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„Blog die doch mal, kann ja auch kurz sein“, forderte mich die geschätzte Franziska Bluhm im vergangenen Dezember auf, „du liest doch so viel“.

Wir sprachen über Bücher und sie traf jene Beurteilung, die ich gar nicht so sehr nachvollziehen kann. Denn im Gegensatz zu anderen Menschen, die ich kenne, lese ich gar nicht so viele Bücher, ein Dutzend sind es vielleicht im Jahr. Die allermeisten lese ich dabei auf dem Kindle, hier kann ich in Sachbüchern leichter markieren, außerdem ist er im Bett leichter zu halten. Meine Ambivalenz, als ich vor drei Jahren den ersten E-Reader kaufte, ist voller Überzeugung gewichen.

Nun denn, liebe Franzi, auf deinen Wunsch hin also mein Jahr 2015 in Büchern:

Tom Standage – Writings on the Wall

Gleich zum Jahreswechsel mein Sachbuch des Jahres (wenn auch schon erschienen 2013). Der Online-Chef des „Economist“ beschreibt darin „die ersten 2000 Jahre von Social Media“. Nein, kein Science Fiction, ganz im Gegenteil. Standage zeigt wie menschliche Verhaltensweisen im Social Web keineswegs als neu anzusehen sind, sondern ihre Wurzeln in der Geschichte haben (was so ein wenig meiner Tante Therese-These entspricht). Was Römer auf Wände schmierten liest sich da wie Hasskommentare auf Facebook, am Hof Heinrichs VIII. wurde gebloggt und die französische Revolution wäre ohne Offline-Foren nur ein lauer Wind gewesen.

Das alles beschreibt Standage nicht nur kundig, sondern auch höchst unterhaltsam – ein herausragend tolles Buch.

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Haruki Murakmi – Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede>/h5>

Eigentlich kann ich mit Murakami nicht viel anfangen. Dieses Buch aus dem Jahr 2007 ist aber kein gewöhnlicher Murakami. Denn der Japaner läuft Marathon und hier hat er ein Essay über das Laufen verlängert in ein Buch. Vieles, was er beschreibt, kann ich nachempfinden, wenn ich selbst trainiere oder bei einem Marathon unterwegs bin. Zwar wirken manche Passagen sehr selbstverliebt, insgesamt aber ein unterhaltsames Werk. Gutes Präsent für alle, die einen Läufer zu beschenken haben.

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Hillary Mantel – Falken

„Seine Kinder fallen vom Himmel.“ Ein Buch, das mit solch einem ersten Satz beginnt, kann nicht schlecht werden. Wird es auch nicht, es ist so grandios wie sein erster Teil „Wölfe“. Mit diesem Biographie-Roman über Thomas Cromwell, den wichtigsten Berater Heinrichs VIII., wurde aus der zuvor nur Feuilleton-Liebhabern bekannten Autorin Hillary Mantel die einflussreichste britische Schreiberin nach JK Rowling. Das war 2009 und Mantel war bereits 57 Jahre alt. Drei Jahre später erschien der zweite Teil, eben „Falken“.

Mantels Sprache ist gewaltig, bunt, wogend, wer Sprache liebt, muss Mantel eigentlich auch lieben. Allerdings: Unanstrengend ist die Lektüre nicht. Denn Cromwells Geschichte ist komplex und ebenso die Verhältnisse am Hof. Das Organigram der handelnden Figuren ist eine sinnvolle Beigabe. Doch das ist es wert, um einen Blick auf eine der spannendsten, historischen Epoche der Menschheitsgeschichte zu bekommen, deren Orte und Momente einem bei England-Besuchen ständig begegnen – eine absolute Leseempfehlung.

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Jeff Jarvis – Geeks bearing gifts

Ein E-Book für Interessierte am Medienwandel und am Journalismus. Jarvis, Professor für unternehmerischen Journalismus an der City University New York, zeigt wie digitale Technik den Journalismus auseinandergenommen hat – und was nötig ist, um ihn neu zusammenzusetzen. Dabei arbeitet er sich vor bis zu den grundlegenden Fundamenten der Journalismus-Branche, ja, sogar zur Frage, was Journalismus überhaupt sein sollte.

Und dann erzählt er aus den Ergebnissen des Studiengangs, den er leitet. Die Studenten müssen dabei auch ein Journalismus-Startup entwerfen und durchrechnen. So entstehen kleine, spannende, neue Ideen, fernab von dem, was in Deutschland so passiert. „Geeks bearing gifts“ hat ein paar längliche Momente, doch trotzdem ist es Pflichtlektüre für alle, die in den Medien tätig sind.

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Oskar Roehler – Mein Leben als Affenarsch

Manchmal ist das Feuilleton nur schwer zu verstehen. Über Roehlers Buch überschlugen sich die positiven Kritiken. „Der schönste, wütendste, eleganteste Berlin-Hass, den es je gab“, schrieb zum Beispiel Johanna Adorjan in der „FAZ“. Gepaart mit dem, was der Verlag schreibt, konnte man den Eindruck gewinnen, es handele sich hier um ein großartig geschriebenes Sittenbild der Kunst- und Alternativszene Berlins vor dem Mauerfall.

Tja, stimmt nur nicht. Roehlers Ich-Erzähler taumelt als Punk zwar durch die Stadt, doch von ebenjener berichtet er auch wenig. Schon vor der Halbzeit geht seine Affenarschigkeit und seine Drogenerzählungsrepetition gewaltig auf den Nerv, stilistisch erreich Roehler selten mehr als gehobenen Durchschnitt. Die durchschnittliche Amazon-Bewertung liegt bei 2,5 von 5 Sternen und liegt meinem subjektiven Urteil damit näher als die Jubelarien des Feuilletons.

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Bov Bjerg – Auerhaus

Unter Blog-Freunden wurde Bergs Buch bejubelt wie das von Roehler im Feuilleton. Allerdings: zurecht. Ich glaube, ich habe 2015 kein Buch schneller gelesen und mich besser unterhalten gefühlt. Eine wundervolle Geschichte von einer Gruppe 18-Jähriger in den 80ern erzählt er, die in ein WG-Haus ziehen, um zu verhindern, dass ein selbstmordgefährdeter Freund in der Anstalt landet. Schwungvoll, witzig, melancholisch und einfach herzerwärmend ist „Auerhaus“ und man wünscht sich, es würde nie enden. Mein persönlicher Roman des Jahres 2015.

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Kai-Eric Fitzner – Willkommen im Meer

Noch ein Buch mit Blog-Hintergrund. Fitzner, Berater und Redner, erlitt 2015 einen Schlaganfall. Freunde aus der Blogger-Szene forderten deshalb auf, sein 10 Jahre altes Buch „Willkommen im Meer“ zu kaufen, um seine Familie zu unterstützen. Das Ergebnis: Das zu diesem Zeitpunkt nur im Selbstverlag via Amazon erhältliches Buch wurde zum Bestseller und wurde deshalb von Knaur unter Vertrag genommen.

Dabei gilt es, das erste Drittel von „Willkommen im Meer“ zu überstehen. Denn an das Lehrer-Weichei Tim als Hauptfigur muss man sich erst gewöhnen, mehrfach möchte man ihm eine reinhauen, wenn seine deutlich dynamischere Ehefrau ihm sagt, wo es langgeht. Mit drohendem Berufsverbot, weil er sich mit Schülern anfreundet, gewinnt die Geschichte aber an Fahrt und wird zur unterhaltsamen Debatte über das Schulsystem. Vielleicht ist es gut, dass Fitzners Buch nicht direkt bei einem großen Verlag gelandet ist. Dort hätten Lektoren sicherlich viele der Ecken und Kanten rausgeschliffen und „Willkommen im Meer“ zum reinen Unterhaltungsroman gemacht. Und das hätte seinen Charme ruiniert.

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Michel Houellebecq – Verwerfung

Kann man dieses Buch lesen und unberührt bleiben? Ich glaube nicht. Durch ein politisches Patt wird Frankreich mit einem Mal von einer muslimischen Partei regiert. Ein Literaturwissenschaftler verliert seinen Dozentenposten, schlägt sich durch und arrangiert sich mit den Verhältnissen. Oder kapituliert er? Aber sollte eine Kapitulation nicht unangenehm sein?

„Unterwerfung“ ist harter Tobak, gerade weil Houellebecq es vermeidet, offensichtliche Ressentiments zu bedienen und das Gedankenspiel in einer gewalttätigen Dystopie münden zu lassen. Die politische Entwicklung des Landes wirkt logisch und nachvollziehbar und das macht das Buch so erschreckend. Leider muss sich Houellebecq aber einiger schriftstellerischer Tricks bedienen, um seine Hauptfigur im Spiel zu lassen und das ärgerte mich.

Trotzdem: „Unterwerfung“ sollte man gelesen haben.

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Paul Mason – Postcapitalsm: A guide to our future

Die Enttäuschung des Jahres. Jeff Jarvis lobte auf Twitter das Buch des englischen TV-Moderators und „Guardian“-Autors und dies ist nur einer der wenigen Momente, da ich mit Jeff überhaupt nicht übereinstimme. Mason erklärt den Kapitalismus für beendet und sieht Hoffnung für die Gesellschaft in einem durch Digitalität getriebenen Postkapitalismus. Doch so weit bin ich gar nicht gekommen, noch vor der Hälfte des Werkes bin ich ausgestiegen (und ich beende nur sehr selten Bücher vor der letzten Seite).

Denn Mason macht einen recht verblendeten Eindruck. Bei prokapitalistischen Ansichten kritisiert er jede kleine subjektive Deutung – geht es in die andere Richtung greift er jedoch selbst so Volten, bei denen sich mein Intellekt beleidigt fühlte. Als er bei der digitalen Wirtschaft auch noch deutliche Wissenslücken präsentierte, war ich dann raus. Noch dazu, weil Masons Stil so fließend und freudvoll ist, wie eine zentralafrikanische Steppe nach sieben Jahren Regenlosigkeit.

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Umberto Eco – Nullnummer

Noch eine Enttäuschung. Eigentlich mag ich Eco, „Das Foucaultsche Pendel“ gehört zu meinen Lieblingsbüchern. Auch das Sujet schien vielversprechend: ein Kriminalroman mit Gesellschaftssatire gepaart, der in einer Zeitungsredaktion spielt.

Herausgekommen ist ein wirres Etwas, das scheinbar nur dem Ziel dient, die dunklen und vergessenen Seiten der italienischen Nachkriegspolitik nachzuerzählen. Doch weder das Grundsetting einer neu zu gründenden Zeitung noch die Charaktere wirken glaubwürdig. Ich habe mich durchgequält.

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Thees Uhlmann – Sophia, der Tod und ich

Ein Roman von Thees! Einem der großen Romantiker der deutschen Gegenwartsmusik! Die Vorfreude war groß und da Enttäuschung oder Begeisterung sich aus der Differenz aus Erwartung und Erlebnis bilden, am Ende auch die Ernüchterung.

Wer Uhlmanns Songs und seine Ansagen bei Konzerten kennt, merkt sofort, wer hier schreibt: der gleiche trockene Humor, die gleiche Freude am Wortspiel und an leicht irren Ideen. Zum Beispiel der, dass es klingelt und der Tod vor der Tür steht. Und es dann nochmal klingelt und der Tod sagt, dass das nicht sein könne, dass es klingelt, weshalb er nicht weiß, was er tun soll. Worauf die letzte Reise des Todgeweihten beginnt, erst zu seiner Mutter, dann weiter zu seinem kleinen Sohn, den er seit Jahren nicht gesehen hat. Das könnte toll werden. Könnte.

Dass Uhlmann „Sophia, der Tod und ich“ mit einer Pointe eröffnet, die er von Harald Schmidt entwendet, ist dann schon traurig. Noch viel trauriger ist es, dass er immer wieder zu merkwürdig platten Wendungen greifen muss, um die Story am Laufen zu  halten und sie dann so vorhersehbar enden zu lassen, wie es vorhersehbarer nicht mehr geht.

Wäre dies ein anderer Autor gewesen, ich würde das Buch in einem besseren Licht sehen. Aber es ist Thees!

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Jürgen Kehrer – Lambertussingen

In meiner Heimat Münster wird pro Kopf so viel gemordet, wie nirgends sonst in Deutschland. Also, literarisch. Zwischenzeitlich gab es ein halbes Dutzend Lokalkrimi-Autoren, die „Wilsberg“-Verfilmungen im ZDF und den Münster-„Tatort“. Begonnen hat all dies aber mit Jürgen Kehrer, dem Erdenker des Wilsberg, dem ich aus alter Verbundenheit die Stange halte.

Die Figur des Wilsberg scheint für ihn auserzählt, weshalb er in den vergangenen Jahren einerseits Nordsee-Krimis schrieb andererseits einen neuen Ermittler erfand: den jungen Polizisten Bastian Matt. Der ist wenig kantig und irgendwie nicht greifbar. „Lambertussingen“ aber ist trotzdem solide Krimiware rund um einen Serienmörder, der sich an der münsterländischen Tradition des Lambertussinges orientiert. Alles in allem nette Unterhaltung für einen Sonntagnachmittag.

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Jürgen Kehrer – Ein bisschen Mord muss sein

Und dann erschien mit einem Mal – doch ein neuer Wilsberg. Vielleicht zu seinem 25. Literaturgeburtstag, denn 1990 erschien der erste Roman. Acht Jahre nach seinem letzten Buch-Auftritt hat sich Kehrer noch einmal seiner Ur-Figur angenommen. Dabei muss man wissen, dass der Buch-Wilsberg ganz anders ist, als der ZDF-Wilsberg: Der Buch-Wilsberg ist ein knorriger, Neurodermitis geplagter Verlierer, kein knuffiger Looser, der sich ständig Autos ausleiht. Vor allem aber ist jener Wilsberg alt geworden, eher resigniert, denn wütend wie einst.

Diesmal bittet ihn ein Studienkollege, inzwischen vom Punkmusiker zum Schlagerstar mutiert, mit der Übergabe eines Geldkoffers seine Spielschulden zu begleichen. Doch bei der Übergabe explodiert das Auto des Schlagersängers mit ihm drin. Es folgt eine Ermittlungshatz durch die Schlagerszene, organisierte Kriminalität und den Münsteraner Karneval. Kehrers Stil wirkt dabei ein wenig verstaubter als in „Lambertussingen“, trotzdem gilt auch hier: solide Krimiware.

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Robert Galbraith – Career of Evil

Zum Jahresfinale noch ein Krimi – und ein richtig guter. Ich mag JK Rowlings Nach-Harry-Potter-Werke alle. Unter dem Pseudonym Robert Galbraith schreibt sie Krimis, alle drei mit dem Ex-Soldaten Cormoran Strike in der Hauptrolle (die BBC verfilmt sie gerade).

Drei Dinge unterschieden die Strike-Romane von dem, was an Spannungsliteratur ansonsten auf dem Markt ist: Rowlings schwungvoller und wortreicher Schreibstil; ihre tiefe Charakterzeichnung, die Einblicke in verschiedene Schichte der britischen Gegenwartsgesellschaft liefert; und die weitgehende Vermeidung extremst blutrünstiger Mordmethoden. Dabei ist „Career of Evil“ ihr bisher blutigstes Werk. Trotzdem ist es weit entfernt von der Metzelei eines Adler Olsen.

Kurz: richtig gute, spannende Unterhaltung.

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