Was will Facebook mit der Virtual Reality-Brille Oculus Rift? Warum gibt das Reich Zuckerberg 2 Milliarden Dollar dafür aus.
Keine Ahnung.
Über die Jahre hinweg hat Mark Zuckerberg aber immer wieder demonstriert, dass er eine Vorstellung davon hat, wie unsere Welt künftig aussehen könnte. Man kann anderer Meinung sein als er – aber sein Unternehmen agiert konsistent. Und deshalb bin ich mir sicher: Zuckerberg weiß sehr genau, weshalb er Oculus kauft. Möglich wäre übrigens auch, dass er Facebook einfach zu einer Holding für Digital-Unternehmen aufbaut, die im Gegensatz zu Google oder Yahoo tatsächlich unabhängig agieren dürfen.
Für mich ist das Milliarden-Geschäft noch aus einem anderen Grund interessant: Es ist der erste große Deal, der von einer Verschiebung der Startup-Finanzierung zeugt.
Bisher gibt es die bekannte Investorenpyramide: Gründer suchen sich einen Angel Investor, Seed-Kapital, dann kommt mit dem Venture Capital der erste fette Geldstrom, normalerweise in mehreren Finanzierungsrunden. Am Ende steht dann meist der Exit in Form des Verkaufs oder des Börsengangs.
Oculus startete anders: Die Brille war zunächst ein Kickstarter-Projekt, das im September 2012 2,4 Millionen Dollar einnahm. Erst neun Monate später stiegen dann VC mit 16 Millionen ein, Ende 2013 folgte eine B-Runde mit 93 Millionen Dollar.
Warum ist das bemerkenswert?
Weil es einerseits das Machtgefüge in Finanzierungsverhandlungen verschiebt: Wer über Crowdfunding bereits handfest Produkte verkauft hat – und Crowdfunding ist ja kein Investment, bei dem Anteile abgegeben werden –, hat gegenüber potenziellen Investoren einen anderen Verhandlungsspielraum als ein Gründer, der noch beweisen muss, dass seine Idee tatsächlich einen Markt hat.
Zum anderen könnte Crowdfunding gerade im Bereich des Internet of Things oder der Connected Objects (oder wie immer wir die Verbindung von Kohlenstoff und Daten nennen möchten) eine große Bedeutung erlangen. Wer in diesem Feld ein Unternehmen starten möchte, dem hilft die Finanzierung durch künftige Kunden gleich an zwei Fronten:
a) Investorensuche: Ein reines Web-Startup lässt sich mit geringen Kosten starten. Wer aber physische Objekte produzieren will, muss in Vorleistung gehen: Er muss eine Fabrik für die Produktion bezahlen, die Logistikwege arrangieren und ebenso den Vertrieb. All das kostet Geld bevor das erste Produkt montiert wurde. Somit ist das Risiko höher und es ist schwerer, Investoren zu überzeugen. Haben sich via Kickstarter, Indiegogo & Co. aber schon tausende von Menschen für den Kauf des Produktes entschieden, ist eine gewisse Marktgröße gesichert.
b) Entwicklung: Die Entwicklung von Hardware-Produkten mit Digital-Anbindung ist erheblich komplexer als die Konzeption eines Web-Dienstes. Ein Beispiel dafür ist die lange Sage der Lifx-Glühbirne, die wir beim IntMag nachgezeichnet haben. Für Gründer bedeutet dies auch, dass sie einen höheren Zeitaufwand in der Startphase benötigen: Neben der Produktentwicklung müssen sie ja auch noch Investoren finden.
„Crowdfunding verändert die Investment-Szene“, glaubt auch Konstantin von Guericke, der Mit-Gründer von LinkedIn und Berater von Earlybird Ventures. Es entlastet Gründer und räumt ihnen gleichzeitig mehr Macht ein. Dies klang auch beim Gespräch von Kickstarter-Mitgründer Yancey Strickler und Yahoo-Tech-Chefredakteur David Pogue auf der SXSW Anfang des Monats durch (Bild oben).
Yahoo testet Kickstarter-Projekte im Bereich Produktdesign während der Crowdfunding-Phase. Pogue: „Ich bin überrascht, wie gut die Produkte aus Design-Sicht sind, gerade weil sie nicht den normalen Genehmigungsprozess eines Großunternehmens durchlaufen haben.“
Eine Milliarde Dollar flossen bisher bei Kickstarter in Projekte, die umgesetzt wurden. Ein Viertel davon ging an konkrete, handfeste Produkte wie Oculus oder die Pebbles-Uhr. „Wenn das Pebbles-Team versuchte hätte, Investoren zu finden, hätte das nicht geklappt“, glaubt Strickler. Einfach weil Investoren kalte Zahlen sprechen lassen: „Kickstarter aber ist voll von Menschen, die sich leidenschaftlich für Produkte begeistern. Die meisten Menschen sind nicht motiviert durch Geld.“ Deshalb glaube ich persönlich auch nicht an das, was manche Journalisten in Deutschland nun behaupten: Dass die Oculus-Crowdfunder sauer sein könnten, weil sie keine Beteiligung am Facebook-Deal erhalten. Wer bei Kickstarter sein Geld gibt, weiß genau, was er rausbekommt – und das ist meist ein Produkt. Während Investoren am wirtschaftlichen Gedeihen der Firma interessiert sind, wollen Crowdfunder ein Produkt umgesetzt und in ihrem Besitz sehen.
Kein Wunder, dass Yancey Strickler auf einer Bühne ein gelassenes, aber ordentlich großes Selbstbewusstsein ausstrahlt. Bei der SXSW sagte er: „Die Welt des Hardware-Designs sieht nach Kickstarter anders aus.“
Ich glaube, er könnte Recht haben.
Kommentare
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