Verleger haben anscheinend immer häufiger ein Problem: ihren Titel. Denn Verleger, das klingt nach gesellschaftlicher Verantwortung, nach Honorigkeit, nach Anspruch. Vielleicht sollten sie sich einfach Chief Publishing Officer nennen, dann wüsste man, was man von ihnen zu halten hätte. Zum Beispiel von Florian und Lambert Lensing-Wolff, die mit ihrer „Münsterschen Zeitung“ gerade demonstrieren, dass für sie verlegerischer Anspruch ein Relikt der Vergangenheit ist. Trauriges gibt es in diesen Tagen zu berichten aus meiner alten Heimat Münster. Dort hat die zweitstärkste von zwei Zeitungen, die „Münstersche“ ihre Lokalredaktion gefeuert und will sie durch eine Billigvariante ersetzen (mehr dazu bei Spiegel Online).
Es ist ein Spiel, dass auch schon bei anderen kleinen, lokalen Blättern gespielt wurde. Und es ist ein Beweis, dass Verlegern längst Kreativität und Kompetenz abhanden gekommen sind, ihre Unternehmen zu führen.
Natürlich geht es auch der „MZ“ schlecht. Mutmaßlich. Genau weiß das ja niemand, denn Zeitungshäuser, die in ihren Wirtschaftsteilen gerne Transparenz von Unternehmen fordern, sehen sich in diesem Punkt selbst nicht in der Pflicht. Auch die Auflage der „MZ“ ist in den vergangenen Jahren gesunken. Und das mit Recht. Denn warum sollte jemand ein Produkt kaufen, das immer schlechter und immer teurer wird? Und warum sollte jemand in diesem Umfeld Anzeigen schalten? Verlage sind weiterhin die einzigen Unternehmen, die glauben, ihre Kunden würden begeistert bei der Stange bleiben, wenn der Preis erhöht und die Qualität gesenkt wird. Deshalb auch, ist in den Katzenjammer von Gewerkschaftsvertretern und Mitarbeitern nur bedingt einzustimmen: Dass die „MZ“ in ihrer Existenz bedroht ist, ist nicht neu. Ich persönlich hatte allerdings direkt mit der Einstellung gerechnet.
Worum es dem Verlagshaus Lensing, pardon, man nennt sich ja großkotzig „Medienhaus„, geht, demonstriert die Homepage. Keine Sorge, lieber Leser, sie haben nichts getrunken – die merkwürdig umher schwirrenden Blasen spiegeln wohl nur den Inhalt der Verlegerköpfe wieder.
Klicken wir also auf die Blase zum Thema Zeitungen. Was passiert? Ein Manifest auf das Produkt, eine Lobpreisung, vielleicht auch die grundlegenden Werte, nach denen die Redaktionen arbeiten? Nein. Es bleibt sehr, sehr karg:
„Hier gelangen Sie auf schnellstem Wege zu Ihrer Zeitung.
Auf den folgenden Seiten können Sie Anzeigen aufgeben, unseren Abo-Service nutzen oder in unseren Shops stöbern.
Die aktuellsten Nachrichten liefern wir Ihnen gleich mit ins Haus.“
Anzeigen – Abo-Verkauf – Shop. Ach ja, Nachrichten gibt es auch. Ein deutliches Symbol für die Prioritäten des Hauses. Aber schauen wir weiter auf die Homepage der „MZ“, auf die man durchgeleitet wird:
„Die im Verbreitungsgebiet des Medienhauses Lensing lebenden Menschen haben längst verinnerlicht, dass Sie sich in einer Phase des Strukturwandels befinden, der gleichermaßen durch Besinnung auf Tradition und Mut zur Innovation geprägt ist.“
Das kann man jetzt angesichts der jüngsten Ereignisse lustig finden, muss man nicht. In einem Flash-Filmchen feiert sich der Verlag aber noch als dynamisches Haus mit Sätzen wie „Der Fotograf fällt aus dem Bett.“
Der Auftritt im Internet zeigt deutlich, wo es auch bei der Mutter der „Ruhr Nachrichten“ hakt. Klar, man macht was im Internet, ganz effizient werden die Online-Auftritte der einzelnen Zeitungen in einem aus lokaljournalistischer Sicht dürftigen Portal namens Westline zusammengelegt. Das allein aber reicht nicht, um den Chancen dieses neuen Mediums zu begegnen. Also wird überall gekürzt und gekürzt, als ob der Kunde das nicht mitbekommt. Das ist keine Gesundschrumpfung sondern der Weg in die tödliche Magersucht.
Denn natürlich wird auch die Produktion mit einer Billig-Redaktion keine Lösung sein. Sie wird Schund liefern, noch unkritischer sein, aus dass kein Anzeigenkunde abspringe. Und die Leser werden noch weniger bereit sein, dies zu kaufen. Letztendlich, und das regt mich besonders auf, wird der Berufsstand der Journalisten genauso zu Schanden geritten, wie das Erbe der Verlegerfamilien. Und über gesellschaftliche Auswirkungen – ach, reden wir nicht drüber, den Verlagshäusern ist es ja auch egal, wie es im Land so zugeht.
Nachtrag: Mehr dazu auch hier und hier. Leider hat Stadtgeflüster sein Blog eingestellt.
Kommentare
ratzinger 24. Januar 2007 um 21:51
Liest sich ja alles ganz schrecklich. Leider stimmt fast alles nicht. Die neue Redaktion (ein Bekannter von mir arbietet dort als Freier Mitarbeiter) hat genauso viele Köpfe wie die alte – und die sehen auch nicht nach Billigheimern aus.
Ich meine, du beklagst, dass die Qualität der Zeitung immer schlechter wurde. Und nun hat der Verlag die Leute rausgeworfen, die dafür verantwortlich waren. Ich weiß nicht, wann du zuletzt in Münster warst und das Käseblatt gelesen hast. Karneval, Schützenverein, gähn, gähn, gähn.
Also meine Meinung ist: Es kann nur besser werden.
Ex-MZ-Leser 25. Januar 2007 um 0:40
@ Ratzinger:
Kommentare, die die Welt nicht braucht! Wer nicht in der Lage ist, Berichte zu lesen und Zusammenhänge zu verstehen, sollte sich lieber zurückhalten. Deine Freude darüber, einen freien Mitarbeiter persönlich zu kennen, verstellt Dir den Blick auf die wesentlichen Dinge:Hier versuchen Zeitungsverleger, die ansonsten für ihre Publikationen gerne sämtliche Schutzrechte incl. aller verfassungsrechtlich eingeräumten Freiheiten reklamieren, sich im Umgang mit ihren Mitarbeitern allmächtig über bestehende Gesetze und Regeln des Anstands hinwegzusetzen. Berlusconi lässt grüßen. Mich hat die MZ als Leser jetzt verloren.
Thomas Knüwer 25. Januar 2007 um 9:25
@Ratzinger: Auch wenn die Freunde nicht wie Billigheimer aussehen – sie werden dazu mutieren. Denn die \“MZ\“ will ja offensichtlich Gehälter unter Tarif zahlen.
Und: Mit der Begründung, dass die Redakteure für die Qualität verantwortlich sind, dürfen Sie sich bitte nicht über Stellenabbaub in Großkonzernen aufreigen. Denn dann werden die Verantwortlichen gefeuert. Nein, so einfach ist das eben nicht. Auf den Digital Lifestyle Days, auf denen ich Anfang der Woche war, reklamierte der Zukunftsforscher John Naisbitt einen Mangel an Führung in unserer Gesellschaft. Genau das trifft auch auf Unternehmen, gerade auf Verlage zu. Ohne eine starke, verlässliche und kreative Führung entsteht kein gutes Produkt. Ausbaden muss die daraus entstehenden Probleme aber in der Regel dann nicht der Chef – sondern seine Mitarbeiter.
Chat Atkins 25. Januar 2007 um 10:16
Ist mit \“Besinnung auf Qualität und Tarifbezahlung\“ der Anzeigen- und Auflagenschwund wirklich aufzuhalten? Ich habe da große Zweifel, auf mich bezogen müsste der Ordemann schon mindestens den Wiglaf Droste, den Frank Schulz und den Kehlmann einstellen, bevor ich hier in Bremen freiwillig wieder den Weser-Kurier lese. Denn jede Zeitung will meine Zeit, sie muss mir also etwas bieten. Anders ausgedrückt: Auch die Journalisten – Anwesende natürlich ausgenommen – sind nicht mehr danach, sie haben in ihrer Ausbildung wohl mal etwas gelernt, was dem Publikum am Mors vorbeigeht …
50hz 25. Januar 2007 um 10:37
Ich bin ja auch en alter MZ-Fan und habe deswegen sogar in Bochum lange zu den RN gehalten. Dennoch sollten wir dem was da in Münster passiert etwas offener gegenüber stehen. Natürlich wird die neue Redaktion günstiger sein als die alte. Und das Vorgehen ist schon ziemlich schmutzig. Dennoch könnte ich mir vorstellen, dass der Schritt die MZ retten könnte.
Johannes 25. Januar 2007 um 11:28
Es ist einfach nur traurig so mit seinen Mitarbeitern umzugehen – nicht nur mit Journalisten. Dass dieses Vorgehen in der Medienbranche nicht unbedingt unüblich ist zeigt das Beispiel von GIGA. Dort wurde auch zunächst ein Umzug von Düsseldorf nach Berlin inszeniert (September 2005) um möglichst viele Mitarbeiter auf einmal zu entlassen, um dann die zusammengefasste Redaktion in Berlin nach einem halben Jahr (März 2006) ebenfalls aufzulösen und die Marke Giga zu verkaufen. So – who cares? Das scheint wohl nur die logische Konsequenz der Generation Praktikum zu sein, die selbst als feste Mitarbeiter ständig auf der Abschussliste stehen, da die Führungsriege nicht mit dem Ziel arbeitet gute Medienprodukte zu erschaffen, sondern der schnöde Mammon im Sinne einer Renditemaximierung regiert. Und damit schliesst sich der Kreis, denn dieses Verhalten ist auch in der Wirtschaft weiterhin auf dem Vormarsch. Leute rauswerfen, damit die Bilanz schönen, und am Ende die Managerprämie abholen, da ja die Firma (aus Sicht des Kapitalmarktes) besser da steht. Die Erkenntnis, dass dies in der Konsequenz zu kopflastigen Unternehmen führt die keine Güter mehr produzieren können, sondern mangels MitARBEITERN nur noch managen, verwalten und schönreden können, hilft dem einfachen Lokalrerdakteur auf dem Weg aus der \“betriebsbedingten Arbeitslosigkeit\“ auch nicht weiter.
Jung-Ewig-Sucht 25. Januar 2007 um 11:42
Man kann sich über die MZ unterhalten und auf unpopuläre Entscheidungen schimpfen wie man will. Wichtig ist doch, das die Medienlandschaft allgemein etwas von Ihrem Ruf, Ihrer angeblichen Inovation und Ihrem Mut verloren hat. In allen anderen wirtschaftlichen Bereichen wird immer zuerst an den Mitarbeiter gespart. Traurig. Die MZ schießt sich vielleicht auch dadurch nochmals ins Bein. Man wird sehen was die nächsten Wochen bringen.
PageTurner.info 26. Januar 2007 um 2:47
Sehr schöner Beitrag. Das steckt viel Zitierbares drin …
dante 26. Januar 2007 um 14:44
Hätte der Titel des Artikels nich heißen müssen:
Münster und die Verleger der Ehre
Martin Winter 28. Januar 2007 um 0:38
Es gibt wohl nicht viele MZ-Leser unter euch hier. Sonst hätte vielleicht jemand schon einen anderen, auch ganz interessanten Aspekt in die Diskussion geworfen. Es mag eine billige Redaktion sein, ihre Arbeit macht sie wesentlich besser als die alte. Ich verstehe den Ärger, der Rausschmiss war ganz offenkundig eine Sauerei. Andererseits war das, was die MZ mir im vergangenen Jahr als Frühstückslektüre geboten hat, eine Frechheit. Unredigierte Texte, ganze Seiten voller Pressemitteilungen, in Teilen ganz grauenvolle Fotos. Schlechter kann man eine Zeitung kaum machen. Und irgendwann bekommt man für schlechte Arbeit eben die Rechnung. Wenn die Redaktion so unmotiviert war, wie die Zeitung es vermuten ließ, ist es ganz folgerichtig, dass sie jetzt auf der Straße steht. Seit einer Woche, das kann keiner bestreiten, ist die Zeitung besser. Es gibt jeden Tag Kommentare, eine Glosse, Interviews, die Texte sind in der Regel fehlerfrei. So unglaublich es klingt: Das gab es alles vorher nicht.
HendrikBuhrs 28. Januar 2007 um 12:35
@Martin: Genau das ist mir auch aus meiner Zeit in Münster in Erinnerung. Wenn die abonnierten WN vor meiner Haustür geklaut worden war (*wut*), kaufte ich die MZ… dolle war das nicht. Nur: sowas kann man, so denke ich, auch intern und etwas behutsamer lösen. Wenn der Chefredakteur unzufrieden mit der Qualität ist, braucht er nicht solche Maßnahmen zu ergreifen.
No.3 30. Januar 2007 um 17:40
@Martin:
Das ist nicht Ihr ernst? Die Zeitung ist von okay auf unerträglich abgesackt. Alles andere als eine Abokündigung meinerseitswäre ein Witz gewesen. Naja, ich muß es nur noch ertragen bis selbiges ausläuft…
Bastian Greshake 1. Februar 2007 um 22:04
HendrikBuhrs: Die WN ist auch nicht besser als die MZ, im Lokalteil sind beide vollkommen unter aller Sau meiner Meinung nach.
Und der Online-Auftritt unter Westline auch ein Witz…
ratzinger 2. Februar 2007 um 0:11
Also wer behauptet, die MZ sei seit der \“Wende\“ schlechter geworden, der polemsiert nur rum und hat das Blatt nicht gelesen. Oder will es nicht zur Kenntnis nehmen, dass guter Journalismus nichts mit Tariflohn zu tun hat. Die meisten Redakteure in Deutschland werden nicht im Tarif bezahlt. Na und? Wenn ein einfacher Lokalredakteur nicht mehr 75.000 Euro, sondern \“nur\“ noch 55.000 verdient, dann geht die Welt nicht unter.
konradgans 18. Februar 2007 um 23:37
@ratzinger Guter Journalismus hat nichts mit Tariflohn zu tun, okay, aber mit angemessener Bezahlung schon. Die Aktion bei der MZ war zynisch und menschenverachtend. Ich kenne weder die alte, noch die neue MZ, aber die website der MZ ist derart abscheulich, dass ich die neue MZ gar nicht mehr lesen will. Die Ankündigungen der Redakteure, wie sie über was berichten wollen, ist nur peinlich. Wenn Hintergrundberichterstattung im Sport so aussieht, dass über den Mann, der \“seit 50 Jahren in der Kreisliga den Rasen mäht, geschrieben wird – dann gute Nacht. Alleine dieser \“Artikel\“ ist schon so grauenhaft schlecht geschrieben, dass man auf die angedrohten Stories getrost verzichten kann. Übrigens hat der Mann ganz schön viel zu tun, wenn er in der ganzen Kreisliga den Rasen mäht… Noch was Ratzinger, wahrscheinlich wird bei Dir auch nicht die Welt untergehen, wenn man Dein Gehalt oder Dein Einkommen derart kürzt?
Pluralistische Ignoranz – ein unterschätzter Begriff der digitalen Mediengesellschaft 4. August 2014 um 16:29
[…] Lensing-Wolff entsorgte einst in einer skrupellosen Nacht-und-Nebel-Aktion die gesamte Lokalredaktion und tauschte sie durch günstigere, jüngere und weitestgehend tariffreie…. Bitter übrigens: Danach wurde das Blatt aus meiner Sicht inhaltlich besser. Die […]
Florian Wurster 5. November 2014 um 19:33
Die Links unten funktionieren nicht 🙁
Thomas Knüwer 6. November 2014 um 10:12
Danke für den Hinweis. Der Artikel ist ja sieben Jahr alt, inzwischen hat Stadtgeflüster sein Blog anscheinend eingestellt.