In den ersten Tagen meines Urlaubs gab es direkt einen Erholungsrückschlag. Als ich nämlich den Beitrag von Hubert Burda in der „FAZ“ las. In diesem erhitzt sich der Verlagsunternehmer über Google, das die Verleger schleichend enteigne. Und er fordert eine Umsatzbeteiligung.
Ich twitterte über diesen Text böse Worte und bekam heftige Antworten darauf – sauber gespalten in Zustimmung und Ablehnung. Weshalb es vielleicht nötig ist, sich Burdas Äußerungen noch einmal vorzunehmen. Schließlich ist damit zu rechnen, dass er nur die Speerspitze ist. Es werden weitere Verlage kommen und ihre Lenker werden ähnliches fordern. Lange Zeit hielt ich Burda für das deutsche Verlagshaus, das am besten mit dem Internet umgeht. Ich kenne eine Reihe fähiger Mitarbeiter dort, mit denen die Diskussionen rund um Web und Medien höchst fruchtbar ist, einige der fähigsten Menschen der deutschen Online-Szene sind dort angestellt. Lange Zeit hatte ich den Eindruck, sie sorgen dafür, dass Hubert Burda selbst recht kompetent ist und bemerkenswert ordentlich die schwierige Balance hält zwischen dem alten Geschäft und der umstürzlerischen neuen Technik.
Dann kam der Hauskongress DLD und der Ausbruch des Verlegers. „Lausige Pennies“ verdiene man nur im Internet. Dieses Zitat hängt seitdem in der Luft, wann immer vom Wandel der Medienwelt die Rede ist.
Und nun der Text in der „FAZ“. „Wir werden schleichend enteignet“, steht drüber. Und mit „wir“ sind natürlich die Verlage gemeint.
Die Ausführungen sind teilweise kryptisch, teilweise konfus. Da heißt es:
„Suchmaschinen, aber auch Provider und andere Anbieter profitieren überproportional von unseren teuer erstellten Inhalten.“
Die Folgerung:
„…wer die Leistung anderer kommerziell nutzt, muss dafür bezahlen. Dieses ökonomische Grundprinzip muss auch im digitalen Zeitalter mit seiner „Link-Ökonomie“ gelten. Sonst sehen wir der schleichenden Enteignung der Inhalte-Produzenten tatenlos zu.“
Nur der Unkundige wird daraus den Schluss ziehen, ganze Burda-Artikel würden bei Google erscheinen. Dies ist die Vorstellung, die derzeit viele Verleger in die Öffentlichkeit tragen. Fakt ist: Auch beim umstrittenen Google News – das weiterhin werbefrei ist – tauchen nicht mehr als rund 240 Zeichen Verlagsinhalte auf. Zeichen, nicht Zeilen. Jede Pressemitteilung über Exklusivmeldungen der jeweiligen Objekte ist deutlich länger. Die Verlage geben also freiwillig mehr Material über die wichtigsten Artikel ihrer Publikationen heraus, als Google in Google News abbildet. Da Pressemitteilungen auch eine Form von Werbung sind, müssten sich die Verleger darüber eigentlich aufregen – aber das ist eine andere Geschichte.
Noch bizarrer ist die Vorstellung, Internet-Zugangsanbieter profitierten von diesen Diensten. Mit dem gleichen Argument könnten Autohersteller Geld von Straßenbauunternehmen verlangen, denn ohne einen Porsche würde ja die Autobahn nicht ausgebaut.
Hubert Burda und all seine Berufsstandskollegen könnten dieser „schleichenden Enteignung“ ja sogar teilweise Grenzen setzen, zumindest was Suchmaschinen betrifft. Eine Programmzeile auf die Homepage und – zack – bleiben die Suchmaschinenroboter draußen. Mehr noch: Man könnte Google auch wirtschaftlich ein klein wenig ankratzen, ließen die Verlage die Adsense-Anzeigen weg, mit denen sie in klickschwachen Momenten ein paar Leser mehr ins Haus holen.
Das aber wollen sie nicht. Warum? Weil sie inklusive der angeblichen Enteignung wirtschaftlich besser dastehen, als ohne. Verbrechensopfer, die nach der Tat besser dastehen also ohne diese? Das kennt man gemeinhin nur vom Versicherungsbetrug.
Und es ist ja nicht so, dass es nicht andere Methoden gäbe, dieser „Enteignung“ zu entgehen. Suchmaschinen, Social Networks, Internet-Zugänge – all dies sind Märkte im Geiste unseres Wirtschaftssystems. Jedem der Verlage stünde es offen, die Arena des Unternehmerkampfes zu betreten. Teilweise haben sie dies getan – erinnern wir uns beispielsweise an Burda und seine Zugangstochter Europe Online oder Bertelsmann und seine Suchmaschine Lycos Europe.
Allein: Sie scheiterten. Andere nicht. Was bedeutet: Die Verlagsangebote und die Art, wie sie geführt wurden, waren nicht gut genug.
Von jenen, die es besser machten, die sich in marktwirtschaftlichem Wettbewerb ihren Erfolg erkämpften wollen die unterlegenen Verlage nun Geld haben. Warum? Weil sie behaupten, ein Recht darauf zu haben. „Es geht um die Bewahrung eines Kulturguts“, schreibt Burda.
Dies ist auf zwei Ebenen bemerkenswert. Einerseits ist da einer, der sich als Unternehmer sieht – aber von anderen Unternehmern Geld haben will. So als ob Opel kein Staatsgeld haben wolle, sondern welches von VW. Das hat etwas von Kommunismus für Entrepreneure.
Andererseits deutet Burda an, die Print-Objekte seines Hauses seien meritorische Güter. Waren, also, die eine Gesellschaft sich leisten müssen, weil sie wichtig sind. Die Theorie der meritorischen Güter aber ist eine recht wackelige. Kant, glaube ich, hat noch bevor dieser Begriff geprägt wurde, gesagt, solche Art von Gütern führe immer zu Despotismus. Außerdem darf wohl gefragt werden, ob ein meritorisches Gut seinem Produzenten mehr als die Kosten inklusive nötiger Investitionen einspielen darf. Ich meine: nein.
Das Leistungsschutzrecht, das Verlage derzeit für ihre Waren fordern, ist nichts anderes als der Glaube, gedruckter Journalismus sei ein meritorisches Gut. Und: Das Leistungsschutzrecht ist die versteckte Bettelei um Staatshilfe – die Verlage wollen nur nicht dieses Wort in den Mund nehmen.
Gut, dass sie selbst nicht wissen, wie diese Forderung überhaupt erfüllt werden soll. Denn ein Blick auf die Details zeigt, dass eine solche Regelung zum einen praktisch undurchführbar ist und zum anderen eine Presslizenzierung ist.
Denn wer sollte denn davon profitieren? Nur gedruckte Zeitungen und Zeitschriften in Form einer Abgabe? Dann werden sich die Schülerzeitungen des Landes freuen. Auf rechtlichem Weg würde dann wohl auch flott geklärt, dass Online-Nachrichtenseiten ebenfalls davon profitieren können müssen – denn ein Inhalt verändert sich nicht durch sein Aufbringen auf Papier. Die Verlage dagegen würden am liebsten hübsch eng definieren, wer in ihren erlesenen Kreis gehört. Das ist Presselizenzierung und somit zum Beispiel das Gegenteil jener Chefredakteurs-Charta, die jüngst in Hamburg von einigen Großkopferten unterzeichnet wurde.
Das Leistungsschutzrecht also ist eine Kopfblase der Verlage, es wird vielleicht kommen – dann aber vor Gericht gekippt werden.
Bis dahin wird es Kapazitäten absaugen, die Verlage besser in das stecken sollten, was sie groß gemacht hat: Unternehmertum. Jahrzehnte lebten sie wunderbar dank einer Oligopolrendite: Sie waren einer der wenigen Mittlerkanäle zwischen werbender Industrie und Verbrauchern. Durch das Internet ist aus diesem Kanaloligopol ein Polypol geworden – und entsprechend schmilzt die Rendite.
Darauf muss man reagieren. Die Verlage hätten das schon vor 10 Jahren tun müssen. Doch sie glaubten, einfach ihre Geschäftspraktiken auf das Internet übertragen zu können – und scheiterten. Nun haben sie vielleicht noch eine letzte Kugel, einen letzten Versuch des Ausbruchs nach vorn. Stattdessen aber ziehen sie sich in den Bunker und hoffen, dass es irgendwann besser werden wird. Solch eine Taktik war in der Geschichte der Menschheit auch erfolgreich – in sehr seltenen Einzelfällen.
Kommentare
c_lippok 7. Juli 2009 um 19:01
Die Abhängigkeit der Verlage von Pressestellen und PR-Agenturen auf der einen Seite und Anzeigenkunden auf der anderen Seite steigt. Den Verlegern gehen die Argumente aus. Das ist traurig. Man kann also nur unterstützen, was Du hier schreibst. Die Verleger sollen einmal all ihren Mut zusammennehmen und digital Gas geben.
ring2 7. Juli 2009 um 19:04
Schœn, dass Du wieder da bist. Den Kioskbesitzervergleich fand ich ja schon gut, der mit dem Versicherungsbetrug ist ab heute mein Favorit.
Das Erschreckende daran: diese Rede hatte unsere Volksvertreter zum Ziel – und wird erhöret werden. 🙁
Ramon Wartala 7. Juli 2009 um 19:14
Sie haben Sie eben nicht auf das Internet übertragen. Sonst gäbe es mehr elektronische Abo-Modelle und nicht überall und an jeder Ecke Free-Content. Man wollte damals einfach dabei sein und hat alles kostenlos ins Web gekippt. \“Lausige Pennis\“ sind dann das, was durch Werbungs an Einnahmen davon übrig bleibt. Warum gibt es in Deutschland immer noch keinen konkurrenzfähige eBook-Plattform mit der ich alle Zeitungen abonieren kann. Natürlich günstiger, weil sich die Verlage ja Druck- und Distributionslosten sparen. Das sollte Herr Burda und all die anderen vornan treiben.
Saim Alkan 7. Juli 2009 um 19:24
Herrlich. Meine lieben Verlegerkollegen. So sieht die neue Welt aus. Passt Euch an oder geht unter.
Muriel 7. Juli 2009 um 20:07
Ist doch eine schöne Ausrede, ein totes Pferd weiter zu reiten. Es ist ja so ein kostbares Pferd, und es ist so wichtig von uns, das können wir doch nicht einfach aufgeben. Außerdem sind ja die anderen Schuld, dass es tot ist.
Avantgarde 7. Juli 2009 um 20:55
Wieso, ist doch eine tolle Idee. In Zukunft werden alle Pressemedien alle Menschen, von deren Leben sie berichten oder Fotos schießen, am Gewinn beteiligen. Schließlich profitieren sie ja überproportional am Leben der anderen.
Nicht?
Per Schnyder 7. Juli 2009 um 21:31
Es ist immer wieder erstaunlich, dass Burda seine Publikationen für \“Kulturgüter\“ hält, die besonders schützenswert sind. Es würde Demokratie & Kultur dieses Landes wirklich hart treffen, wenn Glücks-Revue, Bunte oder Lisa verschwänden.
Doch selbst, wenn er für Demokratie & Kultur relevante Magazine herausgeben würde, müsste er für deren Finanzierung schon selber sorgen. Bei unternehmerischen Misserfolg nach dem Staat zu rufen, wird im Focus immer scharf kritisiert. Daran sollte sich auch der Verleger halten.
leser 7. Juli 2009 um 23:33
Burda macht in seinem Beitrag sehr deutlich, dass er keine Idee hat, wie es weitergehen soll. Was sagen eigentlich die vielen Burda-Angestellten dazu? Der Chef hat keine Vision, kein Ziel?
Anstatt endlich neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, will er die Zeit der dicken Renditen zurück. Ein aussichtsloses Unterfangen. Verleger werden aussterben. Das ist nur eine Frage der Zeit.
Verleger machen nicht ihren Job, sondern weitere Fehler. Anstatt das Kapital ihres Unternehmens zu erkennen – ja, es sind oft auch ihre eigenen Journalisten – setzen sie sie vor die Tür. Tschüss, wir müssen sparen, heißt es da. Schon mal daran gedacht, die eigenen Journalisten als neue Marken zu \“verlegen\“, zu etablieren und aufzubauen? Mit den gegenwärtigen Kündigungen der vielen Redakteure beschleunigen Verleger nur ihren eigenen Niedergang. Irgendwann werden Sie erkennen, dass ihre Kernkompetenz mal darin lag, hochwertige Inhalte zu produzieren. Beispiel: Ein Heribert Prantl braucht die Süddeutsche nicht unbedingt. Umgekehrt wäre es für das Blatt ein herber Verlust, solch einen Mann mal zu verlieren.
Jeder Journalist kann, wenn er sich gut \“verkauft\“ – man möge mir dieses Vokabular verzeihen – seine eigene Marke aufbauen. Eine eigene Leserschafft entwickeln. Gewiss, das braucht Zeit. Doch erfolgreiche Beispiele dafür gibt es. Die gegenwärtige Krise mit all den vielen Entlassungswellen auch beim Verlag dieses Handelsblatt Weblogs beschleunigt diese Entwicklung.
Avantgarde 7. Juli 2009 um 23:39
\“…wer die Leistung anderer kommerziell nutzt, muss dafür bezahlen.\“
Da fällt mir noch was ein. Bezahlt der Verlag eigentlich für die Recherchen seiner Journalisten über Google?
zeitschriftenleser 8. Juli 2009 um 8:48
Gerade die Online-Ableger der Printverlage haben, durch ihre ehemals hoch rentablen Mütter 10 Jahre lang querfinanziert, die Online-Leistung massiv entwertet, weit unter Wert verschleudert. Sie mussten ja nicht davon leben.
Jetzt, wo sie dringend auf Einnahmen aus dem Internet angewiesen sind, beklagen sie die hier ach so niedrigen Preisniveaus für Onlinewerbung und dass Nutzer nicht zahlen wollen.
Die \“Kulturgüter\“ dieser \“Verleger\“ vermisst online wirklich keiner, wenn sie verschwinden.
robin meyer-lucht 8. Juli 2009 um 10:35
In dem Text fehlt noch der Hinweis auf den sehr lesenswerten Beitrag von Anja Seeliger zu dem Thema:
http://www.perlentaucher.de/blog/46_die_vierte_gewalt_ist_jetzt_im_netz
In der Debatte überraschen eigentlich zwei Dinge:
1. Das es jetzt nach Riepl nun angeblich ein neues Gesetz der Medienentwicklung geben soll: Mit Journalismus kann man im Netz kein Geld verdienen. Ökonomisch ist das nicht nachvollziehbar.
2. Die Musikindustrie hat ja schon ein Leistungsschutzrecht. Viel helfen scheint ihr das nicht.
rml
Eberhard Weilke 9. Juli 2009 um 10:27
Ein sehr lesenswerter Artikel zum Thema Tagespresse und Kindle findet sich in der online-Ausgabe des New Yorkers:
http://www.newyorker.com/arts/critics/books/2009/07/06/090706crbo_books_gladwell
gRaVuReN 10. Juli 2009 um 15:06
Vielen Dank für diesen Beitrag. Es ist immer wieder erfreulich von kompetenten Fachleuten direkte und ungefilterte Informationen zu erhalten. Machen Sie weiter so 🙂
S.Ponti 13. Juli 2009 um 11:26
Leider schade, daß es auch hier nur allgemein Zugeht und daß auch hier die konkrete Studie von Dr. R. Albrecht (2007) mit dem Nachweis, daß und wie speziell google.de nachzensiert (in: Aufklärung und Kritik 2007 sowie in: SUCH LINGE 2008 gedruckt) nicht zur Kenntnis genommen wurde …
Gruß Sponti/13.07.2009
moldo 14. Juli 2009 um 14:43
\“.. Außerdem darf wohl gefragt werden, ob ein meritorisches Gut seinem Produzenten mehr als die Kosten inklusive nötiger Investitionen einspielen darf. Ich meine: nein.\“
Beim Merito-Limbo macht diese Forderung aber mittlerweile keine Mühe mehr, oder? Ob wirklich noch Überschuß rein kommt, um zu investieren?
Radioforen 22. Juli 2009 um 18:30
Für ein dazu passendes Beispiel, wie umgekehrt regionale Tageszeitungen selbst arbeiten, hier unten abbeißen:
2020 – Gedanken zur Zukunft des Internets 27. Juli 2010 um 17:42
[…] des Buchs sind Hubert Burda, Matthias Döpfner, Bodo Hombach und Jürgen Rüttgers. Pardon, Hubert Burda, Matthias Döpfner, Bodo Hombach und Jürgen […]
Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit 9. August 2010 um 17:26
[…] werden sie bestohlen, sagen sie. Vom Internet. Also, vor allem von Google und dessen automatisierten Zitaten in Google News. Zwar […]
Autosuggestions beim 9. November 2010 um 18:53
[…] geht es ja nur um das Betteln um Staatshilfe in Form des Leistungsschutzrechtes. Zeitungen, das neue […]
Christian Jochmann 23. März 2011 um 5:38
Im übrigen ist es keine Katastrophe, wenn mal ein Verleger oder ein paar die Segel streichen. Ganz im Gegenteil, man muss das gepflegte zugrunde gehen einer Branche, deren Geschäftsmodell nach nur 200 Jahren schon nicht mehr zukunftsfähig ist, als Warnung verstehen. Von einst stolzen Verlagen ist eine Gruppe winselnder um Staatshilfe bettelnder und heute schon gepamperter Vollpfeifen geworden. Unfähig sich den neuen Zeiten anzupassen, wird die Errinnerung an ihre Namen bald verblassen. Das neue Spielfeld haben längst neue Player unter sich aufgeteilt, mit Geschäftsmodell, ohne gejammer und Milliardengewinnen ohne „Leistungsschutzrecht“ ps.: heißt das eigentlich so, weil die Verlage vor dem erbringen einer Leistung beschützt werden sollen?