Derzeit durchfahren Autos mit Kameras im Auftrag von Google Deutschlands Städte. Sie zeichnen das Straßenbild für Google Streetview auf, so dass künftig nicht nur der Satellitenblick von oben möglich ist, sondern der Gang durch Straßen.
Nun ist es legitim, zum Datenschutz aufzurufen, wie es das Thilo Weichert tut, der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD). Die Frage ist nur: Warum agiert er gegen Google – nicht aber gegen ein wesentlich älteres System aus dem Hause Infas? Google ist böse. Und wer das nicht begriffen hat, dem prügelt es das ULD immer wieder ein. Google, das ist so was wie der pawlowsche Reflex für Datenschützer – erst recht, wenn es um Streetview geht.
Dabei ist der Dienst an sich eine gute Idee. Google Maps auf dem Handy ist ein guter Navigator, gemeinsam mit den Satellitenbildern ist Orientierung wunderbar möglich. Mit Streetview würde das noch einfacher.
Von nix aber kütt nix, wie der Rheinländer sagt. Erkauft wird dieser Dienst eben mit Bildern der entsprechenden Ortschaften. Und bisher dachte ich immer, die Datenschützer störten sich dabei an der Möglichkeit, dass in den Streetview-Bildern Personen auftauchten – wobei diese ziemlich unkenntlich sind.
Nein, nun geht wieder die Mär um von der Einbrecherhilfe:
„Es werde ein optischer Rundum-Gesamteindruck vermittelt, ohne vor Ort anwesend sein zu müssen, schreibt Weichert in seiner Bewertung des Projekts. Dadurch erhalte der Betrachter eine optische Vorstellung über Art und Natur der Bebauung, die äußere Gestaltung von Haus, Wohnung und Garten mit Rückschlussmöglichkeit auf Ausstattung, wirtschaftlichen Wert, Zugänglichkeit oder Diebstahlsmöglichkeiten.“
Nun ist ein Einbrecher, der allen Ernstes Streetview braucht, um lukrativ erscheinende Wohnobjekte auszumachen und der sich womöglich allein auf Google verlässt kaum in der Lage, ernsthaft ein Haus zu knacken.
Viel gravierender aber: Das ULD hat nie etwas gegen ein viel älteres Unternehmen gesagt, dass ein viel weitreichendere Leistung bietet, wie die „Zeit“ berichtete. Es heißt Infas Geodaten. Und dort gibt es Fotos von fast allen Häusern, gepaart mit allerlei Zusatzdaten, ja sogar mit der Passantenfrequenz um ruhige Zeiten auszumachen.
Gern hätte ich das ULD gefragt, warum man dies bisher verschwieg. Aber es ist 16 Uhr am Tag vor einem Feiertag – derzeit geht niemand ans Telefon.
Kommentare
Andreas 2. Oktober 2008 um 16:54
Sie schlagen nur zu gerne auf (vermeintlich) internetfeindliche Personen oder Menschen ein, die das Internet (vermeintlich) nicht verstanden haben. Oft haben Sie dabei durchaus recht. Manchmal treffen Sie aber auch einmal den Falschen. Auch ein pawlowscher Reflex…
> Google ist böse. […] das ist so was wie der
> pawlowsche Reflex für Datenschützer
Pauschale Aburteilungen verfehlen nahezu immer die Sache. Ich habe zudem noch nie eine solche pauschale Verurteilung Googles von Datenschützern gehört.
Der Aufruf zu kritischer Wachsamkeit und Skepsis einem Unternehmen gegenüber, dessen zentrales Kapital Daten sind, scheint dies in Ihren Augen bereits darzustellen.
Das hingegen ist für mich pauschal.
> Dabei ist der Dienst an sich eine gute Idee.
> Google Maps auf dem Handy ist ein guter Navigator,
Das mag alles sein, dennoch ist eine reine Nützlichkeitsbetrachtung unter schulterzuckendem Über-Bord-Werfen datenschutz- und persönlichkeitsrechtlicher Überlegungen alles andere als Verhältnismäßig.
> Erkauft wird dieser Dienst eben mit Bildern der
> entsprechenden Ortschaften. […] nun geht wieder
> die Mär um von der Einbrecherhilfe:
Das ist ein _Beispiel_, um es auf eine leichtverständliche Ebene herunterzubrechen.
Grundsätzlich geht es aber eben um datenschutzrechtliche Belange, die durch Streetview (u. U. – geklärt ist hier endgültig noch nichts) berührt und verletzt werden.
Streetview erfasst nämlich nicht nur die Umgebung mit Fotos, sondern kombiniert diese mit Geodaten, woraus dann ganz schnell ein personenbezogenes Datum wird.
Die Zustimmung zu dessen Verarbeitung hat genau welcher betroffen Anwohner Google gegeben?
> Viel gravierender aber: Das ULD hat nie etwas gegen ein
> viel älteres Unternehmen gesagt, dass ein viel
> weitreichendere Leistung bietet, wie die \“Zeit\“
> berichtete. Es heißt Infas Geodaten.
Man darf also eine fragwürdige Handlung dann nicht mehr kritisieren, wenn man eine andere ähnliche nicht erwähnt? Aha.
Zudem hat sich Herr Weichert durchaus bereits öfters bzlg. der Thematik der Geodaten und des Datenschutzes geäußert – da ist er einer der wenigen, der diesem Thema überhaupt Aufmerksamkeit schenkt.
> Gern hätte ich das ULD gefragt, warum man dies bisher
> verschwieg. Aber es ist 16 Uhr am Tag vor einem
> Feiertag – derzeit geht niemand ans Telefon.
Behördenbashing ist leider wirklich armselig…
SoE 2. Oktober 2008 um 17:46
Haben Sie den Artikel in der Zeit eigentlich gelesen? Dort steht doch ganz klar, dass der Beauftragte für Datenschutz des Bundes, Herr Schaar gegen diese Praktiken sei und auf neue Regeln drängen würde.
Und gleich mein 2. Googleergebnis zu \“thilo weichert geoscoring\“ war folgender Heise-Artikel von vorgestern:
http://www.heise.de/newsticker/Datenschuetzer-fordern-Ampelregelung-beim-Zugriff-auf-Geodaten–/meldung/116720
Hier teilt Herr Weichert ganz klar mit, was er von dem neuen Gesetz zum Umgang mit digitalen Geodaten hält: Nichts.
Ebenfalls in einer Minute findet man bei Google die Meinung Peter Schaars zum Geoscoring, bzw. den Regeln für Auskunfteien: Ungenügend.
Natürlich wäre es schön, wenn stets alle Datenschützer Deutschlands gegen alle möglichen Verstöße gegen den Datenschutz poltern würden. Andererseits haben die im Moment sicher genug zu tun. Ihnen dabei auch noch angebliche Doppelstandards vorzuwerfen, hilft leider gar nicht.
Uwe 2. Oktober 2008 um 18:16
Nur wer gegen einen Großen schimpft kann auch in der Presse erwähnt werden. Hat ja geklappt, wie ich an Deinem Artikel hier sehe.
Detlef Borchers 2. Oktober 2008 um 18:41
\“Gern hätte ich das ULD gefragt\“ ….
wie wäre es mit etwas Lektüre aus dem Internet?
https://www.datenschutzzentrum.de/geodaten/
keat 2. Oktober 2008 um 22:17
Hoppla, der Eintrag scheint aber nicht sonderlich lange gereift zu haben.
Ich schließe mich meinen Vorkommentatoren in jedem Fall an, besonders der \“Viel gravierender aber:\“-Absatz ist daneben, und ich ergänze:
http://www.geografitti.de/2008/04/25/scoring-mit-quasi-personengebundenen-daten
Da beschäftigt sich jemand differenziert mit Infas und Co. und hat auch Vorschläge um mit der Situation umzugehen.
Evtl. ist auch http://www.geografitti.de/2008/09/04/datenschutzer-kritisieren/ interessant, er lenkt den Blick auf das Kommunikationsverhalten der Branche, die eigentlich in der Pflicht steht.
Frontbumpersticker 12. Oktober 2008 um 15:21
Hi, ich habe mir die Freiheit genommen, den Artikel hier in meinem Blog-Eintrag über Google-Street View in Hannover zu verlinken:
http://frontbumpersticker.blogspot.com/2008/10/google-street-view-kommt-nach-hannover.html
vo_bonn 12. August 2010 um 21:29
Als Ihr Follower erlaube ich mir in diesem Fall Kritik: Der ULD ist so ziemlich das Fortschrittlichste was es unter den Datenschützern gibt! UNABHÄNGIG von der Politik UND kompetent!
Aus meiner Sicht ist google eine hermetische Organisation! Versuchen Sie mal einen Überblick über die Struktur der google.de zu erhalten! Wer ist wofür verantwortlich? Da ist Skepsis und Misstrauen doch gerechtfertigt? Und die Netzneutralität von google? Wo sind die offiziellen – glaubwürdigen – Stellungnahmen?
Trotz alledem: WEITER SO MUTIG – nur nicht im Schlepptau von google
Können wir Personen wie Thilo Weichert bitte ihrer Ämter entheben? 14. September 2010 um 21:13
[…] nun Thilo Weichert, Inhaber des gleichen Amtes in Schleswig-Holstein. 2008 schon brachte er hanebüchene Argumente gegen Google vor. Inzwischen ist der frustriert. Die Deutschen hätten es nicht besser verdient, dass ihre Daten […]
Der Skandal Thilo Weichert 25. Februar 2014 um 16:42
[…] seiner absurden Forderungen und Zitate reicht inzwischen um Bücher zu füllen. 2008 behauptete er, Google Streetview würde Einbrechern helfen (bis heute kommen die prima ohne aus). Dann bezeichnete er Deutschlands Bürger (also die, […]