In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.
Viele Digital-Ideen aus der bunten Zeit der New Economy waren gar nicht so falsch. Andere schon. Zum Beispiel die Vorstellung, dass ein B2B-Marktplatz, betrieben von konkurrierenden Unternehmen eine tolle Idee sei. Die Autoindustrie versuchte es mit Covisint – und scheiterte. Am 21.1.2002 berichtete Netzwert dann vom Projekt der Stahlbranche mit Namen „Steel 24/7“. Thyssen Krupp gehörte zu den Gründungspartnern, außerdem Corus aus Großbritannien, Usinor aus Frankreich, Arbed aus Luxemburg und Aceralia aus Spanien. Die letzten drei waren gerade dabei sich zum Konstrukt Arcelor zu verschmelzen.
Die Branche revolutionieren sollte Steel 24/7, ein neutraler Handelsplatz für alle Arten Stahl werden. Außerdem sollte das Angebot Standards schaffen, zum Beispiel einheitliche Dateiformate, die Bestellungen und Abrechnungen erleichtern sollten. Billig war der Spaß nicht: 15 Mill. bis 20 Mill. Euro hat das Projekt vor dem Start schon gekostet. Doch schon damals war mancher skeptisch: „Der Stahlmarkt ist ziemlich klein, da kennt jeder jeden. Das Internet bringt da nur wenig Vorteile“, glaubte zum Beispiel Jürgen Nusser, der Geschäftsführer des Stahlhandelsverbands.
Accenture-Geschäftsführer Stephan Scholtissek ahnte aber, dass Fusionen noch viel mehr Kosten sparen könnten als eine Handelsplattform. Eine gute Prognose: Aus Arcelor wurde Arcelor Mittal, aus Corus wurde Tata Steel. Nur Thyssen Krupp blieb Thyssen Krupp und bekommt heute vorgeworfen, zu klein zu sein. Und Steel 24/7? Wurde am 1.10.2007 eingestellt.
Nicht einstellen aber ein wenig herunterfahren wollte Jörg Tauss seine Fokussierung auf Netzpolitik. Ein Panel deutscher E-Business-Entscheider hatte den SPD-Mann zum kompetentesten Web-Politiker in Deutschland gekürt, noch war er der wegen seiner Ruppigkeit der „Rambo von Bruchsal“ und nicht jene obskure Person, die angeblich auf eigene Faust gegen Kinderpornographie ermittelte – und deshalb zur Persona non grata wurde.
Netzwert interviewte Tauss – und es ist erstaunlich, wie viele Teile des Gesprächs heute nur wenig anders klingen würden, spräche man über Netzpolitik in Deutschland. Zum Beispiel:
„… meine Position zu Sperrungen oder zum Cybercrime-Abkommen ist unverändert kritisch. Es darf so nie in nationales Recht umgesetzt werden… Da gibt es diesen Vorschlag von Erwin Huber für Sendezeiten im Internet. Ich dachte erst: natürlich, CSU, Staatskanzlei, hahaha. Allerdings kam mit dem Düsseldorfer Regierungspräsidenten prompt einer aus dem eigenen Stall und legte noch dazu. Ich bin begeisterter Sozialdemokrat – aber das allgemeine Problem in Sachen Internet ist noch immer die erschreckend geringe Sachkenntnis dieser Leute. Das geht quer durch die Länder und alle Parteien. Bei den Innenministern ist es eine durchgehende Katastrophe, wenigstens um das Bundesinnenministerium steht es ein bisschen besser.“
Und dann war da noch die Sache mit der digitalen Signatur. Das Thema wabert seit Anbeginn des E-Commerce durch Deutschland. Immer wieder heißt es, eine digitale Signatur für rechtssichere Geschäfte sei dringend geboten. Nur hatten die Verbraucher einfach keine Lust auf Kartenlesegeräte und ähnliche Hindernisse. Und so schrieb damals in Netzwert Christiane Schulzki-Haddouti wahre Worte über die digitale Signatur:
„Die Hersteller konzentrierten sich allein auf die technische Sicherheit und glauben, wenn die digitale Unterschrift rechtlich sicher ist, würde sie auch Anklang finden. Entscheidend für die Akzeptanz bei Kunde und Bürger ist aber eher ein niedriger technischer Aufwand gepaart mit mühelosem Einsatz und niedrigen Kosten.“
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