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Ich bin Fußball-Fan, Dauerkartenbesitzer des SC Preußen Münster (weshalb ich weder über das vergangene noch über das kommende Wochenende reden möchte) und kenne viele, die sich auch für Fußball begeistern.

Seit der Vorverkauf für die Europameisterschaft gestartet ist, habe ich diese Menschen gefragt, ob sie sich für EM-Karten beworben haben. Die Zahl derjenigen, die mit „Ja“ geantwortet haben, lässt sich sehr exakt beziffern – mit Null. Vorfreude? Auf diese Frage wird mit Achselzucken geantwortet. Eigentlich interessiert sich niemand wirklich für das Turnier.

Das betrifft nicht nur das Umfeld des SC Preußen, bei dem verständlich wäre, wenn die Anhänger derzeit angesichts eines emotionalen Ausnahmezustands keinen Kopf für die EM im eigenen Land haben. Egal ob Bayern-, HSV- oder Leverkusen-Freund: Ich kenne in meinem Umfeld keinen Stadiongänger, der Vorfreude auf die EM empfindet.

In den vergangenen Tagen streute der DFB nun seinen Kader für die EM im medialen Raum. Die Grundidee klingt logisch: Jeden Tag wird ein Spieler nicht verkündet, sondern irgendwo versteckt, mal auf instagram, mal im Fernsehen, mal bei einem Konzert. Die Hoffnung: Die Fans werden sehnsüchtig nach dem nächsten Kicker suchen, sie werden mit der Idee spielen und so entstehen dann Memes, die uns alle gemeinsam Lust auf die das deutsche Team machen. Und die Kicker selbst machen Lust auf das Spiel, geben auf ihren Kanälen Hinweise und Teaser.

In der Theorie – top.

Aber Kampagnen sind Kommunikation und Kommunikation bewegt sich immer in einem individuellen Kontext, der durch den Empfänger definiert wird.

Und deshalb ist diese grundsätzlich gute Idee nur dann erfolgreich, wenn man sich dieses Kontextes bewusst ist.

Etliche Menschen, mit denen ich auf LinkedIn verbunden bin, lobten die Kampagne in güldenen Vokabeln. Die meisten von ihnen waren eines nicht: Fußballfans. Und sie werden morgen auch schon vergessen haben, wer da nominiert wurde. Das kann man ihnen nicht vorwerfen: Der größere Teil des EM-Kaders besteht aus Spielern, deren öffentliches Profil so hügelig ist wie eine niederländische Weide. Einige Beispiele: Waldemar Anton, Benjamin Henrichs, Aleksandar Pavlovic. Selbst Wirtz, Musiala oder ter Stegen sind nicht mehr als Spieler einer Mannschaft. Sie stehen für – nichts.

Die kommunikative Herausforderung des DFB ist es also gar nicht, die breite Bevölkerung davon zu informieren, wer für Deutschland aufläuft, sondern eine Atmosphäre zu schaffen, die Gastmannschaften freundlich behandelt und das eigene Team vorfreudig-enthusiastisch feiert. Für Letzteres bräucht es Fußballfans, denn sie bestimmen und prägen die Riten im Stadion. Noch nie kam ein neuer Fangesang vom Gast des VIP-Logenbuchers.

Wenn man dies berücksichtigt zeigt sich, dass der DFB noch immer nicht verstanden hat, wo seine Probleme liegen:

  1. Er ist weit entfernt von seiner Zielgruppe.
  2. Er hat keinerlei erkennbare Digital- oder Kommunikationskompetenz (und seine Dienstleister auch nicht).
  3. Er besitzt keinen wahrnehmbaren Humor, geschweige denn Selbstironie.

DFB missachtet den Kontext seiner Kommunikation

Wie geht es der Nationalmannschaft? Nicht gut und wir reden da nicht über das Sportliche.

Wer kontemplative Stille in großen Räumen erleben möchte, sollte Spiele der deutschen Nationalmannschaft besuchen. So existiert rund um das Team keine wirkliche Fankultur, Wer Mitglied des offiziellen Fanclubs werden möchte, zahlt 30 Euro im Jahr und eine einmalige Aufnahmegebühr – ehrlich: What. The. Fuck? – von 10 Euro. Gezahlt werden kann nur via Bankeinzug, weil beim DFB das 20. Jahrhundert nie zuende gegangen ist.

Wie egal dem DFB diese Veranstaltung ist, zeigt nicht nur die Homepage des Fanclubs – die wie alle DFB-Angebote im Web gestrig ist – sondern auch die sadistische Lieblosigkeit, mit der die Social Accounts des Clubs gepflegt werden.

Beispiel Instagram: Unter den jüngsten 70 Postings finden sich 3 (!) auf denen auch Fans zu sehen sind. Und das sind für den DFB was?

Man kann auch sagen: Dem DFB sind die Fußballanhänger in Deutschland so egal, wie dem weitesten Teil der Fans die Nationalmannschaft.

Gleichzeitig wächst die Begeisterung für Fußball. Die Auslastung der Erstligastadien ist ohne Ausbau kaum zu steigern, die zweite Liga auf Rekordkurs, die dritte Liga die zuschauerstärkste dritte Liga der Welt.

Das hängt auch damit zusammen, dass Fußballvereine zu Ankerpunkten der Selbstvergewisserung geworden sind. Sie stehen für den Ort, den Menschen als Heimat sehen und damit stehen sie für die jeweiligen Menschen selbst und deren gefühlte Wurzeln.

Eine deutsche Nationalmannschaft kann diese Rolle im demokratischen Spektrum nicht mehr übernehmen. 2006, beim Sommer des Märchens, war das ein wenig anders. Damals war Deutschland im Aufbruch, Integration war praktisch vollkommen positiv besetzt, die Faschisten hatten noch nicht die Stimmung im Land vergiftet.

Aber genau das ließe sich ja thematisieren. Die deutsche Nationalmannschaft könnte für mehr stehen als ein Herkunftsland. Das aber mag man nicht mehr, nachdem angeblich die Kapitänsbindendiskussion die vergangene WM ruiniert hat. Dabei reicht die Amazon-Dokumentation „All or nothing“ für die schlichte Erkenntnis, dass jener Kader kein Team war und ihm ziemlich egal war, was der Trainerstab da so veranstaltete.

Stattdessen scheint das Ziel des DFB zu sein, dass die Mannschaft für nichts mehr steht. Das Provokanteste ist noch ein pinkes Zweittrikot, das allein jenen Teil der germanischen Homo Sapiens erzürnt, der unter einer sehr fragilen Männlichkeit leidet.

DFB-Schnitzeljagd – handwerklich schlimm

Genauso fürnichtsstehend ist diese Schnitzeljagdkampagne.

Kampagnen leben sehr oft von der Träumerei, was wäre, wenn etwas passieren würde. Diese lebt von der Vorstellung, dass Millionen Fußballfans sich auf die Suche machen nach den neuesten Verkündungen und der individuellen Hoffnung, dass man selbst dabei sein könnte oder vielleicht gar der erste ist, der etwas entdeckt.

Das ist aus der Grundposition der Nationalmannschaft schon schwierig. Trotzdem könnte es funktionieren, weil wir Menschen solche Rätselspielchen lieben.

Die Jagd wird aber keinen Jagdtrieb auslösen, wenn sie so handwerklich lustlos konstruiert wird. Das beginnt schon beim fehlenden Hashtag. Mit dem hätte man ja jene schatzsuchige Schnitzeljagdbegeisterung auslösen können. Einen ordnenden # gibt es aber nicht, mehr noch, eine Hashtag-Policy existiert ebenfalls nicht.

Aber gut, vielleicht hat hier doch Einsicht in die eigene Situation gegriffen: Wenn das Objekt des # keinen interessiert, braucht man auch keinen #.

Nirgends ist ein Mechanismus eingebaut, der einem Fan die Chance gäbe, als erster eine Meldung zu entdecken.

Nehmen wir Peter Schilling:

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Die Idee von Major Tom als Torhymne ist eine, die von Fans erdacht wurde und bei einer Onlinepetition über 70.000 Stimmen einsammelte. Der DFB setzt sich drauf – und ignorniert die Wünsche der Anhänger. Er hätte sich ja öffentlich dafür einsetzen können, dass nach deutschen Toren bei der EM dieser Song gespielt wird (was die UEFA nicht erlaubt). Er hätte mit genau dieser Begründung auch erklären können, dass ab EM-Ende dies der Torsong bei Heimspielen sei. Stattdessen bleibt es nach derzeitigem Stand bei „Kernkraft 400“ (sehr zeitgemäßer Songtitel) von Zombie Nation (nein, das ist keine Beschreibung der DFB-Zentrale).

Eine ähnlich verpasste Chance: die Nominierungsverkündung von Leroy Sané in der Frankfurter Schirn.

Dort läuft gerade eine Ausstellung über Hiphop und Popkultur. Man darf vermuten: Sie wird von vielen Schulklassen besucht. Warum also nicht mit ein oder zwei davon absprechen, dass man die Reaktion der Schüler filmen kann, wenn ihnen ein Bild von Sané präsentiert wird? Oder noch besser: Warum nicht Sané für einen PR-Termin von München nach Frankfurt fahren?

Herausgekommen wäre: ein emotionales Video mit Sharing-Potential.

Herausgekommen ist: ein Kartengewinnspiel für die Schirn.

Damit hört die schludrige, demotivierte Machart nicht auf. Nehmen wir das Posting von Hisar Döner, anscheinend ein Laden, den Antonio Rüdiger schon als Teenager frequentiert hat.

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Der Sound des Dönermeisters ist schon herausfordernd. Das dann noch mit viel zu lauter Hintergrundmusik zu mischen sorgt für Gehörgangsfolter. Aber, hey, am Ende gibt es 50 Gratisdöner für Schüler. OK, das ist somit eventuell als Gewinnspiel einzuordnen, das sich an Minderjährige richtet, aber wer so wenig Ahnung von Digitalmarketing hat, der hat den Begriff Gewinnspielregeln auch noch nie gehört.

Auch die Nominierung von Florian Wirtz durch Nina Chuba ist akustisch wie inhaltlich kaum zu verstehen. Man hätte Chuba jetzt auf dem Weg zur Bühne sagen lassen könnnen, dass sie nun einen Spieler nominiert. Oder man hätte den Schülerpraktikanten gegen zwei Kugeln Eis motivieren können, Schriftafeln einzublenden. Aber für 525.000 Euro Budget kann eine Agentur doch keine Wunder bewirken.

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Dann wird Wirtz eingeblendet und man befürchtet, dass er in einen Keller entführt wurde oder im Gefängnis gelandet ist. Eines davon muss stimmen, nur so erklärt sich, wie freudlos er sich über seinen Kaderplatz freut.

Ganz schlimm wird es bei Günther Jauch:

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Vielleicht befand sich Jauch gerade in einem sakralen Raum, in dem die dominierende Reliquie das Campbell-Tank-Top des heiligen Andy war und die einzig verfügbare Kamera das iPhone 7 des Hausgeistlichen, dessen Linse mal unter zu viel Kerzenwachs bedeckt wurde – aber ich halte das für unterdurchschnittlich wahrscheinlich.

Eher war es doch wohl so: Die teilnehmenden Personen und Institutionen wurden gebeten, teilzunehmen. Und weil die Agentur beim wirklich eng bemessenen Budget von 750.000 Euro keinen Raum mehr für Videographer, Soundleute oder einen Praktikanten mit Grundkenntnissen von Final Cut sah, wurde einfach genommen, was kommt. Das wurde dem DFB dann mit der Bullshit-Vokabel „Authentisch“ verkauft.

Authentizität aber ist nun mal die Differenz zwischen Erwartung und Wahrnehmung (mehr dazu hab ich mal hier aufgeschrieben). Sehr, sehr viele Menschen haben aber bei der Schirn keine Erwartung. Oder bei Wolfgang Bahro. Ganz sicher aber wirkt das, was Jauch da veranstaltet, vollkommen unauthentisch.

So bleibt noch eine Dachmarke – der DFB. Und der ist kalt-hochglänzend positioniert und nicht verschmiert-suppentanktoppig.

Lachen verboten

Es gibt noch etwas, wofür weder der DFB noch seine Nationalmannschaft stehen: Humor.

Rund um die Nationalmannschaft wird sehr, sehr wenig gelacht. Das fällt auch beim Betrachten der „All or nothing“-Doku auf. Klar, während des Turniers hatte die Mannschaft auch nix zu lachen, aber betrachtet man all die Bilder aus Sicht der Frage, ob man in diesem Umfeld gern arbeiten würde, lautet die Antwort: Ne, lass mal lieber.

Und so ist auch die Nominierungsschnitzelei vollkommen frei von Humor. Bestenfalls ist noch etwas dabei, was Agenturen gern als „augenzwinkernd“ verkaufen. Augenzwinkernd ist das, was früher in der Zeitung die Rubrik „Zum Lachen“ war. Wenn man nicht drüber geschrieben hätte, dass dies das Ziel des Abgedruckten war, es wäre nicht aufgefallen. So ist das auch mit dem Augenzwinkern: Man muss das Gesicht grotesk verziehen als Signal für das Gegenüber, dem Folgenden im Kopf einen Hauch von Fröhlichkeit zu entlocken.

Nehmen wir Dachdeckerin Chiara:

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Na, hat das Auge gezwinkert? Aber wohl höchstens, weil man kurz einnicken möchte.

Chiara ist großartig, wundervoll, ein Hammer. Aber hier bewegt sie sich in einem unbekannten Kontext. Und da braucht es ein gemeinsam erarbeitetes Briefing.

Für solch eine Ideengenerierung aber war wohl kein Budget mehr da, nachdem die Kosten der Kampagne auf 975.000 Euro stiegen, weil der Senior Art Director aus Versehen nicht eingepreist war, der Kunde hatte aber Verständnis dafür.

Natürlich gilt die Regel, dass man Influencer*innen die kreative Hoheit überlassen sollte, wenn man mit ihnen zusammenarbeitet. Das gilt nicht zu 100 Prozent. Es geht darum mit ihnen gemeinsam Ideen zu erarbeiten, die ihre Zielgruppe begeistern und gleichzeitig auf die Marke abstrahlen.

Der DFB will nicht dahin gehen, wo es weh tut

Die Grundidee der Nominierungskampagne ist keine intellektuelle Meisterleistung, da kommt man schon recht flott drauf. Aber professionell umgesetzt hätte sie nicht nur funktionieren, sondern zum großen Erfolg werden können.

Vielleicht ist sie dem DFB selbst nicht geheuer? Der Verband „kooperiert“ ja mit TikTok. Wie viele der Nominierungen landeten auf dem Account @dfb? Keine, nur ein Fazit-Video wurde gepostet. Für das Fixieren im Profil war es den Verantwortlichen nicht interessant genug – im Gegensatz zu einem Tor des englischen Nationalspielers Jadon Sancho aus dem Januar, einem Heber in einen Hotelmülleimer von Thomas Müller und der Albernheit der Frauen-Nationalmannschaft, die sich im vergangenen Jahr bei Regen unter eine überlaufene Rinne ziehen wollten.

Es gibt übrigens auch einen Account des DFB Teams mit Videos von 2021, der behauptet, offiziell zu sein. Anscheinend ist die Partnerschaft mit TikTok aber nicht eng genug, um für diesen das Passwort auszugraben oder ihn abschalten zu lassen.

Diese beiden Anekdoten reihen sich ein in den Rest der Kampagne. Letztlich ist sie nur eine Aneinanderreihung dröger Pressemitteilungen, die einige Medien, wie 1Live, exklusiv vorab bekommen.

Immerhin liefert all das aber eine Lehre für Menschen im Marketing: Wer gut kommunizieren will muss wissen, wie er selbst bei der Zielgruppe wahrgenommen wird, wie das gewählte Medium Kommunikation verändert und was es braucht, damit die Zielgruppe aufmerksam wird. Weshalb für den Kommunikationserfolg eine schmerzhafte Analyse darüber nötig ist, wie die eigene Marke so wahrgenommen wird.

Der DFB will nicht dahin gehen, wo weh tut. Und irgendwie passt das auch zur Nationalmannschaft der jüngeren Vergangenheit.


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