Als erster europäischer Fernsehsender wird das ZDF seine Berichterstattung mit Online-Zusatzdiensten versehen. Eine eigens eingerichtete Redaktion liefert dann Hintergrundberichte über Indien, wenn das Land bei „heute“ auftaucht, oder Bestellmöglichkeiten für Konzertkarten, wenn gerade ein Video von Madonna läuft. Dies ist die Fusion von Computer und TV, „es ist egal, vor welchem Bildschirm der Zuschauer sitzt“, jubiliert ZDF-Intendant Dieter Stolte.
Moment: Stolte?
Ja. Stolte. Denn was wie eine Meldung von der Internationalen Funkausstellung 2009 klingt, ist tatsächlich eine aus dem Jahr 1997. Sie demonstriert: Kaum etwas ist so langsam – oder besser: gar nicht – vorangekommen wie die Verschmelzung von Internet und TV.
1997 wollten alle dabei sein. Sony und Philips boten zu Kampfpreisen Decoder-Boxen, die gegen eine monatliche Gebühr ausgewählte und per Datenleitung übertragene Inhalte auf den Fernseher brachten. Heute würde man dazu „Paid Content“ sagen. Die kleine Münchener Firma Edgar setzte Dienstleistungen wie Reisebuchungen so um, dass sie per TV abgewickelt werden konnten. Grundig verlangte 800 Mark für eine Box, die das Web gen TV brachte. Microsoft dachte ähnlich und nannte sein System Web-TV.
Geblieben ist von all dem – nichts. Zwölf Jahre nach all den vollmundigen Ankündigungen sind die TV-Hersteller nicht wirklich weiter. Noch immer versuchen sie, ihre Geräte mit Anschlüssen für Datenleitungen zu versehen und probieren sich an Dekoderboxen. Zwölf Jahre, das ist für die Internet-Ära eine Ewigkeit.
Woran liegt das? Einerseits ist für viele jüngere Menschen mit nicht ganz so gut gefüllten Konten die Verschmelzung der beiden Medien längst Realität – auf ihrem Laptop-Bildschirm. Sie können sich keinen großformatigen Flachbildfernseher leisten, vielleicht würde der auch nirgends in die Wohnung passen. Sie schauen Fernsehen über eine Antenne im USB-Anschluss oder über die Web-Plattform Zattoo. Also das bisschen, was sie an alt hergebrachtem TV noch brauchen, denn dominant sind DVD und Youtube. Ohne Werbeunterbrechung, ohne Diktat des Programms.
Die anderen, die mit mehr Geld und dem großen Fernseher, die stoßen oft auf ein technisches Problem. Denn mehr Geld bedeutet meist: größere Wohnung. Und dann liegt der DSL-Anschluss im Arbeits-, nicht im Wohnzimmer. Sie brauchen also keinen Fernseher mit Internet-Verbindung, sondern einen mit Wlan-Antenne. Solche Geräte aber sind die Ausnahme.
Im Aufwind befindet sich dagegen IP-TV. Bei Angeboten wie T-Home der Deutschen Telekom werden herkömmliche TV-Kanäle über eine Datenleitung geschickt. Unter dem TV steht dann ein Dekoder, entweder mit Wlan-Anschluss oder DSL-Kabel, der auch Zugang zu einer digitalen Videothek bietet und einen Videorekorder enthält.
Mit Internet auf dem Fernseher hat IP-TV aber eigentlich nichts zu tun. Und vielleicht ist das genau der Punkt: Warum sollte jemand das wollen, das mit den Web-Seiten auf dem Fernseher? Ehrlich gesagt: Mir fällt kein Grund ein. Das Internet ist vor allem Kommunikation, nicht das Empfangen einer Sendung. Kommunikation aber erfordert eine gewisse Nähe zum Monitor. Die ist bei größeren Fernsehgeräten praktisch nie gegeben.
Möglicherweise liefert Apple Ende dieses, Anfang kommenden Jahres die Lösung: Ein berührungssensitiver Bildschirm ohne Tastatur, ein Tablet, könnte neue Perspektiven eröffnen. Ein neues Gerät, das könnte die Lösung sein – muss es aber nicht. Vielleicht lautet die schlichte Wahrheit: Nicht alles muss verschmelzen.
Kommentare
Sebs 7. September 2009 um 10:40
Nunja, so wie sich Bewegtbildangebote im Netz vermehren sehe ich schon eine Chance das dies auch im TV landen. Dazu sind einige Formate zu schön, und einiges wird sich sicherlich noch entwickeln, z.B. Podcast mit Multimedia addon etc.
Was noch zu sagen bleibt, und hier ist mir klar das du als \“seriöser\“ Journalist dies Thema vermeidest:
Internet-Fernsehen ist längst Realität, zu günstigen Preisen und mit einer großen Abdeckung des verfügbaren Angebots: Per Usenet oder Torrent Download ist fast jeder Film in fast jedem, Format zu haben. Nur die Abdeckung mit 1080p Formaten lässt noch stark zu wünschen übrig, dies liegt vor allem daran das es kein performantes Codec gibt das man benutzen kann ohne es sich aus \“fragwürdigen\“ Quellen zu besorgen.
Die Umerziehung der jungen User ist schon recht weit gediehen, wir sind halt Generation Pull. Alles aus dem Netz udn vielleicht mal die Tagesschau!
Christian 7. September 2009 um 10:40
Mir ist es eigentlich gleich, ob die GERÄTE verschmelzen. Die INHALTE tun es schon längst. Die Klingeltonwerbungen, die ProSieben-Verlosungen von notebooksbilliger.de etc. zeigen, dass das funktioniert. Ob das auf einem Gerät läuft, finde ich nicht entscheidend.
Eventuell könnte auch nicht der Fernseher ins Notebook wandern, aber dafür die Fernbedienung – mit Videothek etc. Das fänd ich schon sinnvoll.
Denn Sie haben recht: Es wird in Zukunft – zumindest m. E. – einen Monitor/Fernseher geben, der weiter weg steht und längere Inhalte anzeigt und einen der recht nah ist – Notebook/Fernseher.
In jedem Fall interessant die PM von damals. Vor allem, wenn man bedenkt, dass das Web 1997 tatsächlich noch in den absoluten Kinderschuhen steckte und von einer Massenanwendung weit entfernt war.
Spritkopf 7. September 2009 um 10:45
Ihren letzten Satz \“Nicht alles muss verschmelzen.\“ könnte man den Verantwortlichen in Großbuchstaben über die Stirn pinseln. Will ich denn wirklich, daß Informationen aus dem Web sich quer über das Fernsehbild legen und mir den Blick auf jenes verstellen?
Wenn denn wirklich die Glotze bei mir mal läuft, schnurpselt auch gleichzeitig mein Laptop vor sich hin und liefert mir per WLAN alles aus dem Web, was ich an Zusatzinformationen will. Ganz bequem auf einem zweiten Bildschirm und mit einem Benutzerinterface, welches ich nicht neu zu lernen brauche.
irgendeiner 8. September 2009 um 11:38
Seit ich einen LCD-TV mit HD-Auflösung besitze ist dieser so mit dem PC verbunden, dass ich damit über eine drahtlose Tastatur auch surfen kann.
Sehr bequem wenn man während einer TV-Sendung schnell mal was nachsehen möchte.
Nur eine Frage der Zeit wann es alle haben werden!
Roland 10. September 2009 um 14:39
Das WWW auf dem TV gibt es bereits wenn man seinen Rechner an der TV hängt. Da hat mein Vorredner recht. Brauche ich das? Nein.
Wenn ich etwas nachschlagen möchte klappe ich kurz das Notebook auf und mache es schnell ohne das Programm zu unterbrechen.
Und die Webseite auf 42\“ brauche ich nicht, bin ja nicht blind.
Zumindest würde die im Artikel beschrieben IP-TV Lösung einen hässlichen Kasten + Fernbedienung aus dem TV Zimmer verbannen.
stationsarzt 11. September 2009 um 22:45
Ich bin einer der genannten Jugendlichen, die sich eher das TV auf den Laptop holen… Habe nie einen eigenen Fernseher gehabt. Wozu?
Wollte nur anmerken, dass, wenn zattoo erwähnt wird, miro auch nicht unerwähnt bleiben sollte.
Felix Kramer 15. Oktober 2009 um 10:46
Vielleicht werden Internet und Fernsehen in den nächsten Jahren verschmelzen, aber die Entwicklung geht doch dahin, dass das Internet früher oder später das Fernsehen als Informationsmedium ablösen wird. Das Internet hat eine nicht zu unterschätzende aktive Komponente – User haben hier die Möglichkeit selber auszuwählen, was sie sehen möchten. Im Fernsehen läuft auf allen Sender im Großen und Ganzen das gleiche, selbst die öffentlich rechtlichen Sender verplempern ihre Sendezeit mit „Reality-Dokus“. Besonders ärgerlich daran ist, dass dies von unseren Gebühren bezahlt werden!