„Winde werden rauer,
Wellen schäumen Wut.
Nur ums Überleben,
nicht um Hab und Gut.“
Heinz Rudolf Kunze – „Aller Herren Länder“
Diese Zeilen passen sehr gut als Umschreibung für einen Teil des Monaco Media Forum – jenen, in dem Print-Verlage auf Digitalmedien trafen. Dann passierte, was so selten ist bei großen Konferenzen: Es wurde bissig, hitzig, laut, emotional.
Den Auftakt lieferten Huffington-Post-Gründerin Arianna Huffington und Axel-Springer-Lenker Mathias Döpfner. Es war ein Duell, das Spaß machte und jedem Interessierten wärmstens empfohlen sei.
Schon hier war zu merken: Verlagsvertreter ersetzen Argumente immer stärker mit donnernden Worten und Halbwahrheiten, stellen sich selbst als Unschuldige Opfer perfider Inhaltediebe dar. Wie wackelig das Ganze ist, bemerkt oft nur der aufmerksame Zuhörer. Döpfner erklärte zwischen den Zeilen den freien Zugang zu Information als Kommunismus, forderte den Verkauf wissenschaftlicher Werke und stellte Zitate in eine Reihe mit Inhaltediebstahl. Munter forderte er die rechtliche Regelung von Copyright – vielleicht legt ihm jemand aus der Springer-Rechtsabteilung einfach mal die Gesetzesbücher vor, denn all das gibt es ja.
So unter Druck war Döpfner, dass er schließlich noch einen Relaunch behauptete, den es wohl nicht geben wird.
Man könnte dies als Einzelfall nehmen: Da ist ein sonst von seinem Umfeld gehegter und gepflegter Top-Manager der rhetorischen Exzellenz einer Arianna Huffington nicht gewachsen. Doch ein weiteres Panel demonstrierte, wie angespannt das Verhältnis zwischen Print und Digital ist.
Überschrieben war es: „When aggregators attack“ und es brachte News-Aggregatoren, Digital- und Printjournalisten zusammen – leider vor gerade mal 10 Zuschauern. Vielleicht aber war es genau das, was die Diskussion befeuerte. „Shall we have an open conversation?“, fragte Thomas Tercek, Vizepräsident strategische Entwicklung bei Daylife zu Beginn – was er bekam war ein offener Kampf.
Die ersten Hiebe lieferte Matt Kelly, Associate Editor der Mirror Group.
Selten habe ich jemand erlebt, der seine Meinung so verschwurbelt darstellen kann, dass sie irgendwie immer passt. Aggregatoren seien ganz schrecklich und stehlen Inhalte, eröffnete er. Woraufhin Newser-CEO Patrick Spain konterte: „Aber wir liefern ihnen Leser“. Kelly erwiderte: „Aber die sind nichts wert.“ Sprich: Sie blieben nicht lange auf der Seite.
Nun muss man sich das Angebot des „Daily Mirror“ einfach mal anschauen: Es ist unterster Boulevard. Geschichten, die 1000 Zeichen haben, müssen schon als Literatur gewertet werden. Und zum Zeitpunkt der Diskussion war die Aufmachermeldung ein US-Talkshow-Fehltritt des britischen Starlettchens Jordan. Die zugehörige Geschichte des „Mirror“ bestand aus ein paar Zeilen und einem eingebundenen Youtube-Video.
Wieviel er dafür gezahlt habe, fragte ich Kelly und ob die Seiten seines Hauses nichts anderes seien als Aggregatoren. Seine Antwort: Der „Mirror“ habe natürlich nichts dafür gezahlt und es ginge ihm ja gerade um den Wert. Sprich: Seiten, deren Inhalte vom Mirror zitiert werden, dürfen sich glücklich schätzen – denn seine Leser bleiben anscheinend länger auf den Seiten als von Google News kommende Leser beim Mirror.co.uk. Ob das an der Länge der Texte liegen mag, die sie jeweils vorfinden, konnte ich leider nicht mehr fragen.
Kelly meinte weiter: „Wir brauchen Google News nicht. Wir haben mehr als genug Traffic.“ Also warum nicht raus aus Google News? Das werde kommen, meinte Kelly – man wird ihn beim Wort nehmen dürfen.
Sein Grundärger war noch weniger verständlich angesichts der Tatsache, dass die Mirror Group „Tonnen von Geld macht. Mehr Geld als Daily Beast je machen wird.“ Was Caroline Marks, die General Managerin der Nachrichtenseite, heftig schmunzeln ließ.
Ebenso heftig ging es zu bei der Frage, was Internet-Leser denn eigentlich wollen. Erstaunlicherweise vertrat Marks die Meinung, alles müsse kurz sein – „short attention span“, „attention deficit disorder“, Sie verstehen. Eigentlich redete sich gegen Ihr eigenes Modell, den Daily Beast hat keine kurzen Artikel.
Differenzierter sah dies Newser-CEO Spain und Jacques Rosselin, der Herausgeber von „Vendredi„. „Die Menschen wollen schnell über die Gesamtlage informiert sein“, sagte Spain. „Aber sie wollen über Themen, die sie besonders interessieren tief informiert sein – das ist eine andere Kategorie.“ Eine Meinung, die ich teile.
Auf eine Stunde war das Panel angesetzt, irgendwann wurden die Türen des kleinen Konferenzraums geöffnet als Zeichen der Kaffeepause – doch niemand ging. Irgendwann, eine Viertelstunde war der Zeitplan überzogen, meinte Tercek dann doch, man müsse jetzt aufhören. Schade, es war eine Diskussion, die zu meinen Alltime-Konferenzhighlights zählt.
Zwei Dinge fielen in Monaco auf, geht es um alte Medien und neue. Wieder einmal, muss ich hinzufügen.
Zum einen ist es bemerkenswert, wie wenig Marktüberblick die Beteiligten haben. Es schien, kein anderer Panel-Teilnehmer kannte Daylife. Nun muss nicht jeder Mensch Daylife kennen – aber jeder, der sich mit der Frage beschäftigt, wie Nachrichten im Internet aussehen könnten. Daylife ist nicht neu und es ist eine Beteiligung der „New York Times“. In keinem anderen Teilgebieter der Internetbranche könnte es sich jemand leisten, ein Unternehmen mit solch innovativer Herangehensweise nicht zu kennen. Nicht anders bei Ask.com: Drei der fünf Panel-Teilnehmer kannten die Suchmaschine nicht. Auch hier gilt: Nicht jeder Mensch muss sie kennen – aber jeder, der in der digitalen Branche unterwegs ist, sollte den Markt im Blick haben.
Das andere ist – wieder einmal – die Abwesenheit von Print-Managern bei einer solch hochkarätig besetzten und gutenVeranstaltung. Aus ganz Europa hätten sie einfliegen können. Döpfner kam – und ward bald nicht mehr gesehen. Niemand scheint Interesse zu haben, sich zu vernetzen, neue Ideen zu hören, ein wenig am Puls der Zeit zu fühlen.
Angst entsteht oft aus mangelndem Wissen über eine Veränderung der Umwelt. Und wenn Tiere Angst haben, dann beißen sie um sich oder versuchen sich in Drohgebärden. So wie in diesen Tagen die Lenker von Zeitungen und Zeitschriften.
Und dann kam der Abschluss des Monaco Media Forum. Ein höchst unterhaltsamer und interessanter Vortrag von Wahrnehmungsforscher Al Seckel:
Und ich dachte: Vielleicht ist das der Punkt. Man kann noch so sehr auf die Vertreter der Print-Branche einreden. So lange sich deren Kernglaube, sich nicht ändern zu müssen, sich nicht ändert, wird nichts passieren.
Kommentare
AMalter 15. November 2009 um 19:58
Hi,
Danke für den Einblick .
Wobei ich mich bei Daylife schon auch frage, ob das die Zukunft ist. Web-Poster und dahinter die links zu Artikeln renommierter Blätter.
Wenn die links nicht wären…was für News blieben denn im Portal?
Irgendein belastbarer Mehrwert sollte es denke ich im Netz schon sein – und seien es die Kontakte einer Arianna Huffington.
Ich seh doch, was ich sehe… oder?!? Nö! @ Lautstark | Musik und mehr 16. November 2009 um 11:42
[…] Ich hatte vergessen, zu erwähnen, wo ich es gefunden habe: beim Knüwer in seinem chicken neuen Blog wars! […]