In der Serie “Netzwert Reloaded” verfolge ich jeden Montag, was das Team von Handelsblatt Netzwert vor exakt 10 Jahren über das digitale Geschäft schrieb. Durch das Projekt Wiredkann es allerdings zu Verzögerungen kommen. Alle Netzwert-Reloaded Folgen finden Sie hier.
Wenn die Titanen der IT-Welt sich erstmal in ein Thema verbissen haben, dann lassen sie so schnell nicht los. Im Jahr 2011 ist das bei Patenten so: Egal ob Google, Apple oder Microsoft – sie verklagen sich gegenseitig und kaufen sich vor der Nase jene Unternehmen weg, die Patente haben. So wie Google, das nun eben 12,5 Milliarden Dollar für Motorola ausgibt – vor allem als Schutz vor Patentklagen.
Vor zehn Jahren gab es eine ebensolche Manie. Damals ging es darum, Claims abzustecken, wie Netzwert-Westküsten-Korrespondentin Sigrun Schubert in der Kolumne „E-Mail aus San Francisco“ schrieb. Wer automatisch auf dem Bildschirm eines Nutzers zu sehen ist, der erlange erhebliche Vorteile, so lautete die Strategie. Vor allem AOL und Microsoft lieferten sich heiße Kämpfe darum, wer das Logo seine Online-Zugangs automatisch auf de Desktops von Laptops und PC bekommt. Auch damals wurde viel Geld verbrannt – gebracht hat es wenig.
Gar nicht mehr investieren wollten dagegen viele Unternehmen der klassischen Branchen. Dabei wäre das Jahr 2001 ein gutes gewesen, um durch neue interne Kommunikationsmittel die Firmenabläufe effizienter zu machen. Per Instant Messenger, zum Beispiel. Darum drehte sich die Netzwert-Titelgeschichte am 30.7.2001. Die Marktforscher von Gartner schätzten, dass schon die Hälfte aller US-Angestellten Dienste wie den AOL Messenger oder den von Microsoft beruflich nutzten – meist ohne Wissen der Arbeitgeber. Erst in den folgenden Jahren würden die Programme dann geblockt werden.
Schon damals gab es Varianten, die mit der Unternehmens-IT konform waren. Lotus Sametime, zum Beispiel. Doch gerade in Deutschland sperrten sich viele Firmen. Sie ließen eine wilde E-Mail-Kultur einkehren, die bis heute nachwirkt: Wenn Entscheider über Informationsüberflutung klagen, geht es meist um Mails. Umso unverständlicher, dass in den wenigsten Unternehmen eine explizite E-Mail-Policy zu finden ist.
Ebenso unerklärlich ist es, dass Deutschlands Politik zu keinem Zeitpunkt digitale Themen vorangetrieben hat.
Damals berichtete Netzwert über die Bemühungen Tony Blairs in Großbritannien. Der hatte das Ziel gesetzt, bis 2005 alle Briten mit schnellen Online-Anschlüssen zu versehen. Weiß jemand, ob er das geschafft hat? Zu 100% anscheinend nicht, denn 2008 besuchte ich für das „Handelsblatt“ das Örtchen Alston, das sich per Selbsthilfe online brachte (noch immer eine der schönsten Erlebnisse, die ich als Journalist hatte). Blair hatte sogar einen E-Minister, den jungen Douglas Alexander, ernannt. Doch entlud sich über ihm die Kritik: Den meisten Bewohnern des Königreichs gingen die Dinge nicht schnell genug. Geschadet hat es ihm nicht, Alexander ist weiter im Polit-Geschäft.
Tja, und in Deutschland gibt es weiterhin bestenfalls schwammige Erwähnungen digitaler Technologien in Wahlprogrammen. Und auch im Jahr 2011 warten wir weiter auf eine große, kundige netzpolitische Rede von irgendwem im Bundestag.
Weiter hinterher humpeln auch Deutschlands Sportclubs. Schon vor 10 Jahren machen die US-Ligen vor, dass die Bewegbildvermarktung im Web, und ebenso geschlossene Fan-Bereich, Geld machen können. Die Bundesliga vergab zwar Hörfunkrechte – aber kümmerte sich nicht weiter drum. So übertrug die Berliner Altus Analytics Spiele live im Web – die Reporter saßen jedoch nicht vor einem Mikro, sondern telefonierten. Aber anders gab es damals eben keine Möglichkeit, das Spiel des Lieblings-Clubs komplett zu verfolgen. Immerhin: Es hörten bis zu 10.000 Nutzer zu. Doch das war und ist bis heute nicht zu vergleichen mit den USA. Schon damals zahlten 100.000 Baseball-Fans 9,95 Dollar pro Saison, um die Radioübertragungen der MLB-Liga zu hören.
Und auch heute ist Deutschland zurück. Wer sich die geschlossenen und kostenpflichtigen Angebote der Bundesliga anschaut, wähnt sich bei Amateur-Clubs, verglichen mit dem, was beispielsweise die englischen Vereine auf die Beine stellen.
Tja, und dann war da noch der Sex. Was war das wieder für ein Aufschrei in den konservativeren Teilen der Handelsblatt-Redaktion, als Netzwert über Erotik-Seiten im Web schrieb. Und dass die Geld machen. OK, zugegeben: Die Bild-Überschriften-Kombination war ein wenig gewagt für eine Wirtschafts- und Finanzzeitung…
Kommentare
Jochen 31. August 2011 um 21:29
So ganz ist die Bemerkung zu den Fußballclub-Webseiten nicht nachzuvollziehen.
Was stimmt, ist die Tatsache, dass die MLB schon sehr früh auf eine Vermarktung im Web gesetzt hat. Da haben nicht nur Fußballclubs hinterhergehangen, sondern auch NBA, NHL und NFL. Auch heute ist noch ein deutlicher Unterschied zwischen MLB und dem Rest erkennbar.
In Bezug auf die Bewegtbildvermarktung fehlt hier auch die Differenzierung, dass der europäische Profisport sich nun mal primär durch Pay-TV finanziert. Freilich sollte das keine Hürde sein, kostenpflichtige Webangebote anzubieten. Das System der TV-Finanzierung der US-Profiligen ist jedoch grundlegend anders (Vermarktung entweder national über Network-Sender oder lokal über Kabelsender, TV-Sender generieren neben den Kabelgebühren sonst nur Werbeerlöse). Im Grunde war die Basis der heutigen IPTV-Angebote der Ligen schon vorher vorhanden: Wer nicht nur das lokale Team sehen will muß zahlen und kauft zusätzliche Spiele. Dies wird durch Übernahme der lokalen TV-Bilder gewährleistet.
Europäische Pay-TV-Sender benötigen grundsätzlich Exklusivität, sonst können sie gleich aufhören, zudem produzieren sie ihr Programm selber und übernehmen nicht, wie in den USA das Angebot der Sender, die das Spiel lokal produziert.
Der Wettbewerb zwischen Sky und Telekom ist aber da schon ein interessantes Experiment, wie sich direkte Konkurrenz von eigentlich gleichem Inhalt entwickelt. Paradoxerweise darf die Telekom aber ihr Angebot ja nur über ihre Plattform verbreiten. Bundesligaübertragung via www sind Sky vorbehalten.