Und dann war da am Wochenende noch diese Meldung, die einerseits hoch interessant ist – andererseits ein Zeugnis für verfehlte Kommunikationspolitik der Bundesregierung.
Möglicherweise hat Angela Merkel am Wochenende ein Zeichen gesetzt in Sachen Internet: Sie will nicht, dass dieses Feld zum Spielball im Kätzchenkampf der CDU/CSU-Minister wird. Denn egal ob Ursula Zensursula von der Leyen oder Ilse Aigner: Wann immer eine PR-Schub nötig ist, muss das Netz herhalten. Jüngst brillierte bei diesem Unsinn auch Familienministerin Kristina Schröder. Wie die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ sehr schön nachzeichnete, attackierte sie das Kinderkartenprojekt von der Leyens mit dem Argument der Bewegungsprofile von Kindern. Ganz nebenbei sei dieser Artikel zur Lektüre empfohlen, weil er erschreckend darstellt, wie inkompatibel das Vor-sich-hin-Doktern der Ministerien mit der Idee einer vernetzten Gesellschaft ist.
(Foto: Shutterstock)
Nun aber meldet sich Merkel doch zu Wort – nur hat es kaum jemand gemerkt. Der Grund: Sie sprach mit der „Bild“. Dort sagte sie:
„Zum großen Teil liegt es an einem selbst, was man im Internet von sich preisgibt. Der Staat muss die Privatsphäre aber schützen, wo der Einzelne zwar Schutz in Anspruch nehmen möchte, ihn aber nicht selbst herstellen kann. Genau darüber berät die Bundesregierung derzeit intensiv…
Aber wir müssen unsere Vorstellungen vom Recht auf Datenschutz der sich immer weiter verändernden Netzwelt anpassen, ohne den Endgedanken eines freien Internets aufzugeben.“
Ich werte dies als klares Signal, dass Merkel erkannt hat, wie sehr sich die undurchdachten Gifteleien, die im Fall von der Leyen sogar nachweislich Lügen enthalten, dem Image der Regierung schaden. Und ich bin mal gespannt, ob die jüngsten Ungereimheiten aus dem Hause BKA in Sachen Kinderpornographie irgendeine Wirkung zeitigen. Wäre ich Minister, ich würde Internet-Themen derzeit etwas vorsichtiger angehen. Denn Merkel ist zwar angeschlagen – aber immer noch die Chefin.
Warum aber haben auch die an Netzpolitik sehr interessierten diese Aussagen kaum mitbekommen? Es mag an der „Bild“ liegen. Sie platzierte das Interview in ihrer 3D-Ausgabe (lustige Idee – machte mir aber ein wenig Kopfschmerzen) unter Fotos, die das Kanzlerbüro erkären – und so gingen die Zitate unter. Aus Sicht des Bundeskanzleramtes wäre es wahrscheinlich sinnvoller gewesen, man hätte einem in der digitalen Öffentlichkeit stärker wahrgenommenen Blatt die Chance zum Interview gegeben, zum Beispiel der „FAS“ oder gar Spiegel Online.
Kommentare
Splitter 26 « … Kaffee bei mir? 30. August 2010 um 19:43
[…] hat ein Geheim-Interview gegeben. Frage mich nun, ob es Kalkül oder Dösigkeit war, ein so stark beobachtetes Thema […]
Sandra 31. August 2010 um 14:22
… wenn schon mal was kommt, wird es auch noch unter den teppich gekehrt… schön dass die jounalisten die meinungsherrschaft an sich reißen…
AMUNO 1. September 2010 um 23:35
Immer wieder schön zu sehen, dass nicht jeder lernrenitent ist 🙂
Gruß
AMUNO
Wir opfern weite Teile unserer Privatsphäre freiwillig und aus rationalen Gründen | Leander Wattig 2. September 2010 um 3:55
[…] diesem Hintergrund finde ich ebenso wie Thomas Knüwer bemerkenswert, was unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel in der BILD zum Thema privat vs. […]
Das digitale Wahrnehmungsproblem der CDU 7. September 2010 um 13:26
[…] ist zumindest mein Eindruck, nach den vergangenen Wochen. Da war zunächst Angela Merkel, die sich von einem wie auch immer gearteten Internet-Gesetzt distanzierte. Damals schrieb ich es noch dem Interviewpartner “Bild” zu, dass ihr Interview kaum […]