Wachstum vorbei ist, aus einer Szene eine Industrie geworden ist, die sich nicht mehr herumschlagen muss mit Vorurteilen, Halbwahrheiten und Familienministerinnenbehauptungen, ein Fünftel von ihr sei kinderschänderisch veranlagt.

So bleibt am Ende nur noch eines: ein ausdrücklicher Glückwunsch an das Organisationsteam. An dem kann sich jeder Veranstalter von Kongressen und Seminaren ein Beispiel nehmen.

Und hier noch ein finales Fazit von IT-Beraterin Martina Pickhardt, „Mediummagazin“-Berichterstatterin Ulrike Langer, Kommunikationsberater Christian de Vries:

Und hier noch ein paar Konferenz-Zitate:

„Der Big Mac ist das Lebensmittel-Gegenstück zum CDO.“
„Der Tata Nano zielt auf Käufer, die bisher radikal marginalisiert wurden.“

Umair Haque, Havas

„Ich habe 1983 bei Greenpeace angefangen und fühlte mich lange als Spinner.“
„Ist Öffnung ein Kontrollverlust? Ich halte sie für einen Zugewinn.“

Roland Hipp, Greenpeace-Geschäftsführer

„Medien können in einer Welt des Überflusses die Bedürfnisse ihrer Werbekunden nicht mehr voll befriedigen.“
„Social Media bedeutet nicht Kampagne, sondern Beziehung.“
„Entwicklungen von morgen lassen sich nicht mit den Instrumenten von gestern messen.

Dieter Rappold, Knallgrau

„If you’d talk to people like advertising talks to people, they’d punch you in the face.“
Zititiert von Maria Sipka, Linqia


Kommentare


Henning 6. Mai 2009 um 22:23

Frau vdL hat gesagt daß 20% der Pädophilen, die im Internet unterwegs sind, technisch versiert sind. Das hat sie denkbar schlecht ausgedrückt, aber bei all ihren ignoranten Äußerungen verstehe ich nicht, warum sich alle über diesen kleinen Fauxpas so aufregen.

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Roland 6. Mai 2009 um 23:18

Ein Beitrag, in dem zweimal versichert wird, dass es sich nicht um Kritik handelt? Wie heißt es so schön, wer sich verteidigt, klagt sich an… 😉

Aber gut zusammengefaßt, ich teile die Meinung, dass die Veranstaltung insgesamt zwar ganz gut, aber eben nicht überragend war. Vielleicht sollte sich das Orgateam doch einmal überlegen, ob man nicht lieber Qualität als Quantität bieten sollte…

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roland hachmann 6. Mai 2009 um 23:41

Insgesamt war das eine sehr gelungene Konferenz, wie ich finde. Klar, so mancher Vortrag war lediglich Teil der Konferenz-Tournee des jeweiligen Vortragenden, nichtsdestotrotz war die Veranstaltung eine gute Mischung aus interessanten Vorträgen und Diskussionen, aber auch angenehmen Netzwerkeln bei leckeren Häppchen 😉

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klaus bämbel 7. Mai 2009 um 0:08

Die Next09 war eine konstant langweilige, uninspirierte und stellenweise leider unreflektierte Veranstaltung und sollte sich viel mehr in Yesterday09 umbenennen. Kein einziger Vortrag lieferte Neues zu Tage. Eine Veranstaltung ohne das T-Wort wäre sicherlich wünschenswert gewesen. Wer 2009 nur über social/sharing spricht und unreflektiert Google als Maß der Dinge lobt, muss sich nicht wundern, wenn die Welt 2015 nur noch aus selbstreferenziellen, narzistischen Bohemians besteht. Ganz zu schweigen von nicht vorhandenen Geschäftsmodellen. Und sind wir ehrlich – außer T-Shirts und dem Monopolist Google geht mit social doch aufgrund fehlender Geschäftsmodelle nicht wirklich was. Schade für die verlorene Zeit.

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Hans Kolpak 7. Mai 2009 um 11:37

Es ist doch ganz einfach. Wenn die Referenten den Begriff \“Social Business\“ nicht aufgegriffen haben, weil sie den Trend der Zeit noch nicht erkennen, dann sollten wir es tun! Irgendeinen höheren Sinn dürfen doch die Kommentare hier haben, oder? Kern von \“Social Business\“ sind Unternehmen, die Gewinne erwirtschaften und diese reinvestieren, während soziale Anliegen als Unternehmensziele dienen. Es gibt auch einen Wikipedia-Artikel hierzu und einen Friedensnobelpreisträger und eine Bank für Microkredite und und und …

Die Frage ist, wie bringt man den Führungskräften in Unternehmen bei, ihr Denken und Handeln neu auszurichten, während der Zug der Zeit unaufhaltsam weiterfährt? Hierzu Oliver Knittel, IT-Consultant: \“Nichts hat sich so schnell entwickelt wie die Telekommunikation und die EDV. Unternehmen müssen daher schnell auf die Veränderungen der Märkte reagieren. Der Fachkräftemangel und immer neue Projekte zwingen sie geradezu dazu, auf externe Unterstützung zurückzugreifen. Neben Aus- und Weiterbildung des bestehenden Mitarbeiterstamms ist der Einsatz von externen Spezialisten ein Teil der Personal- und Unternehmensstrategie geworden.\“

Was bringt Unternehmen und ihre Kunden erfolgreich vorwärts und auf die Höhe der Zeit? Es ist das Festhalten am Bewährten und das Einbeziehen des Innovativen. Das Bestechliche am kleinen Einmaleins der Betriebswirtschaft ist die unbestechliche Transparenz der Ergebnisse: 2 x 2 = 4.

Hans Kolpak

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Caro 11. Mai 2009 um 15:26

Hihi,..der Herr von Greenpeace gefällt mir ja. Ich war zwar leider nicht dort, gucke mir nun aber mal alle Videos dazu an. Die gibts nämlich hier:
http://de.sevenload.com/sendungen/next-conference?cp=se_9511_next_bl4

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Next10: no game, no change 14. Mai 2010 um 8:01

[…] Hausmesse der Multimediaagentur Sinner Schrader begann mauserte sich mit jedem Jahr mehr zu einer angenehmen Konferenz mit dem Schwerpunkt digitales Business. Nach dem gelungenen vergangenen Jahr sah ich sie auf dem Weg zur Augenhöhe mit der Pariser Le […]

Antworten

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