Anwälte und Journalisten haben eines gemeinsam: Sie haben eine wichtige Funktion im Rahmen einer demokratischen Gesellschaft. Ach, sie haben zwei Dinge gemeinsam: Gerne vergessen sie diese Funktion. Eigentlich habe ich Urlaub. Aber eine nach der Saftblog-Geschichte und den von Intelligenz nicht gerade gesegneten Anwaltsauftraggebern des DOSB, reizt mich eine generelle Debatte.
Es wird Zeit, sich mit der Berufsethik von Anwälten zu beschäftigen. Schließlich gibt es Vertreter des Berufsstandes wie Herrn Steinhöfel. Oder die Rechtsdienstleister des Popbeauftragten Sigmar Gabriel. Oder die der Daimler-Chrysler-Bank.
Rechtsanwälte, ist zumindest mein Verständnis, sollten ihre Klienten beraten, eben so, wie das Steuerberater tun. Sie sollten ihnen sagen, was geht, was nicht geht, wo sie Fehler machen, sie sollten die Guides mit Machete im Rechtedschungel sein.
Nun ist das mit Guides in dschungeligen Touristenregionen ja oft so, dass man ihnen nicht so recht vertrauen kann. Sie führen einen zu irgendwelchen Touristenschundläden oder grauenhaften Restaurants, mit denen sie ein Abkommen haben und am Umsatz beteiligt werden.
So ähnlich ist das inzwischen mit Anwälten. Es ist offensichtlich, dass eine Prüfung der Rechtslage ihnen nicht mehr am Herzen liegt. Es geht allein darum eine Abmahnung rauszuhauen, um die eigene Gewinn- und Verlustrechnung zu polieren. Dabei erweisen sie sich, siehe DOSB-Beispiel, entweder als extrem trickreich (man kann ja mal versuchen so dümmlich zu argumentieren wie dies die Kanzlei tut, die der Deutsche Olympische Sportbund beauftragt hat – doch diese Argumentation kann wohl nur ernst nehmen, wer unter dem Einfluss schwerer Drogen steht) – oder sehr, sehr, sehr (bitte kopieren Sie das Wort sehr hier selbst 382 mal in den Artikel) inkompetent.
Welche demokratische Verantwortung die Branche der Juristen fühlt, demonstriert auch die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, wie Herr Dahlmann berichtet. Die sträubt sich nämlich gegen den Vorschlag der Justizministerin, die Abmahngebühren auf ein realistisches Maß zu senken.
Es ist an der Zeit, Anwälte wie sie der DOSB, die Daimler-Chrysler-Bank oder der Media Markt beschäftigt und beauftragt als das zu titulieren, was sie nach meiner Meinung im Rahmen unserer derzeitigen Gesellschaftsverfassung sind: eine parasitäre Schande ihres Berufsstands.
Wie steht es eigentlich um die Berufsethik von Rechtsanwälten. Gibt es eine? Mal ehrlich? Leider kenne ich mich in diesem Bereich wenig aus und meine Anwaltsfreunde sind derzeit nicht erreichbar – deshalb presche ich einfach mal vor und bitte um Gedankenmachung.
Kommentare
EsEmKa 16. Dezember 2006 um 20:01
Genau das ist der Grund, warum ich nur einen Menschen im Freundeskreis habe, der Jura studiert hat – der ist nämlich was anderes geworden als Anwalt. (Und im Bekanntenkreis ist ebenfalls niemand). Passt.
Robert 16. Dezember 2006 um 20:18
kann man denn die bildzeitung nicht mal gegen diese art anwälte aufstacheln?
RA J. Melchior 16. Dezember 2006 um 20:20
Naja, der gute Thomas Knüwer hat immerhin Anwaltsfreunde, also Freunde (Plural !), die Anwälte geworden sind, das lässt doch noch hoffen!
Ansonsten – Berufsethik gibt es sicherlich, nur keine allgemeinverbindliche Definition derselben. Meistens kommt man aber auch mit dem ganz normalen Anstandsgefühl ganz gut aus, allerdings kann das auch durch Geld korrumpierbar sein – mir fällt da gerade eine Parallele zu den Gehältern vor Wirtschaftsbossen auf. Diese übersteigen das Salär eines durchschnittlichen Anwalts allerdings um das -zigfache.
amazeman 16. Dezember 2006 um 20:39
Der Vergleich mit den Dschungelguides ist gut und aktuelle sehr richtig! Nur was soll werden wenn die ganzen Anwaltsanwärter an den Unis fertig werden. Irgendwas werden die auch tun, später nicht mehr um sich zu berreichern, da geht\’s dann schon ans überleben.
Box 16. Dezember 2006 um 23:15
Danke, daß es endlich mal jemand so direkt ausspricht. Finanzielle Rücklagen? Arbeitgeber springt ein?
Alphager 17. Dezember 2006 um 0:11
Das Problem ist, dass Anwälte zu einer der wenigen Berugsgruppen gehören, die nicht interdisziplinär arbeiten müssen. Hätte einer der beteiligten Anwälte nur einen Hauch von public relation Schulung gehabt, wäre das nicht passiert.
marcc 17. Dezember 2006 um 1:00
Was mich halt wundert, ist wie Anwälte vollkommen an der Sache und Wirklich vorbei in Briefen vom Leder ziehen und dabei normale Bürger mit bewusstt eineitigen Darstellungen unter Druck setzen dürfen. Was pasiert denn wenn der DOSB jetzt die Sache abbläst? Vermutlich nichts. Was nicht richtig sein kann.
Vor Gericht hätten diese Anschuldigungen zwar keinen Bestand, aber sie bleiben auch sonst folgenlos. Der Richter wird jemanden wegen unsachlicher Argumente ja kein Verfahren abblasen.
Anwälte sind Organe der Rechtspflege und daher meiner Meinung verpfichtet ein ordentliches Verfahren zu ermöglichen und entsprechend sachlich zu bleiben.
Pepino 17. Dezember 2006 um 11:23
\“Berufsethik von Rechtsanwälten\“? … wie lässt sich denn eine per Gesetz verordnete lächerliche Honorar-Abrechnungs-Methode mit Berufsethik vereinbaren? – Wie man bei Anwälten sieht: gar nicht!
blindfish 17. Dezember 2006 um 12:07
Ist es nicht ein bisschen einfach, alles mal wieder auf die ruchlosen Anwälte zu schieben? Was wäre denn passiert, wenn die DOSB-Anwälte gesagt hätten: \“Machen wir nicht.\“? Oder wenn sie eine rechtliche ausgewogenen Beurteilung geschrieben hätten, die die Gegenpartei mit Sicherheit kalt gelassen hätte? Schwupps, Mandant weg, Umsatz weg, Reputation weg. Das Denken ist nun mal heute so bei den Mandanten. \“Der Anwalt arbeitet für mich und hat gefälligst das zu tun, was ich von ihm will.\“ Kann ja jeder mal bei sich selbst überprüfen, was er von seinem Anwalt erwartet. Wie willst du da jemand was von demokratischer Verantwortung erzählen?
Man kann doch den wirtschaftlichen Druck nicht einfach ausblenden. Die Zeiten, wo jeder Anwalt sein Gebiet hatte, von dem er gut leben konnte, sind vorbei. Im Unterschied zu Politikern befinden sich Anwälte nämlich in einem knallharten Wettbewerb. Und zwar auch auf dem Niveau, auf dem die grossen Kanzleien arbeiten.
Organ der Rechtspflege ist ja gut und schön, aber es geht meilenweit an der Realität vorbei. Man kann da supergscheit drüber schwätzen, aber am Ende des Tages muss man sich halt auch dem Markt stellen. Schwarz-Weiss-Denken funktioniert da nicht. Und in der Grauzone zieht jeder seine eigenen Grenzen, wie weit er zu gehen bereit ist.
Deshalb würde ich doch um zwei Dinge bitten. Ersten nicht alle Anwälte über einen Kamm zu scheren. Es gibt auch ne Menge, die ihre Ideale behalten haben. Und zweitens von einem Anwalt nicht mehr zu verlangen, als er leisten kann. Ich denke jeder hier stand schon mal in dem Konflikt zwischen finanziellen Interessen und seinem ethischen Anspruch. Und sei es bei der teuren Biowurst. Und dann die Anwälte an der Gesetzesformulierung von vorgestern zu messen, ist nicht angemessen.
marcc 17. Dezember 2006 um 12:42
@blindfish: Anwälte sind standesrechtlich organisiert, wer Anwalt werden will muss in die lokale Kammer. D.h. Anwälte könnten selber, wenn sie es wollen – meiner Meinung nach – ihren Mitgliedern auf die Finger klopfen, wenn sie sich unethisch verhalten.
Ok, man muss es ihnen auch sagen, nicht jeder geht durch die Presse wie Herr Steinhöfel. Aber ich glaube nicht, dass da ernsthaft etwas passieren würde. Ich glaube, dass eine Krähe der anderen erst das Auge aushackt, wenn es nicht mehr anders geht.
Und so halte ich unsägliche Briefe (die ohne RA im Briefkopf als Erpressung durchgehen würden) weiterhin für möglich.
Ich würde gerne nicht alle Anwälte über einen Kamm scheren, aber dazu braucht man auch Informationen über deren Geschäftspraktiken.
RA Dominik Boecker 17. Dezember 2006 um 13:16
\“Wie steht es eigentlich um die Berufsethik von Rechtsanwälten. Gibt es eine? Mal ehrlich?\“
Selbstredend gibt\’s die, aber Jeder (nicht nur jeder Anwalt) hat seine eigene und die muß nicht mit der Ethik eines anderen Übereinstimmen.
Deine ethischen Überzeugungen und die eines Journalistenkollegen von Dir müssen (und werden höchstwahrscheinlich) ja auch nicht deckungsgleich sein.
RA Dominik Boecker 17. Dezember 2006 um 13:37
\“D.h. Anwälte könnten selber, wenn sie es wollen – meiner Meinung nach – ihren Mitgliedern auf die Finger klopfen, wenn sie sich unethisch verhalten.\“
Nein, denn die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Kammern sind, weil es sich dabei um einen Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit des Anwaltes handelt, gesetzlich normiert.
§ 74 BRAO: \“(1) Der Vorstand [Anm: Vorstand der Anwaltskammer] kann das Verhalten eines Rechtsanwalts, durch das dieser ihm obliegende Pflichten verletzt hat, rügen, wenn die Schuld des Rechtsanwalts gering ist und ein Antrag auf Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens nicht erforderlich erscheint.\“
§ 113 BRAO: \“(1) Gegen einen Rechtsanwalt, der schuldhaft gegen Pflichten verstößt, die in diesem Gesetz oder in der Berufsordnung bestimmt sind, wird eine anwaltsgerichtliche Maßnahme verhängt.\“
Es gibt für Anwälte keine gesetzliche Verpflichtung, sich \“Ethisch\“ zu verhalten. Und da es diese Verpflichtung nicht gibt, kann gegen einen unethischen Anwalt kein (jedenfalls kein rechtmäßiges) Kammerverfahren eingeleitet werden.
E. Bülowius 18. Dezember 2006 um 2:11
Weil das nicht vergessen werden darf (!):
Als unabhängiger Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten hat der Rechtsanwalt seine Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend, konfliktvermeidend und streitschlichtend zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern. (§ 2 III Berufsordnung der Rechtsanwälte).
Der Anwalt ist der Vertreter seines Mandanten. Punktum.
NeueJuristischeWochenzeitschrift, NJW Beilage zu Heft 5/2006:
\“Die Ehtik des Rechtsanwaltes im Beruf – …\“
Schade, daß diese Aufsätze nicht online zur Verfügung stehen.
Robert 18. Dezember 2006 um 8:41
@RA Hänsch zu 4.):
für mich persönlich ist die bild hochgradig unethisch, abmahnangriffe auf harmlose blogs sind es aber auch!
deshalb wünsche ich mir ja, dass SOLCHE anwälte das auch mal zu spüren bekommen.
ich schere gar nicht alle über einen kamm, aber ein anwalt sollte m.e. in der lage sein, seinen mandanten auch dahingehend zu beraten, dass ein anliegen totaler quatsch ist!
selbst wenn es nur ein:\“ja, man kann das machen, aber damit kommen sie nicht durch…\“ ist.
RA Hänsch 18. Dezember 2006 um 8:58
@Robert
Wissen Sie denn, ob die Anwälte ihren Mandanten abgeraten haben ? Wenn sie nun gesagt haben: es ist totaler Quatsch, damit kommen sie vor einem Gericht nicht durch. und der Mandant sagt: ich will es trotzdem ?! Sollte sich der Anwalt dann verweigern?
Richtig ist es schon, dass der Abmahnwahn seltsame Blüten treibt. Doch spätestens seit FTPExplorer sollte sich herumgesprochen haben, dass man sich solchen Abmahnungen nicht beugen muss, sondern sich durchaus erfolgreich wehren kann.
Robert 18. Dezember 2006 um 9:08
@RA Hänsch:
ich weiß nicht, ob die anwälte davon abgeraten haben.
ich weiß aber, dass man einen anwalt nicht dazu zwingen kann, eine sache zu vertreten!
wenn sich ein anwalt aus ethischen grundsätzen nicht der lage fühlt einen kindeschänder vor gericht zu vertreten, dann kann er das doch auch ablehnen, oder?
dieses \“erfolgreich wehren\“ kostet aber geld und nerven (man weiß nicht, was schlimmer ist!)
ich kann mich an meinen rechtsstreit mit der telekom erinnern…ja, ich war im recht, hatte aber trotzdem 6 monate lang kein telefon und internet!!!
tknuewer 18. Dezember 2006 um 9:30
Sollten Anwälte inzwischen im Auge ihrer Kunden auf das Ansehen von PR-Tanjaanjas abgerutscht sein? Die dürfen auch nur ausführen, was der Kunde verlangt – allerdings für deutlich weniger Geld.
flynn 18. Dezember 2006 um 9:47
@RA Hänsch
zu 1) Warum der Exkurs in die Hobby-Philosophie? Wo ist der Knallzeuge im DOSB Fall?
zu 2) Das heisst Sie geben Ihr Gewissen beim Mandanten ab? Relativiert ihr Mandantenverhältnis die Verhältnismässigkeit jedweder Klage? Würden Sie, wenn ich Sie damit beauftrage, mir helfen Oma Schmitz in die Armut abzumahnen?
zu 3) Das ist in vielen (Akademiker-) Berufsständen so. Warum fallen nur die Anwälte durch meiner Meinung nach Demokratie-gefährdendes, parasitär-wirkendes Agieren auf? Der letzte arbeitslose Ägyptologe den ich getroffen habe, hat mir Pommes verkauft statt meine freie Rede mit Füssen zu treten.
zu 5) Wenn ich meine persönlichen Gedanken zu einer Sportveranstaltung nicht mehr im Internet mitteilen kann ohne meinen Anwalt auf Speed-Dial zu haben, dann sind wir an einem Punkt angelangt den ich persönlich für bedenklich halte. Sinn von Demokratie und Verfassung kann es doch nicht sein, Anwälte durchzufüttern. Was kommt als nächstes? Arbeitslose Anwälte die Gespräche in der U-Bahn mithören und bei Aussteigen Abmahnungen auf Formblättern überreichen?
Simon 18. Dezember 2006 um 10:42
Ich habe mir in den letzten Tagen mal ein paar Gedanken zu dem Thema gemacht. Ich denke, einige der Anwälte, die zu dem Thema oben kommentiert haben, machen sich die Sache etwas einfach. Es gibt meines Erachtens schon so etwas wie allgemein verbindliche moralische Grundsätze der anwaltlichen Berufsausübung – z.B. seine Aufgaben zu allererst im Interesse des Mandanten wahrzunehmen, keine geltenden Gesetze zu übertreten oder, so weit das die Interessen des Mandanten zulassen, auf einen gerechten Interessenausgleich hinzuwirken.
Natürlich ist der Anwaltsberuf einer, in dem in vielen Bereichen eine eigene Berufsmoral schädlich ist – der Anwalt ist zu allererst Vertreter des Mandanten, und er folgt insofern dessen Weisungen. Es ist nicht Aufgabe des Anwalts, sich zur moralischen Instanz über seine Auftraggeber aufzuschwingen – ganz im Gegenteil, ein Anwalt, der das tut, macht seinen Job nicht gut. Unabhängige Urteile trifft in einem deutschen Rechtsstaat nämlich der Richter, nicht der Anwalt.
Dazu kommt, dass in vielen rechtlichen Konflikten, denen Bürger ausgesetzt sind, unmoralische Anwälte (und auch Richter) mit unmoralischen Gesetzen verwechselt werden. Die Abmahnung ist so ein Fall – hier ist m.E. nicht (nur) das Vorgehen der abmahnenden Anwälte zu korrigieren, sondern auch die Rechtsinstitution an sich. Ein Anwalt, der eine Abmahnung schreibt, kommt in ein unauflösbares Interessendilemma: Einerseits hat er einen Auftraggeber, dessen Rechte (manchmal auch nur: Wünsche) er gegenüber einem Rechtsverletzer durchsetzen soll, andererseits ist er, der aus \“Geschäftsführung ohne Auftrag\“ handelt, auch den Interessen des Abgemahnten verpflichtet – denn der bezahlt ihn, und ihn soll er in seinem Schreiben belehren. Natürlich würde ein Anwalt, der das tun würde, die Vorgaben des ursprünglichen Mandanten konterkarieren. Auf diese Weise kommen solche Anwaltsschreiben zu Stande, in denen Anwälte die Abgemahnten/Auftraggeber völlig falsch beraten, oft grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich falsche rechtliche Würdigungen ziehen.
Dazu kommt, dass anwaltliche Berufsausübung, die moralisch ist, nicht immer an wirtschaftlichen Erfolg geknüpft ist, ganz im Gegenteil. Ein Anwalt soll zu allererst die Interessen des Mandanten vertreten, und die liegen – auch wenn der Mandant das oft nicht glauben will – fast immer in einer gütlichen Einigung. Anwälte und Gerichte sind teuer, und selten steht der Wert, um den gestritten wird, in einem wirklichen Verhältnis zu den dabei entstehenden Kosten. In vielen Fällen, vor allem dann, wenn der Streit in einem gerichtlichen Vergleich endet (ein Ergebnis, dass die Parteien fast immer hätten billiger haben können), sind die einzigen \“Gewinner\“ in der Sache die Anwälte.
Das führt dazu, dass ein Anwalt, der wirtschaftlich erfolgreich sein möchte, zumindest kurzfristig gedacht, immer möglichst eskalativ vorgehen sollte: Je mehr gestritten wird, desto mehr wird der Anwalt gebraucht, und je mehr der Anwalt gebraucht wird, desto mehr Geld verdient er.
Ein Anwalt, der von einem Streit abrät, ist so gut, wie ein Kleidungsverkäufer, der einem sagt, dass einem die anprobierte Jacke nicht steht – gut für den Käufer, schlecht für´s Geschäft.
Zuletzt gilt natürlich für Anwälte, was für alle gilt: Moral muss man sich leisten können. Die witschaftliche Lage ist für viele Anwälte, insbesondere für die \“Anwälte wider Willen\“ und jungen Anwälte, nicht sehr rosig. Ich denke, es ist nicht so schlecht, wie es im Moment dargestellt wird, und ich denke auch, dass wirtschaftlich schlecht gestellte Anwälte nicht immer mit unmoralisch handelnden Anwälten gleichzusetzen sind (es gibt da, gerade was Abmahnungen im Internet angeht, einige ganz gute Beispiele). Aber trotzdem wird man von Menschen, die bereits mit dem Rücken zur Wand stehen, nur schwer erwarten können, noch weiter zurückzuweichen. Für einige ist unmoralisches Handeln die letzte Lösung.
Trotzdem meine ich, dass ein insgesamt schärferes Vorgehen gegen unmoralisch vorgehende Anwälte angebracht ist – nicht durch Gerichte, sondern durch Kollegen und Mandanten. Transparenz ist hier das Zauberwort: Nur wer seinen Anwalt versteht, kann ihn auch kontrollieren. Insofern würde es vielleicht Sinn machen, eine unabhängige Kontrollinstanz einzuführen. Vereine wie \“Abmahnwelle e.V\“ sind dabei sicher ein Schritt in die richtige Richtung.
marcc 18. Dezember 2006 um 11:50
@RA Dominik Boecker:
\“Es gibt für Anwälte keine gesetzliche Verpflichtung, sich \“Ethisch\“ zu verhalten.\“
Vermutlich steht das für keine Berufsgruppe in irgendeinem Gesetz. Aber der Verweis auf das nichtexistierende Gesetz, zeigt mir, dass die zunehmende verrechtlichte Sicht und Behandlung der Welt uns irgendwann (wenn nicht jetzt schon) Probleme bereiten wird. Wenn es für alles erst ein gesetz gegen muss, dann gute Nacht.
Und ich dachte Anwälte als \“Organe der Rechtspflege\“ wären in einer besondern Pflicht. Der oben zitierte § 2 III Berufsordnung der Rechtsanwälte legt mir das jedenfalls nahe. Denn \“konfliktvermeidend und streitschlichtend\“ für seinen Mandaten tätig zu werden bezieht die Gegenseite doch irgendwie mit ein. Ohn die gäbe es das ja alles nicht. Und da muss ich leider aus eigener Erfahrung sagen, dass manche Anwaltpost nicht konfliktvermeidend war, sondern provokativ. Vermutlich in der stillen Hoffnung den Streit so vor Gericht bringen zu können. Oder aus der Lust mal auf die Kacke zu hauen? Weil es keine Folgen hat? (Was aber meiner Meinung nach dann aber eben nichts mehr mit \“Organ der Rechtspflege\“ zu tun hat.)
@RA Hänsch:
\“Sollte sich der Anwalt dann verweigern?\“
Ganz einfach: Ja. (Aber so einfach ist die Welt meistens nicht – weiß ich auch.)
Sven 18. Dezember 2006 um 11:57
*marcc beipflichtend* das absolute Unwort der letzten Jahre ist für mich \“legitim\“ – denn mit diesem Wort erlaubt sich inzwischen jede(r) alles, was nicht explizit laut Gesetzbuch \“verboten\“ ist. Dass \“legitim\“ aber mal mehr heißen kann als \“nicht justiziabel\“ ist kaum mehr in irgendeinem Bewusstsein…
blindfish 18. Dezember 2006 um 18:22
Zwei Sachen würde ich gern noch anmerken. Erstens ist der Verweis auf das Gesetz bei Anwälten Berufskrankheit, das hat nichts mit der allgemeinen Verrechtlichung zu tun. Ich denke, was RA Boecker damit meinte, ist dass jeder Anwalt selbst seine Grenzen festlegen muss. Der eine verteidigt Kinderschänder, weil sie genau wie andere bestimmte prozessuale Rechte haben, der andere aus naheliegenden Gründen halt nicht. Es ist nur nicht sinnvoll, jemanden auf eine überholte Gesetzesformulierung festnageln zu wollen. Und das Problem mit der beruflichen Ethik gibt es ja wohl nicht nur bei Anwälten, sondern genauso bei Managern, Ärzten, Journalisten, ….
Zweitens wird hier gern von der Vertretung der Interessen des Mandanten gesprochen. Interesse des DOSB war es aber eben gerade nicht, eine nette rechtliche Beurteilung zu bekommen, sondern die Verwendung der Symbole im Blog sofort zu stoppen und möglichst noch alle anderen davon abzuhalten, die Ringe jemals zu verwenden. Zumindest das zweite Interesse des Mandanten war aber eben gerade nicht zu erreichen durch eine netten Hinweis oder ein klärendes Gespräch, sondern man musste möglichst grosses TamTam machen, damit auch ja alle potenziellen Blogger aufgeschreckt werden. Insofern hat der RA genau das gemacht, was der Mandant von ihm wollte.
Trotzdem stellt sich doch keiner hier hin und schreibt über die Unmoral eines gemeinnützigen(!) Sportbundes und die Perversion der olympischen Idee, sondern man schiesst gleich gegen die Anwälte los. So frei nach dem Motto, der Bote wird als erstes gehängt. Natürlich wird sich nicht jeder Anwalt so instrumentaliseren lassen. Aber viele hätten es genauso gemacht und meiner Meinung nach durchaus aus vertretbaren Motiven.
marcc 18. Dezember 2006 um 22:22
Naja, die praktizieren meiner Meinung nach ein \“man kann es ja versuchen\“-System mit wackliger rechtlicher Basis. Wenn ich mit dem \“man kann es ja versuchen\“-System ein Inkassso-Büro auf Hausbesuche schicken würde, hätte ich ganz schnell Ärger.
Lex4You 19. Dezember 2006 um 11:30
Im Mittelalter warf man Anwälte in England gerne mit deren Klienten in den Kerker oder nahm ihnen das Geld ab, das der Klient nicht bezahlen konnte.
In dem Dezembergästebuch der Stadt Berlin findet sich folgender Eintrag:
\“Da kommt so einer wie der Präsident der Drogenszene in Berlin frei nur weil der den Promianwalt Ferdinand von Schirach hat. Berlin tut nichts dagegen. Das kann doch nicht sein. Warum ist diese Stadt nicht in der Lage ihren grösten Verbrecher in Haft zu halten und ihm den Prozes zu machen. Der Mann lebt von Sozialhilfe mit 10 Kinder stand in der BZ. Das ich nicht lache!!! So ein Promianwalt kostet doch am Tag mehr als Sozialhilfe im Monat. Ich habe einen Vorschlag: Man muss einfach mal so einem wie von Schirach verbieten den zu verteidigen. Der soll sich einen Anwalt aus Neukölln nehmen dann wir er schon sehen.\“
Ich frage mich auch angesichts dieser Diskussion: Auf wen wollen wir eigentlich einhacken? Auf die Anwälte oder die Auftraggeber? Und wohin wollen wir zurück?
Es gibt schwarze Schafe unter den Anwälte. Aber bitte, das sind immer noch sehr wenige. Die meisten tuen ihren täglichen Dienst für sehr kleines Geld. Man schätzt in Berlin dass ungefähr 1.000 Anwälte nebenbei sich noch als Taxifahrer verdingen müssen. Im Vergleich zu anderen Ländern ist das ein Witz.
Also bitte: etwas weniger Prügel.
RA Dominik Boecker 19. Dezember 2006 um 12:16
Es gibt, um das vorab klar zu stellen, sicherlich Mißbrauch bei und mit Abmahnungen. Auch wenn ich in Blogs immer wieder mal als jemand erscheine, der Abmahnungen verteidigt, bin ich dafür, Mißbrauch in diesem Bereich einen wirksamen Riegel vorzuschieben.
Aber zwischendrin tauchen in der geführten Diskussion leider Unklarheiten, bzw Mißverständnisse auf:
\’Ein Anwalt, der eine Abmahnung schreibt, kommt in ein unauflösbares Interessendilemma: Einerseits hat er einen Auftraggeber, dessen Rechte […] er gegenüber einem Rechtsverletzer durchsetzen soll, andererseits ist er, der aus \“Geschäftsführung ohne Auftrag\“ handelt, auch den Interessen des Abgemahnten verpflichtet – denn der bezahlt ihn, und ihn soll er in seinem Schreiben belehren.\‘
Nein, der Mandant ist der Schuldner der Anwaltsvergütung. Warum sollte der Anwalt das Insolvenzrisiko des Abgemahnten übernehmen sollen oder wollen?
Der Zahlungsanspruch gegen den Abgemahnten ist ein Erstattungsanspruch aus GoA/Schadensersatzanspruch des Mandanten, den der Anwalt für seinen Mandanten gegen den Verletzer geltend macht.
Wenn man Deine Schilderung der Konstellation zugrundelegt, würde ein Anwalt, der für seinen Mandanten abmahnt, stets gegen § 43 a Abs. 4 BRAO verstoßen, weil er beiden Parteien verpflichtet wäre. Ein Anwalt darf aber nicht widerstreitende Interessen vertreten. \“(4) Der Rechtsanwalt darf keine widerstreitenden Interessen vertreten.\“.
\“Ich denke, was RA Boecker damit meinte, ist dass jeder Anwalt selbst seine Grenzen festlegen muss.\“
Ja.
Etwas, das von allgemeinem Interesse sein könnte ist die Bundestagsdrucksache 9/1707 und dort § 13 VI des Entwurfs, der dann dem frühzeitigen Ende der 9. Legislaturperiode zum Opfer fiel.
Marcel 19. Dezember 2006 um 13:59
es gibt nicht umsonst den begriff des advocatus diaboli/ devil\’s advocate. imo ist der anwalt, sobald er die mandantschaft akzeptiert hat, seinem mandanten verpflichtet. da bleibt nicht viel spielraum für ethische überlegungen seitens des anwalts. deshalb kann man anwälten generell nicht sehr viel in der sache anlasten. anders sähe es natuerlich aus, wenn der anwalt mehr oder weniger auf eigene faust handelt
Simon 19. Dezember 2006 um 17:44
Hallo Herr Boecker,
ich will ja eigentlich nur ungern in juristischen Begriffen argumentieren, weil ich das für wenig hilfreich halte, aber trotzdem ;-):
Der Zahlungsanspruch gegen den Abgemahnten ist ein Erstattungsanspruch aus GoA/Schadensersatzanspruch des Mandanten, den der Anwalt für seinen Mandanten gegen den Verletzer geltend macht.
Okay, das war missverständlich, das stimmt. Korrekt wäre: Der (ursprüngliche) Mandant beauftragt den Anwalt, ein Geschäft des Rechtsverletzers zu übernehmen. Wer ein Geschäft ohne Auftrag führt, ist dabei aber den Interessen des Auftraggebers verpflichtet (677 BGB).
Deswegen sind Abmahnschreiben ja auch keine kurzen Erörterungen á la \“Sie haben ein Recht der Person XY verletzt\“, sondern meist recht umfangreiche Ausführungen zur Sach- und Rechtslage. Zumindest theoretisch.
Simon 19. Dezember 2006 um 17:46
(Irgendwie frisst das System hier Formatierungen, die allerdings in der Artikelvorschau unten allerdings noch angezeigt werden. Deshalb zur Klarstellung: Der dritte Absatz ab \“Der Zahlungsanspruch\“ ist ein Zitat von RA Boecker)