Eigentlich hätten Wirtschafts- und Techjournalisten gestern einen hyperstressigen Tag haben müssen. Eigentlich hätten sie hypernervös werden müssen, jenen Jagdtrieb entwickeln, der sich einstellt, wenn man weiß, dass etwas groß ist oder wird, es ist diese berufsbedingte Jagdsucht nach Informationen, die sonst niemand hat.
All das ist nicht passiert und das macht mich, weil es anscheinend flächendeckend passierte sprach- und ratlos.
Gestern morgen nämlich verkündete die Deutsche Telekom – eines der größten deutschen Unternehmen, eine wichtige Staatsbeteiligung, ein Schlüsselstein für die Digitalisierung Deutschlands (so sie die Politik irgendwann mal angehen will), ein wichtiges Unternehmen für Privatanleger – eine Kooperation, die nicht nur erklärt werden muss, sondern die auch ganze Magazin-Titelstrecken füllen könnte, weshalb CEO Timotheus Höttges sie in Köln auf der Hauskonferenz DigitalX (von der das Titelbild stammt) gebührend feierte.
Ohne auf die Details einzugehen: Das Finanzvehikel Softbank paart sich mit der Telekom in einem etwas komplexen Deal und wird damit zweitgrößter Aktionär des Bonner Konzerns.
Das allein wäre schon interessant. Doch spannend wird die Sache eben durch Softbank. Gründer Masayoshi Son wollte schon immer seinen Konzern zum größten Unternehmen der Welt machen, so will es die Legende. Schon in der New Economy war Softbank eine hoch interessante Nummer. Mehrfach schrieben wir auch in der „Handelsblatt“-E-Business-Beilage Netzwert über Softbank, zum Beispiel 2001, als Son schon damals kurz vor dem Aus stand.
Seitdem reicht wahrscheinlich schon ein Buch nicht mehr, um das Auf und Ab dieses wilden Konstruktes zu schildern. Zum Beispiel gehörte Softbank zu den Investoren von Auto1, dem erfolgreich an die Börse gegangenen Autohändler. Gleichzeitig stand das Unternehmen kurz vor dem Absturz, denn Son hatte heftig in Uber investiert und vor allem in WeWork. Wenn zwischenzeitlich WeWork flächenmäßig größter Einzelmieter in Manhattan und London war, wenn man keine Rooftop-Bar einer Großstadt mehr betreten konnte ohne irgendwo einen leuchtenden WeWork-Schriftzug zu sehen – so lag das eben an der Herangehensweise von Son und Softbank.
Denn Son denkt immer in Größe am Rande des Größenwahns. Obwohl, Rande, hm, vielleicht ist das mehr als Rand. Wer die Entwicklung bis Mitt 2019 nachlesen möchte, dem lege ich diese Titelgeschichte aus der britischen „Wired“ ans Herz.
Was für ein Unternehmen, was für ein irrer und auch fragwürdiger Partner für die Deutsche Telekom.
Doch wie reagierten die deutschen Medien? Mit einem Achselzucken.
Softbank wird hingestellt, wie ein drüscher Finanzladen, der halt Geld mitbringt. Das Medium, das zuvorderst über all das berichten müsste, mein alter Arbeitgeber „Handelsblatt“ schreibt eine 08/15-Story, in der die Autoren Softbank-COO Marcelo Claure zum „Chef“ von Softbank machen, was daraufhin deutet, dass sie Son nicht mal auf dem Radar haben (was mit nicht zu verzeihen wäre, wenn man über regelmäßig über die Telekom-Branche schreibt, über die Jahre war Softbank bei mehreren Konzernen der Branche beteiligt). Lag das vielleicht daran, dass Claure auf jener DigitalX auf die Bühne kam und man glaubte, wenn die Telekom lädt, dann kommt bestimmt der Chef? Was ein weiteres Indiz dafür wäre, welche Bedeutungsverhältnisse hier im Kopf sitzen.
Das „Handelsblatt“ greife ich heraus, weil es natürlich als führendes Wirtschaftsmedium zuvorderst seine Maschinerie anschmeißen sollte, um Privatanlegern, der Branche und der Politik eine Einordnung zu bieten. Aber ich konnte kein einziges Medium entdecken, dass signifikant anders gearbeitet hat, meine Twitter-Follower konnten mir bislang auch nicht helfen.
Ganz oft, wenn ich mit Journalisten und Medienmanagern über die Defizite der Medienwelt diskutiere, betonen diese die Wichtigkeit ihrer Arbeit. Und ich stimme dem ja zu: Journalismus ist wichtig für unsere Gesellschaft.
Doch wenn ein Teil dieses Handwerks an einem so wichtigen Tag derart drastische Lustlosigkeit an den Tag legt, wäre es nicht an der Zeit endlich mal ernsthaft darüber zu diskutieren, wie verzichtbar der Journalismus geworden ist – und wie wir das endlich ändern können?
Nachtrag vom 15.9.: Es kamen etliche Fragen, warum das denn nun so wichtig sei mit Softbank. Deshalb: Softbank ist kein normaler, strategischer Partner. Das Unternehmen wirft mit Geld um sich, „Think Big“ ist eine unzureichende Beschreibung des Denkens dort.
Deshalb schon geriet Softbank mehrfach in Schieflage und musste sich fast schon Fire-Sale-artig von Beteiligungen trennen. Was passiert wohl mit den Telekom-Anteilen, wenn sich solch eine Situation wiederholt?
Zum anderen ist Softbank auf Wertsteigerung angewiesen. Die Aktie der Telekom war aber nun seit langen Jahren kein Hochflieger mehr. Die Bonner müssen also ihre Konzerpolitik wesentlich stärker in Richtung Shareholder Value ausrichten.
Und schließlich zeigt sich schon wenige Tage nach dem Deal, dass es rund um Softbank absurde Geschichten zu erzählen gibt, zum Beispiel die des Softbank-Partners, der barfuß zu Geschäftsmeetings kommt.
Kommentare
Walter König 9. Oktober 2021 um 11:30
Ich weiß nicht, ob dies nun wirklich ein so eklatanter Fall von "Schlafkrankheit" in der Wirtschaftspresse ist. Softbank fiel in den letzten Monaten im "Westen" in erster Linie durch Investments aus, die sich nicht auszahlten, die sich auch gar nicht ( so schnell oder üherhaupt ) auszahlen konnten.
Die "Wirtschaftswoche" berichtete schon ausführlicher darüber.
Mir kam und kommt es so vor, als wenn das viele Geld, welches durch die "Abenomics" in den Markt gepumpt wurde, möglichst schnell verbrannt werden muß.
Einiges ist in Japan nun grunsätzlich eigen, so produzierte SONY bis vor kurzem noch Leercassetten fürs BETAMAX Format, obwohl der Absatz selbst in Japans Großstädten verschwindend gering war. ( Vom Ausland mal ganz abgesehen )
Aber man hatte dieses Video Format erfunden und fühlte sich verpflichtet den Kunden, die in den 80ern (!) auf das Format gesetzt hatten noch Leercassetten zur Verfügung zu stellten.Alleine die laufenden Kosten für die Wartung der Produktionsmaschinen konnten wohl kaum noch eingespielt werden, aber man hatte sein Wort gegeben. Als der Lagerbestand bei SONY selbst und vielen Händlern immer größer wurde, stellte man dann die Produktion vor einigen Jahren doch ein.
Denn die vielen, vielen Leercassetten werden die Videorecorder, die zuletzt Anfang der 90er produziert worden sind, bei weitem überleben.
Und diese Anekdote hat sich in einen jap. Konzern zugetragen, der sehr westlich ausgerichtet ist, sowie ja auch etliche US Manager in der Unternehmensführung hat(te).
Die Defizite der Medienwelt sehe ich persönlich woanders, sehr schlecht geführte Interviews im TV/Radio. Ständiges Unterbrechen und ins Wort fallen wird mit Kritik und Investigation verwechselt. Dazu eine Falschausrichtung der Magazine und vieler Zeitungen. Neben dem "bösen Internet" ist es m.M. nach auch eine Krise der Inhalte.
Wäre der STERN in den 80er Jahren so schlecht gewesen wie heute, hätte er auch damals keine Mio Auflagen erreicht.
Um auf die Wirtschaftspresse zurückzukommen, die WIRTSCHAFTSWOCHE hat immer noch gute Artikel, aber mein Abo habe ich auch gekündigt, weil ich nicht jede Woche wieder fast identische Artikel über Musk, Facebook und Amazon lesen will. Klar gehören die ins Heft, aber nicht mit einer so hohen Schlagzahl.