Die Vision vom Bezahlinhalt, auf westmünsterländisch: Paid Content, erreicht in der Verlegerbranche fetischeske Züge: Alle reden davon, alle träumen davon, keiner setzt es um.
Nun brachte Springer-Chef Matthias Döpfner die nächste Variante ins Spiel, natürlich ebenfalls ohne konkretes Produkt: Der Kunde soll vie Iphone-App zahlen.
Und das könnte funktionieren. Könnte. Warum Paid Content aus meiner Sicht für Zeitungen nicht funktioniert, habe ich vor einiger Zeit mal aufgeschrieben. Man muss nicht die hellste Leuchte im Flutlichtmast sein um zu erkennen, dass sich nur Inhalte gegen Geld verkaufen lassen, die entweder hochspeziell und somit schwer zu bekommen sind, oder solche die in einem spezifischen Moment einen hohen Nutzen bringen.
Womit wir beim Thema Mobiltelefon sind. Schon in der bunten, wilden Zeit der New Economy träumten Medienmenschen und Gründer davon, es in eine Geldquelle zu verwandeln. Das hat gedauert – aber nun ist es so weit.
Gerade habe ich schmunzelnd die Diskussion zum Start des Iphone noch einmal gelesen. Gott, war hier was los im Blog. Weiterhin aber gilt: Das Iphone ist nicht das beste Handy der Welt – aber es ist das Handy, das alles verändert.
Nehmen wir nur einmal das Thema Bewegtbild. Unsere ehemalige Muttergesellschaft Holzbrinck gehörte zu jenen, die viel Geld in eine Gesellschaft gesteckt haben, deren Grundidee von Anfang an verfehlt war. Mobile 3.0 wollte Fernsehen auf das Handy bringen – doch es war klar, dass der dafür nötige technische Aufwand keine Chance auf Refinanzierung bieten würde.
Nun ist die Grundidee von Mobile 3.0 zurück – in Form einer simplen Iphone App. OK, so simpel war sich wohl nicht zu programmieren und noch immer läuft sie nicht sauber. Trotzdem ist es ein erschütternder Moment, wenn über die T-Com-App zum ersten Mal verwischte Live-Bundesliga-Bilder auf das Iphone oder den Ipod Touch flimmern. Oder das Live-Programm von N-TV. Oder eine Auswahl anderer Programme.
Das Bundesliga-Programm will die Telekom künftig als Abo oder Eintages-Ticket verkaufen. Und läuft die Anwendung stabil bin ich überzeugt: Das wird funktionieren. Weniger, vielleicht als Abo denn als Einzelzugang, aber egal: Es ist Mobile-TV-Paid-Content, wie der Niederbayer sagt. Und es läuft, weil es auf dem Endgerät passiert, dass die Kunden sich ausgesucht haben – nicht der Inhalteanbieter, wie es bei Mobile 3.0 der Fall gewesen wäre.
Das sehen auch Verlage – und wollen ihn nun ebenfalls zum Wiehern bringen, den Dukatenesel Iphone. Gestern kündigte Springer-Chef Matthias Döpfner in der „FAZ“ an:
„Sämtliche Inhalte auf Smartphones werden wir auf Dauer gegen Gebühr anbieten. Das mobile Endgerät, das Handy, kann am ehesten die Zeitung der Zukunft sein. Für das iPhone von Apple entwickeln wir sogenannte Apps, also kostenpflichtige Angebote, über die man dann welt.mobil, bild.mobil oder computerbild.mobil bezahlt und quasi abonniert. Im Herbst gehen wir damit auf den Markt…
Wir werden den Markt nicht über Nacht verändern, aber die Zahlungsbereitschaft ist gerade bei Mobilfunkkunden, insbesondere bei Besitzern des iPhones, groß. Weit über die Hälfte der Zugriffe auf unsere Mobilangebote kommt übrigens über das iPhone.“
Die Vorsicht, mit der Döpfner das alles vorträgt, ist durchaus begrüßenswert. Denn letztlich weiß er wohl selbst, dass der Journalismus seines Hauses nicht im positiven Sinne so einzigartig und unkopierbar ist, dass er eine Zahlungsbereitschaft auslösen könnte.
Es gibt einen Teil dieses Gesprächs, der mich skeptisch macht. Es ist dieser:
„Unser „Super-Bundesliga-Manager“ auf bild.de ist innerhalb von zwei Wochen von 80 000 Teilnehmern für 7,99 Euro abonniert worden, obwohl es solche Spiele kostenlos von „Kicker“ und auch von unserer „Sport-Bild“ gibt.“
Hier, fürchte ich, macht Döpfner einen beliebten Fehler von Verlagsmanagern: Er erklärt den eigenen Erfolg allein aus der vermeintlichen Qualität des Inhalts, ohne den Zugangsweg in die Überlegung einzubeziehen. Sprich: Möglicherweise zahlen auch deshalb 80.000 Teilnehmer die 8 Euro, weil das Bild.de-Spiel besser und zuverlässiger läuft, weil seine Regeln leichter und spielerfreundlicher sind als die der Konkurrenten.
Solche Überlegungen sind entscheidend, geht es in den Bereich der Iphone-Apps. Es gibt schon etliche von Verlagen. Die meisten sind solide und uninspiriert. So kann ich mir die neuesten Nachrichten von „Stern“ und „Focus“ oder Meedia anschauen – teilweise sogar, wenn keine Online-Verbindung besteht. Das also ist der Standard. Wird jemand für den Standard bezahlen? Kaum.
Vielleicht könnten das Bloomberg oder Reuters schaffen, würden sie die volle Funktionalität ihrer Terminals auf das Iphone schicken können. Von beiden übrigens gibt es gute Nachrichten-Apps, sie sind kostenlos.
Schon wieder sind wir da, wo wir auch im Web sind: Das auf die Masse gerichtete Nachrichtengeschäft lässt sich schon heute nicht mehr über Bezahlinhalte abdecken. Sicher, inzwischen gibt es bei Apple die Möglichkeit, diese Apps nicht nur einmalig zu verkaufen, sondern auch Abos und Einzelkäufe für die darüber laufenden Inhalte einzurichten. Doch die Zahl derjenigen, die auch nur 99 Cent für solch einen Zugang zahlen, erscheint gering. Wahrscheinlicher ist: Sollte Welt.de eine App starten, die solch einen Betrag verlangt, werden die Nutzer sie elegant vom Iphone fegen – es gibt genug andere Dienste. Und selbst die Welt-Fans könnten mit ein paar Fingertipps einfach die Web-Seite als Link-Icon auf ihre Iphone ablegen.
„Es kann auch scheitern, aber wir müssen jetzt rausfinden, was die Kunden wollen“, sagt Döpfner und das ist prinzipiell eine gute Aussage. Vor allem, dass die Verleger nach all den Jahren auf den Gedanken kommen, sich mal um Kundenwünsche zu bemühen.
Das Iphone bietet ihnen eine große Chance. Denn die Marken der Print-Objekte sind ja weiterhin stark. Nur muss eben der Nutzen für den Kunden im Vordergrund stehen – und nicht der des Verlegers oder der Redaktion.
Ein typisches Beispiel dafür, was schief läuft ist für mich die Iphone-App der „Gala“, der Style Locator. Hinter ihm steht eine gute Idee: Wenn ich in einer Stadt bin, kann ich mir anzeigen lassen, in welchen Geschäften ich eine bestimmte Kleidungsmarke bekomme. Die Lage der Geschäfte gibt es dann auf einer Karte, außerdem werden aktuelle Trends mit Geschichten aus der „Gala“ gewürzt.
Die Ausführung aber scheint in Sachen Budget limitiert zu sein. Und deshalb ist der Ergebnis halbherzig und nicht recht zu gebrauchen. Es gibt keine Wegbeschreibung vom Standort zu den Geschäften, die Produkt- und Markenliste wirkt nicht aktualisert, es gibt keine für den Standort individualisierten Tipps. Da hat jemand einmal eine Idee gehabt, sie unter offensichtlichen Restriktionen umgesetzt – und nun liegt sie da.
Würde aus der App eine Dienstleistung behaupte ich, jener Kreis derer, für die Einkaufen eine Freizeitbeschäftigung ist, wäre bereit zu zahlen. Auch als Abo, wenn das Gefühl entsteht, der Style Locator wäre ein echter Service.
Wer auf dem Handy Inhalte aufruft, der befindet sich oft unter gewissen Einschränkungen. In diesem Moment wird er zahlen, wenn er das Gefühl gewinnt, einen Nutzen zu erhalten. Dieser Nutzen wird aber nicht entstehen, wenn er die gleichen Inhalte, die er im Netz oder der Zeitung findet, einfach nur transportiert bekommt.
Das Denken der Verlage muss deshalb, wollen sie sich in das Geschäft mit den Apps, egal ob für Iphone oder andere Handy-Betriebssysteme, begibt die technischen Möglichkeiten und die Nutzungssituation einbeziehen neben der inhaltlichen Qualität.
Ich bin mir nicht sicher, ob das schon zu ihnen durchgedrungen ist. Derzeit klingt vieles, zum Beispiel von Döpfner, zu sehr nach Iphone-Apps als neue Endlagerstätte vorhandener Inhalte.
Nachtrag: Einen Einblick in das Selbstverständnis von Matthias Döpfner gibt es übrigens auch noch. Er sagt:
„Wir haben als Verleger geradezu eine heilige Verantwortung, alles zu versuchen, um eine Wirtschaftsgrundlage für die digitale Welt zu schaffen.“
Bin ich der einzige, der bluttriefende Kreuzritter bei solchen Worte vor Augen hat?
Nachtrag II: Kleine Logikschleife mit Matthias D. Er sagt:
„Die Leser haben über Jahrhunderte bewiesen, dass sie bereit sind, für wirklich attraktive Inhalte Geld zu bezahlen.“
Wenn das stimmt: Warum wecken die Inhalte seines Hauses – wie auch andere – so wenig bis gar keine Zahlungsbereitschaft im Netz? Warum ist die „Welt“ jahrzehntelang defizitär gewesen? Waren etwas *schluck* die Inhalte nicht attraktiv genug?
Kommentare
Chat Atkins 14. August 2009 um 11:34
Zur Zeit sieht\’s eher nach der BILD auf dem iPhone aus. Und das wird nicht hinhauen: Ich bestelle mir doch keine Currywurst beim Edelitaliener …
Claudia 14. August 2009 um 13:26
\“Denn die Marken der Print-Objekte sind ja weiterhin stark.\“ Noch. Aber wenn die noch länger rummurksen, geht auch die beste Marke den Bach runter…
42 14. August 2009 um 13:48
\“Trotzdem ist es ein erschütternder Moment, wenn über die T-Com-App zum ersten Mal verwischte Live-Bundesliga-Bilder auf das Iphone oder den Ipod Touch flimmern.\“
Die iPhone-Fixierung bei solchen Themen ist echt lächerlich. Vodafone bietet schon seit langem (funktionierendes!) Mobile TV an. Ich z.B. konnte mit meinem zwei Jahren alten SE schon immer kostenlos Sender wie Eurosport empfangen. Und für die kostenpflichtigen Programme gibt es Wochen- und Monatsabos.
Keine Ahnung warum das jetzt plötzlich \“erschütternd\“ sein soll…
Sebs 14. August 2009 um 15:26
Mir tut der Schenkel weh vom klopfen.
Realsatire. 😉
Lola van Loo 15. August 2009 um 5:52
Und mir tun die Augen weh, weil ich auf dem kleinen \“Monitor\“ auf Dauer nicht richtig gucken kann. 😉
Sascha Pallenberg 17. August 2009 um 23:01
Kurz und knapp… hier versucht man Paid Content (und dann auch noch in Textform) auf ein Time-Killing und Time-Saving Device zu packen!
Viel Glueck dabei, die \“Experten\“ werden es brauchen.
Wer ein Spiel dann noch als Argument ranholt…. oh je, kann mal jemand den Pause-Knopf druecken? 🙂
TJ 23. August 2009 um 0:21
1.
Seit dem ich das erste Mal Döpfners Apps gelesen habe, frage ich mich, wie er verhindern will, daß ich mit dem iPhone auf bild_de u.ä. surfe. Kapiere ich nicht, sorry…
Und wie sill man bitte eine bild-App gestalten, die einen Mehr-Wert bietet, wenn es um die Bild-Schlagzeilen und ihre 5-Zeiler geht.
2.
Amüsant finde ich ja, daß Google den Verlegern angeblich so viel Geld, ohne Leistung, für ihre redaktionelle Arbeit wegnimmt, aber pro App-Verkauf, dann satte 30% an Apple gehen würden.
Witzig, oder?