Fünf Tage Silicon Valley und San Francisco – ich weiß wieder, warum ich mich eigentlich so sehr mit dem Web beschäftige. Dann die harte Landung in Deutschland – bei der Lektüre des neuesten Ergusses von Michael Konken, dem Chef des Deutschen Journalismus-Verbands. Ich glaube daran, dass Menschen sich positiv ändern können. Doch, ehrlich. Und deshalb glaube ich, dass sogar Michael Konken, Chef des Deutschen Journalismus-Verbandes, noch einmal so etwas wie Fortschrittsfreundlichkeit entwickeln könnte, dass er an die Intelligenz von Medienkonsumenten glauben, ja, vielleicht sogar, dass er ernsthafte Internet-Kompetenz erwerben könnte, damit er endlich weiß, worüber er so schreibt und spricht.
Konkens Kommentar in der jüngsten Ausgabe der DJV-Postille „Journalist“ war mein Jetlag-Killer und Rückholer in die deutsche Realität nach anderthalb Wochen USA. Die Hälfte davon verbrachte ich in San Francisco und dem Silicon Valley und diese Tage waren ein Keulenschlag. Denn sie führten mir wieder einmal allzu deutlich vor Augen, mit welcher Geschwindigkeit wir in Deutschland abgehängt werden von der bedeutendsten Technik unserer Zeit.
Details zu den Treffen in Kalifornien folgen erst in den kommenden Wochen – schließlich wird einiges davon in Print laufen und die Konkurrenz liest hier ja mit. Nur so viel: Die Gespräche im Tal des Silikons (alter Journalistenwitz, ich weiß, dass es Silicium ist) schon intellektuell auf einem ganz anderen Niveau als hier. Das bestätigten mir zwei deutsche Gründer, die seit nicht mal einem Monat in San Francisco ansässig sind. Ihre Idee ist verdammt gut und logisch. „In Deutschland haben die Investoren überhaupt nicht verstanden, was wir machen“, sagten sie mir. Drüben haben sie keine Probleme, Termine mit den ganz Großen zu bekommen.
Dabei wird nicht jede Idee einfach hochgejubelt – aber es wird eben auch nicht alles neue direkt totgehauen. Die Atmosphäre im Valley ist nüchterner als 1998, das Web wird nicht weggehen, dies ist ein unausgesprochener Basispunkt des Agierens. Man stelle sich vor, wie innovationsstark die Autoindustrie wäre, müsste sie sich jeden Tag fragen lassen, ob es sie noch lange gibt. Genauso aber benehmen sich viele Vertreter der klassischen Medien in Deutschland in Sachen Internet.
Gleichzeitig sind sich die Talbewohner sicher: Die Branche wird bald durch eine konjunkturelle Delle gehen, wird betroffen von Rezession und Kreditklemme. Und auch das Valley wird sich verändern. Schon jetzt steigt der Einfluss der bestens ausgebildeten Einwanderer aus Indien und China, die mit Ehrgeiz bis zum Anschlag nach oben wollen. Und die Investitionsschwerpunkte verschieben sich: Biotechnologie und erneuerbare Energien rücken in den Fokus – wieder zwei Bereiche, mit denen in Deutschland überkritisch umgegangen wird.
Wie gerne würde ich Herrn Konken mal in diese Gegend kinder-, pardon, djv-vorsitzenden-landverschicken. Vielleicht würde es schon reichen, ihn hier anzuketten:
Oder ihn hier als Kantinenkraft arbeiten zu lassen:
Dann würde er vielleicht nicht mehr das Internet als ominösen Hort des Schlechten verteufeln, wie er das im „Journalist“ tut. Obwohl er selbst doch an den Reaktionen auf und nach jenem Podium in Berlin gemerkt haben müsste, dass es dringend geboten wäre an der eigenen Web-Kompetenz zu arbeiten. Mit Stockfehlern wie der Behauptung, bei der „Süddeutschen Zeitung“ gäbe es Blogs outete er sich als nicht ausreichend mit Wissen gewappnet.
Auch jetzt betreibt Konken seine nur unzureichend mit Fakten unterfütterte Kampagne weiter. Auszug aus dem aktuellen Kommentar:
„Die Freheit Andersdenkender scheint allerdings immer mehr eine untergeordnete Rolle zu spielen, besonders dann, wenn in trendigen Internetforen und Blogs ohne Rücksicht auf Andersdenkende eigene Freiheiten ausgelebt werden und andere missachtet werden.“
Es wird also schlimmer da draußen im Netz? Nein, natürlich nicht. Konken bemüht zwei der schlimmsten Formulierungen von Journalisten (und vergessen wir nicht: Konken ist nicht mal Journalist), wenn diese keine Belege für ihre These finden, sie aber nicht zurücknehmen wollen: „immer mehr“ und „trendig“. Immer mehr steht für „Das wird schon mehr, aber ich finde echt keine Zahl, die das belegt“, trendig heißt einfach „ich versteht das nicht, andere aber schon und ich habe keine Bock mich in die Motivationslage Andersdenkender einzuarbeiten“.
Wie wenig Konken in Berlin gelernt hat, beweist er später. Auch weiterhin gilt: Blogger wollen keine Journalisten sein (außer sie sind von ihrer Berufsbezeichnung her Journalisten). Das kann man Michi K. noch so oft sagen, man kann ihn noch so oft bitten, Belege dafür zu liefern. Nein, diese Suppe isst er nicht. Stattdessen schreibt er:
„Es gibt aber auch solche, die meinen, sie handeln journalistisch, müssten sich dem ungeachtet aber an keine journalistischen Regeln halten. Sie fühlen sich fälschlicherweise als Gründer eines neuen Journalismus, der keine Grenzen kennt. Eine Meinungsanarchie, die mit Journalismus nichts zu tun hat.“
Nun scheint für Konken ja jede Meinung, die nicht seine ist, anarchisch zu sein, was ihn wieder auf eine Stufe mit manchem Kollegen der „FAZ“ und der „Süddeutschen“ stellt. Der Gegenschluss zu Konkens bizarrer Formulierung bedeutet: Wir sollten alle einer Meinung sein. Meinungsdiktatur statt -anarchie. Hatten wir so in der Form ja schon nen paar Mal in der Menschheitsgeschichte. Hat aber nicht so gut funktioniert.
Und dann erst dieses Internet, dieses trendige. Das ist doch nicht normal, für Herrn K.:
„Betätigen sich Journalisten in Blogs oder Foren und öffnen der freien, oft anonymen Meinungsäußerung Tür und Tor, dann haben sie eine besondere Verantwortung.“
Ähm… Moment mal… Also, ich kürze das nochmal ein wenig zusammen:
„Betätigen sich Journalisten in Blogs und öffnen der freien Meinungsäußerung Tür und Tor, haben sie eine besondere Verantwortung.“
Ja, wo kämen wir da hin, wenn Journalisten der freien Meinungsäußerung die Tür öffnen würden? Zu einem Prozess, an dessen Ende eine Gesellschaftsform namens Demokratie steht – und für die unsere Vorgänger meist heftig gekämpft haben.
Haben Journalisten eine „besondere“ Verantwortung im Netz? Nein. Sie haben die gleiche wie in der Zeitung, im Fernsehen und im Radio. Aber vielleicht weiß Konken ja, dass der aktuelle Zustand des Journalismus ja genau diese Verantwortung negiert und er will verhindern, dass der Virus auf das Internet überspringt? Dann könnte man ja fast an das gute im Konken glauben.
Wahrscheinlich aber ist das nicht. Vielmehr geht es, das muss man ja immer einwerfen, um die Agenda des DJV-Chefs. Der steht im Web unter Beschuss durch zwei Seiten, deren Vorgehen ich ebenfalls nicht gut heiße. Aber das möge der DJV-Lenker doch bitte sagen. Er möge endlich die Dinge beim Namen nennen, bevor er unserem Berufsstand weiteren Schaden zufügt.
Kommentare
Jochen Hoff 11. Februar 2008 um 14:05
Nu hört doch mal auf an dem Konken rumzuärgern. Einem alten Hund bringt man doch auch keine neuen Kunsstücke mehr bei und für seinen Job, reicht das was er weiß oder besser zu wissen glaubt doch allemal. Warten wir einfach ab, bis er in Rente geht, oder was wahrscheinlich eher der Fall ist, der ganze Verein Konkurs geht.
Chat Atkins 11. Februar 2008 um 14:14
Wenigstens ist er schlau genug, den Text nicht ins – igittegitt! – Internet zu stellen.
😉
Florentinus 11. Februar 2008 um 14:45
Ich bewundere ja den missionarischen Furor für Amerika, die Ersatzreligion. Opa Randolph kam immer ähnlich glühend aus Moskau zurück, um am intellektuellen Horizont der örtlichen Parteispitzen zu verzweifeln. Dort waren sie den ostdeutschen Sozialisten einfach geistig um Jahrzehnte voraus.
Jetzt schlafen Sie noch mal ein paar Nächte in der Bettwäsche mit dem weißen Adler, dann wird\’s schon wieder.
Lukas 11. Februar 2008 um 15:07
Das mit dem Silikon ist doch kein Journalistenwitz, sondern die völlig ernst gemeinte Übersetzung im James-Bond-Film \“Im Angesicht des Todes\“.
Zu Konken: Der macht es wie alle großen Irgendwas-Skeptiker und wiederholt die gleichen Halb- und Unwahrheiten einfach so lange, bis sie einer glaubt. Und wenn es nur er selber ist.
rl 11. Februar 2008 um 15:31
aber immerhin scheint der Herr K. doch noch eine Menge Aufmerksamkeit mit seinen Geschichten zu ernten.
und er sorgt doch auch dafür die eignen für selbstverständlich empfundenen Erleuchtungen hinsichtlich Web 2.0ff. auf Verständlichkeit und Plausibiliät zu prüfen.
Thomas Mrazek 11. Februar 2008 um 15:59
Als neu gewählter Vorsitzender des Fachausschusses Online im Deutschen Journalisten-Verband bin ich auch nicht einverstanden mit Michael Konkens Text. Ich dachte eigentlich, dass das Thema mit der Podiumsdiskussion von seiner Seite aus abgehandelt sei. Nun, ich werde mich – ehrenamtlich – sehr darum bemühen, dass der DJV in Sachen Online-Journalismus in Zukunft ein besseres Bild abgibt.
Weltenweiser 11. Februar 2008 um 16:11
Die Vermengung von Konken und Web-Startups in Deutschland finde ich schwierig. Ich drücke Thomas Mrazek für seine Arbeit beide Daumen. Mich ärgert es, wenn der DJV nach außen als Online inkompetent dargestellt wird, obwohl in diesem Gebiet auch, oft von außen unbemerkt , gute Arbeit geleistet wird.
Zu den Startups:
In Deutschland wird und wurde schließlich auch in heiße Luft rasant investiert. Auch in letzter Zeit, ohne Nachfrage, ob da ein echtes Geschäftsmodell da ist. Es ist durchaus sinnvoll, wenn man da kritisch hinterfragt, bevor das Geld weg ist.
Björn Sievers 11. Februar 2008 um 16:54
Ach Thomas, in Berlin hat doch niemand wirklich zugehört. Und was Herrn Konken angeht, der würde vermutlich fürs Beschreiben von Papier eine Norm fordern, wenn dieses Medium gerade erst erfunden worden wäre.
Oliver 11. Februar 2008 um 17:21
Hier das hehre Journalistentum, dort der schreibende Blogpöbel? Kann es sein, dass, anstatt die neuen Medien zu begreifen und aufzugreifen, lieber die alten Pfründe verteidigt werden sollen mit solchen Äußerungen?
Eine ähnliche Geschichte konnten wir doch z.B. in den letzten 15 Jahren erleben. Als ein großer Teil der Setzer, Drucker und Lithografen in eine tiefe Krise rutschten – weil sie den Anschluss an die digitale Technik erst viel zu spät wahrgenommen hatten und lieber weiterhin stolz auf ihr Handwerk zeigten und die neuen Techniken verteufelten.
ugugu 11. Februar 2008 um 18:21
Konken bezeichnet Blogger als \“Meinungsanarchisten\“. Ehrlich gesagt: Ich hoffe, Konken hat recht. Früher nannte man das gemäss Konken verstaubte Prinzip Meinungspluralismus, im \’schmutzigen Web\‘ braucht es nun offenbar neue Begrifflichkeiten.
Onyro 11. Februar 2008 um 18:59
\“Vorsitzender des Fachausschusses Online im Deutschen Journalisten-Verband\“.
Kann mal jemand recherchieren, ob es jemanden mit so einem komplizierten Titel doch anscheinend leider wenig Aufmerksamkeit/Einfluß im eigenen Verband auch in den USA oder Großbritannien gibt? Oder machen dort die \“Online-Journalisten\“ und Blogger mal wieder einfach was sie für gut und richtig halten ohne vorher mit Verbänden und Gott und der Welt darüber zu diskutieren ob das so in Ordnung geht, a la Scoble.
sanjasieben 11. Februar 2008 um 23:20
ich finde es erfreulich, wie sie sich plötzlich auf die seite der innovativen, unglaublich kreativen us-amerikanischen entrepreneurs schlagen. und chapeau, wie sie die dummen deutschen bedenkenträger inklusive geldgeiler, aber ahnungsloser investmentbanker über einen kamm scheren.
ich erinnere mich aber auch sehr gut daran, dass und wie sie selbst innovative ideen in grund und boden rammen, wenn sie nicht ihrer gerade weltsicht von journalismus, optik oder usability entsprechen. das glashaus steht heute in düsseldorf.
so euphorisiert gefallen sie mir besser. sie sollten häufiger in die usa fahren, damit dieser zustand länger und öfter vorkommt.
PS – und nur der journalistischen genauigkeit wegen, die wir ja alle hohchalten sollten: der verband heißt Deutscher Journalisten-Verband e. V.
oko 12. Februar 2008 um 0:08
Da fragt man sich als DJV-Mitglied wirklich…Ach, lassen wir das. Meines Erachtens steht der Chef für eine ganze Generation Journalisten, die es einfach nicht begreifen kann.
So viele technische Neuerungen haben sie um sich herum erlebt. Haben gelernt auf Computern zu schreiben, haben gesehen, wie um sie herum alle möglichen Techniker überflüssig wurden, haben sogar gelernt, im Internet Informationen zu finden.
Doch jetzt kommt der totale Bruch: Das ganze Berufsbild wandelt sich. Die Abonenten sterben aus, die Leser können dank Netz alles in Windeseile nachrecherchieren, jede kleine Schlampigkeit feststellen. Im Netz kann jeder Heiopei 24/7 publizieren, während man selbst am Tropf eines mehr oder weniger innovationsfreudigen Verlegers hängt. Das ganze als Chance zu sehen erfordert für die meisten wahrscheinlich eine zu große Portion Optimismus. Dann lieber alles verteufeln und hoffen, dass man die Rente noch mit der guten alten Tante Zetung erlebt…
sanjasieben 12. Februar 2008 um 8:47
äh … entschuldigung, aber … bin ich die einzige, die das ganze thema nicht nur schwarz oder weiß sieht?
gibt es die auswüchse in blogs nicht wirklich? wird nicht oft genug, auch von den ach so hehren kollegen hier, in ihren blogs dinge (ab)geschrieben, die kein bisschen recherchiert sind? und wenn man sich dann beschwert, dann heisst es zur entschuldigung: \“hey, was regen sie sich auf, das ist meine freie meinungsäußerung\“. als ob tatsachen-behauptungen nicht richtig sein müssten.
natürlich sind blogs super. natürlich ist es gut, dass die verleger-hoheit gebrochen wurde. natürlich sind die sogenannten neuen medien ein segen und kein fluch. aber sie sind, je nachdem, wer was damit anstellt, eben nicht NUR segen.
ich will gar nicht behaupten, dass herr konken nicht ebenso schwarz/weiß sieht, wie hier beschrieben. aber WIR sollten doch bitte so offen sein und die tatsachen wirklich beschreiben. es GIBT die schwarzen schafe und sie tragen nicht dazu bei, internet-journalismus im allerweitesten sinn ein besseres image zu verschaffen.
wenn wir schaffen, das zu akzeptieren und zu vertreten, DANN werden wir nicht wie die!
Thomas Knüwer 12. Februar 2008 um 9:24
Sanja, Du hast durchaus recht. Es gibt in Blogs in der Tat schlecht recherchierte Geschichten und Meinungsmache – im gleichen Prozentsatz wie in Print oder TV. Erstaunlicherweise hält sich Herr Konken aber mit Kritik am klassischen Journalismus zurück.
Chat Atkins 12. Februar 2008 um 9:32
@ Sanjasieben: Nennst du bitte mal einige Beispiele für diesen Sachverhalt.
sanjasieben 12. Februar 2008 um 10:12
@chat atkins:
gerne: der geschätze kollege don alphonso schlägt reflexartig auf alles ein, was aus großen medienhäusern kommt – ganz gleich, ob gut, gut gemeint oder wirklich schlecht. seine postings nach dem motto \“wie man hört, soll …\“ sind legion.
ich dachte lange, da ist aber einer wiklich gut informiert – bis mich eines tages ein solches posting selbst betroffen hat. dann stand da plötzlich auch: \“wie man hört ist das so und so\“. nichts davon, aber wirklich nicht das kleinste fitzelchen davon war wahr. und trotzdem hat es die ganze für mich sichtbare blogosphäre übernommen – immer mit der referenz donalphonso.
eine perfekte geschichte war geboren. der kontakt, um die quelle dieses irrsinns zu stoppen und zu berichtigen, führt zu genau der aussage, die ich oben beschrieben habe: \“was wollen sie, das ist eben meine meinung\“ – nur dass es eben nicht als seine meinung gekennzeichnet war, sondern als insider-information daher kam, auf die sich alle immer und immer wieder beriefen. ein schreckliches gefühl, denn das war meinungstotalitarismus in seiner übelsten form: unwahr und trotzdem nicht zu stoppen.
DAS meine ich. ja, es IST gut, dass es blogs und den internet-journalismus im weitesten sinne gibt. aber NEIN, wir sind auch tatsächlich nicht frei von fehlern und gefahren.
deshalb: bitte nicht aufs genauso hohe ross setzen, wie herr konken, sondern wie herr knüwer oben zugeben, dass es tatsächlich probleme gibt.
anonym 12. Februar 2008 um 11:15
\“Fortschrittsfreundlichkeit\“ ist ein wirklich netter, glatter, charmanter Begriff. Ich hätte es schlicht \“Fortschrittseuphorie\“ genannt.
Frank Syré, zoomer.de 12. Februar 2008 um 12:13
Konkens heile Welt
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Ja. Der Straßenverkehr wäre überschauberer, gäbe es nur Chauffeure, Trucker, Taxifahrer und Piloten mit Rennlizenz.
Was das mit Internet & Journalismus sowie Herrn Konken zu tun hat? Das Internet ist der VW-Käfer der Medienbranche, das Vehikel zur Massenmobilisierung. Das mag uns journalistischen Herrenfahrern nicht schmecken, dass wir uns nun die Straße teilen müssen. Ändern, kleinreden oder gar wegdiskutieren lässt es sich nicht mehr. Punkt. Der ein oder andere Blogger mag uns wie ein Geisterfahrer anmuten, in Foren und Kommentarthreads sind intellektuelle Raser und Schleicher unterwegs, Punktesünder, Führerscheinlose. Das können wir Redakteure moderieren, kritisieren und relativieren. Verhindern können wir es nicht.
In der gleichen \“journalist\“-Ausgabe wird zoomer.de – das Nachrichtenportal-Projekt, an dem ich gerade arbeite – aus der genau gleichen Perspektive gesehen. Und falsch eingeschätzt. Im Internet relativiert sich die Meinungsführerschaft, in der sich die klassischen Medien noch sonnen. User, Blogger, Kommentatoren sind gleichberechtigt mit den Redaktionen. Jeder kann Publizist sein. Man kann sich damit auseinandersetzen, die neuen Verkehrsregeln verinnerlichen und ein usergetriebenes Medium bauen, wie wir es bei zoomer.de gerade tun. \“Der Leser\“ ist im Web kein unbekanntes Wesen aus irgendeiner LA oder MA mehr! Er ist ein definierter User, auch wenn er sich mit einem vielleicht lächerlichen Nickname tarnt. Die Redakteure im Team nehmen eben eine andere, neue Rolle ein. Als Themen-Vorschläger. Als Rechercheure nicht im Selbstzweck verhaftet, sondern im Sinne der User. Als Moderatoren. Als Trüffelschweine, die unter den Usern Experten ausgraben und wichtige Meinungen herausfiltern.
Damit, mit dem neuen Rollenmodell des Journalisten im Internet, muss sich eine progressive Gewerkschaft auseinandersetzen. Konken wirft in seinem Kommentar leider nur den Blick zurück auf eine \“heile Welt\“, die es so nicht mehr gibt. Damit spricht er vielen meiner Kollegen, die aus der klassischen Medienwelt kommen, zwar aus der Seele. Vernünftig, ehrlich und zukunftsgerichtet ist das nicht.
Weltenweiser 12. Februar 2008 um 13:21
@Frank: Ich bin gespannt auf zoomer.de Ich hoffe sehr, der Redakteur wird nicht nur zum Moderator des AAL-Prinzips. Gleichzeitig ändert sich meiner Ansicht nach eben doch nicht alles. Nur weil der Leser jetzt neudeutsch user heisst, recherchiere ich doch trotzdem für eine Geschichte, die den Leser oder User interessiert. Nicht gegen ihn, nicht für mich. Das der Nutzer aktiv teilnehmen kann, ist eine gute Sache, stellt aber nicht alles komplett auf den Kopf, wenn man nicht davon ausgeht, dass der contentproduziernde User der Trüffel und der Redakteur das Trüffelschwein ist. So wollen wir hoffen, dass aus Themenvorschläger keine Schaumschläger werden.
sanjasieben 12. Februar 2008 um 13:38
zoomer.de: eben wieder so ein beispiel, wie in manchen blogs erstmal draufgehauen, schlechtgeredet, miesgemacht und desinformiert wird.
niemand hier – außer frank syre und vielleicht herrn knüwer durch seinen holtzbrinck-arbeitgeber – hat das portal schon gesehen. trotzdem gibt es schon jetzt viele kritische blogeinträge darüber. die, und da bin ich sicher ohne nachgeschaut zu haben, dauernd und immerzu wieder aufeinander verweisen.
ist DAS der journalismus, der offene, echte, wahre umgang mit den informationen, den wir uns so heftig auf die fahnen schreiben? wohl eher nicht. d hilft es auch nicht, auf den \“journalist\“ zu verweisen und zu sagen: die machen es ja auch so. genau das ist es ja. blogger arbeiten genauso schwach.
herr konken wird das beispiel zoomer.de nicht gemeint haben und ich möchte seine antiquierten thesen auch nicht verteidigen – verstehen kann ich aber schon, was ihn umtreibt.
übrigens: ich bin auch gespannt auf zoomer.de. und ich freue mich erstmal, dass es überhaupt etwas neues an der internet-nachrichtenfront gibt. dass allein ist schon etwas wert, finde ich.
Chefredakteur 12. Februar 2008 um 14:43
Es ist ausgesprochen interessant zu beobachten, wie mimosenhaft Blogger auf Kritik reagieren. Nun ist die Kritik von Michael Konken natürlich nicht fundiert und wird auch durch ständige Wiederholung nicht besser. Aber dass sich die so genannte Blogosphäre derartig daran abarbeitet, kann ich nicht verstehen. Wer ist denn Konken, und inwieweit schränkt sein gerede dass Tun und Lassen der Blogger und Online-Journalisten ein? Ich kann auch nicht verstehen, dass, wenn in Blogs überhaupt einmal Kritik laut wird an all dem Schmarrn und Geschwurbel und den Beleidigungen, die sich in Blogs und Online-Foren lesen lassen, mit dem eingeschnappten Hinweis begegnet wird, Konken und FAZ und SZ und wie sie alle heißen hätten nicht darauf hingewiesen, dass auch in Printmedien seitenweise Schmarrn und Geschwurbel und Beleidigungen zu lesen sind. Das ist doch Kindergartenniveau: Darf Online-Journalismus nur kritisieren, wer gleichzeitig nachweist, auch Print-Journalismus regelmäßig zu kritisieren? So wichtig, wie alle denken, sind weder Online- noch Print-Journalismus, kein Mensch stirbt dumm, der Blogs nicht liest, und dasselbe gilt für die meisten Printobjekte.
Noch eins zu dem Erweckungserlebnis, das Herr Knüwer in Kalifornien hatte: Wie oft kann man die Geschichte von den technikfeindlichen, zurückgebliebenen deutschen, die alles verschlafen, was anderswo die Welt beglückt, noch erzählen, bevor man selbst dabei gähnen muss? Als würden in deutschland keine Startups gegründet, als gäbe es in Deutschland keine Forschung, die brauchbare Dinge hervorbringt, als gäbe es in Deutschland keine relevante Biotechnik-Forschung, als wäre das Thema Erneuerbare Energien in Deutschland irrelevant. Es ist so öde, immer denselben Blödsinn lesen zu müssen, egal ob online oder klassisch im gedruckten Handelsblatt. Wie wäre es denn, wenn sich die geneigten Redakteure einmal, statt im Silicon Vallex in Deutschland mit Existenzgründern, Forschern und Investoren unterhielten? Gibt es hier wirklich niemandem, der das intellektuelle Niveau von kalifornischen Entwicklern und Unternehmern erreicht?
Frank Syré, zoomer.de 12. Februar 2008 um 14:50
@Chefredakteur:
\“Gibt es hier wirklich niemandem, der das intellektuelle Niveau von kalifornischen Entwicklern und Unternehmern erreicht?\“
Doch. Aber dessen Idee verrottet in der Regel während seiner Investorensuche. In den USA suchen Investoren Ideen – in meinen Augen ist das der entscheidende Unterschied 😉
sanjasieben 12. Februar 2008 um 16:43
\“Ich kann auch nicht verstehen, dass, wenn in Blogs überhaupt einmal Kritik laut wird an all dem Schmarrn und Geschwurbel und den Beleidigungen, die sich in Blogs und Online-Foren lesen lassen, mit dem eingeschnappten Hinweis begegnet wird, Konken und FAZ und SZ und wie sie alle heißen hätten nicht darauf hingewiesen, dass auch in Printmedien seitenweise Schmarrn und Geschwurbel und Beleidigungen zu lesen sind. Das ist doch Kindergartenniveau.\“
volltreffer. so drastisch wollte ich es nicht sagen. aber genauso hab ich es gemeint.
Thomas Knüwer 12. Februar 2008 um 17:16
Lustig, liebe Sanja, aber das Kindergartenniveau legen Journalisten an den Tag. Blogger haben ein Hobby. Warum sollte man sie dafür beleidigen? Niemand würde Hobbyköche als \“Idioten\“ bezeichnen, niemand würde dies mit Triathleten tun. Journalisten aber tun dies oft genug mit Bloggern. Warum? Weil Blogger die Medien kritisieren.
Und was den Chefredakteur betrifft: Die Geschichte mit den technikfeindlichen Deutschen kann man immer wieder erzählen. Besser: Muss man immer wieder erzählen. Auch hier werden Startups gegründet, sicher. Es handelt sich aber größtenteils um billige Kopien amerikanischer Vorbilder. Und jene, mit wirklich neuen Ideen, wie von beiden Gründer, die ich in San Francisco traf, die wandern aus. Begründung: Sie finden in Deutschland kein Geld.
Und damit ist auch die Frage des Chefredakteurs beantwortet: Nein, es gibt hier kaum gute Gründer, kaum intelligente Investoren. Deutschland hängt weit zurück, weil hier das Internet als Hort von Kinderschändern, Raubkopierern, Verdummern, Gewalttätern und Idioten gilt. Und eine große Schuld daran tragen die klassischen Medien, deren eigene Medienkompetenz sich in begrenzten Bahnen bewegt. Das ist die traurige Realität.
Rainersacht 12. Februar 2008 um 18:26
@Chefredakteur: Mimosenhaft reagiert nur ein Teil der Blogger auf Kritik von Old-School-Seite. Man kann diesen Teil sogar ziemlich gut als annähernd homogene, sozio-demografische Gruppe definieren: Menschen, die hauptberuflich Journalisten sind und/oder kreativ rund um die Medien arbeiten oder aber mit Bloggen meinen Geld verdienen wollen zu müssen. Andere haben diese Gruppe schon mal verkürzt als A-List-Blogger bezeichnet…
Mir persönlich als Betreiber eines privaten Blogs OHNE journalistischen Anspruch gehen die Konkens dieser Welt am Heck vorbei. Die anderen Medienfuzzis auch – böse werde ich bloß, wenn so Typen wie der von Matt ALLE Blogger auf einen Sitz verunglimpfen. Obwohl, würd ich inzwischen auch einfach nur ignorieren…
Chefredakteur 12. Februar 2008 um 19:13
@Thomas Knüwer: Bis auf wenige, nicht wirklich relevante Ausnahmen (Konken, Schirrmacher) kenne ich nur wenige Journalisten, die das Internet als Hort von Kinderschändern, Dummköpfen etc. bezeichnen würden. Wohl gibt es Journalisten, die wieetwa Graff in der SZ vor einigen Wochen darauf hinweisen, dass sich im Internet viel dummes Zeug finden lässt und dass viele Internetnutzer dieses dumme Zeug zu leicht für bare Münze nehmen, aber als Generalangriff auf das Internet habe ich diese und artverwandte Äußerungen nie verstanden. Ein wenig erinnert die ganze Debatte an die Diskussion der späten Siebziger, als auch versucht wurde, eine gegenöffentlichkeit zu schaffen, weil die etablierten \“bürgerlichen\“ Medien verknöchert seien (und waren) und irgendwelchen Interessen dienten, aber nicht der Aufklärung. So neu, wie immer gesagt, sind User generated content etc. nun auch wieder nicht.
Und ich bezweifle, dass Ihre Sicht der deutschen Nachwuchsunternehmer die einzig zulässige ist. Ich kenne zumindest einige deutsche Unternehmen, diesehr erfolgreich sind, sehr technikaffin und die sich vor US-amerikanischen Unternehmen nicht verstecken müssen. Dass das noch besser sein könnte ja müsste, dass Risikokapitalgeber in den USA wagemutiger sind und deutsche Sparkassen und Banken verschnarcht, wenn es um Anschubfinanzierung geht, das weiß ich auch. Aber dauernd davon zu sprechen, hier sei alles verloren und allein im Auswandern liege das Heil, das stört mich.
sanjasieben 12. Februar 2008 um 19:23
sehr geehrter herr knüwer,
wenn es denn so einfach wäre … die grenze, zwischen journalisten, die beruflich bloggen, und bloggern, die das als hobby tun, aber hauptberuflich journalisten sind, verschwimmt leicht. vielleicht habe ich aber auch ihre kryptische äußerung falsch verstanden, denn ich wüsste nicht, warum journalisten, die hobbymäßig bloggen, und blogger, die hobbymäßig journalist sind, auf unterschiedlichem niveau reagieren sollten.
sind sie eigentlich beruflich oder hobbymäßig blogger? denn auch sie reagieren angestochen, wenn man der wunderbaren blogosphäre, in der sie so gut vernetzt sind, ihre schwächen und -sorry- kindergarten-verhaltensweisen vorhält.
ich glaube, und das ist wirklich meine ganz persönliche meinung, die keinerlei recherche-hintergrund hat, außer der beobachtung von verhaltensweisen und ein bisschen gesundem menschenverstand: die meisten blogger sind total frustriert über ihre eigene bedeutungslosigkeit. sie wollen doch so gerne alle wichtig sein und dabei kümmert sich doch niemand wirklich drum, was in blogs steht (zumindest hierzulande). tut es dann doch mal jemand, wie herr konken mit seiner zugegebenermaßen schwachen argumentation gegen blogs, reagieren die meisten blogger, als habe jemand hochverrat begangen. menschen, deren tätigkeiten wirklich bedeutung haben, brauchen eine solche reaktion nicht.
insofern rate ich zur gelassenheit: gegenüber herrn konken und – obwohl ich genau weiß, dass das ein vergeblicher rat ist – gegenüber meiner meinung.
Ricci 13. Februar 2008 um 1:05
Bei aller Kritik, hinter der ich in etlichen Punkten ebenso steh, ist angebracht auf die prekäre Situation von Journalisten hinzuweisen.
In der Presse können wir darüber lesen:
Qualitätsverluste im Journalismus
Abstract
Schon heute arbeitet in Deutschland jeder dritte Journalist ohne feste Anstellung. Die seit 2001 anhaltende Medienkrise lässt die Zahl der „Freien“ weiter wachsen. Fehlender Kündigungsschutz und unzureichende soziale Absicherung führen zu gravierenden Qualitätseinbußen. Journalisten recherchieren weniger und verlassen sich zunehmend auf PR-Material. Unabhängige Information wird immer seltener. Da Medienbetriebe durch diese Entwicklung Kosten sparen, wird darüber kaum berichtet.
Sachverhalt & Richtigkeit
In Deutschland arbeitet etwa jeder dritte Journalist ohne Anstellungsvertrag als „freier Journalist“. Die durch die Werbekrise ausgelöste und seit dem Jahr 2001 bestehende Medienkrise hat die Zahl der freien Journalisten weiter anwachsen lassen. Auch sind deren Arbeitsbedingungen schwieriger geworden seit den 80er Jahren. Es existieren lediglich vereinzelte Untersuchungen der Berufsverbände (z.B. DJV-Deutscher Journalisten Verband). Es kommt häufig zu Umstrukturierungen in der Medienwirtschaft, die durch technische Innovationen oder neue betriebswirtschaftliche Konzepte ausgelöst werden. So ist der Arbeitsmarkt der freien Bildjournalisten zum Beispiel von der umfassenden Digitalisierung besonders betroffen…
Bitte weiterlesen hinter dem Link
http://www.nachrichtenaufklaerung.de/top.php?year=2007&title=UXVhbGl05HRzdmVybHVzdGUgaW0gSm91cm5
Thomas Knüwer 13. Februar 2008 um 10:10
@Chefredakteur: Stimmt, im Internet steht viel Dummes und manche Leute nehmen es für bare Münze. Aber: Auch in Zeitungen, im Fernsehen, im Radio gibt es viel Dummes. Es gibt, um genau zu sein, genauso viel Dummes. Und deshalb zeugt diese explizite Betonung, im Internet gebe es so viel Dummes entweder von Realitätsnegierung oder von einer impliziten Abwehrhaltung gegenüber dem Netz.
Diejenigen aber, die dort im Netz unterwegs sind, sind keine Gegenöffentlichkeit – sie sind die Öffentlichkeit. Das vergessen wir Journalisten gerne mal. Nicht wir sind die Masse, die Menschen dort draußen sind die Masse. Viele Journalisten aber haben sich längst vom Leben ihrer Konsumenten abgekoppelt und mutieren somit selbst zur Gegenöffentlichkeit (denn dieses \“Gegen\“ impliziert zumindest aus meinem Sprachverständnis eine konträre Meinung zur Mehrheit).
Was die Unternehmen betrifft: Da würd ich mich mal über Beispiele freuen. Ich finde nämlich keine. Das ist traurig, aber nur zu wahr.
Thomas Knüwer 13. Februar 2008 um 10:20
@Sanjasieben: Wieviele Blogger kennen Sie persönlich? Ich kenne eine Menge, niemand aber ist \“frustriert\“ wegen seiner angeblich geringen Bedeutung. Wäre er frustriert, würde er oder sie nicht mehr bloggen. Denn Blogger schreiben, wenn sie Lust drauf haben, Journalisten schreiben, weil sie müssen. Und deshalb sehe ich eher viele Kollegen, die frustriert sind ob unfähiger Verlagsmanager, dramatischer Kostenkürzungen, Personalabbau, daraus folgendem Qualitätsverlust und sinkender Wahrnehmung in Form von Leserzahlen und Einschaltquoten.
Frustration, gleichgesetzt mit \“Enttäuschung\“, entsteht aus der Differenz von Erwartung und wahrgenommenem Erlebnis. Wer bloggt, weil er hohe Leserzahlen erhofft, kann schnell enttäuscht sein. Ich kenne aber niemand, der deshalb ein Weblog startet. Die Motivation ist der Spaß am Kommunizieren und dem Veröffentlichen, oft auch dem Herumspielen mit dem Medium. Zwei dieser drei Punkte haben klassische Medien nie erfüllt, werden es wohl auch nicht mehr.
Gern würde ich aber Beispiele von Bloggern hören, die ob geringer Wahrnehmung frustriert sind. Der gesunde Menschenverstand sagt nämlich etwas anderes: Wenn ich frustriert bin bei einer Tätigkeit, die ich nicht erfüllen muss – dann lasse ich es einfach sein.
Thomas Knüwer 13. Februar 2008 um 10:27
@Ricci: Ich geben Ihnen ja vollkommen recht mit der wirtschaftlichen Lage freier Journalisten. Nun sind die genannten Zahlen ein wenig abzudämpfen. Aus meiner Arbeit als Seitenverantwortlicher, Team- und Ressortleiter muss ich leider berichten: Es gibt auf dem Markt eine leider verdammt hohe Menge freier Journalisten, deren Werke leider von wenig ansprechender Qualität sind. Wieder andere verstehen es nur unzureichend, Themen so vorzuschlagen, dass man als Abnehmer begreift, was sie wollen. Die alte Regel: \“Sage Dein Thema in einem Satz\“ ist leider in Vergessenheit geraten.
Gerade aber das Internet ist doch für uns Journalisten der Traum. Über Jahrzehnte haben wir an einer Personalisierung der Gesellschaft gearbeitet. \“Nichts interessiert den Menschen mehr als den Menschen\“, haben die Journalistenschulen behauptet. Wir haben Portrait-Seiten eingeführt, machen Entwicklungen an Personen fest, durchleuchten die Charaktere der Großkopferten. Nur einen Bereich der Welt haben wir nicht personalisiert: die Autoren. Unsere Leser, Zuschauer, Zuhörer kennen höchtens Moderatoren, nicht aber die Ersteller von Beiträgen. Im angelsächsischen Raum ist das anders, bei uns setzt langsam ein Umdenken ein. Beispiel: Harald Martenstein. Den Namen Stefan Niggemeier würden ohne seine Web-Aktivitäten nur die Eingeweihte kennen. Und unbescheiden sag ich mal: Ohne das Web würd mich doch auch keine Sau kennen. Doch gerade vor dieser Personalisierung scheuen Kollegen zurück, selbst jene mit großen Egos. Dabei würde die eigenen Markenbildung gleichzeitig den Marktwert steigern – und das hilft dann auch wieder dem Arbeitgeber. Win-Win nennt man das in der Wirtschaft.
Thomas Knüwer 13. Februar 2008 um 11:01
Mit-Leser Ralf Steinle macht mich gerade – herzlichsten Dank dafür – auf einen guten Kommentar zu diesem Thema aus dem Deutschlandradio aufmerksam: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/738152/
sanjasieben 13. Februar 2008 um 11:14
lieber herr knüwer,
meine einschätzung der frustration bei vielen bloggern beruht auf deren reaktionen auf kritik von außen. am netz, an blogs allgemein, usw … da schließe ich IHRE reaktion explizit mit ein (siehe ganz oben).
die motivation zum weitermachen holen sich viele blogger ganz offensichtlich aus der ständigen referenzierung auf sich selbst und die (schein)bestätigung, die daraus folgt. beispiel gefällig? niggemeier verweist auf sie, sie verweisen auf lanu, lanu verweist auf donalphonso, donalphonso verweist auf visualblog, visulablog verweist auf turi2 und der wieder auf sie … und so geht das schön reihum. keiner tut dem anderen was, aber über diesen ringelpietz hinaus hat das, was geschrieben wird, nur sehr wenig bedeutung. das sieht man schon daran, dass ja auch die user diesem kreislauf folgen. überall liest man diesselben leute zu den gleichen themen.
ich bin übrigens auch nicht der meinung, dass in zeitungen mehr oder auch nur genauso viel dummes zeug geschrieben wird wie im netz. zeitungen (oder auch alle anderen klassischen medien) haben, im gegensatz zum netz, eine natürliche beschränkung und das ist der platz. wo nicht unbeschränkt platz zur verfügung steht, muss eine auswahl getroffen werden – und wird ja meistens auch. ob das immer die richtige ist, mag dahingestellt bleiben. ich neige eher ihrer these zu, dass das oft genug nicht der fall ist. aber immerhin: es WIRD ausgewählt.
das ist im netz nicht der fall. da darf eben jeder depp sagen, schreiben und publizieren, was er will. und tut das auch nach herzenslust – recherchiert oder nicht. insofern ist die these, in klassischen medien wird genauso viel unsinn publiziert, wie im netz, sicherlich nicht haltbar. selbst wenn sie von ihnen kommt.
sanjasieben 13. Februar 2008 um 11:20
übrigens: in der tat ist das ein wirklich sehr lesenswerter beitrag, den herr knüwer oben verlinkt.
Rainersacht 13. Februar 2008 um 12:43
Liebe sanjasieben, es gibt eine Blogleben außerhalb der Alpha-Blogger, die du genannt hast. Dort wird nicht ständig selbstreferenziert. Dort wird sich nicht über Konkens aufgeregt, dort ist man nicht empfindlich, dort wird einfach nur gebloggt. Schätze, es handelt sich dabei um 99,6% aller Blogs deutscher Sprache. Die restlichen 0,4% der Blogs teilen sich auf zwei bis drei sich nicht mögende Szenen auf – da schimpft der Don auf den Lobo, der Turi auf den Don, der Johnny auf den Turi und niemand auf den Knüwer, weil der ja beim Handelsblatt ist. Ich sehe in diesen Scheingefechten keinerlei Relevanz für irgendwas. Ist halt Showbusiness.
Wir anderen halten uns da weitestgehend raus.
Chefredakteur 13. Februar 2008 um 12:53
Sehr geehrter Herr Knüwer,
Sie haben ja Recht mit dem, was Sie über die \“alten\“ Medien sagen: Dort findet sich viel Dummes, schon immer und heute nicht weniger als früher. Dass das aber noch nie thematisiert worden sei, und schon gar nicht in diesen Medien selbst, kann ich nicht erkennen. Wirklich guter Journalismus zeichnet sich eben auch durch die Fähigkeit aus, selbstkritisch zu sein. Wer nicht selbstkritisch ist, ist kein guter Journalist, und vielleicht sind Invektiven wie die von Frank Schirrmacher und anderen gegen das Internet deshalb so wenig befriedigend. Diese Menschen sind nicht in der Lage, wirklich über das, was sie tun, und über ihre Rolle in der gesellschaftlichen Diskussion nachzudenken. Aber ich gebe zu, dass mir Selbstkritik und dieses Nachdenken bei vielen Bloggern auch fehlen. Deshalb ja meine Bemerkung zur Mimosenhaftigkeit und zum Kindergartenniveau. Wer jede Kritik als Frontalangriff versteht, sofort aggressiv in die Defensive geht und erklärt, die Kritiker hätten entweder keine Ahnung von dem, was sie kritisieren, oder sie machten das, was sie am Internet kritisieren, ja selber, der wirkt nicht besonders souverän, da gebe ich sanjasieben schon Recht. Ich fände es einfach besser – und hier komme ich zum zweiten Teil Ihrer Antwort an mich-, man verwendete die Zeit, die man für diese Abwehr verbraucht, darauf, in Deutschland nach erfolgreichen Unternehmen zu suchen, die zeigen, dass hier auch nicht alle auf dem Baum leben. Und über die kann man dann berichten. Schauen Sie in Köln doch mal bei ITyX vorbei oder in Saarbrücken bei Xtramind, in München bei CreaLog und in Heidelberg bei Sikom. Dort kann man Ihnen spannende Dinge zeigen.
Thomas Knüwer 13. Februar 2008 um 15:19
@Sanjasieben: Ja, jeder darf sagen, was er will. Scheiß-Demokratie. Aber jetzt haben wir sie einmal und das Abschaffen ist echt schwer. Entschuldigung, aber das ist doch nicht Ihr Ernst, oder? Jeder darf sagen, was er will – so steht es im Grundgesetz. Und wenn Sie keine Lust haben, zu lesen, was Nicht-Journalisten schreiben, dann müssen Sie das auch nicht. Das ist ja das tolle am Internet. Denn im Gegensatz zu klassischen Medien zahlen Sie auch nicht dafür.
In Sachen Anteil, zählen Sie mal am Bahhofskiosk durch. Je nach Definition von \“Müll\“ werden Sie locker auf 80 Prozent kommen. Erotik-Blättchen, Yellow Press, bei der Inhalte gleich seitenweise gekauft sind, Deutschlands fehlerdursetzte meistverkaufte Tageszeitung, Modepostillen und Stadtmagazine, die Gefälligkeitsartikel gegen Anzeigen liefern, Technikblättchen, die nur PR-Artikeln bestehen… Da kommt ne Menge zusammen.
Der Unterschied zu Weblogs ist: Dort können Sie sich nicht in den Kommentaren über Fehler, Unzulänglichkeiten und PR aufregen. Sie müssen einen Leserbrief schreiben. Und damit werden Sie zum \“Fundamentalisten\“. So zumindest bezeichnet \“FAZ\“-Mitherausgeber Nonnenmacher öffentlich jene Leser, die ihm schreiben.
Und schließlich die Selbstreferentialität. Die ist bei Blogs genauso vorhanden wie in den klassischern Medien. Gerade erst wieder habe ich den Zitatebericht des Media Tenors gelesen. Ständig beziehen sich Medien aufeinaner. Meist ist dies heute der Fall, wenn jemand eine Meldung exklusiv hat. Dann ist es eine Frage der guten Manieren, dieses Medium zu nennen.
Früher gab es in den Feuilletons eine weitere Form der Selbstreferentialität: den Diskurs. Wie soll denn eine Diskussion über die Grenzen des eigenen Hauses entstehen, wenn man nicht aufeinander Bezug nimmt? Inzwischen aber haben sich Journalisten diese Form der Kommunikation abgewöhnt. Wie das kommunizieren überhaupt.
Übrigens: Frustriert bin ich überhaupt nicht. Auch ich schreibe, weil es mir Spaß macht. Was mich frustriert sind jene Kollegen, die nicht an einer Weiterentwicklung unseres Berufsstandes interessiert sind. Sie sind – ACHTUNG SELBSTREFERENTIALITÄTSARLAM – wie ich schon mal schrieb der Mühlstein um unsere Journalistenhälse in einem Moment, da wir ins kalte Wasser springen müssen.
Thomas Knüwer 13. Februar 2008 um 15:25
@Chefredakteur: Leider ist die Kritik an der Blog-Szene ja eben fast immer ein Frontalangriff, oft fehlen im die Argumente. Ich diskutiere ja gerne mit Gegner. Aber wenn mir dann ein Herr Konken gegenübersitzt und von den Blogs der \“Süddeutschen\“ redet, den Einwurf, dass es solche aber gar nicht gibt, einfach ignoriert, dann ist irgendwo Hopfen und Malz verloren. Das genau ist das Problem: Die meisten Kritiker setzen sich gar nicht mit dem Geschehen im Netz auseinander. Sie fühlen sich überfordert von der Masse an Information, haben aber auch keine Lust, sich Filter wie RSS-Reader anzulegen. Irgendwann hat dann mal ein wirklich wenig qualitativer Blog-Eintrag sie beleidigt und daraus verallgemeinern sie dann.
Was die Beispiele betrifft: Leider stammen sie ja alle aus einem recht kleinen Gebiet, dem Unified Messaging. Und bei diesem Bereich bin ich mir nicht so recht sicher, wie zukunftstauglich er mittelfristig ist. Das aber ist wieder eine andere Diskussion.
Thomas Knüwer 13. Februar 2008 um 17:53
Wenn wir übrigens schon von wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen im Netz reden: Sie kommen dann ja auch gern von hochdekorierten Journalisten, deren Falschinformationen widerlegt wurden: http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/schweinchen/
Chefredakteur 13. Februar 2008 um 20:39
@Thomas Knüwer
Ob die genannten Unternehmen tatsächlich alle dem Unified Messaging zuzuordnen sind, wage ich nicht zu sagen. ich finde, dort werden interessante Anwendungen entwickelt. Was mich wirklich interessieren würde, ist, wie Sie Unified Messaging, E-Mail-Management-Anwendungen und den gesamten Bereich Sprachtechnik beurteilen. Könnten Sie darüber einmal einen Blogeintrag verfassen?
Thomas Knüwer 14. Februar 2008 um 9:38
@Chefredakteur: Puh, hartes Thema. Ich schau mich da nochmal um, kann aber ein wenig dauern. Generell, als erste Einschätzung, leiden die meisten dieser Systeme an ihrer Abgeschlossenheit gegenüber Werkzeugen des privaten Lebens. Sprich: Es fehlt ein System, das offensiv allgemein zugängliche und häufig genutzt Dienste wie Skype oder AIM integriert und für die Nutzung in Unternehmen bereit macht. Von Netzwerkadministratoren werden diese häufig geblockt wegen Sicherheitsbedenken. Wäre es möglich, diese Bedenken beiseite zu räumen, täte sich wohl ein gewaltiger Markt auf.
leonie 14. Februar 2008 um 9:43
Thomas Knüwer findet:
\“Ich geben Ihnen ja vollkommen recht mit der wirtschaftlichen Lage freier Journalisten. Nun sind die genannten Zahlen ein wenig abzudämpfen. Aus meiner Arbeit als Seitenverantwortlicher, Team- und Ressortleiter muss ich leider berichten: Es gibt auf dem Markt eine leider verdammt hohe Menge freier Journalisten, deren Werke leider von wenig ansprechender Qualität sind. Wieder andere verstehen es nur unzureichend, Themen so vorzuschlagen, dass man als Abnehmer begreift, was sie wollen. Die alte Regel: \“Sage Dein Thema in einem Satz\“ ist leider in Vergessenheit geraten.\“
Klar, ist sicher einfacher, kurz beim Büro nebenan anzuklopfen und zu sagen, \“ey, ich hab da \’n tolles Thema, warum machen wir da nich mal was drüber?\“, als ein jedes neues Thema knackig-frisch in bittebitte nicht mehr als einen Satz zu verpacken, auf dass auch jeder Redakteur/Ressortleiter/Chefredakteur drauf anspringt, und es gar nicht erwarten kann, einem für drei Tage Arbeit zwanzig Euro zu überweisen.
Und dass es ebenso viele festangestellte Journalisten gibt, deren Arbeit \“leider von wenig ansprechender Qualität\“ ist wurde, soweit ich sehe, in obigen Kommentaren bereits von Ihnen selbst festgestellt.
Thomas Knüwer 14. Februar 2008 um 10:38
@Leonie: Bitte nicht so empfindlich reagieren. Fakt ist, dass gerade beim Themenanbieten bei vielen frei arbeitenden Kollegen Defizite bestehen. Das beginnt bei der Frage, ob ein Thema das geeignete für das Blatt ist, für das es angeboten wird und endet bei heftigem Gestammel (keine Übertreibung), bei der Darstellung. Es gibt freie Journalisten, die richtig gut im Geschäft sind – und das hat seine Gründe. Und es gibt eben auch welche (und das sind natürlich nicht alle freien, denen es schlecht geht), die an ihrem Auftreten gewaltig arbeiten müssten. Und schließlich gibt es solche (auch hier wieder: es sind nicht alle, denen es schlecht geht), deren gelieferte Artikel einfach handwerklich unzureichend sind.
Und gerade dieses Kämpfen um Redaktionsplatz lernt man sehr gut in einer Redaktion. Man geht nicht einfach um die Ecke und bestellt freien Raum.
Was den einen Satz betriftt: Dies ist ein alter Lehrsatz, der vermutlich in jeder Journalistenschule gepredigt wird. Natürlich können es auch mehrere Sätze sein, um das Thema zu schildern. Nur ist die Erfahrung: Wer sein Thema beim Anbieten nicht auf den Punkt bringt, der schafft das auch nicht in seinem Artikel.
Ricci Riegelhuth 15. Februar 2008 um 12:47
@Thomas Knüwer
\“ Es gibt auf dem Markt eine leider verdammt hohe Menge freier Journalisten, deren Werke leider von wenig ansprechender Qualität sind. Wieder andere verstehen es nur unzureichend, Themen so vorzuschlagen, dass man als Abnehmer begreift, was sie wollen. Die alte Regel: \“Sage Dein Thema in einem Satz\“ ist leider in Vergessenheit geraten.\“
Herr Knüwer,
Sie sind also auch der Meinung, bevor gejammert wird
erstmal solide ans Werk, gelle?
Prima, das ist ein qualitativer Treffpunkt für uns alle!
Ein frühlingshaftes Wochenende wünscht allen,
Ricci R.
Journalisten dürfen kein Facebook haben 16. November 2015 um 15:02
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