Mit dem, was die Deutsche Telekom als Service bezeichnet konnte ich in den vergangenen Monaten reichlich Erfahrungen sammeln. Letztlich funktioniert wieder alles, doch gewinnt man als Kunde mit T-Home-Entertain-Defekt schnell Einblicke in die fundamentalen Sorgen des pinken Konzerns.
Das Problem ist nicht generelle Unfähigkeit, tief sitzende Unfreundlichkeit oder Unwille zur Freundlichkeit. Immer wieder traf ich am Telefon oder in meiner Wohnung auf freundliche und bemühte Mitarbeiter. Andererseits gibt es auch Telekomiker, die wortlos auflegen, wenn man sich beschwert. (Foto: Shutterstock)
Doch hatte ich den Eindruck, dass das System T unter zwei Makeln leidet. Zum einen fehlt es an einer grundlegenden Datenbank mit technischen Problemlösungen. Praktisch jeder Techniker hat seine eigene Interpretation eines Defektes. Sicher: Es gibt Handbücher und Standardabläufe. Doch treten mit zunehmenden Software-Updates und neuen Gerätekombinationen Macken auf, die noch nicht in jenen Standardwerken zu finden sind. Sie werden gralesk von Techniker zu Techniker weitergegeben – oder eben auch nicht. Anscheinend aber gibt es keine Sammelstelle für diese neuen und vielleicht selten auftretenden Zwischenfälle. Es mangelt an einer Wissensdatenbank und Know-how-Management.
Das andere Systemkarzinom ist die Anonymität des Dienstleistenden. Die Telekom gewährt keinen direkten Zugang zu ihren Hilfskräften. Kunden erhalten keinen festen Ansprechpartner und keine Handynummern der Techniker. Die Angst dahinter: Kunden würden dann eben nur noch jene Mitarbeiter anrufen, die ihnen genehm sind. Das ist nachvollziehbar. Doch macht die Telekom ihr Problem zu dem des Kunden – und das darf eigentlich nicht passieren im Reiche eines Dienstleisters. Die Kunden müssen damit kämpfen, bei jedem Anruf von Null anzufangen. Es ist den telefonischen T’lern auch nicht begreiflich zu machen, dass der Ärgerpegel steigt, soll man alle drei Router zum dritten Mal rauf und runter fahren. Die einzelnen Maßnahmen, die der Kunde selbst vornimmt werden anscheinend nirgends festgehalten.
Insgesamt entsteht so ein Bild der Hilflosigkeit. Und das wieder macht den Kunden wütend. Denn jenes Unternehmen, das ihm technische Dienste anbietet soll doch bitteschön alles sein – nur nicht hilflos. Und wie ich schon mal schrieb: Mitleid oder Geld – ein Unternehmen bekommt von seinen Kunden immer nur eines davon.
Aufgrund dieser Grundkonstellation regt sich bei mir auch eine gewisse Skepsis, angesichts des jüngsten Projektes der Telekom: Kundenhilfe per Twitter.
Seit heute ist der Account @telekom_hilft online. Eine Mannschaft von T-Mitarbeitern scheint Twitter zu scannen auf der Suche nach Telekom-Kunden. Das Team wird halbherzig auf einer Seite vorgestellt. Mit halbherzig meine ich: Vornamen, Kürzel und Bilder sind keine Vorstellung. Darunter hängt eine Pseudo-Tagcloud, die sich nicht anklicken lässt – merkwürdig.
Und nun machen sich die Damen und Herren auf die Suche nach ärgerlichen und twitternden Telekom-Kunden – oder natürlich auch zufriedenen. Das Vorbild ist klar: Comcast – der US-TV-Kabelkonzern mit 34 Mrd. Dollar Umsatz, dessen Chef Brian Roberts sagt: „Twitter hat die Kultur unseres Unternehmens verändert.“ Auch dort gibt es ein Team, das in Social Media nach Kunden sucht und deren positive Reaktionen bestärkt – und Probleme zu beheben versucht. Dabei reichen ein Dutzend Mitarbeiter – eine überschaubare Investition für ein Unternehmen dieser Größe. Nun ist die Telekom noch einiges größer – das Image von Comcast aber noch um einiges grottiger.
(Foto:Shutterstock)
Die ersten Stunden von @telekom_hilft verlaufen ordentlich. Es entsteht tatsächlich Kommunikation, die Zahl der Follower steigt. Natürlich wird man so nur einen geringen Teil der Kunden erreichen können – aber eben jene, die offensiv kommunizierenden.
Die entscheidende Hürde aber dürfte sein, ob das Twitter-Team zum einen echten Einfluss hat: Kann es tatsächlich dafür sorgen, dass ein Techniker ins Haus geschickt wird? Zum anderen aber muss es sich zeigen ober nicht all der gute digitale Wille letztlich an der Service-Grundstruktur des Konzerns scheitert.
Ein spannendes Experiment ist es aber definitiv. Es könnte einen Maßstab setzen – positiv wie negativ.
Kommentare
bosch 5. Mai 2010 um 16:45
Das ist doch ein ganz hübscher Marketingeffekt. Solange aber der Großteil der Telekomkunden bei Beschwerden aller Art bei promovierten Kunsthistorikerinnen landet, die als schlechtbezahlte Leiharbeiterinnen in einem Callcenter sitzen, dürfte sich insgesamt wenig zum Guten wenden.
T-Fail: weiterhin kein VDSL, wo VDSL schon läuft … · blogdoch.net — jetzt wird zurückgeblogt 5. Mai 2010 um 18:23
[…] nur noch 100m bis zur Realität …Super, die Telekom läßt nun unter @telekom_hilft twittern — aber ob das gegen grundlegende Probleme wie schlicht falsche Datenbestände, die durchaus […]
readsalot 5. Mai 2010 um 21:33
Die Frage ist doch eine andere: Wer im GeizIstImmerNochGeil-Land würde einen Cent drauflegen (pro wasauchimmer) um damit passablen Kundenservice zu erwerben? Antwort: Kaum einer. Meckern ist ein Lieblingshobby hierzulande.
Da könne Berater noch so lange schwadronieren darüber, wie nett es wäre, hätten alle Techniker einen Plan (oder zumindest Zugang zum Tcom wiki), usw.
Das kostet Geld. Geld hat grad kaum einer, und die die es haben, sitzen drauf und sparen wo sie können. Also wird auch Dienstleistung und Gedöns nicht gewertschätzt.
Aus dem Leben gegriffenes Beispiel: Ich wohne in einer Gegend, die bevölkert ist mit innerstädtischen Akademikern, z.T. inkl. Nachwuchs in der großzügig geschnittenen Altbauwohnung im Jugendstilhaus. Von fünf guten Restaurants im Viertel, ist eins übrig. Von geschätzt 9 Restaurants (inkl. Frittenbuden wo man sitzen kann) sind alle noch da. Ich habe hier keinen Bock mehr auf Essen gehen, in dem Laden wo das Essen noch gut ist, ist der Service des Grauens. Da sitzen jetzt also Leute mit durchaus akzeptablem Netto-Haushaltseinkommen und essen Formfleischschnitzel. Weil es billiger ist. Die Gastro-Höllenbetriebe sind im Boom. Die Qualitäts-Gastro ist weg. Wegen ein paar Euro mehr.
Moral von der Geschicht: Klar wäre es schön, wäre der Service gut und das Produkt. Aber bitte billig. Ist sowohl Produkt als auch Service schlecht, aber billig, dann geht das schon okay. Jeder was er verdient. Das macht die TCom schon richtig. Und die paar motivierten Techniker kann man sicher irgendwo entsorgen bald.
Andreas Wollin 6. Mai 2010 um 7:54
Was die Vorstellung der Mitarbeiter angeht: Mehr als den Namen und deren Kürzel brauche ich persönlich nicht. Genügt doch völlig, oder?
@readsalot: Qualität hat ihren Preis, das stimmt. Aber die Telekom legt diesen hohen Preis von vornherein auf ihre Produkte um, nicht auf den Service. Telefon, Internet… all das ist mit 100%iger Wahrscheinlichkeit irgendwo anders billiger als beim Magenta-T. Und Internet-Fernsehen bei der Telekom? Startet (!) bei rund 55 Euro/Monat. Sprich, will man was „Gescheites“, muss man schnell ein paar Euro drauf legen. Wenn man sich das schon leisten kann, dann erwartet man auch einen ordentlichen Kundenservice.
Nathanael 6. Mai 2010 um 8:40
Wirklich fraglich, ob einem sowas die Wut aus den Segeln nehmen kann. Wahrscheinlich in vielen Fällen ja. Nun geht es aber noch bedeutend schlimmer, als bei der Telekom: 1&1 zum Beispiel wirft einen (Stand letzter Herbst) nach einer Stunde aus der kostenlosen Hotline. Mitten im Gespräch und nach einer ganzen Stunde auch vermutlich in der Nähe von etwas, das einer Problemlösung zumindest nahe kommt. Folge: Neuer Anruf, alles auf Null, das ganze Spiel von vorne und die Hoffnung, einen Hotliner zu erwischen, der es innerhalb der Stunde schafft, das simple Problem zu lösen (z.B. Techniker schicken, weil zum Anschlusstermin keiner kam, aber eine Dose geschaltet werden muss). Wo ist Marcell D´Avis, wenn man ihn braucht? Würde es helfen, wenn er twitterte? Möglicherweise ja. Vielleicht auch nicht, wenn die Probleme so offensichtlich systematisch bedingt sind.
Number12 6. Mai 2010 um 14:25
Wenn der Internetanschluss noch funktioniert, dann schicke ich der TCom per Formular (ist auf der Website zu finden) schriftlich mein Problem und gebe an, wann ich angerufen werden möchte. Das klappt immer bestens. Je detaillierter ich den Fehler beschreibe, desto kompetenter mein Gesprächsparrtner. Bisher gab es da nie Probleme.
@Andreas Wollin: Für mich gibt es Gründe, warum ich Internet-TV bei der TCom habe (Grundpaket):
1. insgesamt kommen mich die 60 Euro im Monat inkl. 16000er-DSL-Leitung, Festplattenrekorder und Internet- und Telefon-Flat nicht teurer als das, was ich vorher bei der TCom abgedrückt habe (6000er-Leitung und die beiden Flats).
2. meinen Kabelanschluss konnte ich kündigen, da der analoge Empfang hier in Hamburg komplett scheiße ist und die Programmauswahl äußerst dürftig.
Felix Nagel 7. Mai 2010 um 16:41
Also die Kompetenz von T-System Mitarbeitern kann man schon etwas in Frage stellen. Schließlich ist das nicht Umsonst ein RunnigGag in der Entwicklerszene 🙂
Ich habe den Telekom_hilft Leuten mal geschrieben: wegen der Praxis von tmobile Kunden die gekündigt haben zu Drangsalieren.
Ich hatte fast 2 Dutzend Anrufe in 3 Tagen — alle ohne Gegenüber. Irgendwann hatte ich jemanden dran: die wissen sogar das ihr Wahlcomputer einfach auflegt wenn kein Call Center Agent frei ist. Ratet mal wer das Callcenter betreut…
Beobachtungen aus KW 18/2010 « Visuelle PR – Die Macht der Bilder 7. Mai 2010 um 17:31
[…] Knüwer bleibt skeptisch, ob das Projekt „Kundenhilfe per Twitter“ wirklich gelingt. Denn die Telekom erscheine beim Kundensupport bisher eher hilflos. Es fehle eine […]
_Flin_ 14. Mai 2010 um 12:36
Erfahrungsgemäß sind die Telekom Mitarbeiter freundlich und hilfsbereit. Nur hat man, wenn man sich auf ein komplexeres Problem hat, oftmals die Schwierigkeit, dass die Telekom nicht weiss, was die Telekom weiss.
Da sind die Anschluss- und Kundendaten in 3 verschiedenen Datenbanken, die Serviceinformationen in einer vierten und die Technikinformation in einer fünften. Drum weiss die linke Hand nicht, was die Rechte macht oder gemacht hat.
Ich hab mal eine Woche gebraucht, um herauszufinden, dass da, wo ich wohne (Ortsrand) kein T-Home Entertain verfügbar ist. Musste es mir über die Leitungsdämpfung selber ausrechnen, weil die tollen Verfügbarkeitschecks nicht funktioniert haben, weil ich bei einem anderen Online- und Telefonanbieter war.
Sehr frustrierende Erfahrung, bei dem einem irgendwann die freundlichen Mitarbeiter auch egal sind.
gordon-creAtive.com 3. Juni 2010 um 10:53
Ich habe auch noch zwei krasse Vorfälle zum Thema „Service“:
Kostenpflichtiger iPhone-Tausch zieht sich über 4 Monate, Grundgebühr wird nicht erstattet: http://bit.ly/coKXpz
Telekom verschickt Kundendaten an falsche Person und kehrt Vorfall unter den Tisch: http://bit.ly/anIqIj
[Krtsch] der Woche XV 14. Juni 2010 um 10:29
[…] 4 vorbestellbar. Thomas Knüwer hatte letztens über die Twitterinitiative der Telekom geschrieben. @telekom_hilft heißt sie, und wie ich das sehe verlaufen nicht nur die ersten Stunden ordentlich. […]
Wie Telekom_hilft gestartet ist | Scout24 Corporate Blog 13. September 2011 um 9:32
[…] „Horizont“ bis zur Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, von den Experten Klaus Eck bis zu Thomas Knüwer, zu dpa, Radio Rhein-Sieg und Kieler […]