Manchmal sind es Kleinigkeiten, die eine Überschrift zur journalistischen Fehlleistung machen. Das Wort „Populist“ ist schnell bei der Hand. Positiv besetzt ist es fast nie. Barack Obama, zum Beispiel, ist ja eigentlich ein Populist, greift er doch Strömungen in breiten Teilen der Bevölkerung auf. Aber, nein, ein Populist ist niemals auf der guten Seite, weshalb Medien, die dieses Wort verwenden, meist noch einen Zusatz ankleben, „Rechtspopulist“, zum Beispiel.
So tut es derzeit auch Spiegel Online bei einer Geschichte über den Niederländer Geert Wilders:
Nur: Braucht ein Populist nicht das Populus, das Volk? Und unterstellt die Bezeichnung Populist nicht, dass breite Teile der niederländischen Bevölkerung rechtes Gedankengut pflegen? Wären breite Demonstrationen gegen Wilders nicht ein Indiz dafür, dass er gerade kein Populist ist, sondern nur eine ziemlich verabscheuungswürdige Gestalt? Macht ihn dann der Begriff „Populist“ nicht größer, als er tatsächlich ist? Sollte Spiegel Online nicht ein wenig besser über seine Wortwahl nachdenken?
Kommentare
Jörg Friedrich 28. März 2008 um 15:55
Naja, ein Rechtspopulist braucht warscheinlich nur die \“Rechten\“ als Populus. Er bedient sozusagen \“Die Rechten\“ auf populistische Weise. Die Frage ist allerdings, welche \“Rechten\“ hier gemeint sein könnten. Ich glaube nicht, dass die Bezeichnung auf Wilders zutrifft, sie soll ihn in eine Ecke drängen,in die er nicht gehört, sie soll den Lesern auf suggestive Weise eine einfache Einordnung nahelegen, so wie Wilders auch suggestiv einfache Einordungen nahelegt. SpOn ist genauso \“populistisch\“ wie Wilders, nur auf andere Zielgruppen orientiert.
chéggy 28. März 2008 um 16:09
Ist historisch bedingt denke ich. Der begriff ist nunmal (interessanterweise) durch -politisch- konservative Benutzung gepraegt. Und ein Populist war in diesem Sinne immer einer, der statt fuer eine kleine unter Unstaenden sogar wohlmeinende Elite fuer die breite Massen Politik zu machen versprach. Und damit die Wahlen einfach gewinnen konnte, waren die Wahlverspraechen tatsaechlich so populaer, wie verprochen.
Klar, dass \’Populist\‘ dann meistens in einem negativen Kontext auftritt – der Populist selbst brauch sich ja nicht zu nennen.
PS: Die SPON-Redaktion denkt imho insgesamt nicht besonders viel ueber ihre Wortwahl nach. Aber von einem populaeren Blatt zu verlangen eine elitaere Begriffsveraenderung durchzufuehren ist ja auch vielleicht ein bisschen viel verlangt 😉
hANNES wURST 28. März 2008 um 17:01
\“Populistisch\“ ist nicht mit \“volksnah\“ oder \“opportunistisch\“ zu gleichzusetzen, und hat auch nichts mit \“populär\“ zu tun. Insofern hat SPON den Begriff richtig verwendet.
Das Handwerk des Populisten ist es, komplexe Sachverhalte so lange zu reduzieren, bis das Volk (sofern es zuhört) denkt, es hätte den Kern der Sache durchschaut – dabei ist das, was der Populist als Kern darstellt, nur ein komprimiertes Zerr- oder Wunschbild, das dem Kopf des Populisten und nicht der Realität entstammt. Aber eben ein verständliches und einprägsames Zerrbild.
Populistisches Gedankengut kann natürlich gleichzeitig volksnah oder populär sein, wie zum Beispiel die berühmte \“Bierdeckelsteuererklärung\“ des berühmten Rechtspopulisten Friedrich Merz.
Peter Weltos 28. März 2008 um 17:06
Wäre \“Polemiker\“ eine bessere Wahl gewesen?
marco 28. März 2008 um 17:22
Eine bessere Wortwahl wäre vielleicht \“rechtspopulistische Politiker\“ gewesen:
http://www.handelsblatt.com/news/_pv/_p/200051/_t/ft/_b/1306171/default.aspx/index.html
Franktireur 1. April 2008 um 20:21
Ich möchte mal wissen, wieso Herr Friedrich vermutet, daß Spon eine andere Zielgruppe bedient, angesichts solcher Schmierenfinke wie Broder.
http://www.duesseldorf-blog.de/2008/03/30/broder-auf-spiegel-online-ueber-geert-wilders/
mal als Beispiellink dazu.