Sechs Monate wollte ich Gabor Steingarts „Morning Briefing“ hinterherrecherchieren. Ich habe nur vier Monate durchgehalten. Mehr zum Hintergrund finden Sie hier.
Für die Fundstücke gilt:
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- Ich versuche nüchtern zu bleiben.
- Auch mir können Fehler unterlaufen – dann bitte ich um Hinweis in den Kommentaren. Ich werde so schnell als möglich Korrekturen einführen.
- Ich habe weitestgehend das ausgelassen, was reine Meinungsäußerung darstellt.
- Allerdings weise ich auf Bemerkungen hin, bei denen die Sprachwahl und die Tonalität in eine problematische Richtung gehen.
3. März
Steingart nennt die Berichterstattung über Klimawandel und Corona „ins Grobe und Grelle entrückt“.
Dies vermittelt den Eindruck, dass weder das eine noch das andere ein so großes Problem ist, wie es dargestellt wird.
Weiter schreibt er:
„Die These, dass Deutschland nicht mehr ausreichend wettbewerbsfähig ist, scheint – höflich ausgedrückt – gewagt, unhöflich ausgedrückt, absurd.“
4. März
Steingart erweckt den Eindruck, Blitzeinschläge und Stürze vom Pferd seien schlimmer als der Corona-Virus.
Noch im Februar hat Steingart sich dafür eingesetzt, dass Journalisten keine Prophezeiungen machen sollten. Wer diesen Absatz liest, wünscht sich, er hätte sich daran gehalten:
Es fällt mir schwer zu glauben, dass Menschen, die ihre Job oder ihr Unternehmen verloren haben, oder noch schlimmer, deren Großeltern oder Eltern an Covid verstarben, die durch jene Lungenerkrankung bleibende Schäden davontragen oder die andere Sterbende wegen des Besuchsverbots in Krankenhäusern und Altenheimen nicht auf dem letzten Weg begleiten konnten, darüber in einem Jahr schmunzeln werden. Aber ich bin ja nicht Gabor Steingart.
5. März
Anlass für das Thema ist die Software Hawkfish, die den Demokraten im Wahlkampf helfen soll. Sie stammt aus dem Hause Bloomberg.
Staatsminister sind nicht Teil der Regierung und sitzen auch nicht auf der Regierungsbank.
10. März
Steingart zitiert aus seinem Podcast-Interview mit Prof. Jochen Werner, dem Vorstandsvorsitzenden des Uniklinikums Essen.
Das sagt Werner nicht. Er kritisiert den Übertragungsweg Fax.
Auch weiterhin hält Steingart den Corona-Virus für eine „milde Grippe“:
11. März
Steingart behauptet, Dutzende von leeren Flugzeugen kreisten über Europa, damit die Fluggesellschaften ihre Slots an den Flughäfen behalten.
12. März
Diese positive Wahrnehmung von Trumps Rede wurde von anderen Medien nicht geteilt. Mehr noch: Nach Informationen der „Washington Post“ realisierte Trump selbst, dass sie ein Fehlschlag war:
„In the most scripted of presidential settings, a prime-time televised address to the nation, President Trump decided to ad-lib — and his errors triggered a market meltdown, panicked travelers overseas and crystallized for his critics just how dangerously he has fumbled his management of the coronavirus.
Even Trump — a man practically allergic to admitting mistakes — knew he’d screwed up by declaring Wednesday night that his ban on travel from Europe would include cargo and trade, and acknowledged as much to aides in the Oval Office as soon as he’d finished speaking, according to one senior administration official and a second person, both with knowledge of the episode.“
“ I mean, seriously, it’s not entirely Trump’s fault because he has speechwriters who do this thing for him,“ Shapiro continued, but „it did not steady the markets, it did not make people feel more secure.““
13. März
17. März
Tatsächlich war Macrons Rede sehr ruhig und keineswegs fiebrig.
Steingart spricht Macron ab, dass dieser aus Besorgnis um die Gesundheit der Bürger handelt und reduziert den Präsidenten auf Machthunger. Solch eine Darstellung von Politikern ist eines der Instrumente antidemokratischer Kräfte.
Für die Beschränkungen in Deutschland wählt Steingart spöttisch-wütende Worte.
Die Äußerung, alle Freizeitaktivitäten seien untersagt, ist falsch. Die meisten, von Joggen über Radfahren bis zu Malen, Wandern oder Newsletter schreiben, waren weiterhin erlaubt.
Abgesehen von Steingarts schrägem Blick auf das Publikum von Kneipenvierteln ist sicher, dass die KfW Kredite an die Gastronomie vergibt. Denn Gastronomen sind Unternehmer.
Weiterhin interpretiert er die Vorbereitung auf schlimmere Umstände als Verlust der Kontrolle.
Analog würde der Einbau von Schutzmasken in Flugzeugen also den Kontrollverlust über den Airbus bedeuten.
18. März
Auch am nächsten Tag: Maßnahmen gegen eine Verbreitung des Virus haben für Steingart nie medizinische oder humane, sondern immer machtpolitische Gründe.
19. März
Angela Merkel hat eine Ansprache gehalten. Und Gabor Steingart weiß genau, was sie nicht gesagt hat. Diese „Ich weiß, was verschwiegen wurde“-Behauptung ist in verschwörungstheoretischen Kreisen ein oft gewähltes Instrument.
Außerdem behauptet Steingart, Merkel sei „zürnend“ aufgetreten.
Diese Interpretation stand recht singulär in der Medienlandschaft. So nannte die „Stuttgarter Zeitung“ Merkels Rede „aufrüttelnd“.
Anscheinend aber nicht aufrüttelnd genug. Steingart imaginiert, dass die Deutschen ihr Home Office in Cafés und Biergärten verlegt hätten:
23. März
Vor vier Tagen war Alexander Kekulé für Steingart noch der „kompetenteste Kritiker der Kanzlerin“:
Heute wird er zur Witzfigur degradiert:
Und obwohl die drei meistzitierten Virologen durch die Bank betonen, die Politik müsse die Entscheidungen treffen und sie selbst hätten keinerlei Konflikt, tut Steingart so, als ob dies anders sei und behauptet die „Autokratie der Virologen“ herbei.
Eine Argumentation und ein Tonfall, der zu dieser Zeit bereits bei Verschwörungstheoretikern und in rechtsradikalen Kreisen en vogue ist:
Eine Autokratie der Infektiologen scheint dagegen nicht so schlimm. Prof. Susanne Herold darf sagen, was Steingart Drosten, Kekulé und Streeck um die Ohren haut:
27. März
Vor 17 Tagen war Corona für Steingart noch eine leichte Grippe. Nun grüßt der Sensenmann am Morgen.
30. März
3 Tage später steht der Schnitter nicht mehr vor der Tür. Steingart relativiert die Zahl der Toten zum wiederholten Mal.
Alle Folgen des Projektes:
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