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Am vergangenen Freitag präsentierte der Fußball-Zweitligist Schalke 04 einen neuen Trikotsponsor. Zugegeben, die Meldung kam erst am Nachmittag und an Freitag Nachmittagen sind Redaktionen dünner besetzt.

Nun aber ist es Montag Morgen und noch immer erwecken berichterstattende Medien den Eindruck, als sei alles im grünen königsblauen Bereich.

Das heißt nicht ganz, die Müllschleuder boulevardeske Nachrichtenseite Der Westen aus dem Hause Funke sieht eine Sorge bei den Fans:

Welche?

Ich zitiere:

„Muss der FC Schalke 04 für das dringend benötigte Geld eine gelbe Sonne auf seinem Trikot ertragen? Vermutlich nicht, denn bei bisherigen Sponsorings im Sportbereich verzichtete „Sun“ ebenfalls darauf.“

Ansonsten landet die andere Funke-Tochter den Scoop, dass die Sun AG 4 Millionen Euro zahlt:

Niemand aber scheint sich bisher an die Frage gemacht zu haben, die Schalke-Fans sich ab der Bekanntgabe sicher stellen:

Wer zur Hölle ist die Sun AG?

Womit wir bei diesem Twitter-Account wären:

Ja, ich weß. Seriös sieht anders aus.

Aber damit bewegt sich der Daddy in einer Szene pseudonymisierter Fußball-Anhänger auf Twitter, die grenzdebil wirken, es aber durchaus ernst meinen mit dem Fußball

DaddyGross04 hat das gemacht, wozu Redakteur*innen, Absolvent*innen renommiertester Journalisten-Lehrgänge und angebliche Investigativ-Reporter*innen nicht in der Lange zu sein scheinen: Er hat das High-End-Recherche-Tool Google fehlerfrei bedient. Und dann hat er sich weiter geklickt.

Worauf er stieß, sollte bei Schalke-Fans große Sorgen auslösen. Denn der Sun AG-CEO Wolfgang Grabher wird über zahlreiche Quellen verbunden mit, sagen wir, problematischen Multilevel-Marketing-Systemen und dem Thema Kryptowährungen. Interpol soll ihn laut ORF sogar auch mal wegen Wirtschaftskriminalität verhaftet oder zumindest gesucht haben.

Auch bei Reddit wird intensiv darüber diskutiert:

Schalkes neuer Hauptsponsor fix: In der kommenden Saison wird die SUN AG mit ihrem Produkt „Sun Minimeal“ auf der Brust der Königsblauen werben
byu/Ubergold inBundesliga

Auch Deutschlands wichtigster Influencer in Sachen Multilevel-Marketing ist bereits mit dem Thema unterwegs:

@levihalloliebe Schalke-Fans, es tut mir Leid, ich weiß ihr habt es gerade so schon schwer genug

♬ original sound – Levi Penell

Und die journalistischen Medien?

Nix. Niemand erwähnt das.

Klar, es war Wochenende. Klar, es war echt heiß. Klar, wir reden zunächst mal über Sportjournalist*innen, deren vorderste Aufgabe nicht die Recherche von Unternehmen ist. Dass aber NIEMAND nach 2,5 Tagen auch nur einen Hauch von Zweifel an der Sun AG äußert, darf eine Frage auf den Tisch bringen: Wozu brauchen wir all diese Redaktionen noch?

Denn es ist ja nicht so, dass hinterfragenswerte Sponsoren eine Novität wären. Gerade Sportjournalisten im Westen dürften, nein müssten, den Fall des KFC Uerdingen kennen. Der abgestürzte Traditionsclub feierte sich im April vergangenen Jahres für seinen neuen Hauptsponsor dasbob.

Wer das ist?:

„dasbob wird Deutschlands erstes Vollsortiment-Onlinekaufhaus mit unschlagbaren Vorteilen gegenüber der Konkurrenz und herausragenden Benefits für die Kunden.

dasbob bildet die Brücke zwischen der Online und Offline Welt, belebt die Innenstädte und gibt dem Einzelhandel neue Hoffnung. dasbob steht für Transparenz, Offenheit und Ehrlichkeit.“

Tausend Fragen kreisten ob dieser Meldung damals um meinen Kopf, die dominierende lautete: Hä?

Bis heute habe ich das Geschäftskonzept nicht verstanden. Ist aber wohl auch nicht mehr nötig – das Insolvenzverfahren läuft, seinen Verpflichtungen gegenüber dem KFC ist das Unternehmen nie vollständig nachgekommen.

Ebenfalls im Westen aktiv, nämlich beim KFC, der Düsseldorfer EG und den Krefeld Pinguinen, war der russische Investor Mikhail Ponomarev. Gegen den ermittelte zumindest im Dezember anscheinend noch die deutsche Staatsanwaltschaft.

Wer im Sportressort arbeitet, könnte also sensibilisiert sein. Trotzdem muss er oder sie keine Wirtschaftsrecherche können, aber er oder sie könnte ja mal Kolleginnen und Kollegen ansprechen, die in diesem Feld kundig sind – das soll doch angeblich einer dieser Vorteile von Redaktionen sein.

Wenn aber Fans wie DaddyGross04 schneller und tiefer recherchieren als diese, und zwar um Tage schneller, dann sollten sich Medienhäuser fragen, ob das Problem ihrer Refinanzierung vielleicht in der Arbeitsweise ihrer Redaktionen begründet liegt.

Sicher bin ich mir aber über eines. Mein verehrter Lehr-Herr aus den Tagen an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten, Prof. Ferdinand Simoneit, würde ob dieser Gemengelage einen dramatischen Moment schweigen. Dann schaute er jenen inagilen Redaktionsmitgliedern in die Augen und würde in kaltem, fast verächtlichem Ton sagen: „Ihr seid doch Jagdhunde, die man zum Jagen tragen muss.“


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