Ich habe ein Problem: Soll ich Mathias Döpfner noch ernst nehmen, wenn er öffentlich etwas von sich gibt?
Einerseits sollte man das. Der Mann leitet das Haus Axel Springer. Das ist eine Funktion, die Respekt einfordert.
Andererseits äußert er einiges an Unsinn in diesen Tagen. So die Behauptung, es koste in den Verlagen „tausende von Arbeitsplätzen“ wenn das Verkaufen von Iphone- Applikationen kein Erfolg werde.
Sicher, das ist vor allem eine von Grundschülern als politisch zu erkennende Äußerung im kindischen Kampf gegen eine Tagesschau-App. Wenn dem aber so ist, dann darf man eben nicht mehr ernst nehmen, was Döpfner so daher redet. Und das ist bitter. Denn nicht zahlungsunwillige Iphone-Nutzer, ARD oder ZDF kosten tausende von Verlagsarbeitsplätzen – sondern realitätsferne Medienmanager.
Und der Verlust dieser Arbeitsplätze ist ein zu ernstes Thema um ihn für billige Spielchen zu missbrauchen.
Kommentare
Gerold Braun 30. Dezember 2009 um 9:58
Ich verstehe den Hintergedanken nicht, weshalb Springer et al sich so gegen die kostenlos App der ARD wehren. Glauben die wirklich, wenn sie das verhindern, dass dann die Leute das Bezahlangebot von z. B. Bild nehmen? – Das wäre sehr blauäugig. Und in der Tat würde ich mir als Springer Mitarbeiter große Sorgen machen, wenn das die Strategie der Führung ist.
Richard Gutjahr 30. Dezember 2009 um 9:58
Ganz meiner Meinung. Ich gestehe: ich bin öffentlich-rechtlich. Aber ich bin auch ein eigenständig denkender Mensch. Deshalb habe auch ich heute Nacht Herrn D. einen blogpost gewidmet. http://gutjahr.biz/blog/2009/12/von-apps-und-apparatschiks/
Ulrich Voß 30. Dezember 2009 um 12:56
Die Presse versucht jede Art von kostenloser Konkurrenz zu verhindern. Sie merkt dabei nicht, dass sie es nicht verhindern kann. Weil am Ende immer irgendjemand da sein wird, der den Traffic einsammelt, der „übrig“ bleibt, wenn alle anderen auf Pay umgeschaltet haben wird. Denn es ist nicht so, dass man über Werbung kein journalistisches Angebot finanzieren kann, es ist nur so, dass man über Werbung in Deutschland keine 159 Tageszeitungen im Netz finanzieren kann. Fünf oder zehn aber sehr wohl. Und darauf wird es hinauslaufen. 80% der Jounalisten werden ihren Job verlieren. Vielleicht 5% werden sich hinter eine Paywall flüchten können (auch weil sie so originären/speziellen/werthaltigen Content produzieren, dass man dafür bezahlt), der Rest wird bei Spiegel Online, FAZ oder ähnlichen Dickschiffen arbeiten und dort auch werbefinanziert überleben können (weil dort dann 90% der Werbegelder aufschlagen).
Wieso auf einmal das iPhone das einzige seeligmachende Produkt ist, verstehe ich sowieso nicht. Ich habe (bis auf den Finanzbereich) noch keine App gesehen, die ein Presseprodukt so aufbereitet, dass ich dafür zahlen würde. Das sieht doch eher nach massiver Verzweiflung bzw der letzten Hoffnung aus …
Christoph Salzig 30. Dezember 2009 um 15:56
Offen gestanden: Ich kann den ganzen Zirkus um die Tagesschau-app überhaupt nicht nachvollziehen. Ich abonniere sie schon seit Monaten als Podcast, ein Format in dem sie schon seit mehreren Jahren verfügbar ist – ohne irgendeine Regung der Verleger (wissen sie, was das ist?). Es ärgert mich zwar, dass an allen Ecken und Enden GEZ-Gebühren verlangt werden, um diese dann auf jede erdenkliche Art und Weise aus dem Fenster zu pusten (mein Lieblingsbeispiel ist und bleibt der sonntägliche Tatort, den sich jeder um 21.45 Uhr, also just nachdem er im Ersten gerade zu Ende ist, direkt nochmal auf Einsfestival ansehen kann). Fakt ist aber: Die Tagesschau gehört zweifelsohne zu den subventionswürdigen Angeboten des Öffentlich-Rechtlichen. Fakt ist auch: Nicht die Qualität anderer Anbieter, sondern die eigene Qualität entscheidet darüber, ob Leser/nutzer bereit sind, Geld in die Hand zu nehmen. Es muss dies das Credo aller Verleger werden – sonst wird’s nix mit Paid Content!
hape 30. Dezember 2009 um 18:42
„Der Mann leitet das Haus Axel Springer. Das ist eine Funktion, die Respekt einfordert.“
Wirklich? Ich hätte gedacht, dass jemand, der mitverantwortlich für die B-Zeitung ist, jede Form von Respektlosigkeit verdient hätte. Ansonsten würde ich keine Äußerung auf beiden Seiten besonders ernst nehmen. Das sind bloße Propagandaschlachten. Wobei es einen wichtigen Unterschied gibt: Wenn Verleger oder Zeitungen auf dem Kriegspfad Dinge veröffentlich, die mir nicht passen, kauf ich einfach deren Produkte nicht mehr. Wenn über öffentlich-rechtliche Kanäle Propaganda in eigner Sache geblasen wird, die mir missfällt, muss ich das hinnehmen und weiter finanzieren.
lupe 1. Januar 2010 um 13:17
Richtig, hape, ich denke einen Schritt weiter:
Ich kenne keine Funktion auf der Welt, die von mir Respekt einfordern kann.
(1. Achtung, Anerkennung, Bewunderung, Hochachtung, Hochschätzung; (geh.): Ehrerbietung, Pietät, Wertschätzung; (bildungsspr.): Reverenz; (bayr., österr.): Anwert; (veraltend): Ästimation, Schätzung; (bildungsspr. veraltend): Distinktion.
2. Ehrfurcht, Scheu; (ugs. emotional verstärkend): Heidenrespekt.
© Duden – Das Synonymwörterbuch, 4. Aufl. Mannheim 2007 [CD-ROM])
Ich respektiere eine ganze Menge von Leuten.
Doch nur weil irgendwelche Leute eine Funktion ergattert haben, soll ich sie in deren Funktion respektieren? Fällt mir nicht im Traum ein, auch nicht 2010.
Uwe Wallner 1. Januar 2010 um 14:53
Das Merkwürdigste ist doch die Realitätsferne:
iPhone-Nutzer lesen doch nicht die „bild“ oder
andere springer-„zeitungen“.
Die Appkäufer rekrutierten sich in erster Linie aus
Spinger-Mitarbeitern.
PeterB 3. Januar 2010 um 18:55
Wegen einer App zu jammern, deren Inhalte überwiegend auch als news.google-RSS-Feed oder vermutlich auch als RSS-Feed bei ARD oder PodCast usw. zu haben sind, ist armselig. Noch armseliger sind aber diejenigen (auch Presse) die nicht offen klarstellen, welche legalen kostenlosen Angebote es jetzt schon gibt. Viele Leute haben wohl doch noch kein Internet oder kennen Nachrichten-RSS-Feeds u.ä. Dinge nur vom Hörensagen.
Mit den tausenden Arbeitsplätzen hat er aber Recht:
Die EReader und IReader(Apple Tablett) und PDAs usw. werden viele Druckereien ziemlich alt aussehen lassen.
Das Herunterfahren von Papier-Print sollte heute schon geplant werden.
Die Inhalte kann man dann elektronisch beziehen und viel Holz und viel physischer Transport würde gespart.
Was auch gerne übersehen wird: 30 Euro kostet angeblich ein Welt-Abo pro Monat. Da sind 4-5 Euro für die 30-Tage-App schon sehr fair und angemessener als $1 für einen ITunes-Song. Und was kostet das handelsblatt bei Kindle ?
Und Apple hat im Gegensatz zu den anderen Systeme die einfach funktionieren und somit Ärger und Support-Kosten sparen.
Wenn ich DJV wäre, würde ich sowas selber organisieren. 1-5 Euro aufladen über alle Zahlungssysteme die es gibt und nicht zu viel Provision wollen und per Token/PIN/TAN/… Artikel oder Zeitschriften oder alte mehrteilige Reihen von Artikeln oder Heften online kaufen können. Gebühreneinheit ein Zehntel Euro-Cent.
Sowas wäre heutzutage trivial und günstig aufzusetzen und man könnte (wie T-Com bei „Liga Total“) manches altes Material noch mal verkaufen wenn man es effizient(=kostengünstig) aufsetzt.
Sebs 9. Januar 2010 um 16:44
Er hat halt einfach keine Ahnung 😉 Der arme Mann, das gilt btw. auch für Diekmannchen.
2020 – Gedanken zur Zukunft des Internets 27. Juli 2010 um 17:44
[…] sind Hubert Burda, Matthias Döpfner, Bodo Hombach und Jürgen Rüttgers. Pardon, Hubert Burda, Matthias Döpfner, Bodo Hombach und Jürgen […]
Hendrik 30. Dezember 2010 um 13:50
Was keiner bisher angesprochen hat: Zeitungen und ihre
Nachrichten sind an sich kein Genußprodukt, sondern ein ‚Burden‘,
eine lästige aber notwendige Tagespflicht. Obwohl man sich gern mal
in ein Thema vertieft und 5-10 Minuten investiert, bleibt das doch
die Ausnahme. IdR will man nur ‚halbwegs im Bilde‘ sein und die
dafür notwendige Zeit minimieren. Die derzeitigen Online-Angebote
gehen aber genau in die falsche Richtung: Sie wollen
a)Aufmerksamkeit binden („Lies alle News nur bei mir!“) und b) Zeit
binden („Du wirst nur für mich zahlen, wenn ich Dir richtig Stoff
gebe!“). Ein unlösbares Dilemma! Der Nutzer will möglichst schnell
seinen Informationsdurst abhaken, also bevorzugt er kurze Anreißer
a la RSS-Feeds/GoogleReader. Immer kann er bei Bedarf vertiefen,
querspringen, News weiterleiten. Die Verlage kontern mit
Rich-Media, Video, Charts, Interaktivität. Das ist beim ersten
Reinschmuppern aufregend, aber täglich will sich keiner diese Zeit
nehmen, das abzugrasen. So bleibt immer der Gedanke: „Ich nutze es
ja doch nicht“…. und man verzichtet auf den „Qualitäts“-Content.
Es gibt online keinerlei Grund mehr für in sich geschlossene,
redaktionell aufbereitete Publikationen, so wie sie als
Papierprodukt ihre Berechtigung hatten. Für Magazine genauso wenig
wie für Tages- und Wochenzeitungen. Die Verlage müssten ihre
Taktung und Bündelung komplett umstellen. Die Begriffe „Zeitung“
und „Magazin“ gibt es online schlicht gar nicht. Funktionierende
Bezahlplattformen sind auch eine Illusion. Einzig gangbarer Weg ist
sowas wie Flattr, d.h. die Verlage müssen sich wohl oder übel bei
den gewöhnlichen Bloggern einreihen und um Spenden anschreiben,
d.h. aber: die gewöhnlichen Redaktionsmodelle sind obsolet.
Journalisten, die gegen die allgemeine Wahnrnehmung anschreiben,
sind chancenlos. Für mich eine sehr erfreuliche Entwicklung, denn
die üblichen Artikel in Spiegel, FAZ & Co sind heute
meistens bloße Agitprop-Nummern. Man sieht es an den wunderbaren
Leserbriefen im Internet, die oft eine ganz andere Sprache sprechen
als der gedungene Verlagsvorschreiber. Das wird politisch
erhebliche Auswirkungen haben, denn ich halte 90% des zeitungslesen
Volkes für schwer indoktriniert. Irgendwann frisst auch der letzte
Zeitungsleser, was ihm von einer im wesentlichen
meinungsgleichgeschalteten Journaillie in der 500.Wiederholung
vorgekaut wird. Nicht zu vergessen auch die Aktivitäten gewisser
PR-Maschinen und Spin-Doktoren, die heute noch recht leichtes Spiel
haben, in einer 80-Mio-Köpfe-Republik das Thema der Woche zu
initiieren, samt sorgsam erdachter Teaser-Schlüsselbegriffe und
anschließender TV-Weiterverwertung in den 5 wöchentlichen
ÖR-Talkshows von Will über Plasberg, Illner, Beckmann und
Maischberger. Print is dead, no escape! Und der richtig spannende
Angriff auf das zuvor genannte TV steht kurz bevor: Wenn sich die
Big Screens (Wohnzimmer-Fernseher) nahtlos und simpel aus dem
Internet befeuern lassen, gleichzeitig die Privaten auf PayTV
umsatteln, die ÖR ihren Videocontent zwecks Grundauftrag ins
Internet stellen und die herkömmlichen TV-Zugangswege (Kabel, Air)
über DVB-T/C/S zwecks Kommerz zunehmend teuer verschlüsselt werden,
dann steht auch das Fernsehen in seiner bisherigen Form zur
Disposition. Mit ihm werden die letzten ideologischen
Kontrollinstrumente fallen.