Eine digitale Spaltung geht um in Deutschland. Nicht zwischen arm und reich, jung und alt oder Digital Natives und der Generation Web 0.0. Nein, der digitale Graben geht mit einem mal mittenmang durch klassische Medienhäuser.
Einerseits gibt es da jene, die verzweifelt um Subventionen kämpfen. Sie nennen es Leistungsschutzrecht, diese Subvention. Sie fußt auf leicht nachweisbaren Lügen, über dieses Thema habe ich hier ja schon mehrfach geschrieben. Glücklicherweise verdichten sich die Hinweise, dass Deutschlands Politiker nicht auf die unverfrorene Lobbyarbeit der Medienhäuser reinfallen.
Und dann sind da die anderen. Online-Redakteure meist. Gut vernetzte Online-Redakteure, Online-Redakteure, die ihren Job lieben, die Spaß haben und das Web als das ansehen, was es ist: eine Riesenchance für den Journalismus.
Solche Vertreter ihres Berufsstandes sitzen nicht immer dort, wo man es gemeinhin direkt vermuten würde – also in den großen Verlagen. Das soll nicht abwertend gegenüber lokalen Zeitungshäusern gemeint sein. Es wäre einfach nur logisch, dass dort, wo mehr Geld vorhanden ist, mehr Innovationen sprießen.
Tatsächlich aber sind viele Instrumente des digitalen Journalismus ja frei verfügbar. Und so hängt es nur noch vom Mut und der Innovationsfreude der Anwender ab, wo wer als erster neue Wege geht. Denn: Aus Medienhäusern selbst kommen ja keine Innovationen. Wie auch? Sie sind vermutlich die einzigen Unternehmen ihrer Größe in egal welcher Branche, die sich keine Forschungs- und Entwicklungsetats leisten. Zumindest gilt dies für die meisten Verlage.
Und so kommt die Innovationsfreude in diesen Tagen aus Osnabrück und Dortmund, namentlich aus den Online-Redaktionen der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ und der „Ruhr Nachrichten“. In beiden Häusern experimentierten Redakteure nämlich mit einem höchst spannenden, neuen Instrument namens Storify.
Storify ermöglicht es auf sehr einfache Weise Geschichten, hier also: Nachrichten, mit Hilfe persönlich ausgesuchter Online-Quellen zu erzählen. Das sieht dann am Beispiel der „NOZ“ so aus:
Elegant, nicht wahr? Die handelsübliche Story „Was das Internet dazu sagt“ lässt sich nun ganz neu ergänzen. Das Einbinden von Storify-Zeitläuften in Nachrichtenseiten sollte dabei kein technisches Problem sein. Die „Ruhr-Nachrichten“ demonstrieren das am Beispiel der Meisterschaft für den BVB.
Nur: Was sagt die Verlagsspitze dazu?
Sie wettert in diesen Tagen doch gegen genau dieses Vorgehen. Das Übernehmen von News-Schnippseln (Snippets im Jargon) um sie in einen neuen Kontext zu setzen. Weil genau dies massenhaft passiere (wofür die Verleger weder einen Beweis liefern noch öffentlich den gemeinten Dienst Google News anklagen), soll doch das Leistungsschutzrecht her. Und nun gehen ihre eigenen Redakteure her und entreißen anderen Quellen ihre Snippets.
Und mit was? Mit Recht. Denn genau das liegt ja im Leserinteresse. Die Menschen sind doch blöd, sie wollen die Möglichkeit, Originalquellen zu sehen. Und sie sind Links gewöhnt. Nur Nachrichtenseiten verlinken eben nicht, „mein Leser gehört mir“ lautet das Nordkorea-Credo.
Die Redakteure von „Neuer Osnabrücker“ und „Ruhr-Nachrichten“ haben erkannt, dass Social Media den Kunden tatsächlich zum König gemacht hat. Und dass es fruchtvoller ist, diesem König zu dienen als sich in Subventionsbetteleien zu verlustieren.
Man wünschte sich, Verlagsmanager würden einfach mal häufiger auf ihre Redakteure hören.
Kommentare
Dirk 4. Mai 2011 um 6:26
Sehr schöner Text, und ein interessantes Tool, dieses Storify.
Ich hatte aber das Gefühl, dass im drittletzten Absatz ein „nicht“ fehlt, ohne das hört es sich ein bißchen wie Leserbeleidigung an. 🙂
r3v 4. Mai 2011 um 6:40
Schöner Artikel und danke für die Links auf die beiden Zeitungen. Die Art und Weise der Verlinkungen gefällt mir. So sehen die Artikel aus wie Internetseiten. IM INTERNET! Das ist der totale Wahnsinn! 😀
Ich wünschte das wäre ironisch aber wie du schon schreibst ist das ja keine Selbstverständlichkeit.
Satz des Jahres:
“mein Leser gehört mir” lautet das Nordkorea-Credo.
slowtiger 4. Mai 2011 um 11:14
Vor mehr als 35 Jahren habe ich als Schüler mal die Osnabrücker Zeitung besichtigt, damals noch mit ratternden Linotype-Maschinen gesetzt. Es freut mich sehr, daß „meine“ alte Zeitung den Anschluß nicht verpaßt hat.
Strogg 4. Mai 2011 um 21:19
„Sie nennen es Leistungsschutzrecht, diese Subvention. Sie fußt auf leicht nachweisbaren Lügen, über dieses Thema habe ich hier ja schon mehrfach geschrieben. Glücklicherweise verdichten sich die Hinweise, dass Deutschlands Politiker nicht auf die unverfrorene Lobbyarbeit der Medienhäuser reinfallen.“
Ich hätte es eher so formuliert:
Das LSR ist dermassen absurd, dass selbst die entsprechenden Politiker Probleme haben, diesen Lobbywunsch durchzubekommen.
Nicht, dass sie es sonst etwa nicht tun würden.
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