Ich möchte den Erben des DuMont-Verlagskonzerns gratulieren. Sie haben die (aus rein persönlicher Sicht) richtige Entscheidung getroffen: Sie wollen ihre Tageszeitungen verkaufen.
Große Namen sind darunter, die „Berliner Zeitung“, zum Beispiel, oder der „Kölner Stadtanzeiger“. Aber auch Boulevarblättchen, deren Auflagen so rasant fallen, dass sie in weniger als 10 Jahren die Nulllinie erreichen werden.
Jetzt offensiv einen Verkaufsprozess einzuleiten, ist richtig. Denn DuMont wird nicht der einzige Verlag bleiben, der seine Zeitungen und Zeitschriften zum Verkauf stellen wird. Bald werden weitere Folgen, der Herdentrieb war schon immer sehr stark in der Medienbranche. Wer aber zuerst auf den Markt geht, wird bei absehbar fallenden Preisen immer noch den besten Deal machen.
Deshalb: Glückwunsch, liebe DuMonts.
Natürlich ist der Schritt aber auch das laute Eingeständnis der eigenen Inkompetenz. Verlegerfamilien wie die DuMonts spielen seit 20 Jahren Kleinkind, halten sich die Ohren zu und krakeelen „LALALALAICHHÖRDICHNICHTUNDDUBISTDOOF!“ gegenüber jenen, die vor einem Ende des Geschäftsmodells Zeitung, vielleicht gar des Geschäftsmodells Verlag warnen.
Erst in diesen Monaten sickert bei Ihnen ein, was ihnen diese bösen Medienblogger seit ebenso langen Jahren ins Internet schreiben: Zeitungen sind eine Übergangstechnologie deren Ende naht – und die Rettung des mit ihr verbunden (und für die Gesellschaft wichtigen) Journalismus wird nicht erleichtert durch das Fehlen von Prozessen, Strukturen, Innovationswille oder Bereitschaft zum Wandel (mehr dazu schrieb ich hier mal auf).
Gerade habe ich ein wenig die Suchfunktion hier in der Indiskretion genutzt und es ist schon absurd, wie ausgeprägt über die Jahre hinweg der Hang von Verlagsmanagern und Chefredakteuren zur Autosuggestion war.
Das begann schon 1996. Hans-Joachim Fuhrmann, der „Multimedia-Beauftragte“ und spätere Kommunikationschef des Verlegerverbandes BDZV erklärte laut „Welt:
„Das Internet wird nie eine Existenzbedrohung für die gedruckte Zeitung werden.“
2006 sagte WAZ-Chef Bodo Hombach noch:
„Die Kaufzeitung überlebt ihre Beerdigungsfeierlichkeiten und wird älter als ihre vermeintlichen technischen Totengräber…
„Der Kunde, der Nutzer ist ziemlich beharrlich, manchmal dickschädelig…
Er ist ein bisschen bequem, er will servieren lassen, nicht selber nachforschen und an allen möglichen Knöpfen drehen müssen.“
Im gleichen Jahr schrieb Springer-Chef Mathias Döpfner in einem lagen Text in der „Welt“:
„Ich glaube an das „Rieplsche Gesetz“… Keine neue Mediengattung ersetzt die bestehenden. Medienfortschritt verläuft kumulativ, nicht substituierend.“
„Elend und Verzweiflung begleiten die Prognosen für unser Gewerbe, seit es Zeitungen gibt. Solche kulturpessimistischen Untergangsszenarien waren und bleiben falsch.“
Und so ging es munter weiter. Das oberste Mantra der Zeitungsbranche lautet: Uns geht es super.
Wer das hinterfragte oder kritisierte, über den wurde Hohn ausgegossen. Als Beispiel nur mal meine Erinnerung an ein Podium mit Konstantin Neven DuMont, dem verstoßenen Sohn der Dynastie, aus dem Jahr 2010. Oder aber die Hybris von Christian DuMont-Schütte, der 2007 in einem Interview mit der „FAZ“ sagte:
„„An meinem fünfzigsten Geburtstag im Frühjahr habe ich die These aufgestellt: In zehn Jahren ist Google tot…
Ich habe in der Tat die Hoffnung, dass das, was sich jetzt im Markt befindet, übermorgen nicht mehr existiert. Die ersten Anzeichen dafür sehen Sie schon: die Ebay-Euphorie ist vorbei.“
Der Schritt von DuMont ist also nur der nächste Schritt einer seit langem vorhersehbaren Entwicklung. Wir werden eine massive Konzentration in der Verlagslandschaft erleben, gepaart mit ebenso massivem Stellenabbau. In ihrem unbremsbaren Printglauben werden sich auch Kaufinteressenten für DuMonts Zeitungen finden. Das Kalkül: Kosten sparen durch Zentralredaktionen und Zentralabteilungen wie Vermarktungen oder Personal. Und dann hoffen, dass der freie Fall der Auflagen nicht weitergeht.
Doof nur: Er wird weitergehen. Und somit wird der Konzentrationsprozess zum Glücksspiel. Denn niemand weiß, ob Kaufpreis plus Restrukturierungskosten sich bei sinkenden Margen schnell genug wieder hereinholen lassen – und ob die Leser gleichzeitig bleiben oder sich vom Konzept der Zombiezeitungen abwenden, in denen überall das Gleiche zu lesen ist, nur unter anderem Namen und in anderem Layout.
Offen ist, wieviel DuMonts Zeitungen einbringen werden. 2013 hatte KPMG den Wert auf 100 Millionen Euro taxiert. Heute dürfte es weniger sein, aber vielleicht gibt es mehrere Interessenten, das würde den Preis heben.
Selbst wenn es 70 Millionen wären, stellen wir uns einfach nur mal Folgendes vor: Ein Investor legt 70 Millionen auf den Tisch, um ein Nachrichtenangebot neueren Schlags auf die Beine zu stellen, er holt sich die Top-Journalisten und digitalkundige Manager. Vielleicht würde Jochen Wegner als Produkt-Geschäftsführer von der „Zeit“ weggelockt, Carline Mohr das Audience Development übernehmen, Florian Eder die Politikberichterstattung, Eva Schulz erhielte die Videoleitung und so weiter und so weiter.
Dieses Projekt würde als erstes News-Angebot wirklich individualisierte Nachrichten anbieten, fortschrittsoptimistisch berichten und statt Clickbait auf Qualitätsjournalismus setzen. Seine Finanzierung wäre vielschichtig und beinhaltete Onlinewerbung, Video, Podcasts und Newsletter genauso wie Paid Content für spezialisierte Inhalte und Veranstaltungen.
Vor allem könnte es sich seinen preisgünstigen Standort selbst aussuchen, genauso wie Dienstleister, Mitarbeiter und Infrastruktur – es wäre ein kompletter Neustart.
Wäre es möglich, dieses Projekt für 70 Millionen Euro Investement profitabel auf die Beine zu stellen?
Ich glaube ja. Und deshalb wäre das Geld dort sinnvoller investiert als in den Kauf von Zeitungen.
Kommentare
Ring2 28. Februar 2019 um 17:56
Ich übernehme gerne das Spoirtressort 😉
Teilzeitinvestor 28. Februar 2019 um 20:48
Hmm, das hat Rupert Murdoch schon vor acht Jahren probiert. Investitionsvolumen von 70 Millionen kommt sogar knapp hin. Das ganze ist nach nicht einmal zwei Jahren grandios gescheitert. Obwohl der Markt für eine englischsprachige Publikation um das x-fache größer war.
Thomas Knüwer 1. März 2019 um 11:06
@Teilzeitinvestor: Welches Projekt meinen Sie damit?
Teilzeitinvestor 1. März 2019 um 14:12
The Daily: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Daily_(News_Corporation)
Teilzeitinvestor 1. März 2019 um 14:32
…und in Deutschland gabs ja, noch ein paar Jahre vorher, die Netzeitung, als internet-only Newsangebot mit durchaus nicht unwesentlichem Investment und Qualitätsanspruch. Lustigerweise am Ende von Dumont übernommen und gekillt worden.
Thomas Knüwer 5. März 2019 um 15:44
@Teilzeitinvestor: Auch die Netzeitung ist kein richtig gut passendes Beispiel. Sie war immer dünn bestückt, richtig gute Leute waren nur wenige im Team. Noch dazu kann ein Produkt nicht erblühen, wenn alle zwei Jahre der Besitzer und/oder die Strategie wechseln. Ich halte das Investment für nicht sonderlich hoch – der Qualitätsanspruch war eher überschaubar. Schon im Sommer 2004 schrieb Stefan Niggemeier für die "FAZ": "Was es noch gibt, ist eine Netzeitung, für die ein kleines Häufchen Journalisten hastig Meldungen aus oft ungenannten Quellen zusammenträgt. Die Geschichte der Netzeitung ist typisch für viele Internetprojekte: Gegründet Ende 2000 auf dem Höhepunkt des Booms, voller Ideale und naiver Hoffnungen, ist es eine Geschichte der kontinuierlichen Erosion von Ansprüchen und Ressourcen. Aber anders als andere wurde die Netzeitung nicht irgendwann eingestellt, als die Erlöse ausblieben. Sie schrumpfte, bis sie ein gewaltiges, leeres Versprechen war."
Thomas Knüwer 5. März 2019 um 15:40
@Teilzeitinvestor: The Daily hatte ich schon wieder vergessen – schönes Thema. Allerdings war The Daily nie zeitgemäß. Es handelte sich um eine Tablet-App, die einmal täglich aktualisiert wurde. Das ist kein Konzept, das jemals in diesem Jahrtausend Zukunft hatte. Auch die Besetzung war nicht sonderlich hochkarätig. Finaler Fun Fact: Das Abenteuer The Daily kostete 30 Millionen Dollar, also die oben erwähnten 70 Millionen.
Ich habe damals das hier geschrieben: https://www.indiskretionehrensache.de/2012/12/the-daily-murdoch/
Calvero 28. Februar 2019 um 20:49
… Ich glaube nein. Ist schon merkwürdig, diese Hoffnung, dass irgendwelche Einzelpersonen gottgleich alles rocken. Frau Koch ist auch die einzige, die RTL retten kann:-) Und im Newsroom der Berliner Zeitung tummeln sich doch auch nur kreativsten Workaholics, hieß es doch. Abgesehen davon, dass vermutlich nur sehr wenige dieser "Edelfedern" und "Edelonliner" sich zu einem "100%-Neustart-Onliner" abwerben lassen würden, das dafür notwendige Geld plus die Kosten für die Entwicklung würden das Startkapital sehr schnell aufzehren. Solange man am Werbemarkt agieren muss, regieren Billigredaktionen und Oberflächlichlayout ala HuffPo. Die gute alte Tugend, ein funktionierendes Team langfristig zusammenzustellen und zu entwickeln, scheint ausgestorben.
Thomas Knüwer 1. März 2019 um 11:08
@Calvero: Ich schreibe ja explizit von einer Mischfinanzierung. Und: Ich kenne etliche, spannende und kompetente Personen aus dem digitalen Medienbereich, die für ein Projekt, bei dem sie endlich machen könnten, sofort den Arbeitgeber wechseln würden. Das mit dem Team-Zusammenstellen kann natürlich funktionieren – aber nicht im frustrierenden Umfeld alter Verlage.
Christian Jakubetz 28. Februar 2019 um 20:54
Zustimmung, bei deiner These mit den Personen wäre ich aber skeptisch. Das haben die Krautreporter auch mal geglaubt.
Thomas Knüwer 1. März 2019 um 11:09
@Christian: Na ja, bei den Krautreportern lag aber etliches im Argen… Und die finanziellen Möglichkeiten limitierten dann auch die Chancen in Sachen Team-Aufbau.
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