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Schweigen. Und Verwunderung. Darüber, dass jemand so so etwas fragt.

„Was ist Technologie?“

Mit dieser simplen Frage brachte Ferran Adrià den prall gefüllten Saal der Digital-Konferenz Le Web zum Schweigen.

Der einst als bester Koch der Welt gefeierte 3-Sterne-Koch sollte eigentlich sein neues Projekt Bullipedia präsentieren. Doch Le-Web-Organisator Loic Le Meur hatte die Rechnung ohne den Koch gemacht: Adrià, der Mitbegründer der Molekularküche, der sein gefeiertes Restaurant „El Bulli“ 2012 schloss, überforderte nicht nur Le Meur sondern auch die versammelten Geeks.

Mit einer Banane betrat er die Bühne und nahm dem Le-Web-Gründer schnell das Heft aus der Hand: „Ich nehme diese Banane und öffne sie. Ist das Kochen?“

Noch murmelte der Saal und tendierte Richtung: nein. Adrià sieht das anders: „Natürlich ist das Kochen. In Japan zahlen sie in einigen Restaurants 800 Dollar für ein Menü und als Dessert bekommen sie einfach Erdbeeren. Kochen ist eine intellektuelle Enttscheidung.“

Gegenprobe, ob der Saal verstanden hat: „Affen schälen auch Bananen. Ist das Kochen?“ Schweigen. „Nein – denn dies ist keine bewusste Entscheidung.“

„Was ist der Unterschied zwischen Obst und Gemüse?“ Erwartete Adrià noch eine Antwort? „Die bewusste Verwendungen. In manchen Gegenden Südamerikas ist die Banane ein Gemüse.“

„Was ist Wasser?“ Ein mutiger Besucher wagte den lauten Einwurf „EIN GETRÄNK“ – und landete auf dem Bauch. Adrià: „Nein! Wenn wir etwas in Wasser kochen, trinken wir es nicht.“

Mit solchen grundlegenden Festlegungen will der Spanier „das Kochen dekodieren: Wir wissen noch immer nicht genug über einfachste Dinge, wie wir seit langer Zeit in der Küche anwenden.“

Was er genau vor hat, verriet er dabei auf der Le Web gar nicht. Doch bekannt ist das Projekt schon: Die Bullipedia soll die umfassende Enzyklopädie zum Thema Kochen und Essen werden. Frühestens 2014 soll sie online für jedermann verfügbar werden. Ein Video verrät bereits mehr:

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Warum nicht direkt ein freier Wikipedia-Ansatz? Hier ist Adrià skeptisch. Er verglich die Suchergebnisse bei Google mit einem unaufgeräumten Kleiderschrank: „Suchmaschinen sind großartig, sie haben die Welt verändert. Aber wir müssen sie hinterfragen. Wir müssen ihre Ergebnisse ordnen. Bei einem Kleiderschrank können wir das. Nur nach welcher Ordnung? Art des Kleidungsstücks? Farbe? Stoff?“

Jede Ordnung ergibt nach Meinung des 51-Jährigen nur Sinn, wenn sie in einem bekannten Kontext steht: „Man kann Dinge nicht klassifizieren, wenn man nicht weiß, was man tut. Darüber denken wir nicht genug nach.“ Aus seiner Sicht sind für gute Ergebnisse erst Fachleute nötig, die ein grundlegendes Raster erarbeiten. Dies gebe auch in der Hochgastronomie. Während der Gast in der westlichen Welt ein Stück Fleisch serviert bekommt, werde es in Japan häufig in der Küche geschnitten – der Koch entscheidet also, wie es am Besten sein soll.

Deshalb werde die Bullipedia erst mit einem Kreis von Experten erarbeitet und dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies müssen aber nicht unbedingt Köche sein: Im Herbst lud er Informatiker, Designer und Spezialisten für Datenvisualisierung ein, Ideen für die Bullipedia zu entwerfen. Die Ergebnisse sind online zu besichtigen.

Und wie war das nun mit der Technologie?

Adrià: „Technologie ist ein Handy. Was ist der Unterschied zwischen Technik und Technologie? Kontext. Das Handy ist ein Instrument, wie ich es bediene, das ist eine Technik. Wenn sie meine Nummer haben, können sie mich anrufen. Dann nutzen sie eine Technologie, die von der Wissenschaft erfunden wurde.“

Klar?

Schweigen.


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