Können Sie andere überzeugen? Verhandeln gehört zu Ihren Stärken? In der Schule haben Sie die offene Debatte gemocht? Dann habe ich einen Job mit Zukunftsaussichten für Sie: Anzeigenverkäufer. Wie Harry Potter ausgeht, wissen wir noch nicht – wie Märkte aber enden, das ist fast immer klar. Zum Schluss werden sich die Marktteilnehmer aufspalten in Qualitätsführer, Kostenführer und Nischenanbieter. Jeder, der versucht, sich zwischen diesen Polen zu halten, stirbt einen qualvollen Tod, als hätte ihn Voldemort mit einem…. OKOKOKOK – keine Harry-Potter-Bilder mehr.
Qualitätsführer, Kostenführer, Nischenanbieter – so wird es auch in Sachen Anzeigenverkauf für Medien laufen. Schon jetzt deutet sich ein Grummeln an, dass die Branche der Verlage/Sender und der Mediaagenturen nachhaltig verändern wird.
Derzeit läuft der Verkauf über quantitative Argumente. Zahl der erreichten Konsumenten gleich Werbepreis, so einfach ist das. Qualitätsmedien behaupten zwar, sie würden mit qualitativen Argumenten vorgehen – doch diese basieren fast immer nur auf Zahlen. Eine höhere Zahl erreichter Menschen innerhalb einer Zielgruppe ist dann der Maßstab. Und Mediaagenturen bündeln die Werbeetats, die sie verwalten ebenfalls nach dem schlichten Motto: „Wie erreiche ich in einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis möglichst viele Menschen in einer demographischen Zielgruppe?“
Doch das ist eine Position zwischen den Polen, sie nimmt die Mittel eines Kostenführers und versucht sich als Qualitätsführer – das kann nicht funktionieren.
Zu spüren bekommt dies nun das US-Magazin „Business 2.0“. Ein Kind der New Economy ist es und hat vor einigen Monaten einen radikalen optischen Relaunch vorgenommen. Gestrichen hat man allerdings die eigene Internet-Seite, das ganze ist nun eine Unterrubrik bei CNN.com – und somit nur noch äußerst schwer such- und auffindbar.
Doch es sind nicht die Leser, die „Business 2.0“ die Freundschaft aufkündigen – sondern die Anzeigenkunden. Und das liegt anscheinend, schreibt die „New York Times“, an einer Maßnahme des B2-Mutterkonzerns „Time“:
„Aside from the overall downturn in the magazine business, current and former Time Inc. employees point to what appears to have been an ill-advised move this year to combine the advertising sales teams of Time Inc.’s finance and business publications, which include Fortune, Money, CNNMoney.com, Fortune Small Business and Business 2.0.
Consolidated under a single banner, Time Inc.’s Business and Finance Network (or Tibfin, as it is known inside the company), Time sales representatives stopped pitching the distinct appeal and audience of Business 2.0 to focus on the larger titles like Fortune.“
„Business 2.0“ hätte den Anzeigenkunden qualitativ verkauft werden müssen. Doch das ist mühsamer und zweitaufwendiger als das plumpe Zahlen-auf-den-Tisch-schmeißen. Und die Verkaufsmannschaften der Verlage sind eben nicht mehr so üppig besetzt.
Und deshalb müssen sich auch diese Abteilungen neu sortieren. Wer auf Kostenführerschaft setzt, wird keine Chance mehr haben. Das machen – erst recht mit steigender Bedeutung der Online-Werbung – automatisierte Systeme. Teilweise sogar für Zeitungen: Gerade erst hat Google seinen Restplatz-Verkauf für Print-Anzeigen auf 225 US-Zeitungen ausgeweitet. Anzeigenverkäufer, die nach Statistiken verkaufen, haben auf Dauer keine Chance. Statistiken, Daten, Zahlen – das kann ein Computer besser.
Doch Computer können nicht argumentieren. Und deshalb ist das Internet eine gewaltige Chance für Verkäufer, die mehr können als Excel-Tabellen auf den Tisch zu knallen. Sie müssen künftig argumentieren, warum eine Werbung auf Facebook sinnvoll ist, obwohl die Durchklickraten dort mies sind. Warum es sich lohnt eine Online-Video-Serie mit Spots zu versehen. Warum ein Banner in Blog A sinnvoll ist – in Blog B aber nicht. Die Marktforscher von Nielsen Netratings haben es den Außendienstlern gerade erst schwerer gemacht: Sie setzten künftig auf die Verweildauer von Nutzern auf bestimmten Seiten. Doch dass eine längere Verweildauer automatisch gleich mehr Werbeerfolg ist, daran wird selbst der Dümmste nicht glauben wollen. Es gibt eben Seiten wie Social Networks mit Web-2.0-Techniken, die Nutzer im Hintergrund laufen lassen und die somit erheblich längere Nutzungszeiten erzielen werden.
Das Internet hat unser Leben schneller gemacht – aber nicht unkomplizierter. Und wenn etwas kompliziert wird, haben Menschen Chancen, die anderen die neue Welt erklären können. So wie richtig gute Anzeigenverkäufer.
Für einen allerdings bleibt in diesem Szenario kein Platz mehr: Mediaagenturen. Wäre ich dort angestellt, würde ich mehr sehr, sehr große Sorgen machen.
Kommentare
Alphager 18. Juli 2007 um 11:14
\“Wie Harry Potter ausgeht, wissen wir noch nicht – wie Märkte aber enden, das ist fast immer klar.\“
Doch, wir wissen, wie Harry Potter ausgeht. Das Buch geistert seit knapp 3 Tagen im Internet rum und hat gestern digg.com und heute slashdot.org erreicht.
hotwire 18. Juli 2007 um 11:40
Wie immer perfekt auf den Punkt gebracht,
mit einem Ausdruck
\“Collapse of the middle\“!
Keine Kostenführerschaft, kein qualitatives Nischenangebot und schon wird es in der Mitte sehr, sehr eng.
Rainersacht 18. Juli 2007 um 12:17
Sachichdoch: Das Ende der Werbewirtschaft as we know it…
Wenn dann noch die derzeit diskutierten umfassenden Werbeverbote hinzukommen. Uijuijuijuijui. Ich geb der Branche noch maximal 4 Jahre bis zur Vollkrise und weitere vier Jahre bis zur Marginalisierung. Werbeagenturen werden dann sowas sein wie Nagel- und/oder Sonnenstudios; viele der Kreativen sehen ja jetzt schon so aus. Vielleicht auch wie Call-Shops, Girls & Boys haben sie ja reichlich.
Andreas 18. Juli 2007 um 12:21
Vertriebler (nicht abwertend gemeint) neigen dazu, den für sie günstigsten Weg zur Erfüllung ihrer eigenen Ziele zu gehen und machen daher gerne mal einen großen Bogen um irgendwie problematische oder erklärungsbedürftige Produkte mit wenig Provision (viel Reden für wenig Geld), selbst wenn sie dafür qualifiziert wären, und wählen lieber den für sie einfacheren Weg.
Wenn ein Vertriebler viel Geld im \“Short Tail\“ Massengeschäft verdienen kann, warum sollte er ohne Zwang im \“Long Tail\“ weniger (weil seine Provision nicht darauf angepasst ist) verdienen wollen?
Die eigentlichen Gründe, warum der Verkauf für \“Business 2.0\“ quasi stoppte (ausser, dass es in jedem Fall ein Managementfehler war), stehen oben aber nicht. Ob es also initial (wie oben behauptet wird) am falschen Verkaufen/Anpreisen (nicht qualitativ) oder schlicht an zu wenig Verkaufen/Anpreisen lag, ist von Aussen nicht sichtbar, und reine Spekulation.
roman libbertz 18. Juli 2007 um 12:37
aber wenigstens ein job
gruss r.l
Don Alphonso 18. Juli 2007 um 13:55
\“Sie müssen künftig argumentieren, warum eine Werbung auf Facebook sinnvoll ist, obwohl die Durchklickraten dort mies sind.\“
Die Argumentation würde mich auch mal interessieren. Übrigens gehen auch bei der Konkurrenz von Red Herring die Rolläden runter – vielleicht, weil sich zu wenige mit Web2.0 beschäftigen und keine Lust mehr auf arrogante Klitschengründer haben?
Sascha Stoltenow 18. Juli 2007 um 14:55
Wenn man sich die Berichterstattung zum iPhone anschaut, wird auch klar, warum sich die Werber sorgen müssen. Den Job machen jetzt die Redakteure selbst 😉 Allerdings, soviel sorgen müssen sie sich doch nicht machen, denn es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass aller werbenden Journalisten sich dereinst zusammentun und sich dann Werbeagentur nennen. Es gibt in der Mediengesellschaft genug Arbeit für \“uns\“ alle, selbst wenn es demnächst darum geht, erst mal die Trümmer wegzuräumen. Und die Jungs von Matt als Trümmerfrauen und nicht Bettler in einer Anzeige? Warum nicht?
Mainbube 18. Juli 2007 um 18:04
So ganz verstehe ich jetzt noch nicht warum Angestellte in Mediaagenturen Angst haben sollten, weil Sie meinen das die von ihnen beschriebenen Wege die Einzigen des Verkaufs sind.
Irgendwie finde ich den Beitrag sehr platt und einfach gehalten. Menschen die Werbung, Vertriebler und Mediamenschen nicht mögen, können da vielleicht ihre eigene Meinung bestätigt sehen, aber mit der Realität des Alltags hat das wenig zu tun.
Mediaagenturen brauchen sich in diesem stark wachsenden Markt überhaupt keine Sorgen machen, denn die Kunden brauchen mehr denn je die Unterstützung von fähigen und markterfahrenen Scouts die sie über die Fallstricke der vielen Möglichkeiten sicher herüberleiten.
Nur die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten, also Kunde, Agentur, Vermarkter und Webseite wird am Ende zu einem positiven Resultat im Sinne des Kunden führen.
Wie gesagt, es erschlißet sich mir nicht ganz woher Ihre Annahme komtt die Mediaagneturen würden ihre Bedeutung verlieren, aber vielleicht würde ein Gespräch mit einigen Leuten aus diesem Bereich auch weiterhelfen und Ihre Meinung ändern.
Kerstin 18. Juli 2007 um 18:21
Das sehe ich sehr ähnlich, glücklicherweise sind Klickrates ja nicht immer das Mass aller Dinge und man muss sich schon sehr genau fragen, was die Aussage dieser Zahlen sind. Würden Anzeigen nur noch nach abgeschickten Coupons bewertet gäbe es keine einzige redaktionelle Zeitung mehr.
Mediaagenturen arbeiten wesentlich komplexer als Ihre Darstellung. Ebenfalls trennt sich bei der Beratung durch Medienvertreter die Spreu vom Wezien, bloße Anzeigenverkäufer mit reisserischen Reichweitenpräsentationen sind ebenfalls glücklicherweise Schnee von gestern. Gerne dürfen Sie uns auch glauben, daß wir Zahlen wie Nutzungszeit sehr gut auf Plattformbasis bewerten können (kennen sie das Wort PI-drescher :-), wird unter Medialeuten gerne genommen). In diesem Sinne, einfach mal bei Ihren Mediakollegen vorbeischauen :-).
Chris 18. Juli 2007 um 19:46
@Kerstin: Dito.
Du schilderst die Herausforderungen doch und gibst Argumente, warum man eben *doch* Mediaplaner braucht. Die in einem immer stärker werdenen fragmentierten Markt den Überblick behalten.
Und wie erklärst du dir, dass derzeit nahezu alle Mediaagenturen, Onlineagenturen, etc. pp. wie bekloppt einstellen? Ich mache mir derzeit keine Sorgen um (m)einen Job. Sondern setze (eingebettet in eine Gesamtstrategie) statt dessen spannende Projekte mit MySpace, trnd und IGA um. Mit meist qualitativen Argumenten statt quantiativen Zahlenspielereien.
Harald 18. Juli 2007 um 21:03
Es wäre sehr schade wenn Business 2.0 wie schon seit einigen Wochen gemunkelt in eine schwere Finanzierungskrise geraten würde. Ich habe das Magazin als einer der letzten sympathischen Überlebenden der New Economy Berichterstattung immer v.a. zur Unterhaltung auf Reisen sehr gern gelesen. Die Berichte sind sicher nicht so tiefgründig wie in anderen Wirtschaftsmagazinen, aber dafür oft sehr gut aufbereitet, nah dran am Geist des Silicon Valley und insbesondere hervorragend illustriert. Ich erinnere mich z.B. noch an eine sehr gute Geschichte über wichtige Schritte einer Unternehmensgründung, die man sich quasi als Bedienungsanleitung heraustrennen konnte. Oder eine bei der ich endlich das Prinzip von Serverfarmen und Distributed Computing verständlich erklärt bekommen habe. Und eine \“Business 2.0 Dream Team\“ Kollektion der fähigsten Manager und Aufsichtsräte im Stil von Baseball Sammelkarten.
Vielleicht fällt dem Magazin jetzt leider auch das 2.0 im Namen auf die Füße, da viele Angeigenkunden von Web 2.0 Geschichten und Unternehmen nichts mehr hören wollen.
Conmaturas 20. Juli 2007 um 12:58
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Warum Verweildauer zum Werbemaßstab werden muss 18. September 2014 um 13:59
[…] Mitte 2007 war es auch, als der Online-Reichweitenmessdienst Nielsen Netratings eine Umstellung ankündigte, von der ich glaubte, dass sie die Web-Werbung komplett verändern würde: Er machte die Verweildauer von Nutzern auf einer Seite zum wichtigsten Maßstab. […]
Glaskugelige Kaffeesatzlesereien 2016 30. Dezember 2015 um 16:32
[…] 2007 hat Nielsen Netratings die Verweildauer auf einer Seite zum wichtigsten Maßstab erhoben. Vor 8 Jahren. Auch in den US-Medien hat die Frage, ob dieser Indikator nicht erheblich […]