Kennen Sie Marcel?
Irrer Typ. Hamma.
Lebt in Berlin, der cooooolen Hauptstadt. Der Marcel, der „genießt tagsüber am liebsten ein Stück Käsekuchen bei Starbucks, lauscht dort den Klängen von Pete Doherty und hüpft nachts durch die Clubs mit den Schönen und Reichen„. Ja, so isser, der Marcel.
Krass.
Fett.
Babybabybaby.
Aber, wenn Sie jetzt den Marcel nicht kennen, dann ja vielleicht die Tina. Also nicht irgendeine. DIE Tina aus Los Angeles. Äl Ey, wie wir voll in der Szene befindlichen es aussprechen. Die Tina, die „lebt im Herzen Hollywoods, steht auf Muscle Cars und fährt auch eins, kann Kings Of Leon in Endlosschleife hören, isst am liebsten Sashimi und hat eine gefährliche Schwäche für südkalifornische Surfer.“ Echt Bombe, die Tina, alter Finne, geh mir wech. Babybabybaby.
Das oberammergauwahnsinnsirre an Tina ist das: „Am allerliebsten ist sie allerdings auf der Suche nach den exklusivsten und heißesten News aus dem Leben der Stars und Sternchen.“
Und was die beiden geilen Säue, die Tina und der Marcel, da so erleben in der Welt der Schönen, Reichen , das schreiben sie auf. Für ein Blog namens Vipdip. Da berichten zwei unbekannte Personen über Prominente und Glamour-Themen, obwohl doch der Zugang zu den Vips der Welt für jeden, der darüber berichtet gerade über einen guten Namen führt.
Faktisch ist es ein billigst gemachtes, von jedem Anspruch weit entferntes Angebot, das ohne Rücksicht auf Verluste oder Ansehen fremde Inhalte abschreibt. Eine typische Vipdip-Geschichte zeichnet sich vor allem durch fünf Dinge aus:
- Sie ist kurz, maximal 30 Zeilen kommen zusammen.
- Sie hat einen pseudopersönlichen Anspruch wie „Ich freue mich auf jeden Fall doppelt.“
- Sie ist bebildert mit Agentur-Fotos.
- Sie verlinkt reichlich – aber vor allem zu eigenen Seiten.
Und bis gestern kam sie ohne jedwede Quellennennung aus. Das sah dann so aus:
„Demi Lovato und Joe Jonas sind ein Paar. Das verriet eine laut „People.com“ aufgeregte Lovato auf Nachfragen in der Radioshow „The Billy Bush Show“.“
Bei Vipdip dagegen steht:
„“Camp Rock“-Sternchen Demi Lovato und das Milchgesicht Joe Jonas, bekannt als Frontmann seiner Geschwistertruppe. Und die beiden sind ja so glücklich.
„Er ist einfach unglaublich toll!“ schwärmt die 17-Jährige über den beliebten Sänger, strahlt über’s ganze Gesicht und plaudert liebestrunken aus, dass sie sich schon länger regelmäßig getroffen hätten und sie jetzt mehr wären als einfach nur gute Freunde.
Wir sind gespannt, ob die Beziehung des jungen Glücks in dieser harten Mickey-Maus-Welt auch nur ansatzweise aufblühen kann und ob damit bewiesen wird, dass die Jonas Brothersmehr zu bieten haben als nur dumm in der Gegend herumzugrinsen und seichte Popsongsan die Vorteenager dieser Welt zu bringen. Verdient hätte es Demi auf jeden Fall.“
Das traurige: Vipdip wird nicht von einem minder seriösen Suchmaschinenoptimierer betrieben, oder von einem Teenager der es nicht besser weiß.
Nein, Vipdip ist ein Produkt aus dem Hause Burda, es ist „powered by Bunte“, entwickelt von jener angeblichen Kreativschmiede I-Lab.
Am Montag schickte ich der Burda-Presseabteilung nun ein paar Fragen zu diesem Angebot, die sich vor allem auf die fehlende Quellenennung fokussierten. Knappe Antwort: „Da ist intern eine Diskussion im Gange, wie mit den Quellen verfahren werden soll. Sie werden also genannt.„
Und siehe da: Alles wurde anders. Mit einem Mal werden Quellen genannt und andere Seiten verlinkt. Aber warum muss man erst nachfragen? Warum ist es bei einem Verlag wie Burda nicht selbstverständlich, dass irgendwer auf diese Seite guckt und sagt: „Das kann so gar nicht erst an den Start gehen.“? Das mangelnde journalistische Gespür ist erschreckend.
Nun hat Vipdip ein ganz anderes Problem. Denn mit einem Mal wird klar, wie wenig Substanz dieses Möchtegern-Blog hat. Von Klatsch-Seiten abschreiben und Agentur-Fotos draufpappen, das kann jeder. Dafür brauche ich keine Tina und keinen Marcel, ich brauche nicht Berlin und LA. Das können auch buckelige Hilfskräfte in Ottmarsbocholt-Kattenvenne. Und somit ist Vipdip nicht mehr verwerflich – sondern nur noch ein kümmerlich-trauriges Wegwerf-Angebot.
(Fotos: Shutterstock)
Nachtrag vom 10.1.2011: In aller Stille hat Burda dann im November den Stecker gezogen, wie Klatschkritik in einem Nachruf schreibt.
Kommentare
Thomas 17. März 2010 um 22:10
Tja, dumm klickt halt gut. Ich hoffe, das Ding wird ein grandioser Flop…
ed kayros 17. März 2010 um 23:27
Lieber T.K.,
Äl Ey oder Berlin – was soll da abgehen? Die wahre Mucke läuft in Ottmarsbocholt-Kattenvenne. In Ottmarsbocholt-Kattenvenne? Komm, das hat Kattenvenne nicht verdient…da gibt es nicht mal einen, der in Ottmarsbocholt ’nen Verwandten hat…Wohl sein…
klip 17. März 2010 um 23:43
Selten so gelacht. Wie länge hält sich der „blog“ mit den tollen „Inhalten“ noch? Ein, zwei Wochen? 😉
trillian 18. März 2010 um 8:12
*räusper*
Da hat sich einer mit dem „O“ vertan. Denn Kattenvenne ist eher Ostbevern denn Ottmarsbocholt zuzuordnen.
…und schade, dass für so einen inhaltsleeren Blog auch noch Geld ausgegeben wird.
volkergläser 18. März 2010 um 8:47
super für die klaren worte thomas… klare kritik wenn sie berechtigt ist kommt an… weiter so… die burdas und co sollen mal aufwachen – die leben auf ihrem medienthron und kopieren was das zeug hält, dabei gibt es mittlerweile eine flut an blogggern die den job des journalisten tausdend mal besser machen als die „zum teil saturierten“ bei burda.
Marcel 18. März 2010 um 10:41
Naja, wenn ein alternder Herr sonst keine Freuden mehr im Leben hat, außer zwei ambitionierte Blogger an den Pranger zu stellen, dann lassen wir ihm den Spaß mal einfach. Jeder braucht schließlich ab und zu einen erhöhten Puls im zweiten Frühling.
63mg 18. März 2010 um 11:11
Höhö, „ambitionierte Blogger“ ist gut …
Dandy 18. März 2010 um 11:25
Es gibt inzwischen ganz viele dieser suchmaschinentechnisch relevanten Blogs. zum Beispiel die in der Linkliste bei VIPDIP verlinkten und wiederum bei den in der Linkliste verlinkten verlinkten – Asilia (schreibt Produktposts zu Schönheitsprodukten), Lesmads (schreibt amerikanische Portale ab), etc. etc.
Als Versuchsobjekt – schließlich sind die Bezahlblogger im Vergleich zu Redakteuren sehr günstig in der Unterhaltung – sicherlich tauglich. Sobald das aber in die Vermarktung geht, macht sich damit Burda nicht nur den eigenen (Qualitäts)namen, sondern auch die Preise für die Anzeigen madig. Denn Werbung auf diesen Blogs kostet ein Bruchteil als die Werbung in den eigenen Internetseiten.
Aber wie gesagt: Das ist halt Marktforschung, ausprobieren was im Internet alles so geht… Bloggen für lousy Pennys – und zwar in jeder Hinsicht. Mehr davon, Herr Knüwer!
bingfan 18. März 2010 um 14:37
Herr Knüwer, es ehrt Sie, dass Sie bei Burda Qualitätsmängel rügen.
Sie haben doch sicher den Artikel in der FAZ gelesen, Dr. Burda: „Die Einnahmen decken bei den meisten Angeboten nicht annähernd die hohen Kosten, die für die Erstellung qualitätvoller journalistischer Inhalte aufgebracht werden müssen.“ Nun wäre ja eine Lösung, weiterhin hochwertige Inhalte zu erstellen und die Vermarktung so kompetent durchzuführen, dass eine Refinanzierung möglich ist. Die Alternative: die journalistische Qualität so zu senken, dass mit den niedrigen Einnahmen die Gewinnzone erreichbar ist.
Wenn die Vermarktung scheitert, hat auch der Qualitätsjournalismus im Internet verloren, weil nicht mehr quersubventioniert wird von Print, TV, Hörfunk etc.
Michael 18. März 2010 um 15:43
@marcel
„Ambitioniert“ ist mein kleiner Rehpinscher auch, wenn er sich in Mamas Hausschuhe verbeißt. Als Definition für Qualität also denkbar ungeeignet.
Was den „alternden Herren“ angeht: Ich kenne Herrn Knüwers Geburtsjahr nicht, möchte Ihnen aber gerne mitteilen, welches Lied meine Frau Großmutter gerne auf den Lippen hatte: „Mir san jung, mir san dumm, aber lustig sam’mer halt…“
Thomas Knüwer 18. März 2010 um 15:46
@Marcel: Ein Hinweis, dass Sie jener Marcel von Vipdip sind, hätte der Transparenz geholfen. Erstaunlich, dass Sie als eigenen Absender dann wieder Ihr Projekt Amy&Pink angeben.
Sascha Pallenberg 19. März 2010 um 5:49
Tina ist seit Jahren im Online Marketing tätig und das Web 2.0 kennt sie nicht nur, sie lebt es auch.
ich hab mich so weggelacht und dann auch noch die trotzige reaktion des „ambitionierten“ bloggers hier.
ersetzbarer sackgassen content, der sich zusammengeklaubt wird. sorry, aber die beiden haben soviel mit bloggen zu tun, wie meine oma mit technik und werden mit karacho vor die wand fahren. man schaue sich nur mal den sensationellen traffic an, den der auftritt erzeugt.
„Was Perez Hilton kann, können Tina und Marcel schon lange“
die beiden racker sind nicht ambitioniert, die leiden unter groessenwahn!
fremdschaemen 2.0
Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit 9. August 2010 um 21:48
[…] und mit dem vagen Versprechen, irgendwann irgendwas zu zahlen. Andererseits rühmt sich der Verlag Blogs, die aus plumpem Abschreiben bestehen und erst (und dann zögerlich) Quellen verlinken, wenn sie einen auf die Finger […]