Wenn jemand mit aller Macht in eine Richtung diskutiert, dabei aber Argumente verwendet, die seinen eigenen Logiksträngen unterwandern, so ist dies bei intelligenten Menschen einfach pure Ironie. So funktioniert oft auch Kabarett.
Auf der Seite 1 der aktuellen „Zeit“ findet sich ein Text von Josef Joffe, bei dem genau das passiert. Es geht um die „Zukunft des gedruckten Wortes“ und wie das Internet, genauer gesagt die Huffington Post, jenes bedroht.
Ich fürchte jedoch: Joffe meint das nicht ironisch – er sieht das wirklich so. Im vergangenen Dezember habe ich am Rande des Internet-Kongresses Le Web in Paris ein interessantes Gespräch geführt. Bei einem Kaffee stand ich zusammen mit Emily Bell, der Online-Chefin des „Guardian“ und Andrew Keen. Keen kommt aus der Internet-Wirtschaft und ist nun Autor, im vergangenen Jahr war er auf zahlreichen Podien dank seines Buchs „Cult of the Amateur“, in dem er nutzergenerierte Inhalte als ganz ganz schlimm und dumm machend brandmarkt.
Live ist Keen ein Problem. Nicht nur, weil er keinen Gesprächspartner ansehen mag, sondern auch, weil er nicht zuhören will. Denn egal ob per Buch oder auf einem Podium – Keen ist nicht in der Lage, auf Gegenargumente zu antworten.
Warum das so ist, erfuhr ich dann bei jenem Gespräch. Bell und ich sprachen über dieses und jenes und Keen wusste nicht, wovon wir redeten. Mehrmals stellte er Fragen, bei denen Bell und ich uns ein wenig verwundert anschauten.
Jener Andrew Keen nun taucht in einem Artikel auf, der sich auf der aktuellen Seite 1 der „Zeit“ findet – nicht jedoch bei Zeit.de (weshalb ich ihn leider nicht verlinken kann). Er ist überschrieben mit „Alles umsonst“ und wird sensationsheischend vorgespannt mit: „Ein erfolgreiches Internetangebot bedroht die Zukunft des gedruckten Wortes. Das brauchen wir aber mehr denn je.“
Welches Angebot das ist? Die Huffington Post. Ja, der Web-Kenner glaubt gerade bei der „Bild“ gelandet zu sein – ein politisch geprägtes Internet-Nachrichtenangebot soll das „gedruckte Wort“ bedrohen.
Aber es wird ja noch lustiger. Joffe schreibt:
„Im Jahr 2005 von der einstigen Millionärsgattin in Los Angeles gegründet, enthält die HuffPost kein gedrucktes Wort.“
Man beachte die Wortwahl: „einstige Millionärsgattin“. Das riecht nach mager ernährter Blondine, die alte Männer ins Bett zieht um sich per Scheidung zu sanieren.
Joffe hätte auch andere Worte wählen können: Buch-, gar Bestsellerautorin, zum Beispiel. Callas-Biographie. TV-Autorin. Moderatorin. Politikjournalistin. Bürgerinitiativen-Chefin. Polit-Aktivistin. Ex-Gouverneurs-Kandidatin. Politikerin. Politiker-Beraterin. Radio-Diskutantin. Vielleicht wäre ein Exkurs zu ihrem bewegten Lebenslauf ein Gewinn für den Leser gewesen.
Er aber wählt: „einstige Millionärsgattin“.
Und diese einstige Millionärsgattin nun bedroht das „gedruckte Wort“. Warum? Joffe schreibt:
„Die HuffPost zahlt nichts – genauso wie die anderen Umstürzler YouTube oder Facebook, die Unmengen von Information von ihren Usern geschenkt bekommen und daraus eine Werbeplattform zimmern. Der normale Verleger entlohnt seine Autoren, Redakteure und Korrektoren.“
Nun ist die eine Seite dieser kruden Argumentation die Vermischung von Seiten wie Facebook mit einem Angebot wie der Huffington Post. Wie viele Menschen macht Joffe den Fehler, Kommunikation und Publikation nicht zu trennen. Das Internet ist das erste Medium, das diese Grenze aufhebt. Das Weiterreichen eines Links bei Facebook ist keine Veröffentlichung im klassischen Sinne, sondern Kommunikation, die dem alt hergebrachten „Hast Du schon gehört?“ entspricht. Bereichert sich Facebook daran? Ja, genauso wie der Kneipenwirt daran, dass der Schalke-Fan noch mal ein paar Minuten länger am Thresen bleibt, weil der Kumpel gerade erst die Diskussion über die mangelnde Qualität von Kevin Kuranyi begonnen hat. Mancher Barmann hat die Kunst der Konversation mit seinen Gästen gar verfeinert, damit sie länger bleiben und noch einen Drink nehmen. Joffe würde so etwas wohl für parasitär halten.
Nun aber gibt es da einen Haken: Die Huffington Post zahlt nämlich durchaus etwas. Sie baut eine Redaktion auf. Da muss Joffe nun irgendwie die Kurve kriegen. Er schreibt:
„Die Huffington Post kommt mit einer Mini-Truppe von 50 Leuten aus, die New York Times hat an die 1000 Redakteure.“
Es ist ein Vergleich am Rande der Demagogie. Oder darüber. Denn zum einen ist allein schon die Auf-Augenhöhe-Setzung der drei Jahre alten Huffington Post mit der 157 Jahre alten Institution „NYT“ bemerkenswert. Zum anderen zahlt die Huffington Post selbstverständlich ihre Mitarbeiter. Zum Vergleich übrigens: Die „Zeit“ zählt im Impressum 133 redaktionelle Mitarbeiter im Print-Bereich auf. Da könnte man jetzt mal fragen, ob „Zeit“ unter- oder die „NYT“ überbesetzt ist. Und ob Joffes Zahl so insgesamt überhaupt stimmt, ist offen: Die Newsroom-Besetzung der „NYT“ liegt bei rund 1.300, die Zahl der Staff Writer bei 350 – vielleicht hat er einfach mal die Mitte angepeilt.
Seinen Sinn für Logik beweist Joffe auch so:
„Logisch, dass die Times bei diesen Fixkosten mit Onlinewerbung nichts verdient, während die HP sechs bis zehn Millionen Dollar kassiert.“
Joffe ist ein Mann der Politik, da muss man vielleicht keine Ahnung von Wirtschaft haben, sollte man aber. Warum man mit dem Fixkosten-Block aus Print Online nichts verdient, ist die eine Frage. Warum er die Print-Einnahmen als wichtigste Umsatzquelle nicht erwähnt, ist keine: Es würde seine These kaputt machen.
Die Huffington Post erklärte, in diesem Jahr profitabel werden zu wollen. Wieviel sie umsetzt, ist nicht bekannt, Ende 2007 tippte der Silicon Alley Insider auf 4 Mill. Dollar, seien wir optimistisch und geben ihr ein Wachstum von 50 Prozent – dann landen wir bei 6 Mill. Dollar. Umsatz, wohlgemerkt.
Und die New York Times Company? Nahm im zweiten Quartal 2008 91 Mill. Dollar mit ihren Online-Aktivitäten (die auch About.com einschließen) ein. Und NYT.com soll profitabel sein.
Die Augen-zu-und-durch-Logik Joffes ist aber damit nicht am Ende. Zwei Quellen kostenloser Inhalte habe die Huffington Post, schreibt er:
„Die eine, das ist das absolut Neue, sind oder waren Huffingtons Promi-Freunde… Alle liefern ihre Meinungen ,für lau‘, weil sie in der kostbarsten aller Währungen bezahlt werden: mit Aufmerksamkeit.“
Was daran neu ist? Tja… ähm… weiß ich auch nicht. Die „Zeit“, zum Beispiel, lässt Prominente träumen. Dazu wird ein Redakteur losgeschickt, um die Träume aufzuzeichnen, in der aktuellen Ausgabe schlummert Joan Baez und gibt während der Rem-Phase politische Statements ab.
Aus Lesersicht ist kaum erkennbar, dass hier ein Gespräch umgearbeitet wurde. „Joan Baez“ steht unter dem Text, als letzte Zeile, in kleinerer Schriftgröße folgt: „Aufgezeichnet von Ralph Geisenhanslüke“. Das ist überhaupt nicht verwerflich. Leser mögen Stücke aus Nicht-Journalistenhand, Gastbeiträge sind etwas ganz normales. Und meist werden diese nicht honoriert, weil der Autor durch einen Artikel in einem großen Medium eben Aufmerksamkeit erhält.
Vielleicht also weiß Joffe ja als zweite Quelle etwas Neues aufzulisten. Lesen wir hin:
„Problematisch, ja parasitär wird’s bei der zweiten Quelle: den Links zu fünf Dutzend Zeitungen, Zeitschriften und TV-Anstalten, die ihre Journalisten sehr wohl bezahlen müssen…“
Nun weiß ich nicht, welchen Part Joffe meint. Im unteren Teil der Huffington Post gibt es eine Linkliste. Leser können dort auf die News-Seiten anderer Medien gelangen. Und ansonsten berichtet die Post über Geschichten in anderen Medien und sorgt dafür, dass ihre Leser zu den Originalgeschichten kommen. Sie schaufelt den darbenden Klassikern also Leser zu. Das unterscheidet sie von Angeboten, die zwar andere Zeitungen zitieren, aber nicht verlinken. So wie das nach Joffes Definition parasitäre Angebot namens Zeit.de.
Nun komme es aber ganz übel, ätzt der „Zeit“-Doyen weiter. Denn jetzt wolle die Huffington Post auch noch Lokaljournalismus machen, zunächst in Chicago:
„… mit einem einzigen Redakteur… der unbezahlten Content aus ,lokalen Quellen‘ und von ,Bürger-Reportern‘ bezieht…“
Klingt ganz schrecklich? Nicht, wenn man auf die Originalmeldung schaut:
„… part local news source, part resource guide, and part virtual soap box — featuring a collection of bloggers who know and love Chicago, and are looking to share their takes on everything from the Cubs to City Hall to the hot new local band to the best place for Greek food…“
Das klingt schon anders. Eher nach Meinungs-Begleitung des Stadtgeschehens denn nach Exklusivmeldung. Halt eher wie ein Magazin. Oder wie… eine Wochenzeitung. Die „Zeit“, beispielsweise, war nie die große Vermelderin exklusiver Nachrichten. Sie griff Strömungen auf und ordnete sie ein.
Wie aber sollen wir, da die „Zeit“ ja die Geschichten nicht exklusiv hatte, später einmal wissen, ob diese Geschichten richtig oder falsch sind?
Oh, pardon, jetzt hab ich mich verschrieben. Zitieren wir lieber Josef Joffe:
„Wie werden wir dereinst wissen, ob die Huff-Storys richtig oder falsch sind?“
Eine Möglichkeit wären da die Kommentare unter den Artikeln, eine Möglichkeit, die Leser gerne nutzen, um auf Fehler aufmerksam zu machen.
Wenn sich Joffe zu diesem Zeitpunkt noch nicht entlarvt hat, dann tut er es im letzten Abschnitt. Dort schreibt er:
„Was macht denn der richtige Journalist? Er trennt das Interessante vom Belanglosen und Blöden. Er sortiert und wählt aus… Seine Daseinsberechtigung ist die Autorität, hinter der sich Kenntnis und Erfahrung verbergen.“
Ja, an ihrer Auswahl sollt Ihr sie erkennen. Joffe wählt als Quelle seiner Meinung Andrew Keen aus, den er als „Medienexperten“ bezeichnet. Es braucht nicht viel, um zu einem solchen in den Augen von Josef Joffe zu werden. Ein Buchvertrag reicht. Denn Keen ist von Haus aus eine Ameise der digitalen Wirtschaft und hat innnerhalb von zehn Jahren für sieben Internet-Firmen gearbeitet oder sie gegründet. Öffentlich scheut er nicht vor Nazi- und Kommunisten-Vergleichen zurück.
Joffe also hätte ihn bezeichnen können, als gescheiterten Gründer, Kommunisten-Neffen (sein Onkel war ein leitendes Mitglied der Communist Party of Great Britain), verbale Dreckschleuder. Er aber wählt „Medienexperte“, was verglichen mit „einstige Millionärsgattin“ eine ziemliche Differenz darstellt.
Und Joffe wählt eben ihn als Zeugen seiner These aus. Nicht David Weinberger, Clay Shirky oder Jeff Jarvis. Sie alle hätte er einführen können als „Medienexperte“ oder „Professor der Elite-Universität“ – was ja auch hübsch klingt.
Er tut es nicht. Und genau deshalb entlarvt er sich selbst. Wenn guter Journalismus darin besteht, die richtigen Informationen auszuwählen, dann ist das, was Joffe da geschrieben hat, das Gegenteil von gutem Journalismus. Denn er wählt nur die Seite aus, die ihm passt.
Wenn das Positive am „gedruckten Wort“ – das an sich ja überhaupt keinen Wert hat, denn Aldi-Prospekte werden auch gedruckt und Nobel-Preisträger schreiben im Internet – diese Art von Auswahl ist, dann ist sein Niedergang ein Gewinn für die Gesellschaft.
Joffe schließt über die Zeit nach der Zeitung:
„Dann hätte die Schmarotzerpflane den Baum umgebracht, und Arianna H. wird uns ihren ihrem Blog erzählen können, was sie will…“
Nein, so wird es nicht kommen. Denn Arianna H. darf man kritisieren, man kann sie erreichen, man kann unter ihre Artikel Kommentare schreiben. Und das ist anders als in den Zeiten des Josef J., der auf seinem Baum der Propaganda sitzt und uns bisher erzählt hat, was er will. Josef J. gehört zu einer sterbenden Art. Und das ist ein echter Fortschritt.
(Die hübscheste Illustration zu Joffe gibt es übrigens hier.)
Nachtrag: Der Irak-Kriegs-Befürworter (zusammenhanglose Titulierungen sind ja das neue Schwarz) Joffe hat übrigens gesagt, ihm seien Ideen wichtiger als Identitäten. Ehemalige Millionärsgattinnen sind davon ausgenommen, scheint es.
Kommentare
Sascha Stoltenow 15. August 2008 um 15:03
Was macht der richtige Journalist äh, Blogger? Er schreibt vieles von dem auf, was ich gestern beim Lesen des Artikels von Joffe dachte. Also, Danke Thomas Knüwer. Allerdings sollte nicht unerwähnt bleiben, dass dieses Kommentieren natürlich auch schon wieder ein parasitärer Akt ist, wie im übrigen natürlich auch Journalismus ein parasitärer Akt im Verhältnis zu seinem Beobachtungsgegenstand ist.
Wie dem auch sei. Insgesamt ist Joffe einer der Journalisten, die sich und ihren Berufsstand absolut überschätzen. Man nehme nur mein Lieblingsblogthema \“Bundeswehr.\“ Dazu schreiben ausgebildete Journalisten derart viel Unsinn, dass ich nicht sicher bin, ob sie nicht in der Tat das Interessante vom Belanglosen und Blöden trennen – um anschließend Letzteres zu veröffentlichen.
Lukas 15. August 2008 um 15:18
Mein Drucker kann jederzeit das Wort \“Scheiße\“ drucken. Ich bin mir nicht sicher, ob das hilfreich oder journalistisch ist, aber immerhin ist es \“gedrucktes Wort\“.
Axel Bergander 15. August 2008 um 15:20
Danke für die Zusammenfassung meiner heutigen Frühstücksgedanken. Was mir noch auffiel jenseits von Herrn Joffes Mathe-Schwäche (Zeitungsauflage sinkt pro Jahr um 2,5%, also ist sie in 40 Jahren bei 0. Sic.):
Wie die Dinosaurier aka Plattenfirmen möchte er etwas physisches verkaufen: Das gedruckte Wort. Farbe auf Papier. Nun les ich – wie wohl die meisten – die Zeit wegen des Inhalts und nicht wegen der Druckqualität. Sonst würd ich mir die Novum angucken. Sobald die richtigen elektronischen Lesegeräte kommen – und das werden sie in wenigen Jahren – können wir uns also alle auf das wesentliche Wort konzentrieren: das geschriebene.
Sollte Herr Joffe dann in einer Ecke mit den Vinylplattensammlern sitzen, wär das nur zu bedauern. Eigentlich schätze ich seine Kommentare.
wortwart 15. August 2008 um 15:27
Ich habe auch ziemlich über diesen Artikel gestaunt, der ja schon mal als erstes an der heillosen Überschätzung der Huffington Post krankt. Vermutlich haben einige Zeit-Redakteure ziemlich Bauchweh gekriegt, als sie gelesen haben, was ihr Ex-Chefredakteur da übers Internet schwadroniert. Schade finde ich auch\’s deshalb, weil die berechtigten Fragen (kann das Web den zusammenbrechenden Zeitungsmarkt adäquat ersetzen? Gibt es in ein paar Jahren noch den kleinen Journalisten oder Lokalredakteur?) in einem diffusen Betroffenheitsquark heillos abgesoffen sind.
Mattias Schlenker 15. August 2008 um 15:52
Schon traurig, dass viele Print-Leute der alten Garde die Vorteile des Netzes und deren Auswirkungen auf die Kommunikation mit dem Leser nicht wahrnehmen, ja vehement leugnen. Gerade der schnelle Rückkanal, den eine Kommentarmöglichkeit eröffnet, schafft die Chance, Ergänzungen und Korrekturen zeitnah anzubringen.
Damit dies möglich ist, muss man aber einsehen, dass da draußen vielleicht sogar Leute sitzen, die einem Bereich Expertenwissen mitbringen, das selbst ein Fachredakteur nicht haben kann. Vor diesem Hintergrund von der einzigen Wahrheit (gebracht durch unfehlbare Redakteure und Reporter, für die Ewigkeit festgehalten auf totem Baum) zu schwadronieren, geht weit an der komplexen Welt vorbei, in der wir nun einmal leben.
Nun, wie geht man mit Blättern um, die zwar Webpräsenzen pflegen, aber dort leider auf den Rückkanal in Form von Kommentaren verzichten? Man bloggt über Artikel, die man für inhaltlich falsch hält. Den Traffic bekommt dann der Blogger, in Joffes Augen wohl eine Art Trittbrettfahrer.
Schade, den soetwas…
http://blog.rootserverexperiment.de/2008/08/14/open-source-missverstaendnisse-in-der-ftd/
…würde ich viel lieber direkt mit dem Autor des Artikels in einer Kommentarfunktion unter einem Artikel ausmachen.
Wasabi 15. August 2008 um 16:17
Danke für die Zusammenfassung. Das ist Josef Joffe, wie ich ihn kenne.
Im Kulturkalender der Berliner Zeitung war gestern ein Artikel von Josef Schnelle \“Warum wir Filmkritik brauchen. Die Internet-Blogs zersetzen das informierte und unabhängige Urteil\“ (leider nicht online), der genau in die gleiche Kerbe haut. Argumentation: Nur angestellte Filmkritiker haben das Wissen und die Unabhängigkeit, neue Kinotrends zu entdecken und der filmischen Avantgarde zum Durchbruch zu verhelfen. Blogbeiträge über Filme seien nur \“kritiklos verlängerte Werbung\“. Und das \“sprachliche und intellektuelle Unvermögen\“ der Blogger habe ja der \“Spiegel\“ gerade erst festgestellt. \“Das Kino braucht die Filmkritik. Auf Blogs kann es verzichten.\“ Na dann. Langsam wirds ermüdend.
Roland Keller 15. August 2008 um 17:36
Bei der Diskussion um die Bedrohung der Printmedien wird gerne vergessen, dass stehen gebliebene Journalisten wie Herr Joffe Teil dieser Bedrohung sind.
In vielen Verlagen geht es ja auch nicht viel anders als in großen Konzernen zu: Man ist vor allem mit sich selbst beschäftigt – und wichtig ist vor allem, wie ein Artikel im Haus ankommt.
Dass das Internet die Printlandschaft verändert, ist nicht zu leugnen. Aber ob die Zeitungs-Abstinenz jüngerer Zielgruppen allein auf das Internet zurück zu führen ist, wage ich zu bezweifeln.
Und dann gibt es auch noch das Problem mancher Edelfedern, die den fatalen Fehler machen und das glauben, was sie schreiben …
Jan 15. August 2008 um 17:37
Absolut, Wasabi: Ermüdend wird\’s. Genau das dachte ich auch gerade.
Ich wundere mich zwar immer wieder aufs Neue, wie man mit so einer Einstellung wie der des Herrn Joffe ausgerechnet Journalist wird und es dann auch noch so viele Jahre erfolgreich bleibt. Aber so langsam sind mir die Gedanken dieser Herren von gestern und vorgestern so egal wie ihre Erzeugnisse.
Es interessiert mich natürlich überhaupt nicht, ob ein Text auf Papier gedruckt wurde oder nicht. Wozu sollte es auch? In Eile gearbeitet und geschlampt, schlecht recherchiert und zu wenig überprüft wird von den Menschen, nicht vom Übertragungsweg. Wichtig ist, dass ein Text mich interessiert und gut informiert. Und bei wem ich mich \“gut informiert\“ fühle, ist heute schon anders als gestern. Und bis morgen hat es sich weiter verändert.
Daraus entstehen vor allem spannende neue Möglichkeiten. Aber das scheint Journalisten vom Schlag eines Herrn Joffe nicht zu interessieren.
Na gut. Dann ist es halt so. Schade nur um den Platz, den er verschwendet hat. Aber es ist schließlich Sommer, vielleicht war gerade nichts anders und gegen das Internet kann man immer was schreiben.
Rainersacht 15. August 2008 um 18:27
Danke, Thomas! Wunderbar und nachvollziehbar zerpflückt, was dem alten Laberkopp da aus den Tasten geschlüpft ist. Fragt sich nur, ob es der Mühe wer war, sich an einem solchen Hängengebliebenen zu reiben.
Ernst 15. August 2008 um 22:46
Herr Bergander!
Warum sind Sie so schnell? Heut morgen hab ich auch nur mit dem Kopf geschüttelt, heut Abend komme ich zu meinem Excel:
2008 — 100,00
2009 — 97,50
2010 — 95,06
2011 — 92,69
2012 — 90,37
…
2046 — 38,21
2047 — 37,25
2048 — 36,32
Mattias 15. August 2008 um 23:25
@Ernst: Da braucht\’s kein Excel, ein alter Taschenrechner tut es genauso:
0,975^40 = 0,3632
Frank 16. August 2008 um 1:57
Pfff, alter Taschenrechner – wer hat denn noch sowas? Das ist ja sowas von… \“toter Baum\“. 🙂
0,975^40 einfach mal bei Tante Google eingeben…
PS: Thomas, danke für den Text.
Matthias 16. August 2008 um 11:03
@Ernst Mathe 1 wirtschaftliches Verständnis 6. Eine gedruckte Zeitung hat eben Stückkosten und Fixkosten. Einnahmen werden allerdings nur über Stück erzielt. Wenn die Fixkosten nicht mehr gedeckt werden …
Patrick 16. August 2008 um 11:54
Nuja, die alte Diskussion…
Schade, dass die ganze Angelegenheit immer so undifferenziert betrachtet wird.
Ressentiments auf der einen, blindes Hurra auf der anderen Seite.
Es gibt keine systemimmanenten Qualitätsmängel im Web, aber zumindest symptomatische.
Keine Umsätze über den Vertrieb, verändertes Konsumverhalten (weniger Schmökern und weniger Einstiegsmöglichkeiten) führt zur Optimierung durch Boulevardisierung und Keywording…
Miese Werbeerlöse bringen zweifelhafte Affiliate-Programme (wird Thema X gebracht, weil es redaktionell relevant ist oder weil man drei Links setzen kann?)
Dazu zeigen Redaktionen dazu, durch die Geschwindigkeit des Webs lieber fünf kurze Meldungen zu bringen, statt ein Thema ganzheitlich zu beleuchten oder ein Thema zu Ende zu recherchieren…
Dem stehen natürlich großartige Dinge wie der Dialog mit den Lesern, transparente Recherche durch verlinkte Quellen usw. gegenüber. Auch wenn die \“alten Hasen\“ dies eher als Bedrohung ihrer Autorität betrachten.
Das Web stellt den Journalismus (vor allem den recherchierenden) vor Probleme, bietet aber auch neue Möglichkeiten.
Gerade die miese Finanzierung ist aber ein Problem.
Es gibt zu viele Klitschen, die mit Google-Knowhow und einem halben Dutzend 8-Euro-Studenten \“erfolgreich\“, also kostendeckend, arbeiten und zu wenige, die im Web( oder rein mit Webeinnahmen ohne Querfinanzierung aus einem anderen Objekt) echte Redaktionen stemmen können.
etorsten 16. August 2008 um 13:54
Danke Thomas für die Mühe, die einzelnen \“Argumente\“ von Herrn Joffe einzuordnen.
Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es eine ganze Reihe an Redakteuren und Mitarbeitern der Zeit und auch und vor allem bei Zeit Online gibt, die wahrscheinlich mittelschwer entsetzt über diese Argumentation sind.
Bei mir wirft es vor allem die Frage auf, ob es sich
1. um einen politischen Kommentar handelt?
Evtl. gibt es ja Dinge und Hintergründe in dem Verlags-Haus, die dazu führen, dass so ein Artikel auf die Titelseite kommt
und
2.wer dort eigtl. final entscheidet, welche Artikel online gestellt werden und welche nicht?
Da scheint es ja die Angst der Redakteure zu geben, dieses zu tun, weil es mit Sicherheit eine Menge an kritischem Feedback gäbe, welches offensichtl. vermieden werden soll.
Das wirft auf die Zeit kein gutes Licht.
Tim 16. August 2008 um 14:53
Das hat irgendwo System. Wenn man aktuell bei Zeit-Online die \“Digital-Seite\“ sich anschaut wimmelt es von Alarmismus-Berichten.
Sorglosigkeit kann teuer enden
Das Internet der Blockwarte
Hassexplosionen und Gewaltfantasien im Internet
Gift im Netz
Internet ohne Verkehrsregeln
Rasterfahndungen im Sozialen Netzwerk?
StudiVZ – Die Selbstentblößung dort schreit nach Datenschutz
Computerspiele – Neue Gruppentherapie hilft Computersüchtigen
World Wide Wahn (Gründungsaufruf für eine Anti-Web-Bewegung)
Ich habe den Eindruck, im Speersort herrscht eine latente Angst vor dem Internet.
Isaac Ben Laurence Weismann 16. August 2008 um 16:55
Bravo, toll. Danke für die Demaskierung des JJ
Avantgarde 16. August 2008 um 17:12
Leider ist es verdammt schwer, bei der ZEIT zu kommentieren. Ich habe schon des öfteren versucht, mich dort anzumelden, nur kommt die notwendige Bestätigungsmail nie.
Avantgarde 16. August 2008 um 17:26
Im übrigen ist dieses Beharren auf dem \“gedruckten Wort\“ als alleiniger Ausdruck von Qualität widersinnig.
Es ist völlig egal, ob ein Wort gemalt, gedruckt oder elektronisch auf einem Bildschirm erscheint: Entscheidend ist, ob es kommuniziert wird.
Tatsächlich trägt das elektronische Wort Entscheidendes zur fundierteren Meinungsbildung bei. Erst jetzt kann ich in einer Stunde in der New York Times, in Le Monde, El Pais oder im Guardian lesen. Außerdem kann ich in unzähligen Blogs \“dazulernen\“. Natürlich steht da auch viel Unsinn, aber ich bin durchaus in der Lage, Qualität zu identifizieren.
Dadurch verliert der Journalist der früher abonnierten Stammzeitung natürlich gewaltig an Deutungshoheit über berichtete Ereignisse.
Und genau davor haben die Lordsiegelbewahrer dessen, was angeblich die \“Wahrheit\“ ist, die meiste Angst. Und natürlich davor, dass man sie jederzeit in Windeseile widerlegen kann. Wenn nicht im eigenen Blatt, dann eben überall sonst.
Dass man im Internet auch so schnell feststellen kann, wo der Qualitätsjournalist seine Meinung her hat, ist sicher auch recht unangenehm für diesen.
Chat Atkins 17. August 2008 um 9:17
Das Mammut klappert auf seiner Remington …
netzklatsch 17. August 2008 um 16:14
Vielen Dank fuer diesen differenzierten Beitrag. Zu Herrn Joffe faellt mir ein alter Schlager von Peter Alexander ein, den mein Opa immer gesungen hat (abgewandelt): \“Am besten hat´s ein ZEITangestellter, mit Pensionsberechtigung, mit Pensionsberechtigung; und wird er auch dabei taeglich aelter, die Pensionsberechtigung, die haelt ihn jung; und die Gehaltsaufbesserung, -ung, -ung, -ung, die bringt ihn erst in Schwung!\“ Alexander sang noch \“Post-\“;-). Herr Joffe sollte in Rente gehen.
mariana mayer 17. August 2008 um 19:33
@Wenn jemand mit aller Macht in eine Richtung diskutiert, dabei aber Argumente verwendet, die seinen eigenen Logiksträngen unterwandern, so ist dies bei intelligenten Menschen einfach pure Ironie. So funktioniert oft auch Kabarett.
Kabarett ist bitte keine Ironie, sondern oft Wahrheit.
Ich möchte dies mit einem Beispiel belegen:
Richling und sein Thema: Österreich und Kellerkinder
Der ganze Saal schwieg, als er life präsentierte, dass es ein Wunder sei, er der Ingenieur zeigt, es ist möglich Kellerkinder ohne Vitamin D Mangel über zig jahre ohne Licht aufzuziehen. Seine Probefische im Keller würden dass nur 2 Monate überleben.
Mariana Mayer
Franktireur 17. August 2008 um 20:13
Ja ja, der gar so wichtige Durchschnittsqualitätsjournalismus a la Joffe… der das wichtige vom blöden trennt… ja ja. Das wichtige ist: ich schreibe so über die Dinge, wie das die Anzeigenkunden wünschen – und natürlich Hofberichterstattung (hechellechz, Bammel vor Merkel und so) – ach ja, und die Hetze gegen Hartz IV muß natürlich aufrecht erhalten werden und überhaupt!
Wirklich wichtige Meldungen und investigativen Journalismus gibts in den etablierten Heftchen doch gar nicht mehr. Joffe sollte in Rente gehen und die Klappe halten.
Mattias 17. August 2008 um 20:43
Ich habe diesen Beitrag mal zum Anlaß genommen, auf Zeit Online zu stöbern, was denn da so übers Internet, über mobile Kommunikation und einiges mehr zu erfahren ist. Abgesehen, dass auf der Startseite derzeit ein Block \“Internet-Kriminalität\“ eher der Angstmache dient, sprang mir dieser Beitrag förmlich ins Auge:
http://www.zeit.de/online/2008/29/Wegwerfhandy
Dort wird über BICs Wegwerfhandy (eigentlich ein Pfandhandy) hergezogen und schließlich (neben Kids, die das Handy-Verbot der Eltern umgehen wollen), eine ganz besondere Zielgruppe ausgemacht: TERRORISTEN! Genau, die einzigen, die eine anonyme Kommunikation wollen, sind Verbrecher. Geschäftsleute holen sich immer ne Prepaidkarte (und vergessen nie das Zweithandy um auf beiden Nummern erreichbar zu sein).
Was ist eigentlich aus einem Berufsstand geworden, der die Freiheitsrechte früher hochgehalten hätte. Eigentlich müsste man sagen: Eine handvoll investigativer Journalisten dürfte das Angebot ebenfalls begrüßen, schafft es doch in Zeiten der Überwachung von Verbindungsdaten (und bald Standortdaten) einen willkommenen Kommunikationskanal für all jene Informanden, die ein ganz konkretes Interesse daran haben, geheim zu bleiben.
BKB 17. August 2008 um 23:03
Super Informativer Blog werde immer wieder kommen und habe einen Bookmark gesetzt.
Freue mich echt, dass es noch so aktuelle Blogs gibt.
Jochen Hoff 18. August 2008 um 7:28
Es tut mir leid. Joffe hat auch keine Ahnung von Politik. Wenn man sich seine Stellungnahmen im Georgien Konflikt ansieht, kann man feststellen, das er kaum noch etwas mitbekommt, sondern lediglich die Ränder um die Werbung mit reaktionärer Demagogie zukleistert. Das wächst sich bei der Zeit eh zum Problem aus.
http://www.duckhome.de/tb/archives/3224-Friedenstauben-gut-durchgebraten.html
Stefano 18. August 2008 um 11:48
danke – klasse Artikel. Habe als AFLATON Herrn Joffe schon diverse Male in der ZEIT-online Community geantwortet. Aber – bin ja nur ein Schmarotzer der Könige des gedruckten Wortes. Die sind ja auch nur an Schädlingsbekämpfung – nicht aber an Dialog interessiert.
Sie merken nur nicht, dass der Baum, auf dem sie ihr reiches Nest gebaut haben, schon ziemlich geschwächt ist. Die ganzen Nester darauf waren halt etwas schwer für dieses geschwächte alte Bäumchen. Und dann die ganzen Schamrotzer, die sich da am Stamm angesiedelt haben – und die Nesträuber – manche haben inzwischen gar Kettensägen…
http://kommentare.zeit.de/node/137638/180469#comment-180469
http://kommentare.zeit.de/user/aflaton/beitrag/2008/06/05/traum-%E2%89%A0-lllusion-%E2%89%88-schwarzweiss-%E2%86%94-aepfel-birnen-eine-antwort-auf-dr-
Juzam 18. August 2008 um 13:02
Es empfiehlt sich – und ist auch so üblich im Deutschen – Millionen mit Mio abzukürzen, Mill. steht üblicherweise für Milliarden.
Karl-H. Heidtmann 18. August 2008 um 13:50
So wenig wie der Staat eine direkte Einflussnahme seines Volkes auf seine Politik (Stichwort \“Volksentscheid\“) schätzt, so wenig wünscht er sich auch eine wirklich freie Presse.
Und das Argument Joffes, nach dem nur professionelle Journalisten eine gute und \“objektive\“ Pressberichterstattung gewährleisten können, ist angesichts 50 Jahren \“Blöd-Zeitung\“ und unendlich volksverblödender kommerzieller Fernsehsender eine Farce.
ben_ 18. August 2008 um 16:09
Die Klage des Kutschers über das Automobil …
John Dean 18. August 2008 um 19:32
Gibt es noch intelligente Menschen (fernab seines Machtbereiches), die Joffe wirklich Ernst nehmen? Bei mir ist es so: Würde ich nach einer grotesken Karikatur eines \“Alpha-Journalisten\“ suchen, so hätte Joffe mit seiner enorm gute Chancen, das Rennen zu gewinnen.
Die hocherregte Maßstabslosigkeit von Joffe verdeckt, dass ein (kleiner) Teil seiner Argumentation stimmig ist. Ja, natürlich – es ist banal: Eine anspruchsvolle demokratische Gesellschaft benötigt Printmedien.
Gute und unterhaltsame Printmedien mit Tiefgang. Nicht Joffe.
arboretum 19. August 2008 um 22:35
\“Der normale Verleger entlohnt seine Autoren, Redakteure und Korrektoren.\“
Wie hoch sind doch gleich nochmals die Honorare, die die \“Zeit\“ den freien Autoren zahlt?
Nörgler 20. August 2008 um 16:45
Dieses Blatt macht immer wieder lustige Sachen. Neulich behaupteten sie in ihrem plötschigen \“Bildungs-Kanon\“, Aristoteles (Zeitgenosse und Schüler Platons) habe \“600 Jahre nach Platon\“ philosophiert. –
Im \“Zeit\“-Kommentar-Thread zu Joffes Artikel ist die brillante Pulverisierung durch TK noch nicht angekommen.
Jürgen 15. Februar 2009 um 12:33
Meines Erachtens nutzen die großen Verlage zu wenig das Netz. Ein profitables Onlinegeschäft aufzubauen ist einfach. Hat man allerdings veraltete Strukturen im Management, so wird es meistens scheitern.
the_doctor 26. August 2009 um 0:43
@thomas knüwer + @all
danke für diesen beitrag von qualität! wie in den kommentaren ja bereits anklingt, scheint herr joffe einer ganz speziellen gattung von journalisten anzugehören.
journalisten, von denen ich nicht viel halte, wie ich heute feststellen musste, nachdem ich seinen kommentar über den amerikanischen notenbankchef ben bernanke las.
ich will dieses lobhudelnde pamphlet jetzt wirklich nicht weiterempfehlen, mir standen nämlich beim lesen die haare zu berge.
eine anmeldung auf der zeit- internetplattform war dann leider auch sofort erforderlich für mich, weil ich so einen groben unfug nicht unkommentiert stehen lassen konnte. bin doch einigermaßen gespannt, was von meinem kommentar dort übrig bleiben wird, wenn der zensurfuzzi morgen früh aufwacht und sich hinter den pc klemmt.
@mattias schlenker
bestes beispiel – jens weinreich!