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Medienunternehmen fordern redaktionell gern Transparenz – bleiben die aber selbst meist schuldig. Zumindest, wenn es um ihre Wirtschaftsdaten geht. Veröffentlichen müssen sie, doch so mancher schiebt das möglichst weit nach hinten und stellt dann in aller Stille seine Bilanz beim Bundesanzeiger ein. Der allerdings hat eine schlichte, funktionale Web-Seite, bei der jeder Medienjournalist eigentlich mal gelegentlich vorbeischauen sollte.

So findet sich dort seit vorgestern die Bilanz des Waz-Konzerns. Die Bilanz von 2008, wohlgemerkt. Kerndaten: 1,255 Mrd. Euro Umsatz, 11 Mill. Euro Verlust. Unschön. Noch unschöner, dass schon die Bilanz des Vorjahres nur doch Verkäufe über Wasser gehalten wurden. So heißt es:

„Der deutliche Rückgang des Konzernjahresergebnisses von + 199,9 Mio. € auf – 11,1 Mio. € ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass dem im Vorjahr realisierten hohen Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf einer Beteiligung im Geschäftjahr kein Äquivalent gegenüber stand.“

Andererseits werden die im Jahr 2009 abgebauten Mitarbeiter zu Wutanfällen neigen, wenn sie lesen, dass ihr Abschied vorhersehbar war:
„Die WAZ Mediengruppe sieht sich im Geschäftsjahr 2008 wie auch im Vorjahr einer übersichtlichen Risikolage gegenüber. Nennenswerte Risiken bestehen zum aktuellen Zeitpunkt nicht.“

Und da hier bei der Indiskretion das Interesse am Bereich Online sicher hoch ist, überlasse ich mal die blumigen Ausführungen für diesen Bereich der Kommentierung durch die Leser:

„Marktchancen werden auch in dem weiteren Ausbau des Online-Portals „DerWesten.de“ über die Landesgrenzen von NRW hinaus gesehen. Die Weiterentwicklung bestehender Bereiche und die Erschließung neuer Geschäftsfelder auf dem Gebiet der Neuen Medien werden auch aus der Kooperation mit einem anderen Verlag erwartet. Daneben werden die mit Partnern betriebenen Onlineportale des Anzeigennetzwerks „markt.grup-pe.de“ laufend an aktuellen Markttrends ausgerichtet.

Zur Steigerung der werberelevanten Zugriffszahlen wird „DerWesten.de“ auf der größten sozialen Netzwerkplattform „Facebook“ vertreten sein, auch wird es eine Zusammenarbeit mit der internationalen Fotoplattform „seen.by“ geben. Neben weiteren Kooperationen sind verstärkt eigene lokale Videobeiträge geplant. Zudem strebt die WAZ Mediengruppe an, ihr Online-Angebot mit Videobeiträgen des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) weiter auszubauen. Auch der regionale Fernsehsender NRW.TV wird Beiträge des Mainzer Senders ausstrahlen können.“

Ja, sogar eine Facebook-Fanseite findet Eingang in den Geschäftsbericht eines Milliarden-Konzerns. So kann man auch mit kleinen Sachen, großen Leuten Freude machen.

Wer an anderen Medienunternehmen Interesse hat, findet im Ebundesanzeiger übrigens auch die Information, dass Dieter von Holtzbrinck 35 Millionen in seine Stiftung gesteckt hat. Oder dass sein Bruder Stefan mit seinem Konzern 2008 bei einem Umsatz von 2,58 Mrd. Euro ein operatives Ergebnis von 130 Millionen erzielt hat. Bei Lokalverlagen muss man manchmal ein wenig graben, bis man die richtige Gesellschaft findet – aber es lohnt sich. Schade, dass Medienjournalisten so selten diese Gelegenheit nutzen.


Kommentare


Dominic 4. März 2010 um 18:05

Leider funktioniert der Link auf den Bundesanzeiger nicht, wohl wegen der Session ID. Kennt sich jemand damit aus, wie man den dauerhaft setzen kann?

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steuerprofi 4. März 2010 um 18:55

„Veröffentlichen müssen sie, doch so mancher schiebt das möglichst weit nach hinten und stellt dann in aller Stille seine Bilanz beim Bundesanzeiger ein. “

Laut kann man eine Bilanz in den Bundesanzeiger ohnehin nicht einstellen – und dass dies erst am Ende des Folgejahres gemacht wird, ist ganz normal und gängig.

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Thomas Knüwer 5. März 2010 um 11:45

@steuerprofi: Das „still“ bezog sich auf die Veröffentlichung insgesamt. Man könnte dies ja auch mal mit einer Pressemitteilung begleiten. Natürlich ist die Verzögerung normal. Nur ist sie wünschenswert? Und sollten Unternehmen, die nach Verfassung eine gewisse Sonderstellung genießen sich einfach „normal“ verhalten?

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