In diesem Blog lesen viele mit, die ansonsten wenige Berührungspunkte mit den Extremdigitalen haben. Für all diejenigen ist dieser Artikel.
Denn diese Leser werden sich heute vielleicht wundern, warum zum Beispiel die englischsprachige Wikipedia heute eine schwarze Seite zeigt. Dies ist ein Protest gegen ein US-Gesetzesvorhaben, das einerseits europäische Seitenbetreiber tangiert – andererseits in seiner Absurdität kein rein amerikanisches Problem ist. Denn Europa ist keinen Deut besser.
Jener Stop Online Piracy Act (SOPA) und der Protect IP Act (PIPA) sind das Ergebnis des übergroßen Einflusses der Film-, Fernseh- und Musiklobby auf Politik. Vergessen wir nicht: Diese Branchen sind verglichen mit dem Maschinenbau, den Autokonzernen und anderen Industrien wenig bedeutend. Doch schaffen sie es in der Politik überdurchschnittlich Gehör zu finden – vielleicht, weil der gemeine Volksvertreter sich in der Nähe des Glamours fühlt.
Das Ziel von Sopa und Pipa: Internet-Zugangsanbieter, zum Beispiel die Telekom, sollen gezwungen werden, Inhalte proaktiv zu überwachen. Außerdem sollen Inhalte ohne juristisches Verfahren gesperrt werden. Diese sollen dann auch in Suchmaschinen nicht mehr angezeigt werden, eine Verlink wäre strafbar.
Das klingt – so man dem überkommenen Copyright-Gedanken anhängt – vielleicht auf den ersten Blick sogar ansatzweise vernünftig. Tatsächlich aber verbirgt sich dahinter chinesisch anmutende Zensur. Denn was im einen Land eine Rechtsverletzung ist, muss es im anderen nicht sein. Und ohnehin würde das ja kein Richter entscheiden – sondern der Internet-Anbieter auf Geheiß der Inhalte-Konzerne.
Klingt ja zunächst nur nach einen Google-Problem. Nur: Sopa und Pipa betreffen auch Social Networks. Wer also zum Beispiel auf Facebook einen Link zu einem Video weiterreicht, das in Deutschland vollkommen problemlos ist, von einem US-Musikkonzern aber fälschlicherweise als Raubkopie beanstandet wird, könnte damit rechnen, dass Facebook sein Profil löscht.
Schon heute gibt es ausreichend ungerechtfertigte Sperren. Erst jüngst berichtete Leo Laporte, Gründer des Web-Talk-TV Twit in seiner Sendung, dass Youtube ständig Episoden von ihm löscht – obwohl keine Rechtsverletzung vorliegt.
Die verrückten Amis, also mal wieder? Keineswegs. Auch in Europa gibt es ein ähnlich gestriges, verabscheuenswürdiges Konstrukt, das in der deutschen Politik eher einfach hingenommen wird: das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA).
Auch Acta legt das Urteil darüber, was rechtens ist, in die Hände der Wirtschaft. Die Meinungsfreiheit wird kontrolliert von Konzernen – und der Widerstand deutscher „Netzpolitiker“ (wer verdient überhaupt diesen Titel außerhalb der Piratenpartei?) nimmt dies größtenteils so hin – und die anderen interessieren sich ohnehin mehr für Straßenbau als für Zukunftstechnologien.
Weitere Ausführungen über Sopa, Pipa und Acta können Sie lesen bei der Digitalen Gesellschaft oder bei Joi Ito. Und ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit diesem Thema beschäftigen und vielleicht gar eine E-Mail an Ihren Bundestagsabgeordneten schicken (ihn vielleicht gar anrufen) und ihm oder ihr mitteilen, dass es nicht akzeptabel ist, wenn die Wirtschaft ihr eigenes Recht spricht.
Kommentare
SOPA | lemontreepresse 18. Januar 2012 um 12:06
[…] Oder von Thomas Knüwer bei Indiskretion Ehrensache: Jener Stop Online Piracy Act (SOPA) und der Protect IP Act (PIPA) sind das Ergebnis des übergroßen Einflusses der Film-, Fernseh- und Musiklobby auf Politik. Vergessen wir nicht: Diese Branchen sind verglichen mit dem Maschinenbau, den Autokonzernen und anderen Industrien wenig bedeutend. Doch schaffen sie es in der Politik überdurchschnittlich Gehör zu finden – vielleicht, weil der gemeine Volksvertreter sich in der Nähe des Glamours fühlt. ⇒ Warum Sie wissen sollten, was Sopa ist […]
Thomas Jarzombek 18. Januar 2012 um 12:28
Ich freue mich auf Zuschriften: thomas.jarzombek@bundestag.de . Gerne aber auch zum Straßenbau 😉
Schwarz « Düstere-Grenze 18. Januar 2012 um 18:58
[…] Und warum sollte es schwarz sein? Weil heute „Blackout-Day“ ist. Die Wikipedia, Google und viele andere protestieren heute gegen SOPA, dem Stop Online Privacy Act. Warum dieser so Protest so wichtig ist, könnt ihr hier nachlesen. […]
Sopa, Pipa, Acta | Zeugs & Gedöns: Technik 18. Januar 2012 um 19:17
[…] Indiskretion Ehrensache gibt’s noch mal schön komprimiert zu lesen, warum die englischsprachige Wikipedia heute nur […]
Max 19. Januar 2012 um 2:12
Hallo, wer sind Sie denn und warum schmeissen Sie das hier so in den Raum, wozu würden Sie gerne Zuschriften erhalten? Wie kann man Ihnen helfen, ach nein Sie sind in der CDU Ihnen wird schon auf andere Art und Weise geholfen, nehme ich an. Netzneutralität soso, dazu gibt es eine Rede von Ihnen. Wollte mir das nun nicht ganz angucken, hat meinen Eindruck von Ihnen (spontaner, grossmütiger Einwurf da geht es dann halt weiter in meinem Kopf) aber bestätigt. Gerne aber auch zum Straßenbau 😉 ach ja, gehen Sie doch mal mit klarem Verstand in die Sache rein, sicher sehen Sie dann dass das von Ihnen keine grosse Leistung war hier. Nehmen sie ihren Auftrag doch bitte auch hier etwas ernster. Gerne auch durch einen Austritt aus der CDU, wenn die Zeit reif ist 😉 (das klingt jetzt wohl etwas einseitig, aber was soll denn so ein Beitrag unter diesem hier, sie drehen sich da doch offenbar Ihren eigenen Mist in die Richtung zusammen, fragen sie mal Hernn Schäuble nach seinen Visionen, aber nun für sie geht es um das stramme Maß, richtig? Nach den Fehlleistungen Ihrer Regierungen und dem allg. Unsinn den sie unters Volk nebeln, wundern Sie sich bitte nicht über diese, meine Reaktion 🙂 Guten Abend!
bjoern kaas 19. Januar 2012 um 10:37
acta – die fakten und die infos…
http://www.stopp-acta.info
Wirtschaftswoche – Sebastian Matthes: SOPA: Warum uns diese kryptische Buchstabenfolge alle angeht « ungedruckt 19. Januar 2012 um 11:50
[…] auch bei uns verändern können und warum sie unbedingt verhindert werden müssen, wurde hier und hier schon höchst lesenswert ausgeführt. Brillant erklärt die Sachlage aber auch der prominente […]
Markus 19. Januar 2012 um 22:57
@bjoern kaas: Die Seite enthält leider kaum Fakten und Infos. Die wenigen Fakten und Infos sind leider vollkommen veraltert und geben einen alten Diskussionsstand wieder.
Ansgar Heveling als Fleisch gewordene Nicht-Wählbarkeit der CDU 30. Januar 2012 um 17:38
[…] der Überschrift “US-Amerikanische SOPA-Gesetzgebung weist in die richtige Richtung.” Meine persönliche Meinung zu Sopa hatte ich ja bereits einmal aufgeschrieben: Wäre dieser Gesetzentwurf durchgekommen, hätte er das freie Internet, die Wirtschaft und die […]
Wochenrückblick 05|12 1. Februar 2012 um 9:12
[…] Warum Sie wissen sollten, was SOPA ist […]
Wert 2.0 6. März 2012 um 18:33
[…] DoS-attacks at a time. Territorialherren versuchen, ihre alten Gebiete zu schützen und fahren mit SOPA, PIPA und ACTA schwere Geschütze auf. Es gibt Friedensverhandlungen zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und der […]