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Wir müssen nochmal über Emma reden, die virtuelle Influencerin der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Es wird lang werden, aber da müssen wir jetzt alle mal durch, denn es gibt eine Menge zu erfahren, warum es mit der Digitalisierung in Deutschland derart hakt, dass wir ein digitales Drittweltland sind.

Was ist passiert?

In der vergangenen Woche präsentiert die DZT ihr „erstes KI-Influencer Projekt“. Emma ist eine digitale Figur, die mit Hilfe von Generativer KI in einem Reel auf Instagram auftritt. Sie wird als Influencerin angepreist.

Das Posting bekam bislang zwar 3.000 Likes und rund 1.800 Kommentare – von denen sind aber fast alle negativ. Ein Sentiment, dass es in dieser Negativität nur extrem selten zu besichtigen gibt. Ob die Reichweite mit Media-Investments verbreitert wurde, ist mir nicht bekannt.

Weitere Postings gibt es 4 Tage später nicht. Das Reel ist unscharf, es zeigt in einem Bild einen typischen KI-Fehler: Zumindest an der rechten Hand scheint Emma ein Finger zu fehlen. Die Lippenbewegungen sind nicht synchron zum, im britischen Englisch gesprochenen Text.

Außerdem tritt Emma als Chatbot auf der Homepage von Germany.travel auf. Die Antworten des Chatbots sind ausweichend, teilweise falsch und oft kryptisch.

Wie unzureichend der Chatbot arbeitet, zeigt vielleicht diese Konversation:

Oder hier: Bielefeld liegt, das wird alle Beteiligten überraschen, am Neckar.

Innerhalb weniger Stunden brach ein Empörungssturm los. Kritisiert wurden nicht nur die oben angeführten Punkte, sondern auch die Wahl einer blonden Frau mit Modelfigur, was deutsche Vorurteile bestärkt, die in diesen Zeiten politisch nicht unproblematisch sind.

Gerade auf LinkedIn entstand eine Gegenbewegung, vor allem aus der Tourismusszene kommend. Diese warf den Kritikern vor, Mut zu Experimenten nicht zu würdigen und zu wenig kompetent im Bereich Tourismus zu sein.

Und nun?

Ich halte die Debatte um Emma für wichtig, weil sie mustergültig zeigt, weshalb wir in Deutschland in Sachen Digitalisierung nicht voran kommen.

Fangen wir einfach mit dem Status Quo an:

Digitalzustand des Tourismus? Puh.

Am Tourismus kann man die Rückständigkeit des Digitalstandortes D sehr gut festmachen, denn wie der Handel oder die Gastronomie ist er ein Dienstleistungsgewerbe, dessen Dienstleistungen von sehr vielen Menschen genutzt werden – und deshalb gibt es sehr viele Signale, Daten und Erlebnisse von Tourismuskundinnen und -kunden.

Ich füge gleich mal eines hinzu: Seit über 10 Jahren übernachte ich ein bis zwei Mal im Züricher Hotel einer deutschen Kette, deren Stil ich sehr mag. Ich buche immer über die Webseite jener Kette. Jedes Mal läuft der Begrüßungsdialog so ab:

„Bist Du das erste Mal bei uns?“

„Nein, ich komme seit über 10 Jahren ein bis zwei Mal im Jahr.“

„Na, dann muss ich dir ja nichts mehr erklären.“

Nein, ein „Willkommen zurück“ habe ich noch nie gehört. Und dass ich am liebsten ein Zimmer in einer hohen Etage und mit Blick in eine bestimmte Richtung habe, muss ich jedes Mal wieder bei der Buchung eintragen. Beachtet wird dieser Hinweis so in der Hälfte der Fälle.

Es geht auch anders. Bei US-Ketten ist das Eintragen gewisser Vorlieben Alltag, Top-Hotels führen Kundendatenbanken. Selbst im ganz Kleinen scheint mehr Wissen über Gäste möglich: Jüngst wurde ich bei einem Restaurant, in dem ich 3 Jahre nicht war, derart begrüßt, dass der Gastronom definitiv eine Kartei mit Informationen über seine Gäste führt.

Für Hotelgäste macht es in den allermeisten Fällen keinen Unterschied, ob sie ihr Zimmer beim Hotel buchen oder auf Booking.com. Deshalb hat diese Web-Seite die Branche auch derart an der Gurgel. Mehr noch: Auf Booking und Expedia habe ich schon mehrfach Zimmer in Hotels bekommen, deren Homepages behaupteten, das Haus sei ausgebucht.

Genauso könnten wir aber über die IT-Ruinen der Lufthansa und der Deutschen Bahn reden. Oder die in der Regel schlimmen Auftritte touristischer Destinationen.

Sprich: Die Tourismusbranche ist genauso wenig digital wie zu viele andere in Deutschland – es fällt nur mehr auf. Weshalb eine mehrfach auf LinkedIn gepostete Aussage ein großes Problem des Standorts Deutschland offenbart:

Die Kritiker haben doch keine Ahnung von Tourismus!

Wie oben beschrieben hat sich ein Korpsgeist der Touristiker herausgebildet. Sie tun all die Kritik ab mit der Behauptung, die Kritisierenden seien unkundig in der Branche, weil sie nicht in derselben arbeiten.

Nun finden sich zahlreiche Dienstleister unter den Kommentierenden. Und mit dieser Behauptung behaupten die Behauptenden, alle Dienstleister zu kennen, die in vergangenen Jahren im Bereich Touristik gearbeitet haben. Mutig.

Mir begegnete sogar auf LinkedIn der Geschäftsführer eines Portals aus der Reisebranche, der zwar gegen Kritiker giftete, aber die inhaltlichen Argumente nur in „seinem“ Kreis diskutieren wollte.

In der Filterblase ist es halt immer wärmer. In einer vernetzten Welt aber ist die Reduktion der Meinungsbildung auf das bekannte Umfeld unzureichend zielführend.

Allerdings: Die deutsche Wirtschaft ist stark hierarchisch geprägt und vielleicht tut sie sich deshalb so schwer mit der Digitalisierung. Digitale Themen sind derart neu, dass jene oben in der Hierarchie ein Problem haben, ausreichend Kompetenz aufzubauen, weshalb sie allein zum Machterhalt digitale Investitionen drosselten. Denn von unten kommen jene, die scheinbar mehr Ahnung haben. Deren Hereinnahme gefährdet somit die Machtposition.

Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit Dienstleistern. Dies ist einer der Gründe, warum auch wir bei kpunktnull mit einem Denken ringen, das leider weit verbreitet ist in Deutschland.

Eine der ersten Fragen, sprechen wir mit einem Neukunden, lautet: „Welche Erfahrungen haben Sie in unserer Branche?“ Natürlich kann man die stellen – die Antwort sollte aber nicht relevant sein. Denn ein Dienstleister kann niemals so kompetent in egal welcher Branche sein wie der Klient. Eine gesunde Auftraggeber-Dienstleister-Beziehung besteht darin, dass beide ihre Kompetenzen mitbringen und achten, weshalb mehr entsteht, als die Summe der Teile.

Diese Frage stellt natürlich auch eine klare Prioritätensetzung dar: Wissen über eine Branche steht über Digitalkompetenz.

Viele Unternehmen wünschen sich Dienstleister, die nicht nur kundig in der jeweiligen Dienstleistung sind, sondern sich auch fokussiert haben auf ihre Branche. Auch solche gibt es, sie neigen aber dazu weniger kritisch zu beraten – denn man will es sich nicht mit einem Vertreter der einzigen Branche verderben, in der man tätig ist. So entstehen dann Entscheidungen aus der Filterblase für die Filterblase.

Wirtschaftlich wird es dann auch noch oft unrealistisch. Denn jene Klienten hätten dann auch gern, dass man in ihrer Branche nur für sie arbeitet und nicht für einen Mitbewerber – wie soll das wirtschaftlich dargestellt werden? Und welcher Dienstleister realisiert nicht sein Überlebensrisiko? Wenn der Klient ihm kündigt, ist da nichts mehr.

Ein schönes Beispiel, was bei dieser Gemengelage entsteht, ist die Autoindustrie: Als die digitale Technologie eine Generation hervorbrachte, für die – nicht vollständig, aber eben zu einem signifikanten Teil – Autos kein Statussymbol mehr waren, sondern Transportmittel, die einem für die Zeit des Transports den Kontakt zur Kommunikation kappten, reagierten sie nicht. Statt Software auf vier Reifen zu entwerfen entstanden weiter Produkte für die Generation Brummbrumm.

Digitale Technik ist aber auch ein Ego-Booster geworden. Das könnte helfen, aber…

Ich bin der Größte!

Jede Führungskraft will innovativ wirken, vor allem innovativer als die Mitbewerber. Deshalb sind selbst heute noch bei vielen die Followerzahlen im Web wichtiger, als die Reichweiten – Followerzahlen sind öffentlich und lassen sich mit der Konkurrenz vergleichen, die Reichweiten nicht.

Wo keine Vergleichszahlen sind, da zählt die Geschwindigkeit des Einsatzes – so wie bei Emma. Natürlich ist sie nicht der erste virtuelle Influencer, aber die Pressemitteilung sagt, sie sei eben der erste KI-Influencer der DZT und betont immer wieder, wie erfahren die Tourismuszentrale angeblich beim Einsatz digitaler Technik ist: 

„Bei der Ansprache von Endverbrauchern hilft KI, die Kunden genauer zu verstehen und passgenaue Angebote auszuspielen. So beantwortet bereits seit 2020 ein KI-gestützter Chatbot rund um die Uhr Kundenanfragen auf der DZT-Website, und auch im Bereich der immersiven Technologien, wie Virtual Reality, Augmented Reality oder Smart Speaker-Anwendungen, setzt die DZT schon seit längerem auf KI zur Inspiration von Endkunden.

KI-Anwendungen sind bereits heute im Arbeitsalltag der DZT integriert. Insbesondere im Marketing bieten sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten. So nutzt die DZT KI-Anwendungen in der Entwicklung und Realisation digitaler Marketing-Tools, beispielsweise für die Erstellung von Assets, wie Bildern und Videos, zum Generieren von Texten, für Übersetzungen und im Grafik-Design. Durch eine transparente Kommunikation sichert die DZT einen verantwortungsvollen Umgang mit den Chancen, die sich aus KI-Anwendungen ergeben.“

Damit steht die DZT nicht allein da. Allüberall behaupten sehr viele Unternehmen, KI einzusetzen, die Sinnhaftigkeit des Tuns wird selten hinterfragt. Ein gutes Beispiel war die Berichterstattung über das KI-Projekt der Lufthansa. Dieser wurde zugeschrieben, ihr Bordmagazin durch KI zu ersetzen. Das ist falsch. Ihr Dienstleister hat ein Instrument entwickelt, mit dem Mitarbeiter interviewt werden in der Hoffnung, persönliche und ungewöhnliche Reisetipps zu erhalten. Kann man so machen, leider sind die ersten Ergebnisse ernüchternd. Wenn die Pinakothek der Moderne und das Donisl Insider-Tips sein sollen, dann… ja, dann weiß ich auch nicht mehr. Dass der befragte Mitarbeiter als Hobby fotografieren angibt, die Airline aber keines seiner Bilder einkauft, ist dann in Sachen Employer Branding eine vergebene Chance.

Das Problem der Hierarchiehörigkeit ist auch, dass zu unkritisch mit jenen Tech-Versuchen umgegangen wird. Chefs kritisiert man in Deutschland eher nicht, zumindest nicht außerhalb der Kaffeeküche. Gleichzeitig wagt kaum ein Vorgesetzter ein Projekt einzustampfen, in das von ihm freigegebenes Budget geflossen ist.

Keine Hilfe ist die mediale Begleitung von Digital-Themen. Der Tech-Journalismus in Deutschland hat sich nie vom personellen Kahlschlag nach dem Platzen der Dotcom-Blase erholt. Generell herrscht eine tiefe Abneigung gegenüber digitalen Innovationen in deren massenmedialer Begleitung, die Zahl kundiger Berichterstatter ist außerhalb der Hardcore-IT-Themen wie Security zu klein.

Eigentlich müssten sich Führungskräfte also in angelsächsischen Medien und Konferenzen im Ausland aufschlauen, das aber passiert zu selten.

Und entsprechend entstehen Ideen, die von vorne herein verfehlt sind – wie Emma.

Aber darf man nicht experimentieren?

Doch, man muss das auch. Nur handelt es sich hier nicht um das Experiment mit einer Innovation. Weder digitale Kunstfiguren noch Chatbots sind auch nur ansatzweise neu. Viele halten sie nur dafür, weil sie entweder selbst so etwas noch nie gesehen haben und deshalb glauben, so ginge es allen, oder weil sie selbst solch ein Projekt nicht umsetzen könnten.

Unternehmen sollen, nein müssen mit neuen Technologien experimentieren. Aber wie in der Wissenschaft sollten sie das nicht in der Öffentlichkeit tun. 99,9% aller wissenschaftlichen Experimente finden ohne Pressemitteilung, Social Media-Posting oder anderen Verlautbarungen statt. Erst wenn ein Experiment eine für die Öffentlichkeit interessante Erkenntnis gebracht hat, wird es nach außen getragen – und so sollten Unternehmen es auch halten.

Dann würde vielleicht auch die wichtigste aller Fragen bei solchen Experimenten gestellt ohne Angst vor der eigenen Karriere zu haben. Die Frage lautet: Warum?

Virtuelle Influencer, KI, Chatbots – warum eigentlich?

Warum, zum Beispiel, eine virtuelle Influencerin?

Es gibt eine relativ geringe Zahl erfolgreicher Digitalfiguren, die Influencer-Qualität haben. Bei einigen darf man hinterfragen, wie groß der Erfolg tatsächlich ist. @lilmiquela zum Beispiel zählt 2,5 Millionen Follower, kaum ein Posting bekommt aber mehr als 100 Kommentare, die Zahl der Likes ist nicht sichtbar.

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Bei anderen Vertretern generiert sich der Reiz daraus, dass sie nicht versuchen, wie Menschen zu wirken. Ein Beispiel dafür ist @Guggimon:

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All diese Figuren haben sich ihre Bedeutung erarbeitet. Sie sind als Avatare gestartet, die dann zum Influencer geworden sind, weil sie den Nerv von Zielgruppen getroffen haben.

Emma ist deshalb keine Influencerin. Eine Influencerin bezieht ihren Namen ja aus dem Erfolg, dass sie Entscheidungen beeinflusst. Emma aber hat exakt niemanden geinfluencet, als ihr dieser Titel zugesprochen wurde. Dies zeugt von einer abwertenden Haltung gegenüber Influencern insgesamt.

Dabei erfüllen diese eine wichtige Funktion. Denn wir leben in einer Zeit, da Institutionen an Vertrauen verlieren, Einzelpersonen aber an Vertrauen gewinnen. Influencer und Creator erarbeiten sich ihren Einfluss durch zeitgemäße Kommunikation und könnten diese entstehende Vertrauenslücke schließen.

Doch warum sollte ich Emma vertrauen? Und was kann sie, was eine menschliche Influencerin nicht könnte? Sie ist vermutlich preisgünstiger, denn sie muss ja nicht an all die Plätze reisen, über die sie sprechen könnte (wenn es mehr Postings gäbe), erst recht nicht mit einem Kamerateam.

Kosten sind natürlich ein Argument – aber eben nur aus Sicht des Unternehmens oder der Institution, die sie einspart. Der Zielgruppe sind sie herzlich egal. Ganz im Gegenteil: Sie möchte, dass sich die Absender egal welchen Postings Mühe geben.

Genauso könnte man fragen, welchen Zweck jener Chatbot erfüllen soll. Chatbots sind sinnvoll, wenn Kunden konkrete Anfragen haben. Je konkreter Emma aber befragt wird, desto unkonkreter werden ihre Antworten.

Warum soll ich diesen Chatbot also nutzen?

Vielleicht fällt Ihnen, geneigte Leserinnen und Leser, darauf eine Antwort ein – ich freue mich auf Kommentare unten.

Auf jeden Fall wäre diese Antwort auch der erste Schritt zu Beantwortung einer weiteren Frage:

Was hätte man besser machen können?

Nehmen wir an, jemand fände gute Gründe, eine digitale Kunstfigur und einen Chatbot einzusetzen. Dann gäbe es noch einige, sehr offensichtliche Verbesserungsoptionen.

Zunächst einmal ist es immer angeraten, unabhängige Experten außerhalb der eigenen Filterblase zu engagieren. Sie können offener sprechen und beispielsweise schon in der Phase eines Pitches wertvolle Einwürfe liefern. Zum Beispiel, dass es bereits etliche Accounts mit dem Namen „Emma travels“ gibt und natürlich kann man irgendwann größer sein – aber warum nicht einen Namen, der direkt unbesetzt ist.

Danach: die Qualität der Kunstfigur. Das Reel ist rein von der technischen Qualität auf dem Niveau, das jedermann mit einem Fortbildungskurs bei der IHK besser hinbekäme.

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Haben Sie sich gefragt, was das für komische Bilder von Emma sind, die hier im Artikel zu sehen sind? Die sind nicht von der DZT, keine Sorge. Ich habe die Bild-KI von Flux1 mit Screenshots aus dem Emma-Reel trainiert und damit diese Bilder erzeugt. Große Überraschung: Emma hat an der rechten Hand doch noch fünf Finger.

Das alles ginge also einfach mal besser.

Hinzu kommt das Storytelling. Die virtuellen Influencer mit Erfolg haben einen Charakter, eine erfundene Lebensgeschichte. Emma…. Tja, wissen wir nicht.

Das liegt auch an der Social Media-Strategie (oder deren Fehlen). Wer einen neuen Account startet, sollte diesen (mit Ausnahme von Youtube – anderes Thema) ein Stück weit füllen. Emma könnte sich zum Beispiel vorstellen, um so eine gewisse Bindung zu den Adressaten aufzubauen, ihre Geschichte erzählen. Diese Befüllung muss ja nicht öffentlich sein, man kann Accounts ja auf privat stellen.

Im Jahr 2024 und mit dem Thema Reisen sollten die Inhalte auch auf TikTok gespielt werden. Je nach den vorgegebenen Zielen sollte TikTok sogar die Nummer 1-Plattform sein.

So oder so bräuchte es ein durchgängiges Community Managment. Nur sehr spärlich reagierte Emma, die doch eine Figur sein soll, auf Kommentare, meist mit Texten, die via Copy+Paste eingesetzt wurden.

Hätte sie konsequent kreativ reagiert, hätte sich einiges an Aufruhr begradigen lassen. Emma hätte zu Themen Stellung beziehen und gar Humor beweisen können. Was wäre gewesen, wenn sie mit unerschütterlicher Positivität die Position bezogen hätte, dass dieses Herummäkeln eben nicht typisch deutsch ist?

Aber wäre das bei 1.700 Kommentaren innerhalb von 72 Stunden machbar gewesen? Ja. Wenn man mit einem motivierten Dienstleister zusammenarbeitet, dann wird der das möglich machen, aber sich natürlich bezahlen lassen.

Nun ist diese Situation eine Kommunikationskrise – und für solche Krisen sollte jede seriös arbeitende Einheit immer eine Rückhalteposition im Budget haben.

Wahrscheinlich wären es auch weniger Kommentare gewesen, hätte man mit Emma nicht der Welt der Reiseinfluencer den Stinkefinger gezeigt. Einerseits behauptet die DZT, man habe ganz tolle Influencer-Kampagnen gefahren – andererseits entzieht sie diesen Ex-Partnern ihre Existenzgrundlage. Kein Wunder, dass die ihre Anhänger mobilisieren. Emma soll die Influencer-Aktivitäten ergänzen, schreibt die DZT. Wie soll das gehen? So lange sie im gleichen Raum mit den gleichen Themen agiert ist sie eine Konkurrenten im Kampf um knappe Medienaufmerksamkeit.

Kommen wir zum Chatbot. Leider muss man es noch immer ständig erklären, aber: Eine Generative KI macht keine Fehler und liegt nie richtig, denn sie kennt das Konzept von richtig und falsch nicht – sie schätzt nur Wahrscheinlichkeiten. Deshalb sieht Emma wahrscheinlich so aus, wie sie aussieht: Man hat die KI nach einer deutschen Influencerin gefragt und heraus kommt  mit hoher Wahrscheinlichkeit Lea Mantler, die schon sehr früh mit ihrer Schwester Lisa in diesem Gebiet unterwegs war.

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Ein Chatbot braucht eine Basis von strukturierten Daten. An denen fehlt es in Deutschland aber oft und so auch hier. Für bessere Ergebnisse hätte man sehr viel Ressourcen in die Datenbasis stecken müssen – dafür war möglicherweise kein Geld da.

So aber ist es eben schwer verzeihlich, wenn Emma Köln für westfälisch hält, zu Mönchengladbach nichts zu sagen hat und keine Sehenswürdigkeit für Düsseldorf auswirft.

Was hätte man stattdessen tun können?

Influencer haben im Reisegeschäft eine immens hohe Wirkung. Ich weiß nicht, was die DZT bisher mit diesen gemacht hat außer einer Pressereise mit maximal 15 Personen in diesem Sommer, hier ein Bild:

Foto: DZT. Kleine Hinweis: Auf der Homepage hat die DZT den Fotografen nicht angegeben – könnte man auch besser machen.

Aber gerade in diesem Gebiet ließen sich viele, wundervolle Dinge erdenken. In Deutschland gibt es sehr aktive Szenen von Expats und Studierenden, die manchmal lustig, manchmall ernsthaft über Deutschland berichten.

Diese hätte man beauftragen können, das noch viel aktiver zu tun und jene in Debatten zu bringen, die negativ über Deutschland berichten. Oder aber humorvoll auf Menschen und auch Marken zu reagieren, die andere Reiseziele über den grünen Klee loben, immer nach dem Motto „Schön dort, aber warst Du schon mal in Bielefeld?“ Und natürlich könnten diese Influencer, koordiniert über eine Kampagnenzentrale auf Memes aufspringen.

Influencer-Reisen funktionieren rein reichweitentechnisch immer. Aber warum sie nicht weiter aufladen? Zum Beispiel in Form eines Schüler- Influencer-Austauschs? Jeder ausländische Influencer bekommt einen deutschen Partner inklusive Gegenbesuch.

Natürlich ginge auch eine klassische, gut durchdachte Kampagne mit Überraschungen, wie sie derzeit die Franzosen durchziehen – inklusive Emmanuel Macron.

@loicsubervilleGendered Nouns are hard for everybody…♬ original sound – Loïc Suberville

Wenn man denn unbedingt eine virtuelle Figur einsetzen will, braucht es exzellentes Scriptwriting und Storytelling. Eine Kunstfigur wird erst dann interessant, wenn sie Dinge tut, die der Homo Sapiens nicht könnte – vor allem Dinge, die sich jener Mensch nicht trauen würden. Zum Beispiel: über die Maßen albern sein.

Womit wir bei einem Vorzeigebeispiel in Sachen Social Media sind: Duolingo.

Und der Chatbot? Hier könnte es heißen: Von Apple lernen, heißt siegen lernen. Apple Intelligence verwendet Generative KI als Nutzeroberfläche für Automatisierung. Derzeit muss man Siris Befehle kennen, um sie zu nutzen. Künftig wird die Spracherkennung es möglich machen, wesentlich freier Funktionen auszulösen – dadurch steigt aber nicht die Zahl der Funktionen.

Entsprechend hätte die DZT Generative KI nutzen können, um Interessenten in einen formatierten Prozess zu lenken, an dessen Ende der ganz persönliche Reiseplan durch Deutschland stehen könnte.

Was sollte die DZT jetzt tun?

Seit Freitag Morgen befindet sich die DZT in einer Kommunikationskrise. In solch einer Kommunikationskrise zählt jede Stunde, will man sie eingrenzen. Die Tourismus-Zentrale hat das entweder nicht realisiert oder glaubt, das Ganze aussitzen zu können.

Und natürlich gibt es Krisen, die man aussitzen kann – nur sind sie selten. Auch die Behauptung, dass nach Abklingen der Aufregung nicht übrig bliebe ist eher in der Rubrik „Wunsch, frommer“ einzuordnen. Noch heute wird Nestlé mit toten Orang-Utans und Jean-Remy von Matt mit Internet-Klowänden assoziiert.

Es ist keine steile Prognose, dass sich in dieser Woche erst die Marketing-Fachmedien und danach oder gleichzeitig die Publikumsmedien mit Emma beschäftigen werden.

Bei Krisenkommunikation raten wir bei kpunktnull zu einem dreiteiligen Vorgehen, kommuniziert in einem Schritt:

  1. Annehmen: Man sagt, dass ein Fehler passiert ist oder verwehrt sich eindeutig gegen die Behauptung, dass es einen Fehler gab.
  2. Erklären: Man erklärt, was passiert ist und ist dabei ehrlich und transparent.
  3. Versprechen: Man kündigt klare Schritte an, um die Situation zu bessern.

Dank des Wochenendes könnte die DZT die ganze Sache sogar noch ins Positive drehen. Dazu müsste sie die mangelhafte Qualität von Emma eingestehen. Mit einem ordentlichen Schuss Selbstironie könnte sie erklären, wie die Idee entstand und umgesetzt wurde.

Und dann könnte sie eine Einladung aussprechen, die so klingen könnte:

„Deutschland ist ein Hochtechnologieland, viele der besten KI-Forscher der Welt arbeiten hier. Mit Emma wollten wir nie die Existenz von Influencern attackieren, sondern eine eigene Creatorin aufbauen. Dies finden wir auch weiter spannend. 

Unsere Kritikerinnen und Kritikern hatten recht. Und deshalb möchten wir sie einladen. In einem Barcamp möchten wir mit Influencern, KI-Spezialisten, Marketing- und Tourismus-Experten erarbeiten, was wir mit Emma besser machen könnten. Anschließend wollen wir diese Verbesserung im Rahmen eines Hackathon umgesetzt. 

Alle Teilnehmerinnen werden mit kleinen Reisegutscheinen belohnt. Die besten drei Umsetzungen im Rahmen des Hackathon erhalten einen Wochentrip innerhalb Deutschlands auf höchstem Niveau – Suite und Sterne-Menü inklusive.“

Es könnte also eine interessante Woche werden – egal, wie die DZT sich verhalten wird.


Kommentare


Torben Bo Hansen 21. Oktober 2024 um 14:44

Sehr differenzierte Betrachtung – und gleich mit Verbesserungsvorschlägen garniert, typisch deutsch? Wohl eher typisch Thomas;). Zwei Anmerkungen dazu: es ist um die zwanzig Jahre her, da durfte ich mit meiner damaligen Agentur Philipp und Keuntje Jägermeister bewerben. Und wir haben die Figuren Rudi & Ralph etabliert (man, war das aufwändig damals, diese Hirsche halbwegs echt wirken zu lassen – ganz ohne AI). Selbst für zwei Hirsche, die immer nur mal für 20-25 Sekunden zu sehen waren und da Produktstories inszenierten, haben wir Biografien entwickelt. Nicht, um später irgendwo darüber zu reden, sondern weil es hilft, solchen Kunstfiguren Persönlichkeit zu verleihen. Etwas, das hier – wie du schreibst – noch viel, viel wichtiger gewesen wäre. Wenn man schon einen Avatar nutzt, wäre es doch schön, wenigstens eine Beziehung zu ihm/ihr aufbauen zu können. Und was für mich ein lustiges Erlebnis war: am gleichen Tag als Emma vorgestellt wurde, stolperte ich über die neuseeländische Aufklärungskampagne zum fröhlichen Thema Herpes – und ich glaube, diese Kampagne überzeugt mehr Menschen davon, dass NZ ein gutes Reiseziel wäre als Emma es für Deutschland tut;) (ich habe hier darüber geschrieben https://www.linkedin.com/pulse/k%25C3%25B6nnte-eine-herpes-aufkl%25C3%25A4rung-vielleicht-die-bessere-sein-hansen-j62be/?trackingId=ozt%2BituVTX6aupw%2BcaiRHQ%3D%3D )

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KI-Influencer: Sind wir nicht alle ein bisschen Emma? 22. Oktober 2024 um 19:42

[…] große Hype ist. Und man hätte das sicherlich besser umsetzen können, wie Thomas Knüwer in seiner ausführlichen Kritik der digitalen Marketinglandschaft in Deutschland aus Agenturperspektive darstellt. Von mir aus. Aber ich glaube, da steckt ein bisschen mehr […]

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Nils 26. Oktober 2024 um 1:16

Als User wäre meine Mindestanforderung, dass einfache Anfragen beantwortet werden. Ich habe Emma gesagt, dass ich einen Familienurlaub an der Mosel suche. Ich bekam einen Link zu fünf Weinregionen, in denen ich Weinwanderungen durchführen könne. Eine der fünf Regionen war die Mosel. Zudem verweist Emma in der gleichen Chatnachricht direkt auch mal auf die Ostsee…
Ganz neutral formuliert: Da ist Luft nach oben.
Disclaimer: Ich habe mal vor langer Zeit mal Tourismus studiert und eine Zeitlang in der Branche gearbeitet. Aktuell bin ich zum Glück nur ein äusserst erschütterterter Zuschauer.

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