In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jede Woche, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.
Klingt das nicht wie der schlimmste Feind deutscher Doktor-Plagiatoren?
„Das Ergebnis der Untersuchung an der kalifornischen Universität Berkeley übertraf sogar die schlimmsten Erwartungen der Initiatoren: Fast jede dritte wissenschaftliche Arbeit, die Studenten eingereicht hatten, war abgekupfert. Die Texte enthielten keine neuen Erkenntnisse – Plagiate, also, die die meisten Studenten aus dem Internet gezogen hatten…
John Barry, Biochemiker in Berkeley, wollte sich das systematische Abschreiben nicht länger untätig ansehen. Gemeinsam mit einer Handvoll Kollegen begann er eine Suchsoftware zu entwickeln, die Internet-Plagiatoren entlarven sollte…
Heute hat sich Barrys System Turnitin in den USA als Standard etabliert. Mehr als 800 Universitäten und Highschools nutzen den Plagiate-Killer…“
Wahnsinn, oder? Endlich eine Software, die das Engagement von Seiten wie Guttenplag unnötig macht. Nun ist endlich Schluss mit abschreibenden Volksvertretern wie Karl-Theodor zu Guttenberg.
Tja.
Dummerweise stammt diese Meldung nicht aus der Netzwert-Ausgabe vom 13.5.2002. Und schon damals mochte sich niemand des Themas wissenschaftliche Kopisten anzunehmen. Denn Turnitin war nicht nur wegen der Sprache nicht in Deutschland einsetzbar. Tatsächlich hing Old Germany auch in der Digitalisierung der nötigen Literatur zurück – wo nichts zum Vergleichen da ist, kann auch nicht verglichen werden. Vielleicht wäre Turnitin also ein wichtiger Helfer im Kampf gegen Plagiate geworden. So aber kümmerte sich hier zu Lande erstmal keiner um das Problem. Heute ist Turnitin zwar auf Deutsch zu bekommen – doch wird weiterhin kritisiert, dass die Vergleichsquellenlage die Software anfällig für Fehler macht.
So aber war die Stimmung in Deutschland insgesamt in jenem Frühjahr 2002. Der Neue-Markt-New-Economy-Kater lag noch schwer in den Köpfen der Entscheider. Es war eine Zeit in der viele glaubten, das mit dem Internet sei ohnehin bald vorbei. Forrester prophezeite für 2003 schon wieder ein IT-Branchenwachstum von 10%. Denn die Wirtschaft werde wieder anspringen und neue Computer brächten Effizienz- und damit Konkurrenzvorteile. Einzelne Firmen bekamen das schon zu spüren. So verkaufte die spanische Fluglinie Iberia schon 3% ihrer Tickets online – und wollte diesen Anteil in drei Jahren auf 28% steigern.
Diese rosigen Prognosen aber trafen auf taube Ohren, wie Netzwert-Korrespondentin Sigrun Schubert aus San Francisco in der Kolumne „E-Mail aus…“ schrieb:
„Wenige Firmen fühlen sich nach dem Kaufrausch der späten 90er jetzt technologisch unterversorgt, die Nachfrage im IT-Bereich wird wohl deshalb noch eine Weile gedämpft bleiben. Zumal sich die Unternehmen durch düstere Orakel über den gefährlichen Technologievorsprung der Konkurrenz nicht mehr einschüchtern lassen. Wer sich also auf die optimistischen Wachstumsprognosen verlässt läuft Gefahr, wie Odysseus vom rechten Kurs abzukommen.“
In Zeiten da der Stuxnet-Virus, der sich gegen iranische Atomanlagen richtete, sich als Produkt einer US-israelischen Kooperation entpuppt, wirkt eine kleine Meldung in jener Netzwert-Ausgabe geradezu prophetisch. Oder besser: Die Grünen wirken wir Propheten. Denn in ihrem Wahlprogramm 2002 forderten sie,
„dass es auch für das Internet – ähnlich wie bei atomaren Waffen – ein international abgestimmtes Moratorium zur Entwicklung von Cyberwaffen und -kriegskonzepten geben müsse. Mittelfristig wollen die Parteimitglieder eine internationale Konvention zur friedlichen Nutzung des Internet erreichen: Statt Überwachung plädieren sie für IT-Sicherheit. Darüber hinaus fordert die Fischer-Partei den stärkeren Einsatz von Open-Source-Software um ,monopolistische Tendenzen zu durchbrechen‘.“
Bin ich der einzige, der denkt: Die waren schon mal weiter, die Grünen?
Kommentare
Alles nichts neues 8. Juni 2012 um 9:48
Im Artikel von 2011
www.spiegel.de/unispiegel/studium/plagiatsaffaere-guttenbergs-pruefer-schieben-die-schuld-auf-google-a-749409.html
wird auf den Artikel von 2002 verwiesen
www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,221507,00.html
Wer die ct (Offizieller Name ‚ct – Magazin für Computertechnik‘ oder so nur als Hilfe für Leute die wirklich ihre Bibliothek nutzen möchten aber die Spiegel-Artikel sind auch nicht so anders) im Plus-Abo oder Archiv hat, kann auch
„c’t-Archiv, 1/2002, Seite 64
Redakteur: Angela Meyer bzw. Dr. Debora Weber-Wulff
Schummeln mit dem Internet?
Praxistipps aus der Sicht einer Professorin“
heraussuchen.
Als Doktorand muss man oft die Seminare für die Professoren betreuen. Da sollte einem auffallen, das es hinter der Wand hohl klingt, bzw. der Text-Fluss oder Argumentationsweise anders ist, aber die dazugehörigen „…“ und [Quellenangabe] fehlen. Das ist ja das besondere an Plagiats-Such-Algorithmen: Die legalen Zitate sind markiert, man sucht also die umarkierten „Klau“-Zitate. Die guten Autos dürfen in der Feinstaub-belasteten Innenstadt fahren, man sucht die „bösen“ Autos ohne oder mit der falschen Feinstaub-Palette.
Wenn ich kein Schmalband hätte, würde ich zum Test einfach Dr-Arbeiten lesen und schauen ob das Feeling nicht stimmt und es sich wie Patchwork liest und zu sehen ob man die Plagiate durch hinschauen und nicht nur durch Text-Suche in Verzeichnissen, Google oder Archiven findet. Oder wie wenn man Wände abklopft welche einheitlich tapeziert sind aber dahinter natürlich mal Stein, mal Holz, Mal Kabelkanäle o.ä. verbaut ist.
Das Thema ist uralt. Und war auch schon damals bekannt. Ausser den ehrlichen Studenten (die in den USA Kredite über 500.000 $ für ihr Studium aufnehmen müssen und deswegen neulich im TV bei diesem Firmenchef mit der nicht ganz korrekten Diplom-Bezeichnung durchgängig richtig sauer waren weil sie sich für das Abitur ihre Kinder krass verschulden bzw. krass viel bezahlen müssen und Titel nicht auf Bäumen wachsen. Da gab es durchgängig Null Tolerance mit dem Firmenchef.) interessiert das Thema aber kaum jemanden. Es geht wohl oft auch nur um Hörigkeits-Techniken in der Hierarchie.
Plagiieren ist wie Chomsky hierarchisch und nicht jeder schreibt ab. Andere zitieren indirekt oder (eigentlich auch inkorrekt) gibt z.b. keine Quellen an und sucht nicht einmal danach: Beispiele für moderne falsche Legenden sind z.B.: Ethernet bricht bei 50% zusammen und man muss unbedingt (viel teureres) FDDI oder ATM kaufen. Schokolade macht schlank. Es gibt keine Software-Patente. Kupferleitungen können kein Thunderbolt und 10 Gigabit-Ethernet und kein 1Gigabit-Ethernet (insert-next-Speed-Step-here) und keine 480 MBit (USB2-Geschwindigkeit) und man braucht unbedingt Glasfasern. Wenn man ehrlich ist und Quellen sucht, findet man bei vielen Seminarthemen solche Legenden wo jeder vom anderen abschreibt weil es vernünftig klingt, aber es keine fundierten Quellen gibt.
Bei Bewerbungen sollte man 10 Euro im Wartezimmer liegen lassen und Kandidaten welche es nicht sofort am Vorzimmer abliefern, kriegen dann eine Absage. Dasselbe gilt für Plagiatorismus als Moral-Checker-Test. Es gibt wohl Leute, die können oder wollen nicht korrekt zitieren oder zugeben das Infos von woanders stammen. Das gibts übrigens auch in der Presse wo man die echten Quellen dann nicht nennt. Solcher Qualitäts-Leistungs-Journalismus ist dann Vorbild für die Wissenschaft Deutschlands… .
Wenn news.google abgeschaltet wird oder nur noch schweizer und österreichische Medien enthält, weil alle anderen nicht individuell lizensieren können, weil die Verwertungs-Gesellschaft das Exklusivrecht dazu hat, erkennt man auch nicht mehr, das 90-95% der täglichen Meldungen von dpa/dapd/reuters/… stammen und zum Großteil identisch ohne Mehrleistung durchgereicht werden. Weil es dann nicht mehr „120 weitere Meldungen zum gleichen Sachverhalt“ sondern nur noch „5 weitere Meldungen zum selben Sachverhalt“ bei google-News gibt.
Und wegen rot-grün: In England werden manche LTE-Netze gemeinsam betrieben und Britisch Telecom hat 200.000(?) WiFi-Spots während ich hier als Kleinaktionär nicht vor dem T-Shop kostenlos Internet machen darf. In Deutschland muss man 4 LTE- und 4 UMTS- und 4 GSM-Netze betreiben… Wenn Rot-Grün besser gewesen wäre, hätte sie Arbeits-bedingungen erfragt oder Abstimmungen und Umfragen schon 1999 per Internet organisiert. Die hatten das Internet und die Demokratie-Förderung war ihnen egal ! Wir haben mehr als 10 Jahre verloren.