Dezember. Schon wieder. Und so unerwartet.
Es war kein schnelles Jahr, dieses 2018, zumindest für meine Gefühlswelt. Auf allen Ebenen passierte viel, Gutes, wie weniger Gutes. Vielleicht gab es aber einen ganz profanen Grund, warum dieses Jahr nicht vorbeiraste: das Wetter. Dieser nicht enden wollende Sommer machte so vieles erträglich und entspannter, er dauerte sogar so lang, dass man von ihm gelassen Abschied nahm, „nun ist auch mal gut“.
Vielleicht war es auch das Wetter, das mich vieles mediterran-gelassen hinnehmen ließ, was mich sonst erzürnt, aufgeregt, wütend gemacht hätte. So aber: chillen beim grillen.
Und dann ist plötzlich Weihnachten und damit die Zeit für die traditionelle Trendprognose für das kommende Jahr hier auf Indiskretion Ehrensache: die glaskugeligen Kaffeesatzlesereien.
Die haben einen ebenso traditionellen Prolog, einen Blick zurück auf meine Vorhersagen der vergangenen Ausgabe und die Frage, ob ich damals richtig lag oder Bullshit geschrieben habe. Überschrieben war das Stück damals mit „Schein-Wende für Analogistan“.
Und dies versprach ich für das Jahr 2018:
Annus Horribilis für Facebook
Told you so.
Das Ende der Videobegeisterung im Marketing und bei Medien
Auch hier würde ich mir einen Punkt geben. Nur mein Ex-Arbeitgeber „Handelsblatt“ strunzt noch mit seinem neuen Videostudio. Ansonsten aber scheinen mir die Bewegtbildaktivitäten der Verlage bestenfalls zu stagnieren, eher rückläufig zu sein. Und Live-Streaming – gibt es das eigentlich noch?
In der Welt des Marketing werden weiterhin Videos produziert, doch auch hier scheint mir die Quantität deutlich gesunken zu sein. Marken realisieren, dass sie angesichts der insgesamt hohen Webvideo-Qualität nur mit wirklich guten Ideen eine Chance haben, im Web Zuschauer zu finden.
Die große Bot-Enttäuschung
Nein, mir ging es da nicht um jene Meinungsmacher-Bots, über die so viel diskutiert wird. Vielmehr glaubte ich, dass die Begeisterung für Chatbots bei Marken enden würde. 2017 waren ja etliche in diesem Feld aktiv geworden, auch motiviert durch Facebooks neue Messenger-Funktionalitäten.
Und tatsächlich: Da kam dann nichts mehr, wenn ich das recht sehe. Punkt für mich.
Bitcoin fällt, Blockchain steigt auf
12.130 Euro war ein Bitcoin am 30. Dezember 2017 wert, dem Tag, an dem ich die vergangen Ausgabe der glaskugeligen Kaffeesatzlesereien veröffentlichte. 363 Tage später sind es nur noch 3.153 Euro.
2018 wurde vielen klar, dass Kryptowährungen ein interessantes Gedankenspiel sind – aber in der Realität ein Treffpunkt für Betrüger, Abzocker und Verbrecher. Auch weiterhin gilt: Wer in diesem Bereich investiert, kann sein Geld auch ins Casino tragen, wo wenigstens eine seriöse Absicherung der Regularien stattfindet.
Blockchain dagegen, die Technologie hinter Bitcoin, bleibt weiter interessant. Ich hätte hier eigentlich einen noch größeren Hype erwartet. Gebremst wurde vieles durch die missratene Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Diese wurde in Angriff genommen, bevor Blockchain ein breiteres Thema war. Ihre Auslegung von Datenschutz beinhaltet deshalb eine recht dumme Sache: Die DSGVO schubst weite Teile von Blockchain-Anwendungen in eine rechtliche Grauzone (also, optimistisch formuliert aus Sicht der Blockchain-Startups).
Platt gesprochen basiert Blockchain auf der Idee, dass kein Datum verändert oder gelöscht werden kann – aus diesem Fundament entsteht die hohe Sicherheit von Blockchain-Anwendungen. Die DSGVO fordert jedoch, dass jedes personenbezogene Datum änder- und löschbar ist. Dabei definiert sie die Personenbezogenheit übertrieben weit, zum Beispiel als IP-Adresse. Tja, Sie erkennen den Widerspruch… Thematisieren mögen das in der Blockchain-Branche nur wenige, denn es würde ihnen ja den Geld-Stecker ziehen.
Noch nen Punkt für mich. Läuft.
Deutsche Telekom kauft Sky
Hashtag #SchmaleBretter.
Zwischenstand: 4.1.
Werbebranche im Aufruhr
Heiliger Sorrell, lag ich da richtig. Den großen Stellenabbau gab es nicht. Doch die Diskussionen darüber, wie Agenturen künftig aussehen sollen, liefen quer durch die Branchenmedien. Ich selbst saß auf dem Podium einer internen Veranstaltung einer der renommiertesten, deutschen Werbeagenturen mit einem der bekanntesten deutschen Agenturchefs beisammen. Es war erschreckend: Weder er noch seine Leute schienen im digitalen Zeitalter angekommen.
Wir sehen ein tektonische Veränderung der Kommunikationslandschaft während der die Akquise von Sinner Schrader und Kolle Rebbe durch Accenture nur eine Zwischenstation sind. Übrigens: Ich glaube nicht, dass jenes Accenture-Konstrukt funktionieren wird.
Punkt für mich, sag ich mal.
EU fördert Content Marketing
Die E-Privacy-Richtlinie, also die Konkretisierung der DSGVO für das Online-Marketing, würde Content Marketing fördern, schrieb ich. Das glaube ich auch weiterhin. Allerdings kam die E-Privacy-Richtlinie wider Erwarten 2018 noch nicht raus.
Kein Punkt für mich – aber auch keiner gegen mich. Denn diese Prognose bleibt für 2019 stehen.
E-Sports: der erste Star
Ich glaubte, dass wir den ersten E-Sports-Star sehen würden, der außerhalb der Szene bekannt würde. Ist nicht passiert.
Zwischenstand: 5:2
Der Sommer des Harry Potter
Eigentlich hatte Niantic, Produzent von Pokemon Go, für den Sommer 2018 ein Spiel auf Basis des Harry Potter-Universums angekündigt. Doch technisch lief es nicht so, nun soll es 2019 werden. Weshalb auch diese Prognose bestehen bleibt.
Weder Punkt für noch gegen mich (oder bin ich da zu weich?).
Klassikmedien: Jahr der Scheinwende
Ein entspanntes Jahr hatte ich an diesem Ort vor rund 12 Monaten auch den Freunden und der Familie des Analogen prophezeit. Entspannt vor allem deshalb, weil sich viele einreden würden, nun werde alles gut. Zitat:
„Wir werden eine deutliche Zunahme der Paid-Content-Initiativen erleben. Und wie es Branchen-Usus ist, werden alle annehmen, allein WEIL Medienhäuser Bezahlschranken setzen, würden diese auch funktionieren.“
Und so geschah es. Mehr Paid Content, mehr Paid Content-Erfolge. Bemerkenswert jedoch: Geht es um Detailzahlen (zum Beispiel wie hoch der Anteil der Vollzahler unter den Online-Abonnenten ist) wird bei den Verlagen geschwiegen. Auch das von mir gelobte Handelsblatt-Modell ist verwässert: Sämtliche Mitglieder des Deutschen Marketing Verbandes bekamen zum Beispiel eine kostenlose Mitgliedschaft – Exklusivität geht anders. Ist aber auch wieder egal, denn zumindest meine so entstandene Clubmitgliedschaft scheint beendet zu sein. Eine Mitteilung dazu erhielt ich nicht.
Insgesamt aber war es ein ruhiges Jahr für die Klassikmedien. Punkt für mich.
Endstand 6:2.
Wow! Ob meine Prognosen so wischiwaschi waren oder ich einfach richtig lag, das müssen Sie selbst entscheiden, liebe Leserinnen und Leser.
Hier aber: die glaskugeligen Kaffeesatzlesereien für 2019!
Gesellschaftsthema Nummer 1: Alte Weiße Männer
Die Groko wird nicht zerbrechen, Angela Merkel nicht zurücktreten, es wird keine Neuwahlen geben. Und deshalb können wir uns in der gesellschaftlichen Debatte mit wichtigeren Themen beschäftigen als der operativen Politik.
Am 7. März wird ein Buch erscheinen, dass zumindest in der ersten Hälfte des Jahres das bestimmende, gesellschaftliche Diskussionsthema setzen wird. Es heißt „Alte Weiße Männer“ und verfasst hat es Sophie Passmann.
Wer sie noch nicht kennt: Passmann ist 24, immens klug, meist witzig und versteht wie keine andere Person in Deutschland, die Klaviatur der Medien zu bespielen – und zwar von analog bis digital.
Sie wird eine Debatte über die Rolle der Frau in Deutschland auslösen, über Gleichberechtigung und Diskriminierung, über das Privileg, im Jahr 2018 ein (mittel)alter, weißer Mann zu sein. Dabei wird sie viel Zuspruch ernten – und enorm viel Hass (dieses Wort wird keine Übertreibung).
Ein düsteres Jahr für Verlage
Es brauchte nicht die Affäre Claas Relotius, um sehr viele Menschen medienskeptisch zu machen. Personen, die eigentlich Verfechter des Journalismus sein müssten, haben sich von klassischen Medien abgewandt oder sind auf dem Weg dorthin. „Ich finde Journalismus ja wichtig, aber…“ wird genauso oft in Bildungsbürgerrunden gehört wie „Ich lese ja ,Die Zeit‘, aber…“
Noch immer ist mir nicht klar, ob Journalisten, Chefredakteure oder Verlagsmanager wissen, wie schlimm es um das Image der Branche steht oder ob sie solche Stimmen einfach wegignorieren (oder sich derart in Filterblasen bewegen, dass sie diese nicht mal hören).
Relotius verschlimmert all das. Leser, Zuhörer und Zuschauer werden 2019 zumindest in der ersten Jahreshälfte Medien noch viel stärker hinterfragen als bisher. Redaktionen dürfen sich keine Fehler mehr erlauben, all ihren Arbeiten wird von einer Mehrheit der Rezipienten mit einer Grundskepsis begegnet.
Geäußert wird diese nur von den Extrovertierten. Die Mehrheit schweigt – und geht. Die Auflage des „Spiegel“ ist seit 2015 um 12 Prozent gesunken, die des „Stern“ um 30 Prozent und die des „Focus“ um 18 Prozent. Und dabei reden wir über die verkaufte Auflage, die ja noch geschönt wird.
Im Jahr 2019 werden Zeitschriften düstere Zahlen präsentieren und Relotius ist nur ein Auslöser. Viel schwerwiegender ist ein schwer zu definierendes Gefühl der Unzufriedenheit unter den Stammkonsumenten journalistischer Inhalte, das an den „Schuh des Manitu“ erinnert.
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Tageszeitungen werden ihren Sturzflug fortsetzen, auch 2019 wird sich der Konzentrationsprozess fortsetzen.
Ich hab das ja schon dreitausenddrölfzig mal geschrieben: Der Journalismus müsste sich hinterfragen und ändern. Doch da tut sich nichts. Schon eine Woche nach Relotius dreht sich die Debatte darum, ob sich Reportagen und Journalistenpreise verändern müssen. So kann schön von größeren Themen abgelenkt werden, die eine breite und tiefe Änderung erfordern würden.
Und dann rappelt es plötzlich und alle sind „betroffen“.
Das Jahr 2019 wird es rappeln lassen in Gestalt von Stellenstreichungen in erheblichen Ausmaßes, allerdings erst gegen Jahresende (so wie ja meist im Verlagsgeschäft). In dieser zweiten Jahreshälfte wird es zumindest bei einem national tätigen Verlag heftig einschlagen, inklusive Wechsel der Geschäftsführung und Einstellung kleinerer Printobjekte. Dieser Verlag wird dann den Ton setzen für die Streichungsrunden in anderen Häusern – so tickt diese Branche halt. 2019 bringt den Startschuss für eine neue Abbaurunde in Redaktionen.
Nachtrag von 4.1.19: Mich erreichten in den vergangenen Tagen ein paar Hinweise, nach denen ich noch Schlimmeres befürchte. Ich schließe nicht mehr aus, dass eines der bekanntesten Magazine Deutschlands das Jahr nicht überleben wird. Damit verbunden wird eine der bekanntesten Persönlichkeiten des deutschen Journalismus ihren Job verlieren, eine weitere, ebenso bekannte Person, wird imagetechnisch angekratzt werden.
Es zerlegt den „Spiegel“
Besonders treffen wird die Rappelei den „Spiegel“. Schon die schlichte Wirtschaftslage würde ja für Unruhe sorgen. Hinzu kommen die Versorgungsängste der angestammten Print-Redakteure. Jahrzehnte zu spät hat man sich ja nun entschlossen, den Onlinern marginalisch die Möglichkeit zu geben, in die Mitarbeiter-KG zu gelangen, deren Anteilseigener einst goldige Ausschüttungen erhielten. Jene Ausschüttungen sinken – und die Neuen in der KG werden trotzdem auf Aufnahme von mehr Onlinern dringen.
Hinzu kommt die Situation in der Chefredaktion. Da ist der Neue, Steffen Klusmann, die Onlinerin Barbara Hans, und der Alte und Relotius-Protegierer Ullrich Fichtner, dessen relotianische Reportage zum Fälschungsskandal manchem sauer aufgestoßen ist. Schon rumort es aber auch eine Hierarchieebene tiefer, denn Print-Wirtschaftsressortleiterin Susanne Amann soll Managing Editor werden – obwohl sie auch Sprecherin der KG-Geschäftsführung ist. Ob das rechtlich erlaubt ist, wird gerade geprüft.
Sprich: Die Seifenoper „Ericusspitze“ startet eine neue Season und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass mancher abschaltet, weil die Autoren zu unrealistische Wendungen eingebaut haben. Andere dagegen werden das Chaos bingewatchen.
Newsletter werden spannender
Wenn mir vor 10 Jahren einer gesagt hätte, dass Newsletter Ende der 10er Jahre heißer Scheiß sind, hätte ich ihn ausgelacht.
Tja.
In einer Welt der arithmetisch kuratierten Newsfeeds vermitteln Newsletter das Gefühl der Kontrolle und Einfachheit, obwohl sie es längst nicht mehr sind. Beispiel: Lorenz Maroldts Checkpoint-Newsletter aus dem Hause „Tagesspiegel“ ist ein eigenes Medium geworden, überflutet mit Informationen in schlechtem Layout. Scheint aber nur wenige zu stören.
Newsletter sind auch besser vermarktbar geworden – und das wird neue Formate erzeugen. Schon versuchen sich einige Medien an Branchennewslettern. Die meisten davon sind aber aus meiner Sicht für Experten zu wenig Gewinn bringend oder völlig überfrachtet. Insgesamt aber spiegeln sie nur das Prinzip des Chefredakteurs-Newsletters wider: eine Nachrichtenkuratierung zu einem bestimmten Thema.
Da geht noch mehr. Ich glaube, dass auch in Deutschland die ersten Newsletter als eigenständige Medien begreifen werden und nicht als Abfallprodukt der täglichen Arbeit. Der „Tagesspiegel“ testete in diesem Jahr einen Newsletter namens „Background“, der sich mit den digitalen Aspekten der Politik beschäftigt – kundig geschrieben, aber eine solche Bleiwüste, dass zumindest ich ihn nicht lesen mag.
Ein Beispiel für eine andere Herangehensweise ist Obsession von Quartz. Hier beschäftigt sich die Redaktion in der Tiefe mit einem scheinbar profan erscheinenden Thema. Weinkorken, zum Beispiel. Oder Tetris. Dieses wird über mehrere Rubriken aufgefächert und liefert dadurch einen unterhaltsamen und guten Überblick. Ist es vermessen davon zu träumen, dass ein deutsches Medienhaus diese Idee ruchlos kopiert und ich demnächst solch einen Einblick bekomme in weniger profane Themen wie etwa §219a, Haushalts-Shutdown in den USA oder Crispr?
Natürlich können auch über die Tonalität neue Akzente gesetzt werden. Das demonstriert The Skimm in den USA, ein Nachrichtennewsletter für junge Frauen. 7 Millionen Abos zählte er im Oktober und ich schätze, dass in der Redaktion sehr viel darüber diskutiert wird, wie jeder einzelne Satz klingen muss. Anders lässt sich eine derart durchgänginge Tonalität nicht erreichen.
Sprich: 2019 könnte in Mediendeutschland das Jahr der Newsletter-Experimente werden.
Podcast boomt in den Massenmarkt
Nur um es nochmal hinzuschreiben: Es gibt keine sinkende Aufmerksamkeitsspanne. Die Menschen, vor allem die jüngeren, haben nur keine Lust und keine Zeit mehr, ihre Aufmerksamkeit für uninteressante oder mittelschlecht gemachte Medieninhalte zu verschwenden.
So werden Youtube-Formate schon jetzt immer länger. Kein Wunder, denn mobile Screens werden immer besser und die Übertragung auf Geräte wie Apple TV oder den Amazon Fire Stick immer einfacher: Youtube gehört gemeinsam mit Netflix und Amazon Prime zu jenen Plattformen, die das lineare Fernsehen Stück für Stück erwürgen
Erst seit diesem Jahr ermöglicht iTunes ähnliche Podcast-Statistiken wie Youtube. Befürchtet wurde unter Podcastern, dass Hörer gar nicht so lange dran bleiben, wie erhofft. Doch die Angst war unbegründet: Die „Stickyness“ bei Podcasts ist immens hoch – obwohl es Podcasts von bizarrer Länge gibt. Beispiel: Das tolle „Alles gesagt“ der „Zeit“, ein Podcast mit nur einem Interviewgast und einer Länge von drei bis fünf Stunden.
Was auch 2019 in Deutschland nicht kommen wird: ein journalistischer hochwertiger Serien-Podcast im Stil von „Serial“. Zwar war die dritte Staffel von „Serial“ mit 50 Millionen Downloads der erfolgreichste Podcast aller Zeiten – doch weiterhin will niemand in deutschen Redaktionen Geld in solche Formate stecken. Schade. Und in Sachen Werbeeinnahmen eine vergebene Chance.
Dafür jedoch werden manche überrascht sein, wie schnell Podcaster zu Stars werden. Wir sehen das jetzt schon bei „Die Lage der Nation“, einem Format, das sich mit der scheinbar so drögen Politik beschäftigt: 75.000 Abrufe waren es zur Jahresmitte pro Ausgabe, jüngst bespielten die beiden Macher in Mainz ein Live-Publikum von 800 Leuten.
Oder „Fest & Flauschig“. Sicher, da sind mit Jan Böhmermann und Olli Schulz zwei Stars am Werk. Aber trotzdem – ein Podcast, dessen Liveaufzeichnung die Alsterdorfer Sporthalle füllte.
Ebenfalls unter dem Radar der massenmedialen Wahrnehmung des Comedy-Podcast „Gästeliste Geisterbahn“, dessen Team natürlich auch auf Tour ist.
Immer mehr Menschen entdecken diese Audioformate und ihre Macher erleben auch in anderen Mediengattungen einen ordentlichen Aufstieg. Und natürlich werden auch reichlich Werbegelder in Audioformate fließen.
Social Media-Sieger: Instagram und Pinterest
Viele Menschen haben das Gefühl, die Welt gehe den Bach runter. Das ist rational gesehen Unfug, denn abgesehen vom Klimawandel hat sich unser Leben in fast allen Regionen der Welt in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gebessert. Doch das Gefühl ist eben da.
Im Social Web zieht es die Nutzer deshalb zu Happy Places, zum Beispiel geschlossenen Gruppen Gleichgesinnter auf Whatsapp oder im Facebook Messenger. OK, ich weiß, dass die Kita-Whatsapp-Gruppe das Gegenteil eines Happy Place ist…
Genauso profitieren bildorientierte Plattformen. Denn jene bessere Welt sorgt auch dafür, dass wir Menschen mehr vorzuzeigen haben, was schön ist, vom Gegenstand über unser Essen bis zur Reise.
So erklärt sich unter anderem der Aufstieg von Instagram. Instagram ist die Welt des Schönen und deshalb gerade für weniger Digitale ein Zufluchtsort – und ein exzellenter Ort für Werbung, die hier eher akzeptiert wird.
2019 wird Instagram deshalb in der Bedeutung Facebook als Nummer-1-Plattform in der westlichen/industrialisierten Welt ablösen. Noch nicht in der Nutzungsintensität, da ist es noch ein weiter Weg, aber eben in der Mühe, die Menschen in Postings stecken und der gefühlten Bindung.
Doch es gibt noch so einen Happy Place und er wird 2019 nicht mehr so ignorant behandelt werden, wie bisher: Pinterest.
Im Herbst veröffentlichte die „Wired“ ein sehr interessantes Interview mit Pinterest-Designchef Evan Sharp. Unter anderem sagte er:
„It’s hopefully a positive place where they feel creatively inspired. I think people grossly underestimate how much the way an environment is designed can affect the way they behave and feel. We have an ethical responsibility to create environments that let people feel empowered, inspired, and encouraged rather than these behavior-modification empires that are being built.“
Technisch hat Pinterest in den vergangenen Jahren einige bemerkenswerte Dinge vorangebracht, zum Beispiel ein Bilderkennungssystem für Produkte. In diesem Herbst engagierte der Dienst mit Andrea Mallard erstmals eine Marketingchefin, was ihn weiter voranbringen sollte. Sprich: Pinterest wird spannend.
Nachtrag vom 8.1.19: Auch für Deutschland verpflichtet Pinterest einen neuen Top-Manager – von Amazon kommt Philip Missler als Country Manager.
Peak Onlineshopping (Nachtrag vom 4.1.19)
Das Onlineshopping kann so nicht weitergehen. Logistikdienstleister sind an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt, Umweltaspekte werden stärker thematisiert, Städte beginnen Pläne gegen die Kleinstraßen verstopfenden Lieferbotenfahrzeuge anzugehen. Die Folge werden steigende Logistikkosten und somit steigende Preise für Onlinebestellungen sein. Dies wird den stationären Handel wieder attraktiver machen. Erst recht, weil große Kaufhäuser und Malls ihre Immobilien immer besser bespielen und so aus dem Einkauf ein Erlebnis machen – Experience Marketing wird gerade im Handel eines der Buzzwords des Jahres 2019 werden.
Wiedervorlage: E-Privacy disruptiert die Onlinewerbung
Nun aber.
Derzeit scheint die Bundesregierung in Brüssel auf Zeit zu spielen, geht es um E-Privacy-Verordnung (EPVO). Ein Grund dürfte die herbe Kritik der Wirtschaft an der Datenschutzgrundverordnung sein.
Doch ein weiteres Jahr Verzögerung in Sachen EPVO? Schwer vorstellbar.
Wie sie en detail ausfällt, ist offen, sogar offener als vor einem Jahr. Und doch wird sie genügend Sprengkraft besitzen, um einen weiten Teil der Onlinewerbebranche zu zerlegen. Gehörige Elemente des Werbetargeting und der Datensammlung für Big Data-Anwendungen werden verschwinden, Verbraucher werden jede Menge irrelevanter Werbung angezeigt bekommen, dies wird die Werbepreise einbrechen lassen – mit erheblicher Auswirkung für Onlineredaktionen (allerdings wird das erst 2020 so richtig eintreffen).
Entgehen können Marken dies mit Content-Strategien und Native Advertising. Natürlich werden nicht alle Budgets in dieses Feld fließen, wir werden aber eine teilweise Umschichtung in diese Disziplinen sehen.
Und wir werden mit einigem Abstand die großen Sieger der EPVO sehen (das allerdings nicht mehr 2019, so schnell geht das nicht): Amazon, Facebook und Google. Denn ihre abgeschlossenen Systeme machen weiterhin gezielte Werbung möglich.
Wiedervorlage: Wizards Unite – der Sommer des Harry Potter
So! Jetzt! Ja! Eine Insel! Ein Augmented Reality-Spiel!
Mit diesem Trailer band sich Niantic im November zumindest an das Erscheinungsjahr seines neuen Spiels im Harry Potter-Universum:
Wir dürfen annehmen, dass es im späten Frühjahr oder frühen Sommer erscheinen wird, wieder werden wir blockierte Straßen und marodierende Jugendgruppen erleben.
Ob der Zauber hält? Das lässt sich erst sagen, wenn wir das „Wizards Unite“ angespielt haben. Und das werden wir. Alle. Also, alle bis auf die üblichen Meckerpötte.
Nun aber wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen prachtvollen und funkelnden Start ins Neue Jahr.
Vielen Dank für’s Mitlesen und Kommentieren!
Kommentare
Gerhard Kürner 28. Dezember 2018 um 17:51
Lieber Thomas Knüwer,
wie jedes Jahr, spannend und unterhaltsam. Danke dafür. Einzige Frage die für mich offen blieb ist das Thema Linkedin, das ja bereits 2018 eine spannende Kurve zog.
LG aus Österreich, Gerhard Kürner
Thomas Knüwer 29. Dezember 2018 um 17:10
Linkedin ist auch in Deutschland auf dem aufsteigenden Ast. Aber ich persönlich sehe da keine drastischen Sprünge.
Dafür gibt es auch einen Grund: Linkedin selbst. Wir betreiben auch Linkedin-Präsenzen für Kunden und ich habe in all den Jahren noch keine Plattform erlebt, die derart instabil ist. Ständig tauchen Bugs von absurden Ausmaßen auf, teilweise werden sie auch nicht beseitigt. Beispiel: Da ist dann mit einem Mal nicht mehr zählsicher auswertbar, wie viele Postings ein Account oder eine Page in einem bestimmten Zeitraum veröffentlicht haben – jedes Mal, wenn man die Seite besucht, verschwinden Postings oder tauchen welche auf.
Und der Customer Support: hilflos.
Anne Fabritius 29. Dezember 2018 um 17:00
Hallo Thomas Knüwer, vielen Dank für Ihren Blick in die Glaskugel. Ich habe noch eine Ergänzung: Die meisten spannenden Artikel finde ich bei blendle. Auch die Entwicklung bei LinkedIn verfolge ich, denn Xing ist meiner Meinung nach nur noch ein Vertriebsportal. Ich glaube auch, dass heute niemand mehr ein Abo abschließen möchte,egal ob die Verlage es als Clubmitgliedschaft oder VIP Zugang verkaufen. Wie sieht denn die Entwicklung von Twitter aus? Was meinen Sie?
Viele Grüße Anne Fabritius
Thomas Knüwer 29. Dezember 2018 um 17:13
@Anne Fabritius: Sowohl bei Blendle wie bei Linkedin bin ich skeptisch.
Blendle: Die Plattform ist weiterhin technisch nicht nutzerfreundlich. Einen bestimmten Artikel zu finden ist schwer, die Nutzerführung unterirdisch. Ob Blendle sich in der Lage sieht, inzwischen Zahlungsbelege auszustellen, weiß ich nicht. <a href="https://www.indiskretionehrensache.de/2016/08/blendle/">Die Tatsache, dass man sich beharrlich weigerte, deutete nicht auf eine sauber aufgesetzte Plattform hin.</a>
Linkedin: Beim Kommentar von Gerhard Kürner schrieb ich schon, dass wir für Kunden Linkedin-Präsenzen betreuen. Ich habe in all den Jahren noch keine Plattform erlebt, die derart instabil ist. Ständig tauchen Bugs von absurden Ausmaßen auf, teilweise werden sie auch nicht beseitigt. Beispiel: Da ist dann mit einem Mal nicht mehr zählsicher auswertbar, wie viele Postings ein Account oder eine Page in einem bestimmten Zeitraum veröffentlicht haben – jedes Mal, wenn man die Seite besucht, verschwinden Postings oder tauchen welche auf.
Und der Customer Support: hilflos.
Simon 30. Dezember 2018 um 10:43
Die Punkte aus 2018 waren sehr interessant, nur "verschoben nach 2019, Punkt für mich" ist zu weich bewertet 😉
Die Bewertung für Blockchain würde ich auch nicht teilen unabhängig von DSGVO. Aus meiner Sicht ist in den meisten Branchen mittlerweile (wie so oft bei IT-Hypes) eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Ja, ist ganz nett, aber im Endeffekt auch nix was man nicht auch anders lösen könnte.
Problematisch aus meiner Sicht ist vor allem der steigende Rechenaufwand (=Energieverbrauch) sowohl für Nutzung in mobilen Szenarien als auch aus Gründen der Nachhaltigkeit.
Stefan Pfeiffer 30. Dezember 2018 um 11:57
Hallo Thomas,
bei aller Wertschätzung sehe ich einzelne Punkte doch anders. Beispielsweise das Thema Live Streaming, das nicht nur meiner Ansicht nach erst im Kommen ist (siehe: https://stefanpfeiffer.blog/2018/12/30/2018-das-jahr-der-livestreaming-projekte-es-zaehlt-der-augenblick-und-nicht-die-inszenierung-mediacampnrw-digitalnaiv-medialabnrw-tknuewer-ichsagmal-com/ und vor allem https://ichsagmal.com/2018/12/30/2018-das-jahr-der-livestreaming-projekte-es-zaehlt-der-augenblick-und-nicht-die-inszenierung-mediacampnrw-digitalnaiv-medialabnrw-tknuewer/.
Auch beim Thema Chatbots bin ich anderer Meinung, siehe u.a. CIMON (https://stefanpfeiffer.blog/2018/11/17/kurz-notiert-gelungene-premiere-cimon-assistiert-alexander-gerst-auf-der-raumstation-iss/), AskMercedes(https://stefanpfeiffer.blog/2018/02/04/das-smartphone-auf-raedern/), der INTER Versicherung mit EVA (Dhttps://www.ibm.com/de-de/blogs/think/2018/01/11/inter-versicherung-chatbot/) – Sorry, als IBMer halt Beispiele, die ich kenne. Der Start in 2018 war sehr gut und in 2019 werden noch mehr Lösungen kommen.
Gruß
Stefan
Erik Hauth 3. Januar 2019 um 9:25
Deine Einschätzungen zu Newslettern und Podcasts teile ich gerne. Vor allem in lokalen Umwelten kann das interessant sein. Dass Die ZEIT Hamburg ihren Newsletter "Elbvertiefung", bei dem ich mitentwickeln und mitschreiben durfte, als zentrales lokales Medium positioniert, liegt auch an dem großen Erfolg, den Mark Spoerrle da verzapft hat.
Einen wichtigen Treiber hast Du imho hier vergessen zu erwähnen: das Drosseln von organischem Traffic auf Social Media Plattformen, vor allem FB. Das beflühgelt Subscription Formate erst recht.
Kuss
Erik
Tim 7. Januar 2019 um 11:29
Glückwunsch zur guten Trefferquote 2018! Und für 2019 sieht es ja auch gut aus. Toi, toi, toi!
<blockquote>Städte beginnen Pläne gegen die Kleinstraßen verstopfenden Lieferbotenfahrzeuge anzugehen</blockquote>
Kurze Korrektur – Paketlieferung <i>entlastet</i> die Kleinstraßen, denn die Alternative ist ja i.d.R.: Fahrt mit dem eigenen Auto in die Innenstadt, d.h. 1-2 Größenordnungen mehr Verkehrsbelastung.
Calvero 19. Januar 2019 um 14:36
>>> Damit verbunden wird eine der bekanntesten Persönlichkeiten des deutschen Journalismus ihren Job verlieren, eine weitere, ebenso bekannte Person, wird imagetechnisch angekratzt werden. >>>
Nun ja, dann ist Cherno wohl nächstes Jahr im Würmercamp? Da wimmelt es ja nur so von bekanntesten Persönlichkeiten.
Und wessen Image konnte denn technisch noch angekratzter werden? H. Burda, P. Welte oder D. Steil?
con2art 9. Februar 2019 um 19:15
Mich wundert, dass nicht einmal etwas zum Thema "Urheberrechtsreform" auftaucht. Diese wird mit aller Wahrscheinlichkeit vor den EU-Wahlen im Mai noch beschlossen. Nicht sofort im Jahr 2019 umgesetzt (ich rechne mit zwei Jahren Vorlaufzeit), aber wie das so ist, werden sicher viele allein schon aus Sicherheitsgründen auf weitere Publikationen verzichten. Und die, die es eigentlich geplant hatten, werden ihre Planungen und Investitionen einstellen, da sie nach Eintreten der Richtlinie sowieso kein Internet mehr haben, in dem sie publizieren könnten.
Und nein, das ist nicht übertrieben.
https://juliareda.eu/2019/02/extremste-version-artikel-13/
Thomas Knüwer 12. Februar 2019 um 11:24
@con2art: Sie haben vollkommen recht. Allerdings sah die Situation in dem Moment, da ich den Artikel schrieb, noch anders aus. Gegen Jahresende schien sich der Unfug rund um Artikel 13 ja zu beruhigen. Ich hätte nicht gedacht, dass die Bundesregierung derart aktiv wird, um die Internetkultur zu zerstören.