Kürzlich debattierte ich mit einer bekannten Persönlichkeit des Medienjournalismus via Twitter.
Die Tweete kam auf den Einstieg des Private Equity-Unternehmens KKR bei Axel Springer. Die Person hatte einen Artikel darüber verfasst und verteidigte darin KKR. Der Investor habe eine gute Erfolgsbilanz, es komme frisches Geld in den Konzern, er könne massiv wachsen.
Das ist in weiten Teilen richtig. Allerdings fehlte mir eines in diesem Artikel: die Exit-Strategie.
Ein Investor wie KKR verhält sich nicht wie ein Aktien kaufender Privatanleger. Letzterer kauft Anteile, lässt sie liegen und verkauft im Extremfall Jahrzehnte später. Private Equity-Unternehmen haben schon beim Einstieg in ein Unternehmen einen Exit vor Augen: eine bevorzugte Lösung, wie man das Investment in einem Zeithorizont von fünf bis sieben Jahren wieder verkauft – und das mit satter Rendite, denn das Geschäft von Private Equity-Häusern ist mit Risiko behaftet. Deshalb muss jeder erfolgreiche Ausstieg nicht nur eine höhere Rendite erwirtschaften als ein Investment auf dem Kapitalmarkt – sondern auch die Verluste erfolgloser Investments und natürlich auch die derweil entstehenden Kosten mittragen.
Vielleicht habe ich etwas übersehen, doch ich kann kein Medium in Deutschland sehen, dass über diesen Exit auch nur ansatzweise spekuliert. Stattdessen wird so getan, als sei KKR ein ganz normaler Anteilseigner bei dem nun die Gefahr besteht, dass er Kosten kürzt und dies bevorzugt zu Lasten der journalistischen Angebote.
Beispiel „Zapp“ vom NDR. Das Medienmagazin veröffentlichte gestern einen Bericht über die Lage bei Springer und sprach mit dem Medienjournalisten Lutz Meier:
„Für Springer-Beobachter Lutz Meier sind die angekündigten Millionen-Kürzungen im klassischen Geschäft „ein deutliches Signal“: Der Journalismus – sogar bei der Geldmaschine „Bild“-Zeitung – habe „keine Narrenfreiheit“ mehr. Meier glaubt zwar auch daran, dass der Journalist Döpfner allen beweisen wolle, wie erfolgreich Journalismus im Digitalen sei, etwa mit den Bezahlangeboten „Bild+“ und „Welt+“. Er wolle sicher auch publizistische Stimme sein und nicht nur irgendeinen Digital-Konzern betreiben. Gleichzeitig sei aber auch klar: „Gerade, wenn man von Investoren von außen abhängig ist: Die suchen nicht die Seele. Die suchen den Return on Investment.““
Genau den Return of Investment. Nur wird der zumindest zwischen den Zeilen definiert als jährliche Rendite. Doch darum geht es eben nicht – es geht um den Weiterverkauf der Anteile nach Umstrukturierung des Unternehmens.
Sie wisse doch nicht, wie die Medienwelt in fünf Jahren aussehe, rechtfertigte sich jene tweetende Person von oben. Ich antwortete ihr, dass dies auch niemand von ihr verlange. Was aber für Wirtschaftsjournalisten normal ist, ist die Spekulation darüber, wie ein Private Equity-Investor die Branche seines Zukaufs in fünf bis sieben Jahren sieht. Denn darauf basiert das Kalkül seines Einstiegs.
Damit endete unsere Tweebatte (achten Sie bitte auf die kreative Wortspüligkeit rund um Twitter in diesem Blogpost).
Tja, und nun? Muss blogger halt alles selbst machen.
Spekulieren wir also einfach mal (Kommentare zu den folgenden Optionen in den Kommentaren herzlich willkommen).
Welche Exit-Optionen hat KKR also für seine 43 Prozent an Axel Springer?
1. Management-Buyout
Schließen wir das Leichteste direkt aus. Es kann passieren, dass nach einer Restrukturierung das Management die Anteile eines Investors übernimmt. Nur ist Springer ein großes Unternehmen – was den Spaß teuer macht. Und das Management wechselt ja nicht großartig. Wenn dies eine Option sein soll, hätte Döpfner angesichts der niedrigen Zinser das Geld für Zukäufe auch am Kapitalmarkt holen können.
Wahrscheinlichkeit: Null.
2. Rückführung an die Börse
Ist ein Unternehmen unterbewertet, kann es sich für einen Investor lohnen, es von der Börse zu nehmen, neu zu strukturieren und danach wieder an den Kapitalmarkt zu bringen. Tatsächlich fiel der Kurs von Springer seit dem März 2018 kontinuierlich. Im März diesen Jahres lag der Kurs bei 44,6 Euro – das durchschnittliche Kursziel laut Marketscreener aber bei 58,9 – eine Differenz von 30 Prozent.
Das sind dann Dimensionen, die spannend sind. Und deshalb ist diese Idee nicht völlig auszuschließen. Die Börse identifiziert Springer vielleicht zu sehr mit Journalismus und zu wenig mit den nicht-journalistischen Geschäften.
Doch ist Onlinejournalismus weiterhin kein Geschäft, das für die Börse interessante Renditen erzielt. Selbst wenn er nur ein kleiner Teil des fertigen Springer-Konstrukts wäre, würde er die bei einem erneuten Börsengang zu erzielende Summer immer schmälern. Deshalb glaube ich nicht recht, an ein Börsen-Comeback.
Wahrscheinlichkeit: gering.
3. Weiterverkauf
Tja, und dann bleibt noch die Weiterreichung an ein anderes Unternehmen. In dem Fall hat der Investor das dreckige Zeugs erledigt, Leute gefeuert, Geschäfte geschlossen, neue zugekauft und einigermaßen integriert.
Der neue Käufer ist dann der Ritter in schimmernder Rüstung, der ein zutiefst aufgewühltes und oft deprimiertes Unternehmen in ruhige Gefilde führt (oder dies zumindest verspricht).
Dies erscheint mir zunächst mal die wahrscheinlichste Variante. Womit sich die Frage stellt:
Wer könnte Axel Springer kaufen?
Das Ranking der größten europäischen Medienkonzerne offenbart ein Größendilemma:
Altice kümmert sich vornehmlich um Telekommunikation und Bewegtbild, desgleichen Vivendi. Lagadère? Vielleicht. Es wären Synergien denkbar zwischen dem Sportrechtegeschäft der Franzosen und den massentauglichen Angeboten von Springer.
Bleibt noch: Bertelsmann. Friede und Liz endlich vereint in einem Unternehmen? Das ist definitiv nicht völlig unmöglich. Klar, die Kartellbehörden werden sich das sehr genau anschauen. Doch geht es bei Springer ja derzeit darum, den Auslandsbereich zu stärken. Die gedruckten „Bild“ und „Welt“ werden die kommenden fünf Jahre nicht überleben und der Onlinemarkt dürfte kein so großes Hindernis darstellen.
Außerhalb Europas sehe ich nur zwei realistische Kandidaten.
Zum einen Naspers. In Deutschland sind die Südafrikaner nur Branchenkennern ein Begriff. Doch seit etlichen Jahren kaufen sie sehr geschickt Anteile an Digitalunternehmen, in diesem Jahr brachten sie diese gebündelt unter dem Namen Prosus an die Börse.
Die Akquisestrategie Naspers war immer schon ein wenig eklektisch und deshalb wäre es keineswegs auszuschließen, dass sie Interesse an Springer hätten.
Und schließlich ist da noch der greise, böse Elefant im Raum: Rupert Murdoch. Ob er in fünf bis sieben Jahren noch am Leben sein wird ist offen – der Mann ist 88. Ebenso offen ist, ob sein(e) Nachfolger, mutmaßlich seine Söhne James und Lachlan, seinen Kurs weiterfahren.
Doch wenn der Senior am Ruder bleibt, wäre Springer ein typisches Ziel für den Australier. Er würde nicht nur ein diverses Medienunternehmen kaufen, er bekäme ein substantielles Standbein in Deutschland – und er könnte über die Springer-Medien seine ultrakonservative Agenda vorantreiben.
Für mich ist Murdoch deshalb der Favorit unter den Übernahmekandidaten – und es wäre ein Horror für die politische Stimmung in Deutschland.
Aber gut, vielleicht kommt die Biologie ja dazwischen.
Wahrscheinlichkeit Bertelsmann: hoch.
Wahrscheinlichkeit Naspers: gering.
Wahrscheinlichkeit Murdoch: hoch.
Kommentare
Michael Commiskey 2. Dezember 2019 um 6:58
Wenn die Bild Zeitung die Post-Merkel Ära mitgestalten kann, dann könnte sich die für KKR und Freunde ja auch "über die Bande" lohnen.
Josef Struhkamp 31. Mai 2021 um 13:14
Gibs hier eine Bezahl Button…. Toller Artikel