Man kann dem Axel-Springer-Verlag vieles nachsagen. Eines nicht: Dass er Ahnung von Kommunikation im Internet hat. Mit dem folgenden werde ich mir vielleicht viel Ärger einhandeln in der deutschen Blog-Szene. Denn ich finde die Streichung eines Blog-Artikels, der sich kritisch gegen „Bild“-Chef Kai Diekmann richtete, nicht grundsätzlich falsch.
Nur, die Art und Weise, wie Axel Springer dabei agierte, ist ein Problem. Denn man hätte sich elegant aus der Affäre ziehen können. So aber wird der Fall Posener den Verlag auf einige Jahre hinaus in Vorträgen zum Thema „Kommunikation im Web 2.0“ verewigen – als Exempel der Döspaddeligkeit.
Zunächst einmal, ich hatte mir ja vorgenommen, hier mehr zu erklären, die kurze Historie. In der vergangenen Woche zeterte Alan Posener, Kommentarchef der „Welt am Sonntag“ in seinem Blog gegen die Buchpläne von Kai Diekmann, der uns demnächst über die 68er aufklären will. Der Text war deftig geschrieben, aber das ist bei Posener nicht unüblich. Auszüge:
„Die 68er haben K.D. gezwungen, Politiker zu wählen, die haltlose Versprechen abgaben. Die 68er haben K.D. gezwungen, Verantwortung zu scheuen. Die 68er haben K.D, gezwungen, als Chefredakteur der Bildzeitung nach Auffassung des Berliner Landgerichts ?bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung Anderer? zu ziehen. Die 68er zwingen ihn noch heute, täglich auf der Seite 1 eine Wichsvorlage abzudrucken, und überhaupt auf fast allen Seiten die niedrigsten Instinkte der Bild-Leser zu bedienen, gleichzeitig aber scheinheilig auf der Papst-Welle mitzuschwimmen. Die 68er zwingen ihn, eine Kampagne gegen die einzige vernünftige Reform der Großen Koalition zu führen, die Rente mit 67. Die 68er zwingen ihn? aber das wird langweilig. Hier die Kurzfassung: ich bin?s nicht, die 68er sind?s gewesen. Das ist jämmerlich.
Wenn man etwas macht, soll man dazu stehen, oder aber es lassen. Man kann nicht die Bildzeitung machen und gleichzeitig in die Pose des alttestamentarischen Propheten schlüpfen, der die Sünden von Sodom und Gomorrha geißelt. So viel Selbstironie muss doch sein, dass man die Lächerlichkeit eines solchen Unterfangens begreift.“
Kurz darauf war dieser Text (hier die vollständige Version) weg und ein Statement von Springer im Umlauf:
„Es ist die Entgleisung eines einzelnen Mitarbeiters. Der Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann ist ohne Wissen der Chefredaktion in den Weblog von Alan Posener gestellt worden. Der Beitrag ist eine höchst unkollegiale Geste und entspricht nicht den Werten unserer Unternehmenskultur.“
Und damit liegt der Verlag grundsätzlich richtig. Es kann in der Tat nicht sein, dass interne Zwistigkeiten so in die Öffentlichkeit getragen werden. Ich rätsele, ob Posener wirklich glaubte, damit durchzukommen.
Denn was kommt danach? „Bild“ schießt als Revanche auf „Welt“, die haut auf das „Abendblatt“ ein? In einem Konzern kämpfen alle Bereiche um eine knappe Ressource: Geld. Jeder möchte Investitionen zugeteilt bekommen, möchte Gehälter aufgestockt, Entscheidungen zu seinen Gunsten gefällt wissen. Gerade in Zeiten der Krise – und Verlage sind weiter in der Krise – kann dies ein Betriebsklima komplett in die Grütze reiten, beschäftigt der interne Kleinkrieg Mitarbeiter ganz schnell viel mehr, als das kundenorientierte Tagesgeschäft.
Das darf eine Chefetage nicht zulassen (deshalb auch gilt bei mir die Regeln, dass ich nichts Negatives über meinen Arbeitgeber schreibe – aber auch keine unnötigen Jubelarien).
Bei Springer brodelt es anscheinend mächtig. Vielleicht liegt es auch am überstürzten Umzug der „Bild“ nach Berlin, der vielleicht mittelfristig Kosten spart (weil umzugsunwillige Mitarbeiter das Haus verlassen werden), vielleicht am neu geschaffenen „Welt“-Newsroom (den viele in der Redaktion, ist zu hören, wegen seiner schlechten Arbeitsbedingungen abgrundtief hassen). Abwanderungswillige „Welt“-Kollegen gibt es reichlich, das ist auf manchem Branchentreff eindeutig zu hören.
Langsam sickert das Gegrummel nach außen, das zeigt auch eine Umfrage im „Welt“-Möchtegern-Satireressort, in der anfangs Kai Diekmann auftauchte.
In solchen Momenten müssen Chefs als Standbrandmeister eingreifen und Ruhe in den Laden bringen. Sicherlich auch aus Karrieregründen – gerade wenn sie, was Christoph Keese nachgesagt wird, irgendwann vom Chefredakteurs- auf einen Managementsessel wechseln wollen.
Doch gute Feuerwehrleute zeichnen sich dadurch aus, dass sie beim Anblick der Flammen nicht von Panik geschüttelt werden. Und hier setzt das Problem an in Sachen Posener.
Wäre der Eintrag stehen geblieben, hätte er die Blog-Szene eine gewisse Zeit erheitert und hätte für mächtig Links auf Poseners Blog gesorgt, was ja vielleicht auch nicht übel gewesen wäre. Doch die nächste Affäre hätte das schnell aus den Köpfen gepustet.
Intern wäre aber eine kräftige Reaktion nötig gewesen, zum Beispiel ein gemeinsamer Auftritt der „Bild“- und „Welt“-Chefredakteure vor beiden Mannschaften und klarzustellen, dass solche Äußerungen nicht dem Stil des Hauses entsprechen. Das Signal wäre eindeutig gewesen: Wir mögen es nicht, es war einmalig, aber wir stehen zu offener Debatte.
Durch seine Extremreaktion schüttete der Verlag Benzin ins brennende Haus. Und würde man annehmen, bei Springer verstünden sie, wie das so geht mit der Kommunikation im Internet, dann müsste man folgern: Sie haben eine masochistische Ader, die sich im Beibringen von Brandwunden Bahn bricht.
Bei Springer aber ist die Internet-Kompetenz nicht sonderlich ausgeprägt, zumindest, wenn man sich anschaut, wie unglaublich fahrlässig „Bild“ seine Chance im Internet verschenkt hat. Mit seiner Markenkraft hätte das Blatt alle Chancen gehabt, die Nummer eins der Informationsseiten zu werden. Doch der Dschungel in Kooperation mit T-Online ließ sich seine Leser abkaufen von Spiegel Online uns seinem Ressort P(or)anorama.
Nur so lässt sich erklären, dass „Welt“-Chef Christoph Keese, im Interview mit der Süddeutsche.de, die nachlassende Wirkung des ins Feuer gegossenen Benzins ersetzt durch den gezielten Wurf eines Molotow-Cocktails:
„Keese: Blogs sind private Tagebücher, professioneller Journalismus besteht aus der Kombination von Schreiben und Redigieren. Im Journalismus gibt es keinen Einhandbetrieb, sondern Autoren, die Texte schreiben, und Redakteure, die Texte bearbeiten, oft in einem vielstufigen Verfahren. Erst dadurch entsteht professioneller Journalismus.
Gute Redaktionen lesen Texte in drei, vier oder fünf unterschiedlichen Stufen gegen, bevor diese veröffentlicht werden. Was am Ende in der Zeitung oder online erscheint, ist Teamarbeit. Genau das erwarten Leser von uns: ein sorgsam begründetes Urteil aufgrund sachlich korrekter Informationen. Blogs arbeiten völlig anders – es sind subjektive Tagebücher. Beide Konzepte markieren Gegensätze…
sueddeutsche.de: Also wird Poseners Blog abgeschafft?
Keese: Er wird künftig wie alle Blogs eigener Redakteure vor der Veröffentlichung gegengelesen. Das ist der normale Gang der Dinge.“
Die Unkundigkeit, die aus diesen Zeilen trieft, ist bemerkenswert. Blogs sind also „private Tagebücher“ – mit denen sich Welt Online aber gerne schmückt? Das ist so wie das Weichei, das sich im Vergnügungspark an der Riesenachterbahn mit den 12 ineinander verdrehten Loopings das T-Shirt „I survived the monster“ kauft – aber zu feige ist, in die Gondel zu steigen.
Blogs sind nicht „private Tagebücher“, sie können private Tagebücher sein. Genauso wie Zeitungen billiger Sensationsjournalismus und hoch qualitative Information sein können. Blogs sind ebenso ernst zu nehmende Informationsplattformen, die von Keese anscheinend nicht gelesen werden. Warum aber bezeichnet Welt Online seine Blogs als Blogs, wenn Blogs „private Tagebücher“ sind? Und wenn Blogs private Tagebücher sind, warum darf Alan Posener nicht seine private Meinung reinschreiben?
Rhetorische Fragen. In der Hoffnung, dass Keeses Leitartikel besser argumentiert sind, als seine Interviewantworten. Alan Posner macht sich über diesen Unsinn heute schon lustig. Er nutzt sein Blog als privates Tagebuch – und feiert seine Tochter.
Mit dem Gegenlesen von Blog-Einträgen diskreditiert der Chef seinen gesamten Debattenbereich. Denn dieser will gerade mit der Personalisierung Leser anziehen. Hier wird persönlicher Kontakt simuliert.
Und das ja zu Recht. Denn früher standen die großen Print-Marken für etwas, für eine Haltung hatten, die sie verteidigten, was da auch komme. Auch Axel Springer selbst, wie immer man zu seiner politischen Ausrichtung stehen mag, stand für etwas und gab nicht nach. Dies aber ist verloren gegangen. Und deshalb ist Keeses Einlassung „Damit ist die Presse stark geworden…“ nur die halbe Wahrheit. Denn nun wird die Presse immer kleiner. Weil sie ihr Markenversprechen, ihre Haltung verloren hat. Weil sie Werbung und Inhalte manchmal vermischt, manchmal so nah aneinanderbringt, dass der Leser nur mit viel Wissen den Unterschied ausmachen kann. Weil ihre Fehlerquote weiter steigt.
Und so ist Keeses zweiter Halbsatz nicht belegbar:
„…danach verlangt das Publikum auch im Internet.“
Tut es das? Wo? Nein, das Publikum verlangt nicht danach. Ihm ist es egal, wie Inhalte zustande kommen. Es will, zumindest nach meiner Blog-Erfahrung, einfach wissen, wem es vertrauen kann. Weil des den großen Medienmarken nicht mehr vertrauen mag. Und ein Teil von ihm will auch nicht mehr allein Publikum sein, sondern mitreden. Dieser Teil erwartet keinen Briefkasten, in dem es Leserbriefe abwerfen kann, sondern Kommunikation.
Genau das bieten Weblogs. Eine Einzelperson aber, die für ein Blog steht, der vertraut man eher. Weil man ihr in den Kommentaren die Meinung geigen kann, wenn sie Unsinn schreibt. Und weil mal schnell weg sein kann, kein Abo kündigen muss, wenn diese Person das Vertrauen nicht rechtfertigt.
Nun also werden wir im Newsroom genervte „Welt“-Blogger erleben, die ohnehin schon gestresste Kollegen anbetteln, „doch mal eben schnell“ einen Blog-Eintrag gegenzulesen. Gern wüsste ich ja, wer die ehrenvolle Aufgabe bei Poseners Tochter-Lob übernommen hat. Natürlich gibt es noch ein anderes Blog, ein unabhängiges, das so ähnlich arbeitet: der Spreeblick. Wenn mich nicht alles täuscht, werden dort Artikel reihum zur Begutachtung geschickt. Doch das ist etwas anderes, als sie von einem Newsroom redigieren zu lassen.
Und: Die meisten Blogs haben etwas obsessives. Man will etwas schreiben, weil man den Drang hat zu schreiben. Dies ist für viele Journalisten im Jahr 2007 vielleicht kaum noch nachvollziehbar. Doch ist die Besessenheit eine Rückkehr zu den Wurzeln. Gunter Hofmann, zum Beispiel, der Chefkorrespondent der „Zeit, erzählte unserer Journalistenschule einmal von den Besuchen der Gräfin Dönhoff im Hauptstadtbüro der „Zeit“. Hereingestürmt sei sie oft, mit einer gewissen Zittrigkeit. Und dann habe sie hektisch gefragt, wo eine Schreibmaschine sei: „Ich muss etwas schreiben.“ Ich muss. Obsession als journalistische Berufskrankheit.
Vielleicht kann sich Keese das nicht mehr vorstellen, dieses Gefühl, das sich nun beim Bloggen oft einstellt. Und so werden die gegengelesenen Welt-Online-Blogs dauerhaft diskreditiert bleiben, ebenso der mit viel Tammtamm gestarte Debatte-Bereich.
Das alles hätte Keese vermeiden können. Denn Kommunikation im Netz ist oft wie Judo – man muss den Schwung des Gegners mitnehmen. Hätte er den ersten Eintrag stehen lassen, Posener intern gemaßregelt und der Redaktion klare Vorgaben gegeben, die Sache hätte sich verflüchtigt.
So aber bleibt eine Frage. Warum eigentlich glaubt die „Welt“, sich Blogs halten zu müssen? Gebt sie einfach auf, dann hat der Spuk ein Ende.
Kommentare
massenpublikum 15. Mai 2007 um 12:43
Eine Menge Holz, die Sie da fällen, Herr Knüwer. Aber mit Recht. Und gut argumentiert.
Ich habe vor einigen Wochen schon die Frage gestellt, warum Medien derzeit zwanghaft versuchen, Blogs in ihr Angebot einzugliedern. So etwas muss gut überlegt und konzipiert sein. Lässt man jemanden bloggen, dann muss das nach all den Gepflogenheiten der Blogosphäre ablaufen.
Das, was der Herr Keese von \“privaten Tagebüchern\“ erzählt, ist Käse und zeigt in der Tat, dass der Herr einfach nicht genau weiß, was sein eigenes Medium macht. Ich hoffe, Herr Schink gibt ihm nun Nachhilfe.
Storyblogger – Björn Eichstädt 15. Mai 2007 um 13:11
Wo Du recht hast, da hast Du recht. Aber erinnere Dich an \“Web 0.0\“ – das ist halt hierzulande noch so. Aber: Die Zeit kann manches heilen, … vielleicht.
Sascha Stoltenow 15. Mai 2007 um 13:24
Da haben sich die Analysen der kleinen PR-Agentur am Rande der Stadt doch wirklich gelohnt. Wenn Herr Keese von der Redaktion ins Management strebt, sollte er kurz vorher noch eine kleine Beratungsrunde bei Indiskretion Ehrensache einlegen. Nur hoffentlich wird aus Thomas Knüwer dann kein Management-Berater. Obwohl: gute Wettbewerber kann der Markt immer brauchen.
derherold 15. Mai 2007 um 14:45
Meines Erachtens eine vollkommen richtige Bewertung:
die Streichung von Poseners Beitrag war vollkommen richtig – die späteren Reflexe waren eher \“paranoid\“.
Ich frage mich allerdings, ob Posener für seinen KD-Angriff nicht Rückendeckung hatte … 😉
georg 15. Mai 2007 um 14:53
Nur eine kleine Anmerkung zur journalistischen Recherche … \“nach Klicks\“ (Page Impressions) liegt Bild.de durchweg vor Spiegel Online.
Das Panorama-Ressort von Spiegel Online wird in der IVW nicht gesondert ausgewiesen, dürfte aber reichweitenmäßig keine Rolle spielen.
Und übrigens liegt handelsblatt.de in der IVW-Reichweite etwa im April 2007 abgeschlagen hinter faz.net, sueddeutsche.de und zeit.de.
georg 15. Mai 2007 um 14:54
… und auch hinter welt.de
georg 15. Mai 2007 um 15:20
@Stefan: Ich wollte im wesentlichen auf einen kleinen Recherchefehler hinweisen. Und bei der Gelegenheit habe ich die aktuellen handelsblatt.de Zahlen gesehen (OK – ein wenig vom Thema weg … ).
Du hast vielleicht Verständnis dafür, dass ich an dieser Stelle keine Diskussion über die Stärke und Boulevard-Kompetenz der Marke BILD im Internet führen möchte.
Stefan Niggemeier 15. Mai 2007 um 15:46
dann lass es doch einfach.
georg 15. Mai 2007 um 16:02
ja
Thomas Knüwer 15. Mai 2007 um 16:11
Kinder, jetzt ist gut! Vertragt Euch wieder!
SvenR 15. Mai 2007 um 16:12
Sie schruben \“Denn ich finde die Streichung eines Blog-Artikels, der sich kritisch gegen \“Bild\“-Chef Kai Diekmann richtete, vollkommen richtig.\“ und weiter \“Und damit liegt der Verlag richtig. Es kann in der Tat nicht sein, dass interne Zwistigkeiten so in die Öffentlichkeit getragen werden. Ich rätsele, ob Posener wirklich glaubte, damit durchzukommen.\“
Und ich dachte immer, Redaktionen sein \“unabhängig\“. Ich habe das extra in Anführungszeichen gesetzt, weil auch diese Unabhängikeit natürlich relativ ist.
Nicht dass Sie mich falsch verstehen, ich halte Loyalität für wichtig und richtig. Sobald aber aus Loyalität vorauseilender Vasallengehorsam wird bekomme ich Pickel.
Zum Ende hin wird das alles für mich nachvollziehbarer, den Einstieg halte ich für grundweg falsch.
Thomas Knüwer 15. Mai 2007 um 16:18
Redaktionen sind nicht so unabhängig, wie sie gerne wären. Natürlich unterliegen sie als Teil eines Medienkonzerns gewissen Zwängen. Das ist nicht schön. Doch die Alternative wäre oft der Tod der Blätter. Ist das besser?
Redaktionen sollten aber – Blogs machen das vor – ihre Abhängigkeiten öffentlich machen. Das beginnt bei Hinweisen auf Beteiligungen: \“Unternehmen A ist eine Beteiligung der B-Gruppe, zu der auch unsere Zeitung gehört.\“ Auch gibt es einige Redaktionen, die Berichterstattung über den eigenen Konzern nicht selbst schreiben, sondern Agenturen entnehmen, da diese neutraler sind.
massenpublikum 15. Mai 2007 um 16:40
Was für ein Blödsinn, mit dem wir uns hier seit Tagen beschäftigen. Wer wird denn allen Ernstes behaupten wollten, dass das Vorgehen der Chefredaktion richtig war? Richtig wäre es gewesen, das Posting drinzubehalten. Dann wäre jetzt Ruhe, Springer wäre aus der Sache gestärkt rausgegangen. Und intern hätten sie den AP zurechtweisen können. So machen es große Konzerne, die auch im Internet groß sind. Springers Vorgehen war einfach nicht klug. Nein, es war sogar dumm.
SvenR 15. Mai 2007 um 17:03
Wie gut, dass ich kein Journalist geworden bin. Mit meinem Rückgrat wäre ich wahrscheinlich unerträglich. Mein Chef leidet nicht einmal darunter, dass ich die ihm unbequeme Wahrheiten sage. Gut, er ignoriert sie gekonnt, aber ich habe sie geäußert.
Wenn Sie mich direkt Fragen, wäre der \“Tod der Blätter\“ Bild und Welt in diesem Falle eine bedenkenswerte Alternative.
derherold 15. Mai 2007 um 18:13
Ja, natürlich – die Zeitungen/Zeitschriften/Rundfunksendern/mediennahen Blogs strotzen nur so vor Angriffen \“Untergebener\“ gegen ihre Chefs … entweder bin ich blind oder taub .
Wenn Posener eine solche Bild-Allergie hat, hätte er nicht zur *Welt* wechseln dürfen – oder was glaubt er denn, wer ihn bezahlt ?
Dieses Bild-Bashing wirkt angesichts der tatsächlich betriebenen (Medien-)Politik der letzten Jahre reichlich \“kindlich\“.
Ceteris Paribus 15. Mai 2007 um 19:38
\“Guter Journalismus packt, bewegt, führt und verführt, erklärt und klärt auf, und er amüsiert und erschließt andere Welten. Er interessiert für etwas, von dem der Leser noch gar nicht wusste, dass es ihn interessieren könnte. Guter Journalismus pflegt eine eindringliche, anschauliche Sprache, er überzeugt durch Haltung, also durch eine klare, leidenschaftlich begründete Meinung und natürlich durch investigative, selbst recherchierte Nachrichten.\“
Wer hats gesagt? Matthias Döpfner heute in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.
Also doch eigentlich alles bestens:
Poseners Blogeintrag hat immerhin einige der von Döpfner gewünschten Kriterien erfüllt. Wer hat nicht gestaunt über soviel Chuzpe? Oder sich darüber gefreut, dass mal jemand ausspricht, was so viele über die Bild-Zeitung; vor allem aber über den Chefredakteur denken?
Wie viele Beiträge in der Welt oder der Wams – von den B-Blättern wollen wir hier gar nicht reden – erfüllen diese Bedingungen?
Es überwiegt gähnende Langeweile. Durch die \“vielstufige Textbearbeitung\“ (allein dieses Bürokratendeutsch!), die Herr Keese als Königsweg zum professionellen Journalismus betrachtet, entsteht ein fader Einheitsbrei. Ich behaupte: die Qualität nimmt ab, weil alles auf Linie gebürstet wird. Ausserdem ist jede Bearbeitungsstufe eine Quelle für neue Fehler, wie man bei vielen Artikeln sehen kann.
Keeses Einlassungen schaden der Welt mehr, als alle Beiträge vorher, denn sie offenbaren genau die unerträgliche Vorgestrigkeit, die viele Redaktionsräume durchweht. Nicht nur bei Springer.
Die Arbeitsbedingungen müssen endlich geändert werden. Ein Diskurs mit dem Leser entsteht nur unter der Bedingung, dass eine Redaktion ein lebendiger, diskussionsfreudiger Organismus ist und nicht ein von Möchtegern-Gutsherren geführter Textverwaltungsapparat. Also bitte: Mehr Mut zur Meinung, mehr unbequeme Wahrheiten und vor allem: Mehr Subjektivität!
Torsten 15. Mai 2007 um 20:11
Hier wird ziemlich freihändig mit den Begriffen \“richtig\“ und \“falsch\“ umgegangen.
Sehen wir die Begriffe doch mal zielgerichtet: Der Schritt war sicher richtig, um innerhalb des Springer-Verlags die Angestellten zur Ordnung zu rufen.
SvenR 15. Mai 2007 um 20:21
Kenn Sie den Unterschied zwischen effektiv und effizient? Was da an Porzelan zerschlagen wurde steht meines Erachtens nach in keinem Verhältnis zur \“Maßregelung\“ Poesners und dem \“Ordnungsruf\“.
Ich freue mich schon auf die nächste Veröffentlichung aus dem Hause ASV zum \“Fall Poesner\“. Ich dachte ja schon nach der Veröffentlichung der Stellungnahme des ASV, dass es nimmer schlimmer ginge. Keese hat sie aber bravurös getoppt.
Ein Kollege sagte vorhin: \“Geballte neue-Medien-Inkompetenz\“.
Rainersacht 15. Mai 2007 um 21:17
Bei Springers Zuhaus ist also ein Sack Reis umgefallen, so, so…
Hendrik 16. Mai 2007 um 12:33
Thomas: \“Das [Selbstkritik im eigenen Erzeugnis, meine Einfügung] darf eine Chefetage nicht zulassen (deshalb auch gilt bei mir die Regeln, dass ich nichts Negatives über meinen Arbeitgeber schreibe – aber auch keine unnötigen Jubelarien).\“
Zum Glück sehen das ein paar Redaktionen anders, wie z.B. die BBC und seit Jahresbeginn auch ARD-Aktuell. Gut, wirst Du einwenden, die haben auch öffentlich-rechtlichen Sonderstatus und können sich das eher erlauben. Trotzdem bin ich überzeugt, dass das die Publikumsbindung erhöht.
Thomas Knüwer 16. Mai 2007 um 12:56
Du meinst das Tagesschau-Blog? Finde ich doch ziemlich lauwarm. Und wie Du schon sagst: Es ist eben etwas anderes, ob man ein öffentlich-rechtliches Unternehmen ist. Wobei das Wort Unternehmen sich dabei schon fast verbietet.