Waren Sie auch so fasziniert vom Supermond? Der war gestern so nah an der Erde wie sonst nur selten und deshalb soll er größer und heller wirken. „Supermond“ würde man dies nennen.
Nun habe ich vor einigen Tagen ja am Beispiel von Toblerone beschrieben, warum ich die Hysterisierung so gut wie jedes Themas durch deutsche Medien nicht nur für nervig halte – sondern für gefährlich.
Und dann – der Supermond.
„So schön ist der Supermond über Deutschland“ gibt sich Focus Online ganz kirre und wählt dabei die sicherlich hirnentleerteste Floskelformulierung, die derzeit durch Onlineredaktionen geistert.
Und für jene Verschwörungstheoretiker, die glauben, Chemtrails hätten den Mond geklaut – HA! Nicht mit Focus Online:
„Aber hier der Beweis: Es gab ihn wirklich. Diese Aufnahmen aus Berlin zeigen den Supermond in seiner vollen Pracht.“
Selbst die sonst doch so seriös erscheinen wollende „FAZ“ kommt nicht umhin, den Supermond für Klickhurerei zu nutzen:
In den Bann? Hey, „FAZ“-Knacker. Das ist vielleicht in Eurem biederen Finanzfrankfurt so. Aber anderswo in Deutschland, in Ottmarsbocholt, Ochsenwerder oder Ostberlin – da tanzen die Menschen auf den Straßen, halten sich vor Glück verrückt geworden in den Armen, recken die Hände gemeinsam zum Himmel, vereint im seligen Kampfruf „SUPERMOND! SUPERMOND!“
Also, wenn man „Bild“ glauben will, was man natürlich nie tun sollte:
Jaaaa, so schön ist Supermond. Aber: WIR WERDEN NIE MEHR SCHLAFEN KÖNNEN. Sagt Stern.de:
Den Tiefpunkt liefert vielleicht der „Münchner Merkur“, nicht wegen Panikzeilen wie „Wasserspiegel steigen heute weltweit an“ (Nennt sich übrigens Ebbe und Flut, liebe Merkuristen, sollten Sie mal googlen). Nein, weil der Artikel allen Ernstes so endet:
„Andrea Lutzenberger lebt seit 30 Jahren nach dem Mond und ist Verfasserin von Mondkalendern und Büchern (www.lutzis-mondkalender.de). Sie sagt: „Der Supermond ist optisch sicher eindrucksvoll, aber sonst ein Vollmond wie viele andere auch. Er befindet sich im Zeichen Stier, was für Verwurzelung, Tradition und Familie steht “ Sie rät: „Ab Samstag und noch etwa bis Dienstag sollten Sie wichtige Geschäftsabschlüsse meiden – etwa Hauskäufe oder Erbschaften nicht unterschreiben. Planbare Operationen besser verschieben.“ Stattdessen sollten Sie Ihrer Seele etwas gönnen: „Ein wenig Wellness, ein Heilbad zum Beispiel.“ Und fürs Kräuter sammeln wäre nun eine gute Zeit: „Jetzt sind die meisten ätherischen Öle in der Pflanze.“„
Mehr muss man über die journalistischen Ansprüche des „Merkur“ wohl auch nicht mehr wissen – das „Goldene Blatt“ ist die Schwester im Geiste. Für dieses Meisterstück des Qualitätsjournalismus werden übrigens drei Autoren angegeben.
Das eigentlich Erschreckende aber ist nicht diese Hysterie. Es ist die mangelnde Befähigung, einfach mal in Wikipedia zu schauen und sich dann zu fragen, ob man diesen ganzen Scheiß mitmachen möchte. Entweder viele dieser Redaktionen sind nicht in der Lage das Internet zu bedienen – oder sie haben jedweden journalistischen Anspruch begraben.
Denn was steht denn dort, in Wikipedia?
„Der Begriff (englisch super moon) wurde 2011 von einem Astrologen geprägt. Er wird in der wissenschaftlichen Astronomie nicht verwendet, findet sich aber inzwischen in der Astronomiedidaktik für interessierte Laien.[1] In der Presse werden in Sensationsmeldungen häufig falsche Darstellungen gebracht, zum Beispiel indem die Bedingungen der großen/größten Erdnähe oder der Vollmondphase ignoriert werden.[2] Die Erdnähe allein ist keine Seltenheit, sie findet etwa alle 27 ½ Tage (anomalistischer Monat) erneut statt. Auch wird meistens ignoriert, dass nach der ursprünglichen Definition jedes Jahr mehrere Supermonde stattfinden und dass ein Beobachter die unterschiedliche Größe des Mondes bei unterschiedlich erdnahen Supermonden (Größen- und Helligkeitsunterschiede im einstelligen Prozentbereich) ohne Hilfsmittel nicht wahrnehmen kann.“
Oh.
Hinzu kommt, dass die wenigen Prozent, die der Mond größer ist gar nicht zu erkennen sind – erst recht nicht, weil sie durch die Erdkrümmung die Größenwahrnehmung ohnehin ständig verschiebt.
Natürlich haben einige wenige Redaktionen das realisiert. Spiegel Online, zum Beispiel:
Andere wollen sich durch so was wie Fakten nicht ihre Story kaputtmachen lassen. Beim WDR hat vielleicht ein um Zeilenhonorar ringender Freier eine besonders perfide Methode gewählt: sensationsheischende Zwischenzeilen werden im Text nebenbei entkräftet. Zum Beispiel so:
Und das kann man prima durchhalten: „Unterwegs auf eiförmiger Umlaufbahn“, „Supermond verstärkt Springfluten“, „Wie unser Gehirn in die Irre geführt wird“.
In all diesem Irrsinn aber gibt es eine Redaktion, die heraussticht: die von DRadio Kultur. Denn: Sie kann zwar nicht googlen – aber lernen.
Gestern morgen interviewte der Sender Mirko Krumpe vom Leibniz-Insitut für Astrophysik:
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Supermond am Himmel
Das Interview ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie ein Experte einen schlecht vorbereiteten Moderator mit vorbereiteter These vor die Pumpe laufen lässt.
Allerdings: Dieses Interview dient als Vorlage für die Onlineredaktion. DRadio Kultur ist eine der wenigen Nachrichtenseiten, die den Supermond als das outet, was er ist: ein Medienhype.
Somit war das Trumpe-Gespräch also eine Art öffentlicher Recherche. Klar, das hätte man vorher haben können um den Moderator nicht ganz so dumm aussehen anhören zu lassen. Aber immerhin ist die Redaktion lernfähig und hat so nicht mit all den anderen Medienwölfen den Supermond angeheult.
Kommentare
Martin 15. November 2016 um 9:33
Kleiner Hinweis: Toblerone. Nicht Kit Kat. Schokoladenfreunde kennen den Unterschied. 😉
Thomas Knüwer 15. November 2016 um 9:45
Kleiner Freud: Sitze in einer Jury und habe gerade eine Kitkat-Arbeit bewertet… 😉