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Stellen Sie sich Mark Zuckerberg in diesen Stunden angstschweißig vor.

Tim Cook? Ein Nervenbündel.

Satya Naidella? Suizidgefährdet.

Digitale Imperien drohen in sich zusammenzufallen, nichts ist seit diesem Abend mehr wie zuvor. Die Weltenordnung des Internet wird auf den Kopf gestellt.

Der Grund: die Deutsche Telekom.

Wie das Fachblatt für die Digital Economy – „Capital“ – exklusiv berichtet, greift der Bonner Konzern sie alle an: Facebook, Whatsapp, Microsoft, Apple.

Wie? Mit einem hoch innovativen Messenger, der es ermöglicht, von jedem Gerät aus zu texten, Bilder zu senden, ja sogar zu videotelephonieren. Und das einfach, in dem sich der Nutzer mit seiner Telefonnummer einloggt. „Ein globales Produkt, mit dem wir weltweit Telekom-Dienste anbieten können“, sei das, sagt Telekom-Vorstand Claudia Nemat gegenüber „Capital“.

Als diese Meldung am Vorabend der re:publica Dublin eintraf, wurde sie einhellig aufgenommen – mit schallendem Gelächter. Erst recht beim Namen des Projektes: Immmr. Ja, mit 3 m, was bedeutet: viele, viele Menschen werden es falsch schreiben. Und ganz nebenbei: Das Motiv, das mir beim Öffnen der Homepage zuerst entgegenspringt, ist etwas… (verzeihen Sie den Anglizismus) creepy – Sie sehen es oben.

Man darf getrost fragen: In welcher Welt lebt die Deutsche Telekom?

Nur eine Seite ist dabei die Funktionalität von immmr.

Denn all diese Möglichkeiten gibt es in verschiedenen Varianten ja schon. Whatsapp, Skype, Facebook Messenger, iMessage/Facetime – sie bieten in gewissen Abstufungen genau all dies an. Und noch mehr: iMessage und Facebook werden gerade zur eigenen Plattform analog der asiatischen Gegenstücke. Hier können Nutzer über Sticker, Gifs oder Songschnipsel kommunizieren, Unternehmen können Bots einsetzen um die Kundenkommunikation zu erleichtern.

Von all dem ist bei der Telekom nicht die Rede. Vielmehr versucht der Konzern ein Manko zum Vorteil zu verklären: Denn die Bonner behaupten nun, man brauche keine SIM-Karte mehr, um zu kommunizieren. Tja, brauche ich anderenorts auch nicht. Stattdessen ist das Gegenteil wahr: Der Login über die Telefonnummer macht den Dienst ja unhandlicher. Viel simpler ist die Nutzung über Usernamen oder E-Mail-Adressen. Denn eine Telefonnummer ist nun mal nicht leicht zu merken.

Die einzige neu klingende Funktion von Immmr ist das Kondensieren mehrerer internationaler Telefonnummern. Doch dies ist nur für einen geringen Teil der Menschheit wirklich relevant.

Wenn man nun interpretiert, die SIM-Karte würde verschwinden, ist das nur so halb wahr. Denn natürlich steht im Telekom-Bereich eine maßgebliche Änderung bevor: Doch nicht die SIM-Karte wird sich langfristig verabschieden – sondern die Idee der Telefonnummer als wahllose Aneinanderreihung von Zahlen um die Erreichbarkeit zu ermöglichen.

Ebenso schlimm scheint, was wir über die Konstruktion des Unternehmens erfahren. Seit 2014 sitzt ein 70-köpfiges Team an diesem Projekt. Und dessen Baby wird nun nicht europa- oder gar weltweit ausgerollt. Nein, es soll in der Slowakei an den Start gehen.

In. Der. Slowakei.

Lustig ist dabei, dass die Homepage von Immmr zwar auf .com erreichbar ist, www.immmr.sk jedoch nicht aktiv ist und ob die Adresse überhaupt von der Telekom reserviert wurde, ist aus dem Domain-Eintrag nicht erkennbar.

Time to (first) market also über zwei Jahre, allein die Personalkosten dürften bereits bei rund 10 Millionen Euro liegen – Mieten, Sachkosten und Co sind da noch nicht mit drin. Und dann ist das Ergebnis dieses erheblichen Investments ein solcher Krüppel?

Sicher nicht billig war auch die Agentur, die eine Homepage produziert hat, als gelte es eine Satire auf Startups ins Netz zu stellen, voll mit unsinnigen Hashtags (#sayitwithimmmr oder #immmrviduals – wie Hashtags funktionieren hat da keiner auch nur im Ansatz begriffen). Aber natürlich muss erstmal eine Community simuliert werden, Menschen mit einem @ vor dem Vornamen sollen irgendwas gemessagt haben – Digitalmarketing aus der Dilettantenkiste.

Und wo wir gerade bei Details sind: Immmr will auf der Homepage klein geschrieben werden – im Hashtag aber groß. Weiß die Telekom selbst, wie das Ding heißen soll?immmrMit Immmr zeigt die Deutsche Telekom nicht nur, dass sie nicht auf der Höhe der Zeit in Sachen Messenger ist. Sie demonstriert zusätzlich, dass Lernfähigkeit nicht mal in Sichtweise ihrer Kompetenzen liegt.

Denn seit der Jahrtausendwende versucht die Telekom ja mit ihren Konkurrenten einen Fuß in diesem Markt an den Boden zu bringen. Zu dieser Zeit setzten die Telekomkonzerne gemeinschaftlich die MMS vor die Wand, jene Multimedia-Nachricht. Ein guter Freund von mir war bei einem der Unternehmen in der entsprechenden Projektgruppe und verriet: „Keiner weiß, welche Kosten dabei entstehen. Die Preise, die wir aufrufen, sind komplette Fantasie.“ Und vor allem waren sie absurd überhöht (2,99 Euro) – und die MMS konnten von Provider zu Provider nicht übertragen werden.

Das Herannahen von Whatsapp hat die Branche dann verschlafen. Wieder gemeinsam versuchten die Konzerne den Messenger Joyn zu starten. Ende 2011 sollte er kommen, erschien aber zunächst nur als Vodafone-Alleingang im Frühjahr. In lichtgeschwindiger Reaktion folgte die Telekom blitzartige 11 Monate später mit ihrer Version. Faktisch ist Joyn von Geburt an Zombie.

Und erinnerst sich noch jemand an SimsME? Auch die Deutsche Post wollte im Markt mitspielen und brachte 2014 einen absurd bedienungsunfreundlichen Dienst an den Start. „Jegliches Verständnis für die mobile Welt“ vermissten die Netzpiloten damals. 

Und nun also Immmmmmmmr. Nichts, aber auch wirklich nichts, deutet darauf hin, dass dieser Dienst die vorhandenen Messenger gefährden könnte. Und mehr noch: Er müsste als neue Marke ja auch noch deutliche Vorteile besitzen um eine Chance zu haben.

Die Telco-Konzerne wissen, dass ihre Leistung irgendwann derart zum Alltagsgut (Commodity unter uns Beratern) wird, dass ihre Preise und Margen immer stärker sinken. Statt jedoch in diesem Prozess die Kernkompetenz aufzuwerten (zum Beispiel durch Service, den so viele einfordern) oder die Bindung der Kunden an die Marke zu stärken, versuchen sie stümperhaft in einen besetzten Markt einzudringen, in dem sich Unternehmen mit mehr Expertise und höherer Finanzkraft tummeln.

Die Prognose fällt micht schwer: Immmr ist eine Totgeburt, die eine satte Summe Geld gekostet haben wird. Es würde mich brennend interessieren, ob während dieses so langen Entwicklungsprozesses (dem ein Planungsprozess vorangegangen sein muss) wirklich niemand gesagt hat: „Leute, ist das wirklich der Markt, in den wir reinwollen – und in den wir rein müssen? Sollten wir nicht versuchen da zu punkten, wo wir echte Innovationen schaffen können?“

Vielleicht gab es so jemanden. Aber vielleicht hatte er keine Chance. Denn wenn eines die Deutsche Telekom in den jüngsten Jahren auszeichnete dann eines: Hybris.


Kommentare


Mario H. 20. Oktober 2016 um 8:33

Mich nervt ja insbesondere die Sache mit der Telefonnummer. Ich habe mich testweise mit Signal angemeldet und sofort eine Nachricht von jemanden bekommen, der meine Nummer hat. Ohne irgendein Freischalten von mir – jeder, der die Nummer hat, kann einen kontakten. Und meine Nummer habe ich schon lange. Bei Telegram genau dasselbe. Ich. Will. Das. Nicht. Ich möchte es so haben, wie bei Threema, sogar ICQ war da besser. Damals. In der Digitalsteinzeit.

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Anderer Max 20. Oktober 2016 um 14:10

Oh ja, ICQ!

Ah Oh!

Schmiere Kot auf deinen Bildschirm und deine ICQ Blume wird braun! Der einzige Tipp in einem ICQ-Kettenbrief, der tatsächlich funktioniert!

Btw: Auch wenn du Signal nicht magst, das Ding ist genial!

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Gerrit 20. Oktober 2016 um 9:19

Ist es das gleiche wie bei ‚Path‘, das hat auch nie richtig funktioniert.

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Micha 20. Oktober 2016 um 9:27

Darf ich Deinen Artikel im Intranet der Telekom Posten?

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sixand20 20. Oktober 2016 um 10:46

Chat-Apps ohne End-to-End-Encryption sind wie Autos ohne Airbag: Müssen schon sehr sehr cool sein, damit man sie mal am Wochenende benutzt.

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teekay 20. Oktober 2016 um 11:18

Zum Thema Telekom empfehle ich dringend „Bohemian Browser Ballett“ mit Gozpel vs- Telekom:
https://www.facebook.com/bohemianbrowserballett/videos/360287057695806/

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teekay 20. Oktober 2016 um 11:38

Uebrigens: Die Warner Music Group hat angerufen-die hätten gerne ihr Logo wieder ;)!
https://en.wikipedia.org/wiki/Warner_Music_Group

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Norbert Boehnke 20. Oktober 2016 um 18:33

Es ist ein Jammer!

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teekay 21. Oktober 2016 um 8:47

Aber mal ein richtiger Jammmer 😉 !

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Norbert Boehnke 20. Oktober 2016 um 20:00

P.S.:
Lieber Thomas Knüver,
wenn der CEO der Deutschen Telekom Ihre brillante Analyse, lesen sollte, dann würde er seiner Kompetenz als Top-Manager dadurch Ausdruck verleihen, dass er Sie als Berater des Vorstands an Bord holt. Statt dessen werden Sie vermutlich zur Persona Non Grata, weil Sie die Wahrheit auf den Punkt gebracht haben und wissen wie es gehen würde, ohne einen Wasserkopf von 70 Leute für NIMMMER zu entertainen. Oder kam er doch schon, der Anruf aus Bonn?
😉
LG Norbert Boehnke

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Thomas Knüwer 21. Oktober 2016 um 16:30

@Norbert Boehnke: Ich suche gerade Ihr Argument… Können Sie mir helfen? Oder wollten Sie nur nen büschen trollen?

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Caspii 20. Oktober 2016 um 22:08

Ich freue mich ja schon auf Brabbler, das neue Produkt von den GMX Machern. Vermutlich wird es ähnliche Probleme wir Immmr haben.

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meyer 21. Oktober 2016 um 8:31

Bitte mal lesen
„Dies fällt mit immmr weg: Nutzer des Dienstes können bis zu fünf weitere Mobilfunknummern zu ihrem bisherigen Vertrag dazu bestellen, ohne dafür eine weitere SIM-Karte zu benötigen. Im Web-Account oder in der App können Anwender dann festlegen, welche Nummer für welchen Lebensbereich genutzt wird, beispielsweise für private Telefonate zuhause, geschäftliche Anrufe oder für Telefonate unterwegs. Auch Festnetznummern können entsprechend der regulatorischen Vorgaben des Landes, in dem der Nutzer wohnt, hinzugebucht werden“
http://www.teltarif.de/so-funktioniert-telekom-immmr/news/62932.html

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nk 21. Oktober 2016 um 14:21

Leider unterscheiden sich Mahner und Entscheider meist deutlich in ihrem Realitätssinn. Visionäre und ‚Bedenkenträger‘ heißt es von der anderen Seite. Hat man schon mal eine Idee lässt man sie sich doch nicht kaputtmachen…

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R.Möller 25. Oktober 2016 um 10:40

Die Telekom handelt strategisch richtig (wenn auch reichlich spät). Ihr verkennt die Bedeutung von Messengerplattformen, sie sind das UI der Zukunft, da sie sich gut mit Sprachsteuerung und KI-Diensten (Bots) verbinden lassen. Ein Blick auf die Bedeutung von WeChat im asiatischen Markt zeigt wohin die Reise geht.
Es ist davon auszugehen, daß in nicht allzuferner Zukunft ein grosser Teil der Onlinegeschäfte über Messagingplattformen abgewickelt werden. D.h. die Messaging-Plattform wird zum Gateway und verdient dann an jeder Transaktion mit, deshalb ist es *jede* Anstrengung wert, in diesem Markt eine Plattform zu etablieren.

Dies ist auch der Grund weshalb Google erneut massive Anstrengungen unternimmt Marktanteile im Messengermarkt zu bekommen (‚Allo‘).

Grosse Carrier wie die Telekom sind wohl die einzigen Unternehmen, die eine Chance haben das Distributionsmonopol von FaceBook (FB Messenger, WhatsApp) zu brechen, da sie z.B. Immmr vorinstallieren können. Zusätzlich können sie z.B. kostenfrei Immmr Nachrichten via SMS senden, falls der Empfänger keine Immmr App hat.

Eine Messaging Platform wird nicht attraktiv durch Features sondern durch Verbreitung. Zudem glaube ich nicht daß die Mehrheit der Menschen an der Datenkrake WhatsApp hängt.

Die App zunächst in einem kleinen geschlossenen Markt zu testen ist üblich, da man so Feedback sammeln kann, ohne sich gleich den Markt zu verbrennen.

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Thomas Knüwer 25. Oktober 2016 um 17:30

@R. Möller: Was sie schreiben, ist komplett richtig. Nur: Genau dies Plattformfunktionalität hat Immmr ja gerade NICHT. Die Telekom baut also einen Messenger, der längst von der Realität überholt wird. Es wird ja noch betont, dass beispielsweise Bots nicht möglich sein werden. Genau das ist ja auch meine Kritik an diesem Projekt.

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R.Möller 25. Oktober 2016 um 19:20

Naja, der Messenger an sich ist die Plattform.
Messenger haben social media plattformen inzwischen überholt (anzahl+häufigkeit der nutzung).
Die Bot/Dienste-Schnittstellen kommen sicher noch (Google + FB sind auch noch nicht soweit), erst mal geht es nur um Marktanteile. Es ist sicher kein Zufall, daß FB jüngst die WhatsApp Telnummern in den FB Messenger gezogen hat.

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Thomas Knüwer 26. Oktober 2016 um 16:10

@R. Möller: Da haben wir unterschiedliche Auffassungen. Es gibt Messenger, die noch keine Plattformen sind, weil sie keine weiteren Funktionen zulassen – Whatsapp zum Beispiel. Und es gibt eben jene, die das tun: einerseits die asiatischen Anbieter, andererseits seit jüngstem iMessage und langsam aber sicher Facebook. Und genau dieses „Kommt irgendwann sicher“ funktioniert in der Mobile-Welt ja nicht. Die allermeisten Nutzer laden eine App einmal runter. Wenn sie dann nicht den Vorstellungen entspricht, fliegt sie runter und bekommt keine zweite Chance mehr. Iterative Herangehensweisen sind nicht mehr möglich.

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R.Möller 25. Oktober 2016 um 10:43

Nachtrag:
http://www.economist.com/news/business/21703428-chinas-wechat-shows-way-social-medias-future-wechats-world

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mkn 25. Oktober 2016 um 13:01

@Thomas Knüwer: Was bist du den für ein Vogel? Hast du dir das Schreiben selbst beigebracht? Wie das Projekt durchgeführt wurde, hast du jedenfalls nicht in Erfahrung bringen wollen. Der Artikel strotzt vor Vermutungen und offenen Beleidigungen. Reiner Clickbait!

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Thomas Knüwer 25. Oktober 2016 um 17:33

HINWEIS: Durch schnelle Recherche über die hier nicht sichtbaren Angaben ist erkennbar, dass der Kommentator für die Deutsche Telekom als Agiler Coach und Consultant tätig ist.

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Chris L. 26. Oktober 2016 um 16:58

Oh, in der GMX-Mail-App ist jetzt ein Messenger eingebaut!
Chatten und SMS verschicken kostenlos!
Da will jetzt jeder seinen Kuchen…

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