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Eine kleine Statusmeldung ist nötig. Vor einiger Zeit führt ein Wutausbruch meinerseits zu einiger Diskussion über die Zukunft des Journalismus. Dies mündete in Gesprächen mit anderen, ähnlich denkenden Berufsstandskollegen. Wir sind optimistisch in Kürze einen neuen Anstoß zur Diskussion liefern zu können.

Derweil meldete sich auch der von mir ruppig behandelte Deutsche Journalisten-Verband DJV zu Wort. Der geschätzte – und hiermit wieder einmal wärmstens empfohlene – Podcast „Was mit Medien“ sprach mit DJV-Vize Ulrike Kaiser (die Abschrift gibt es hier).

Und nun ist auch der DJV-Boss Michael Konken aus dem Urlaub zurück – und schreibt für die „FAZ“. „Ich verstehe das nicht“, meinte ein aus dem Urlaub zurückgekehrter Kollege der „Wirtschaftswoche“ gerade beim Mittagessen: „Wovon wollen die Verleger denn Geld haben?“

„Von Google“, antwortete ich.

„Aber wieso denn? Die wollen doch auch kein Geld von Aldi.“

„Noch nicht“, antwortete ich.

Nun ist Aldi ein schlechtes Beispiel. Nicht auszuschließen aber ist, dass demnächt irgendjemand auf die Idee kommt, von Kioskbesitzern Geld zu fordern. Zum Beispiel eine Abgabe für freie Journalisten, weil deren Produkte ja Kunden in die Läden lockten, die dann Kaugummi kauften oder Lotto spielten. So eine Art Büdchen-Gema.

Solch eine Argumentation würde passen. Ulrike Kaiser, zum Beispiel, kreidet es Google öffentlich an, dass das Unternehmen beständig neue Ideen entwickelt:
„Google macht ständig neue Geschäftsmodelle – Sie kennen sie selber – Google Bücher, Google News und so weiter. Wir müssen schon darauf achten, wie sich dort der Machtballon entwickelt.“

Siemens, Daimler, aufgepasst: Wer zu viel innoviert, ist verdächtig.

Bemerkenswert ist auch Kaisers Antwort auf die Frage, ob Journalisten nicht mit Google zusammenarbeiten sollten:
„Das tut der deutsche Journalismus doch! Im Prinzip tut er das doch. Es kann sich doch heute kein Medienunternehmen mehr vor Google sperren. Das ist überhaupt gar nicht mehr möglich. Das spricht ja auch dafür, dass Google eine solche enorme Machtstellung erlangt hat. Es kann keiner mehr an Google vorbei. Das will ja auch keiner – im Prinzip. Es geht hier doch bloß um Regeln, wie zu der Zeit, als die Kopierer erfunden wurden, als es darum ging, Urheber wieder an bestimmten Erträgen zu beteiligen. Ich denke einfach, das ist sehr legitim. Wenn wir dann nach dem Gesetzgeber rufen, dann hat das nichts mit Zensur, oder sonst was im Internet zu tun, sondern es geht hier einfach um ein Regelwerk für neue Verbreitungswege. Und es ist ein neuer Verbreitungsweg.“

Nun gut. Nun kopieren Kopierer ja vollständige Inhalte. Und es scheint, der DJV blendet bewusst oder unbewusst aus, dass Nachrichtenaggregatoren dies nicht tun.

So wirkt auch ein Artikel von DJV-Chef Konken in der heutigen „FAZ“ merkwürdig widersprüchlich. Konsequenterweise ist das Stück derzeit nicht frei im Netz zu lesen.

Konken klagt zunächst:
„Sind schon die Verlage oft keine Engel, so gilt dies erst recht für weitere Akteure im Internet. Zahllose Internetseiten, Foren, soziale Netzwerke, wo Beiträge und Fotos freier Journalisten zu finden sind, scheren sich nicht um das Urheberrecht. Freie Journalisten gehen gegen solche Nutzungen vor und können hierfür Schadensersatz erhalten.
Der Nachrichtenaggregator Google News ist dagegen bisher weitgehend unbeschadet von Ansprüchen Dritter geblieben.“

Mal abgesehen davon, dass es bei Stefan Niggemeiers Recherchen Verlagen schon unmöglich war, einen massenhaften Inhaltediebstahl auch nur mit Einzelbeispielen darzulegen, so ist festzuhalten, dass beispielsweise bei Google News eben nur Ausschnitte auftauchen.

Zu Ausschnitten allgemein sagt Konken kurz darauf:
„Soweit Beiträge nur zitiert oder in stark komprimierter Form im Rahmen von Presseüberblicken wiedergegeben werden, muss der freie Meinungsaustausch Vorrang haben. Das gilt auch für einzelne Internetseiten, die nur Links auf andere Angebote setzen.“

Vielleicht bin ich der einzige, der in Konkens Äußerungen einen gewissen Widerspruch sieht.

Vielleicht wäre es wirklich mal eine gute Idee, die Verbandsspitze spräche mit ihren Online-kundigen Mitgliedern. Darauf angesprochen antwortete Kaiser bei „Was mit Medien“ höchst ausweichend. Was Thomas Mrazek zu folgender Reaktion veranlasste:

„Als Vorsitzender des Fachausschuss Online im DJV kann ich hierzu aber folgendes sagen: Weder ich noch Kollegen aus diesem Gremium wurden zu diesem Thema jemals von Kollegen aus dem Bundesvorstand des DJV befragt. Unsere mehrmals und sofort nach Erscheinen geäußerte Kritik an den Inhalten der Pressemitteilung “DJV für konzertierte Aktion” wurde – Kaisers Antworten nach zu urteilen – bei der Außendarstellung in den Folgetagen ebenso wenig berücksichtigt.“

Einen Überblick zu Zitaten und Stellungnahmen liefert das Jep-Blog.


Kommentare


Seltsam 4. August 2009 um 15:02

TK schrieb:
Ulrike Kaiser, zum Beispiel, kreidet es Google öffentlich an, dass das Unternehmen beständig neue Ideen entwickelt:
\“Google macht ständig neue Geschäftsmodelle – Sie kennen sie selber – Google Bücher, Google News und so weiter. Wir müssen schon darauf achten, wie sich dort der Machtballon entwickelt.\“

Frau Kaiser kreidet Google mit dieser Aussage nicht den Innovationsreichtum an. Sie macht indirekt auf die durch weitere Geschäftsmodelle steigende Macht des Konzerns und die damit verbundene Gefahr eines Monopols aufmerksam.

Ich denke, dass Sie das selber wissen, die obige Unterstellung aber besser in Ihre Gesamtargumentation passte. Wenn schon Argumente, dann bitte auch richtige und kein bewusstes Missverstehen.

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Dennis Schmolk 4. August 2009 um 15:37

Ich glaube nicht, dass irgendjemand einen Monopolisten Google will. Aber ich glaube genauso wenig, dass konservativer Lobbyismus von Seiten der Verleger ein probates Mittel dagegen ist. Noch (!) steht eher Google für Freiheit der Ideen – auch wenn bereits abzusehen ist, dass das irgendwann einer eher proprietären Geschäftspolitik weichen wird. Das macht es für die Befürworter von Offenheit und Informationsfreiheit schwer, zu entscheiden, welchem Lager sie sich anschließen wollen – Scylla oder Charybdis?

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egghat 4. August 2009 um 15:50

Ich frage mich immer noch, ob die Verlage nicht einfach mal auf Google verzichten sollten. Sind die denn wirklich *soooo* von Google abhängig? Ich als kleiner Blogger bekomme nur noch etwa 25% von Google. Der Rest sind Links von woanders (im steigenden Maße von Twitter (wo ich zu diesem Kommentar auch herkomme)- ich schätze, darauf wird der DJV dann 2012 aufmerksam und will Geld von Twitter). Oder Stammleser.

Warum bemühen sich die Verlage nicht um Stammleser? Kundenbindung? Und kümmern sich um die? Statt sich auf die \“ein-Artikel-und-wieder-weg\“-Leser zu konzentrieren, die Google vorbeischickt.

Ich komme nicht an der Vermutung vorbei, dass sich die Zeitungen/Zeitschriften etwas zu viel um Google kümmert und zu wenig um die Leser.

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Frank Kemper 4. August 2009 um 17:13

Was mich persönlich bei Google schon irritiert, das ist das selbstverständliche Erklären von allem, was sich irgendwie aggregieren lässt, zu Public Domain. Damit meine ich das massenhafte Scannen von Büchern und das ungefragte Abfotografieren von Straßenansichten, aber auch mal eben die komplette Übersicht über alle jemals geschriebenen Usenet-Artikel der letzten 10 Jahre (ich habe meine Einwilligung dazu nicht gegeben, als ich meine Beiträge dort gepostet habe). Ich finde es irritierend, dass jeder mit Google innerhalb weniger Momente ein Dossier über mich zusammenstellen kann – nach Ansicht von Thilo Weichert vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig Holstein ist das mit dem deutschen Datenschutz nicht vereinbar. Ich finde es irritierend, dass alles, was man mal irgendwo gepostet hat, automatisch Teil eines weltweit zugänglichen Archivs wird. Und mich irritiert, dass ein US-Unternehmen offenbar nicht abwartet, bis alle datenschutzrechtlichen Bedenken in Deutschland ausgeräumt sind, sondern erst mal los macht.
Insofern ist für mich in der Diskussion \“gut\“ und \“böse\“ durchaus nicht eindeutig besetzt. Man muss sicherlich Google zugutehalten, dass die Kritik an einem bestimmten Gebaren immer den Marktführer mit voller Wucht trifft (Jeder lästert über McDonalds, niemand über Burger King). Außerdem steht zu befürchten, dass bestimmte tolle Innovationen im Web einfach nie was würden, wenn man nicht einfach mal los machen würde.

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bla 4. August 2009 um 18:51

Der Artikel ist online zu finden.

http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~EB83C840BDF084EF89A9B411F24D3D148~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Bla bla bla. Spam erkannt, Spam verbannt. Wieviel Text muss ich hier zusätzlich zum Link schreiben, damit ich durch den Spamfilter komme?

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bla 4. August 2009 um 18:53

Grandios. Könnte bitte jemand den Link richtig nachformatieren? Oder ich versuch es selbst nochmal:

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KS 4. August 2009 um 19:18

@Frank Kemper:
– Google Straßenansichten: wenn ich durch Straßen einer deutschen Stadt gehe, von dort Aufnahmen von Straßenfassaden und -ansichten mache und diese frei im Internet veröffentliche, dann \“aggregiere ich und erkläre als Public Domain\“? Ersteres verstehe ich nicht, und zweiteres ist mein gutes Recht, da es sich um meine (legale) Aufnahme, meine Leistung und meine Entscheidung handelt. Was ist daran verkehrt?
– Usenet: X-No-Archive:
– Dossier: Das ist eine automatische Zusammenstellung von Daten, die Sie selbst veröffentlicht haben. Wenn Sie oder Hr. Weichert das nicht wollen, dann sollten Sie das nächste Mal zweimal nachdenken bevor Sie persönliche Daten weltweit öffentlich machen. Dafür Google die Schuld zu geben ist ein Ansatz, den ich mit freundlichen Worten leider nicht umschreiben kann.

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Detlef Borchers 4. August 2009 um 20:42

Also, den Fluff mal heruntergedampft, können Konkens Vorschläge in der FAZ auf 2 Forderungen heruntergedampft werden. 1.) Verleger sollen auf ihren VG-Wort-Anteil verzichten, damit der an die darbenden freien Journalisten geht, 2.) die Kartellbehörden sollen gefälligst Google an die Kehle gehen (Verhandlungen mit Google deswegen nicht ausgeschlossen). Ich bin nicht im DJV, aber diese \“Gewerkschaftssicht\“ (FAZ-Untertitel) ist ein erstrangiges Dokument der Bescheidenheit.

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Sascha Pallenberg 5. August 2009 um 6:00

Ach ja, das ewige Jammern auf hohem Niveau. Es hoert nicht auf. Anstatt selber mal die eigene (nicht vorhandene) Progressivitaet und Innovationsfreudigkeit zu hinterfragen, nimmt das Geklaeffe nach einer legislativen Loesung immer weiter zu.
Ich frage mich gerade, wie ich mit komplett freien Content ueberleben kann. Irgendwas muss ich richtig gemacht haben…

who knows?

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Michael Finkenthei 5. August 2009 um 16:19

\“Google macht ständig neue Geschäftsmodelle.\“ – \“Wir nicht!\“, müsste der Satz weitergehen. Mehr von diesem Geweine braucht man wirklich nicht, um zu verstehen, wie der Markt wohl in 10 Jahren aussehen wird.

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Das Erwachen der Zeitungsredaktionen 5. Mai 2011 um 18:14

[…] Der DJV darf sich durchaus eine gehörige Mitschuld daran zusprechen, dass viele seiner Mitglieder schockstarrig in den Redaktionsstuben sitzen. Weder hat er seine Beitragszahler ausreichend auf den Wandel vorbereitet, noch selbst begriffen, dass Änderungen nötig sind. Ach ja, um einen Online-Tarifvertrag (den es immer noch nicht gibt) hat er mit einer Vehemenz gekämpft, die Seidenkissen wie Betonpfeiler wirken lassen. Mehr noch: Der DJV hat sich sogar auf die Seite der Verleger und damit der Zukunftsunfähigkeit gestellt. […]

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Journalisten dürfen kein Facebook haben 16. November 2015 um 15:02

[…] dankbar. Jenem Verband, der gerade Michael Konken als Chef verlor, Online-Skeptiker und glühenden Verfechter des Leistungsschutzrechtes, den unermüdlichen Kämpfer gegen Blogger. Wie sehr der DJV um das Wohl seiner Mitglieder besorgt […]

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