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Noch einmal was zur Cebit. Solch eine Messe ist auch ein Test für multimediales Arbeiten unter Zeitdruck mit den Restriktionen, die eine Zeitungsredaktion mit sich bringt.

Einerseits soll journalist ja für das Internet schreiben, was bedeutet: Es gibt zwar keine Platzbeschränkungen – aber es muss schnell gehen.

Andererseits das Gedruckte: Hier gibt es Platzbeschränkungen und -vorgaben aus der Zentralredaktion und diese Vorgaben können sich im Laufe des Tages mehrfach ändern.

Dazu kommt: Vor der Messe hat man Termine abgemacht, die man aus Höflichkeits- und Recherchegründen halten möchte.

Wie bekommt man das also unter einen Hut? Soll ich jetzt einen Schocker-Satz schreiben? Er könnte lauten: „Ich schreibe nicht mehr für Print.“ Und das wäre natürlich eigentlich Unsinn. Selbstverständlich werde ich weiterhin für die gedruckte Ausgabe schreiben und das mit aller Liebe zur Zeitung.

Im Kopf aber scheint mir diese Vorgabe eine Möglichkeit für Journalisten, mit einer Extremsituation wie der Cebit umzugehen. Wer im Kopf für Print schreibt, der meldet am Morgen ein Thema mit einer gewünschten Länge an. Dann kommt er vom Termin und erfährt, wieviel er schreiben soll. Doch diese Länge kann sich bald ändern, die Nachrichtenlage nimmt keine Rücksicht darauf, ob eine Zeitung vielleicht all ihre Seiten schon gespiegelt, also gelayoutet, hat.

So sitzt der Schreiber da und flucht. Weil sein Artikel, den er mit 100 Zeilen angemeldet hat, nur noch 60 Zeilen bekommt, dann ganz rausfliegt, schließlich doch 80 Zeilen bekommt – und er eigentlich zum Termin muss.

Es klingt ganz einfach, wenn ich schreibe: Dann soll er halt eine Online-Version machen und gut ist. Aber diese geistige Umstellung ist nach langen Jahren, vielleicht gar Jahrzehnten, nicht von heute auf Morgen zu bewältigen. Das Unterbewusstsein kann eine Sau sein.

Auf der Cebit habe ich mich persönlich für folgende Variante entschieden: Ganz klar, am Morgen gibt es zur Planung eine Anmeldung mit Themen und Länge. Sobald ich nach einem Termin Luft habe, schreibe ich eine Version für online, die so lang ist, wie ich es aus meiner Beurteilung für richtig halte. Diese geht sofort an die Netz-Redaktion und die Print-Redaktion. Wenn letztere dann noch Anpassungen fordert, kann ich noch zuschreiben oder selbst kürzen. Theoretisch ist das Runterschneiden des Artikels aber eigentlich nicht von der Messe aus nötig, dies kann auch der Produktionstisch machen, der den Text ohnehin gegenliest.

Das klingt für Nicht-Journalisten banal. Aber die grundlegende Frage, wie schreibende Journalisten im handfesten operativen Geschäft die Prioritäten setzen, ist aus meiner Sicht ein Thema, das bisher kaum diskutiert wurde.

Und deshalb würde ich mich besonders freuen, wenn Berufsstandskollegen in den Kommentaren ein wenig aus dem Nähkästchen plauderten.


Kommentare


Patrick 5. März 2009 um 18:35

Ich hab zwar das Glück einer monatlichen Erscheinungsweise, arbeite aber im Grund genau so.
Ich schreibe/plane weitgehend \“für online\“ und bediene mich für’s Heft aus dem daraus entstehenden Fundus. Selbstredend mit entsprechenden Anpassungen, was Bebilderung, Infokästen, Länge etc. angeht.
Gerade wenn man zweigleisig fährt, halte ich das für den besten Workflow. Zwei parallele Produktionsmethoden zu fahren, halte ich als effizienter Faulpelz für zu aufwändig. 🙂

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WT 5. März 2009 um 20:45

Im Moment schreibe ich kaum für Print(leider). Früher zu TAZ-Zeiten galt der Spruch: der SÄZZER bestimmt, was ins Blatt kommt.
Mein Schreibstil ist printorient, bei kurzen Texten ist das kein Problem – längere müssen in der Regel fürs Web optimiert werden; d.h. Teaser bearbeiten und evtl. Reihenfolge i.d. Gewichtung verändern. Ich denke es macht einen Unterschied, ob der Text von überblickbaren Kolumnen geteilt wird, oder sich am Bildschirm orientiert.

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Detlef Borchers 5. März 2009 um 21:22

Bei mir wäre das Szenario ein Sonderfall. In der Regel schreibe ich bei Print-Aufträgen von der CeBIT (etwa erklärbärig in der NZZ) für ein komplett anderes Publikum als Online (etwa Heise Online mit vielen Links). Aber wenn es doch vorkommen sollte, habe ich ein System gebastelt, bei dem ich am Anfang die Zeilenzahl eingebe, die Print verlangt. Läuft der Artikel über diese Zahl hinaus, öffnet sich ein zweites Editor-Fenster mit demselben Text und ich schreibe weiter. Hinterher schaue ich, ob gut gelungene Passagen in die Kurz-Variante kopiert werden müssen. Aber: für Online schreiben, bedeutet mitnichten, dass man ellenlange Riemen abliefern kann. Diesem Eindruck möchte ich widersprechen. –Detlef (noch zwei Tage auf der CeBIT)

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Michael Finkenthei 5. März 2009 um 22:16

@Patrick: Für online schreiben und dann für den Print redigieren mag ja logisch erscheinen – andere machen es ja auch so, auch Thomas Knüwer, wenn ich richtig gelesen habe.

Jedoch – erscheint so nicht im Print nur eine Teilmenge dessen, was ursprünglich online stand oder stehen sollte?

Wenn ja, dann frage ich mich als interessierter Leser natürlich, warum ich das Printprodukt überhaupt noch kaufen soll, da ich doch online offensichtlich umfassender (und vermutlich sowieso schneller) informiert werde.

Ok, und da sind wir wieder beim spannenden Thema \“Online- vs. Printmedien\“, diesmal zur Runde \“where is the beef (just happens to be häppchen)?\“ – Sorry, couldn\’t resist.

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Matthias Sch. 6. März 2009 um 10:55

Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass bei unserem (monatlichen) Print-Börsenbrief aufgrund aktueller Entwicklungen noch Neuigkeiten in – oft sowieso zu lange – Artikel reingequetscht werden müssen. Nachdem wir nicht immer vorher schon zum gleichen Thema für online schreiben, ist der von dir beschriebene Weg (\“online so lang wie\’s ideal ist, print ggf. von Zentrale aus kürzen\“) leider selten gangbar….

Der Print-Platz-Zwang und die dadurch entstehende Abwägung, welche Infos man rauskürzt, ist aber ein ständiges Thema, was vom Leser in der Tat kaum wahrgenommen wird – deshalb gut, dass du es hier mal so deutlich ansprichst.

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Ulrike Langer 6. März 2009 um 14:59

Für freie Journalisten stellen die Abwägungen Print oder Online bzw. Redaktion zufrieden stellen oder Gesprächstermine einhalten nur zwei von drei Entscheidungszwängen dar. Hinzu kommt die Frage, ob ich einen aus eigener Tasche finanzierten Kongressbesuch möglichst schnell refinanziere, indem ich möglichst viele Texte für Tageszeitungen aktuell absetze (das habe ich früher gemacht, war eher unbefriedigend) oder ob ich lieber für mich persönlich einen größeren Gewinn aus solch einer Veranstaltung ziehe. D.h. Panels besuche, für deren Thema sich kein Redakteur erwärmen kann. Die Chance nutze, Kontakte zu knüpfen und Denkanstösse von Branchenexperten zu bekommen, anstatt im isolierten Pressezentrum in die Tasten zu hauen. Kostet kurzfristig eine Stange Geld an verpassten Honoraren, bringt aber langfristig viel mehr für die Horizonterweiterung. Für meinen Blog kann ich selbst entscheiden, welche Konferenz-Pausen sich zum Schreiben eignen. Und bezahlte Print-Texte gibt\’s dann für Monatsmagazine.

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Matthias Sch. 6. März 2009 um 20:06

@Ulrike Langer: Ich finde Konferenzen mit Tischen, an denen sich \“livebloggen\“ lässt (was zumindest eine sehr gute Gedächtnisstütze ist, wenn\’s schon kaum einer liest) ja eigentlich ideal. Ging auf der Cebit leider nicht….

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Timm S. 8. März 2009 um 21:24

Zur Arbeitsweise kann ich aufgrund fehlender Erfahrung leider nichts beisteuern.

Eine Frage, die bei mir aber auftaucht: Wie kommen denn extrem \“ramschige\“ Artikel, die es niemals in die Printversion schaffen (fällt mir besonders bei SPON andauernd auf) überhaupt zustande? Von Journalisten, die ausschließlich \“für online\“ schreiben?
Denn bei zweigleisigem Schreiben kann ich mir kaum erklären, wie diese schlechte Qualität zustande kommt.

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Jochen Siegle 10. März 2009 um 15:16

(..) Vor der Messe hat man Termine abgemacht, die man aus Höflichkeits- und Recherchegründen halten möchte. Wie bekommt man das also unter einen Hut? (…)
LOL, das frage ich mich seit fast zehn jahren, also seit ich damit anfing, auf diese messen und konferenzen rumzurennen. interessant finde ich, dass der druck fuer festangestellte kollegen durch die zunehmende \“Multimedialisierung\“ immer mehr zunimmt, waehrend diese doppel-und-dreifachbelastung (schreiben fuer kunde A, kommentare fuer kunde B + C und fotos fuer die kunden D + E) fuer viele freie kollegen schon seit jahren alltag ist. ich kann nur sagen: willkommen im club 😉

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Niels Hufnagl 10. März 2009 um 17:44

Bei einigen Schreibern ist es doch auch so, daß sie die Artikel für das Web zwar zuerst schreiben, dann aber den Artikel für Print erstens erweitern und zweitens länger / besser redigieren lassen.

Aber das kommt auch darauf an, ob man nun für eine Tageszeitung oder ein Magazin schreibt.

Die Frage ist aber doch: Warum kann der Redakteur in seinen computergestützten Werkzeugen nicht sehen, wo der Rahmen des Layouts zu Ende ist, bzw. wie der Artikel online aussähe, schickte er ihn jetzt ab.

Die Technik dafür ist ja an sich da.

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