Loic Le Meur (Foto) hat viel gesehen in den vergangenen Jahren. Sein eigenes Startup, Seesmic, hob nie so richtig ab – dann verkauft er es. 2003 gründete er dann eine Konferenz über Internet und Technologie die in diesen Tagen ihre 10. Auflage erlebt: die Le Web.
So steht die 10 auch im Leitmotto der Le Web 2013. Doch es tat gut, dass Web-Vordenker Guy Kawasaki, heute Chef-Berater bei Googles Handy-Sparte Motorola, Le Meur den Zahn zog, jeden Referenten auf der großen Bühne nach den Trends des Jahres 2023 zu befragen: „ Es ist unmöglich, die Zukunft vorherzusagen. Vor 10 Jahren hätte jeder gesagt, das Myspace die Infrastruktur des Web wird. Wer hätte gedacht, dass Apple das wertvollste Unternehmen der Welt werden könnte? 10 Monate vielleicht – aber 10 Jahre? Manchmal ist es besser, die Klappe zu halten.“
Ohnehin lieferte Kawasaki die markigsten Sprüche an diesem ersten von drei Le-Web-Tagen. „Die meisten Powerpoint-Präsentation mit Vorhersagen sind Bullshit“, kommentierte er Startup-Businesspläne. Oder: „Wenn nicht jemand von dir angepisst ist auf Social Media, nutzt Du es nicht stark genug.“ Kawasaki selbst wiederholt Tweets mit Links zu interessanten Artikeln viermal im Abstand von acht Stunden: „Ich erwarte nicht, dass jeder wach ist, wenn ich etwas tweet.“ Das Ergebnis überrascht – denn die Klicks auf den jeweiligen Link vervierfachen sich tatsächlich.
Investieren würde er nur in Startups, deren Grundidee er kapiert: „ Ich verliere lieber Geld in Geschäftsmodellen, die ich verstehe.“ Keinesfalls dürften die um Geld Ersuchenden allerdings mit Patenten argumentieren: „ Wenn mir jemand sagt, er hat ein Patent, lache ich ihn aus. Wenn man Investoren beeindrucken will, sagt man: Wir haben ein Patent beantragt, aber es ist nicht entscheidend für die Verteidigung unserer Marktposition.“
Auch zu Bitcoins hat Kawasaki eine Meinung: „Zu behaupten, Bitcoins sei schlecht, weil Drogen damit gekauft werden ist genauso wie zu sagen, wir sollten kein Internet haben, weil es dort Pornos gibt. Ich kann fühlen, dass sich da eine Revolution zusammenbraut.“
Dieses Gefühlt, dass die digitale Währung noch nicht ihren finalen Zustand erreicht hat, teilt Paypals Präsident David Marcus: „Bitcoins wird keine Währung, bis es die Liquidität nicht senkt. Sobald der regulatorische Rahmen vorhanden ist und die Liquidität sinkt, werden wir uns damit beschäftigen.“
Immer wieder überraschend ist die Entwicklung von Evernote. Einst als Notizdienst gestartet, ist das Unternehmen unter der Führung von Phil Libin zu einer Dokumentverwaltung mit angeschlossenem Projektmanagement mutiert – und das mit reichlich Umsatz.
Details darüber, wie viel Evernote bereits umsetzt, gab Libin in Paris nicht bekannt. Doch zeigte er, wie präzise sein Management agiert. In den vergangenen drei Jahren entstanden drei Einnahmeströme: Einerseits erhalten Nutzer Zusatzfunktionen, schließen sie ein Abo abschließen andererseits gibt es eine Version für kleine Unternehmen.
Zuletzt folgte dann etwas, was verrückt klingt: ein Onlineshop mit Gadgets und Fanartikeln bis hin zu Socken. „Meine großte Angst war, dass niemand etwas von uns kaufen wollte. Drei Tage nach dem Start war meine größte Angst, dass wir die Nachfrage nicht befriedigen können“, sagte Libin. Und die Socken? „Sind fast ausverkauft. Wir bekommen aber neue rein.“
15 Monate dauerte es, bis Evernote mit seinen Abos die erste Million eingefahren hatte. Die Business-Version des Dienstes benötigte fünf Monate. Und der Shop? Nur einen. Dabei helfe jeder der Einnahmeströme den anderen. Rund elf Prozent der Shop-Nutzer seinen noch gar nicht Nutzer von Evernote gewesen, erklärt er. Andererseits helfe der Shop Nutzer zu monetarisieren, die kein Abo abschlössen: „Wenn jemand fünf Jahre unseren Dienst umsonst nutzt, dann aber einen Digital-Stift für sein iPad bei uns kauft, ist das eine ordentliche Summe Geld.“
Ein Börsengang stehe bei Evernote trotz des Erfolgs nicht direkt bevor: „Wir wollen noch mehr Vertrauen aufbauen. Wir wollen etwas aufbauen, dass es verdient, an die Börse zu gehen. In zwei oder drei Jahren werden wir so weit sein.“
Beim Limousinendienst Uber liegt ein IPO noch weiter in der Zukunft. „Wenn mich Leute danach fragen, frage ich immer zurück: Warum?“, sagt CEO Travis Kalanick auf dem Le Web-Podium. 210 Millionen Dollar wird sein Unternehmen in diesem Jahr netto umsetzen, der Außenumsatz – also die Summe der bezahlten Fahrten ohne die Entlohnung der Fahrer – hat die Milliardengrenze überschritten. 500 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen bereits.
Diese Zahlen gelangten jüngst durch das Blog Valleywag in die Öffentlichkeit – das nagt an Kalanick. „Wir haben eine sehr offene Unternehmenskultur, jeder kann die Zahlen sehen. Wenn die dann an die Öffentlichkeit gelangen, muss ich etwas an der Kultur ändern.“
Deutschland dürfte mit seinem hohen Niveau an Taxis mutaßlich kein Top-Markt für Uber werden. Im Gegensatz zu Südamerika, wo Uber Stück für Stück in Metropolen aktiv wird, und Asien: „Es gibt in China Klone unseres Modells mit echter Traktion – das müssen wir im Auge haben.“
Ohnehin zeigte sich Kalanick kampfbereit. Die Uber-Idee, innerhalb von Städten ein Produkt oder eine Dienstleistung (in diesem Fall eine Fahrt) sofort zu bekommen, ließe sich ausdehnen, glaubt der CEO. So ließen sich Rosen für die Angebetete in einer Stadt auch in fünf Minuten liefern. Sollte das aber jemand versuchen, sei Uber kampfbereit: „ Wenn jemand ein Uber für einen anderen Bereich entwickelt, sollten sie damit rechnen, dass wir eines Tages in diesem Markt aktiv sein werden.“
Das war klare Kante in Richtung aller Startups, die überlegen, in den Bereich der innerstädtischen Sofortlieferung einzusteigen. Allerdings: Ob die S-Klassen und Jaguars, deren Fahrer ihre Freistunden via Uber füllen, wirklich Rosen liefern werden?
Am Dienstag Abend lieferten sie erstmal erschöpfte Le Web-Besucher in Hotels und auf Partys ab: In der Digitalszene ist die Nutzung der Limousinen-App bereits ein Statussymbol.
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