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Sechs Monate wollte ich Gabor Steingarts „Morning Briefing“ hinterherrecherchieren. Ich habe nur vier Monate durchgehalten. Mehr zum Hintergrund finden Sie hier. 

Für die Fundstücke gilt: 

    • Ich versuche nüchtern zu bleiben.
    • Auch mir können Fehler unterlaufen – dann bitte ich um Hinweis in den Kommentaren. Ich werde so schnell als möglich Korrekturen einführen. 
    • Ich habe weitestgehend das ausgelassen, was reine Meinungsäußerung darstellt.
    • Allerdings weise ich auf Bemerkungen hin, bei denen die Sprachwahl und die Tonalität in eine problematische Richtung gehen.

9. Januar

Vladimir Putin reist nach Syrien. Steingart schreibt:

Welche Pose Putin in seinem (mutmaßlich geschlossenen) Auto einnahm, ist nicht bekannt. Es gibt keine Fotos von seiner Fahrt durch die Straßen von Damaskus, ohnehin gibt es nur wenig Informationen zum Besuch. Deutsche Medien zitieren nur den Kreml-Sprecher, der mit der russischen Agentur Interfax sprach. Beispiel „Handelsblatt“:
Steingart lässt Zuneigung für Putin durch die Zeilen schimmern, er lobt sogar die Beeinflussung des US-Wahlkampfs als „Gesellenstück“:

10. Januar

Steingarts Zahlen stammen aus dem ARD-Deutschlandtrend, den er nicht verlinkt.
Hier die Originalresultate:
Wenn Steingart behauptet, „nur“ 27 Prozent der Deutschen sähen den Klimaschutz als politische Priorität, erwähnt er nicht, dass
  • Mehrfachnennungen möglich waren,
  • Umwelt der zweitmeistgenannte Bereich ist,
  • der meistgenannte Bereich „Flüchtlinge“ nur 4% mehr erreicht,
  • der Umweltbereich seit der letzten Abfrage 2017 rasant wächst,
  • der Flüchtlingsbereich seit der letzten Abfrage ebenso rasant fällt,
  • Umweltthemen auch in anderen Feldern der Liste auftauchen.
Wenn Steingart also schreibt, 73% der Deutschen empfänden Umweltschutz nicht als Priorität ist dies schon aus der Umfragelogik heraus nicht korrekt. Gleichzeitig ist die Vermittlung des Eindrucks, der weiteste Teil der Bürger wolle von der Politik keine umweltfreundlichen Maßnahmen eine falsche Darstellung der Umfrageergebnisse.
Nächstes Thema:
Steingart empfindet es anscheinend als Prüderie, wenn Menschen an Bord eines Kreuzfahrtschiffes untersagt wird, T-Shirts mit Aufschriften zu tragen wie „Wolle ficke?“ oder „Steingart auf die Fresse“. Ich persönlich finde das eher begrüßenswert, aber ich bin ja nicht Gabor Steingart.
Weiter schreibt er:
Er verschweigt ein Detail: Es sind nicht „viele im Netz“, die sich da äußern – es sind die Kunden von Carnival Cruises die jene Maßnahme begrüßen, wie „USA Today“ berichtet:
„The guidelines, which were discussed in a Facebook post by brand ambassador John Heald, has led to more than 1,000 comments and more than 23,000 votes in an online poll. So far, 97% of the respondents have said they support the new measures.“
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Es folgten einige Tage, an denen ich aufgrund beruflicher Belastung das Projekt nicht verfolgte.
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27. Januar

Die Studie des Reuters Institute wird nicht verlinkt. Wer sie liest, stößt auf andere Werte. Die Öffentlich-Rechtlichen erreichen beispielsweise in der Zielgruppe 18 bis 24 48% der Deutschen:

Stefan Niggemeier hat eine These, woher Steingarts Zahlen stammen: Er hat eine andere Grafik, die Zuschauer/-hörer von ARD und ZDF nach Alter aufschlüsselt, falsch interpretiert:

Im Weiteren zitiert Steingart aus dem Edelman Trust Barometer:
Die Aussage, Journalismus stehe „weltweit unter Feuer“ ist das Gegenteil der Folgerungen des Trust Barometers. Dieses betont, dass in 16 von 26 untersuchten Ländern das Vertrauen in Medien steige.
Hinzu kommt:
  • Deutschland liegt – entgegen Steingarts Behauptung – vor den USA.
  • Das Vertrauen in deutsche Medien ist so stark gestiegen, wie in wenigen anderen Ländern.
  • Deutschland liegt genau im Durchschnittswert der Studie.
  • Die Studie sieht das Vertrauen in China als am höchsten – ob dies für die Studie spricht, muss jeder für sich beurteilen.

29. Januar

Grafik und Zahlen kann ich nicht nachvollziehen:
  • Der ausgewählte Zeitraum – 7.1. 18 bis 19.1.20 – wirkt merkwürdig. Denn sowohl der 7. Januar 2018 als auch der 19. Januar 2020 waren Sonntage, die Börsen waren also geschlossen. Somit ist die Grafik streng genommen falsch.
  • Ich kann keinen Schlusskurs des Shanghai Composite von 2976,53 finden (hier der Link zu Steingarts Quelle Yahoo Finance).
  • Das letzte Mal, als der Composite in der Nähe von Steingarts 2976,53 lag war am 25. Dezember 2019 mit einem Wert von 2981,88
  • Tatsächlich fiel der Composite zwischen dem 8.1. 2018 und dem 17.1.2020 um 10 Prozent.

Nachtrag vom 28. Januar: Dank Stephan in den Kommentaren ist die Unschärferelation gelöst. Der Kurs von 2976,53 kam am 23. Januar zustanden, also vier Tage nach der Angabe in der Grafik. Rätselhaft bleibt, warum das Startdatum auf den 7.1.2018 gelegt wurde. 

30. Januar

Steingarts Zahlen sind richtig. Doch verschweigt er, dass die SPD über 1,4 Millionen Wähler an die Linkspartei und die Grünen verlor, die gemeinhin im linken Spektrum verortet werden.

31. Januar

Steingart erwähnt die Quelle des Zitats nicht, dies passiert sehr häufig – gerade bei Zitaten aus anderen Medienhäusern.
In diesem Fall stammt der Satz Hanburys aus der „Financial Times“. Die liefert jedoch eine politische Einordnung des Fondsmanagers – er ist aktiver Brexit-Befürworter:
Weiter schreibt Steingart:
Wie abhängig Großbritannien vom EU-Markt ist, zeigt die Grafik im ersten Teil dieser Serie. Steingart suggeriert, dass sich mit dem Brexit die Handelsbilanz verschiebe und dass dies etwas Gutes sei, vielleicht weil er Bilanzen immer ausgeglichen sehen möchte. Dies ist bei Handelsbilanzen zwischen zwei Handelspartnern aber fast nie der Fall: Es passiert nur selten, dass Land A und Land B gleich viel miteinander Handel treiben.
Steingart gibt dann noch den „Lügenpresse“-Rufern Futter:

Kommentare


Timon 27. Mai 2020 um 10:37

Was mir noch zu der Grafik mit der chinesischen Wirtschaft aufgefallen ist: Die Y-Achse würde Recht stark beschnitten wodurch es so aussieht als ob diese Schwankungen viel stärker seien als es tatsächlich der Fall ist. Wenn man sich unter dem angegebenen Link das Mal mit Achse bis 0 anzeigen lässt, werden die Schwankungen plötzlich viel kleiner, genauso auch der Unterschied zwischen Anfang und Ende

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Moritz Reichartz 27. Mai 2020 um 10:40

Warum komme ich nach Aufaddieren der Werte des DeutschlandTRENDS Jan 2020 zu insgesamt 137%. Müsste man somit sagen 27% von insgesamt 137% finden das Thema Umwelt wichtig? Sind das dann tatsächlich 19%? Ich verstehe die Rechenweise nicht.

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Walt 27. Mai 2020 um 11:35

Bei Mehrfachnennungen ist "Aufaddieren" mathematisch nicht zulässig. Beispiel: Farbe von Äpfeln: Rot, gelb, grün (Mehrfachnennungen möglich) – das führt immer dazu, dass mehr Farben als Äpfel genannt werden.

Bei Mehrfachnennungen sollten deshalb immer die absoluten Zahlen der Nennungen stehen: 10.000 Leute befragt; 3100mal wurde "Migration" / 2700mal wurde"Klima" genannt.

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Robert 27. Mai 2020 um 12:00

Mehrfachnennungen waren möglich.

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Stephan 28. Mai 2020 um 13:40

Laut Yahoo Finance schloss der Januar 2018 mit 3.480 Punkten, der Januar 2020 mit 2976 Punkten. Der Kern von Steingarts Aussage stimmt also.

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Thomas Knüwer 28. Mai 2020 um 15:10

@Stephan: Vielen Dank für den Hinweis. Man muss halt immer suchen, um die Fehler zu finden. Tatsächlich kam der Kurs am 23. Januar, dem letzten Handelstag vor dem chinesischen Neujahr zustande – also vier Tage nach dem 19. Januar, der in der Grafik erwähnt wird.

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