Und wenn Konstantin Neven DuMont (Kölner Verleger und bemerkenswert eifriger Blog-Kommentator) das nächste Mal das Klagelied von den bestohlenen Verlagen anstimmt, so möge man ihn fragen, wie es denn sein eigenes Haus hält?. Ob es zum Beispiel eine interne Anweisung an Redakteure gibt, nicht einfach ganze Textpassagen ohne Quellenangabe abzuschreiben von Online-Angeboten, die unter Copyright stehen.
Genau das hat offenkundig nämlich der DuMont-Ableger „Mitteldeutsche Zeitung“ getan. Für einen Artikel über die beliebtesten Vornamen hat sich das Blatt einen Text ergoogelt, der offensichtlich gleich an drei Stellen von Beliebte-Vornamen.de stammt (worauf mich dessen Betreiber Knud Bielefeld aufmerksam gemacht hat – danke dafür).
Es scheint, so mancher Redakteur ist nicht ganz so enttäuscht von Bürgerjournalismus wie sein Verleger.
Kommentare
Matthias 27. Januar 2010 um 18:23
Und? Was wirds für Konsequenzen haben? Richtig. Gar keine. Es wird weiter fleissig kopiert und gleichzeitig weiter geschimpft, dass es Verlage ja ach so schwer haben. Kein Wunder, dass keiner mehr Zeitungen kauft, wenn’s alles auch kostenlos im Internet gibt. Die Zeitungen sind ja zu 90% nur noch ein billiger Abklatsch und ein Sammelsurium aus Agenturmeldungen und kopierten Texten. Die einzige echte Arbeit steckt wahrscheinlich im Lokalteil. Aber nur, weil’s da nicht viel aktuelles im Internet gibt, was sich ergooglen lassen könnte 😉
Thomas Television 27. Januar 2010 um 19:02
Da hat sich also so ein Redakteur auf dieser Website als ganz normaler User eingeschleust, um hochsensible Informationen über beliebte Vornamen aufzuspüren. Das ist investigativer Journalismus!
@Matthias:
„Die einzige echte Arbeit steckt wahrscheinlich im Lokalteil.“
In dem Falls scheint es sich um einen Lokalartikel zu handeln. „Aschersleber liegen voll im Trend“. Ha, ein echter Profi war da am Werk, der sogar das Thema Vornamen auf die lokale Ebene herunterbrechen kann!
Wenn ich sowas sehe, weiß ich, warum ich keine Lokalzeitungen lese. Aber das ist vermutlich Geschmacksache. Und sicher gibt es in Ascherslber Zeitung auch aufgedeckte lokale Skandale, aufwendige Reportagen und tolle Portraits nicht nur von Kaninchenzüchtern und Harz-Wanderführern. Schließlich handelt es sich um ein Qualitätsblatt aus dem Hause Dumont.
Wieland 28. Januar 2010 um 9:27
„Artikel gelöscht.“ – Schade. Gibt’s den noch irgendwo?
Detlef Valtink 28. Januar 2010 um 15:05
Schnelle Recherche ist leider nicht immer auch gute Recherche. Bei meinem Bemühen, mich breit über das Thema Vornamen zu informieren, habe ich auch die Internetseite von Herrn Bielefeld und Textpassagen daraus für meinen Beitrag genutzt.
Leider ohne – so wie es sich für die journalistische Sorgfalt gehört – die Quelle mit anzugeben.
Diese Nachlässigkeit bedaure ich sehr.
Konstantin Neven DuMont 28. Januar 2010 um 19:33
Lieber Herr Knüwer,
darf ich Sie fragen, was für Interessen Sie verfolgen? Zum wiederholten Mal stellen Sie mich in der Öffentlichkeit falsch dar. Bürgerjournalismus ist eine große Bereicherung für die Medien. Gegenteiliges würde ich nie behaupten. Gleichzeitig vertrete ich aber die Meinung, dass auch in Zukunft professionelle Journalisten für unsere Meinungsbildungsprozesse gebraucht werden.
Sehen Sie denn nicht, dass wir ein offensichtliches Demokratieproblem bekommen? Tendenziell zurückgehende Wahlbeteiligungen und eine zunehmende Politikverdrossenheit bestätigen diese These eindrucksvoll.
Wie Sie wissen, setze ich mich für investigativen Journalismus ein. Leider reicht das nicht. Viele aufgedeckte Mißstände führen zu keinen Veränderungen. Netzinfrastrukturanbieter, Suchmaschienenbetreiber, Gerätehersteller, ÖRR, Autoren/Blogger und Verlage sollten dieses Problem gemeinsam lösen. Es gibt schon viele gute Ansätze.
Freundliche Grüße
Konstantin Neven DuMont
Thomas Knüwer 2. Februar 2010 um 9:46
Lieber Herr DuMont,
ich verfolge keine Interessen, ich vertrete meine Meinung. Jener letzte Absatz war nicht speziell – aber auch – auf Sie gemünzt und enthielt jede Menge Ironie. Aber sie wissen ja, laut Kierkegaard ist die beste Ironie jene, die der Adressat nicht erkennt.
Ja, wir haben ein Demokratieproblem. Jene, die die vierte Macht managen sollen, sind nicht auf der Höhe der Zeit. Sie verweigern sich dem Markt. Und gefährden damit ihre Unternehmen und ihre Arbeitsplätze (selten aber das eigene Wohlergehen, was den Druck dann eben mindert – es werden bequeme Lösungen gesucht).
Warum geht die Wahlbeteiligung zurück? Weil die Bürger sich inzwischen per Internet über die Machenschaften manches Volks-Vertreters informieren. Wie wäre die Zensursula-Debatte denn ohne die Web-Gemeinde gelaufen? Hätte irgendein Redakteur das Thema überhaupt entdeckt? Angesichts der ersten Artikel dazu nicht.
Sie halten sich zugute, etwas für den investigativen Journalismus zu tun. Das ist zu loben. Gleichzeitig fordern Sie dazu auf, sanfter mit ihrer Heimatstadt Köln umzugehen – das geht kaum zusammen. Und es wäre auch schön, wenn Sie (oder ihre PR-Abteilung) die Zusammenlegung der recherchierenden Journalisten ihrer großen Blätter zu einem Reporterpool nicht als Fortschritt verkaufen sondern zuvorderst als Niederlage und wirtschaftliche Notwendigkeit. Das ist nicht ehrenrührig oder verwerflich – Verlage sind Wirtschaftsunternehmen. Aber: Solche Pools, die Inhalte über verschiedene Blätter homogenisieren, sind nicht gut. Jede abgebaute Redakteursstelle senkt die Qualität des jeweiligen Mediums.
King Lear und das Leistungsschutzrecht 26. Februar 2013 um 15:51
[…] Ständig erleben wir Beispiele wie das der “Mitteldeutschen Zeitung”, die sich einen Artikel über Vornamen ergoogelte. Oder nehmen wir jene Massenzitierungen aus Foren (so diese nicht erfunden waren) bei der […]