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In den vergangenen Wochen habe ich mitgewirkt an einer Serie über den Online-Wahlkampf (Links zu den einzelnen Teilen gibt es am Ende dieses Artikels). Eines der schönsten Zitate erhielt ich erst ganz am Ende der Recherche und leider darf ich seinen Urheber nicht namentlich nennen. Ein Bundestagsmitglied sagte mir, es fühle sich am Rande seiner Kapazitäten in Sachen Online-Wahlkampf: „Der soziale Druck ist gestiegen… Wenn ich Fragen auf Abgeordnetenwatch nicht beantworte, bekomme ich Kritik von unseren Wahlkampfleuten zu hören: Online-Wahlkampf sei nun mal wichtig, da müssten alle mitziehen.“

Da bekommt man fast Mitleid. Fast. Denn natürlich können gewitzte Abgeordnete, Wahlkämpfer und Kandidaten das Netz auch sehr geschickt und mit höchst überschaubarem Aufwand zu ihren Gunsten nutzen. Nur: Beschäftigen muss man sich schon mit dem Thema.

Ganz oben, in der Regierung, ist das sicherlich schwerer als unten, in der Etappe. Es ist ja nicht so, dass das Minister-/Kanzlerinnen-Leben ein nicht enden wollender Quell der Zerstreuung ist. Doch wer ein Amt hat, hat auch Berater. Und die sollten dann weiterhelfen.

Doch ein Berater kann eben nur so gut sein, wie ihn sein Auftraggeber sein lässt. Wenn jemand keinen Wert legt auf das, was die Helfer vorschlagen, dann haben jene wenig Chancen, ihre Idee auch umzusetzen.

So ist es heute interessant einfach mal zu vergleichen. Frank-Walter Steinmeier lässt morgen Abend seine neue Online-Visitenkarte freischalten, erste Screenshots habe ich aber heute schon bekommen. Vergleichen wir diese also mal mit dem Auftritt von Angela Merkel. Ich bin ein wenig verwirrt. Denn gerade habe ich versucht, die Seite www.angelamerkel.de zu öffnen – und erhielt eine Fehlermeldung. Registriert ist die Seite auf einen Simon Hamberger in Remchingen, den ich im Netz vor allem in Zusammenhang mit Domain-Streitigkeiten finde. Kennt jemand die Hintergründe?

Denn www.angela-merkel.de öffnet sich so, wie ich es erwarten würde und ist registriert auf die CDU-Bundesgeschäftsstelle… Das ist merkwürdig und deutet bereit darauf hin: Der Online-Auftritt ist den Wahlkampfhelfern Merkels bisher eher so mittelmäßiggarnichtwichtig.

Entsprechend sieht die Seite auch aus. Das ist auf den ersten Blick solide:

Der zweite Blick zeugt eher von jemand, der das noch so nebenher macht, nicht weil er möchte, sondern weil er muss. Vollmundig gibt es da die Rubrik „Überzeugungen“, doch geht es weniger um staatstragende Grundsatzthemen – hier ist der Abladeplatz für alle möglichen Dinge, „Überzeugungen“ versucht halbherzig davon zu überzeugen, dass Angela Merkel eine gute Kanzlerin ist.

Einige Teile des Auftritts sind gar erschreckend. Zum Beispiel der wie leergefegt wirkende Kalender, der anscheinend immer auf Monatsbasis freigeschaltet wird.

Hat die Frau so wenig zu tun? Nein, es geht hier allein um die öffentlichen Termine. Wie man zu denen hinkommt, um die Regentin mal zu sehen – wird nicht verraten.

Ohnehin geht es wohl nicht ums Nahe-Sein. Merkels Vita-Erläuterungen sind dürr und langweilig:

Dass in der Rubrik „Wahlkreis“ der letzte öffentliche Auftritt vom März 2008 datiert, dass der „Pressefotos“-Bereich nur ein Foto listet, passt ins Bild: www.angela-merkel.de ist ein höchst dürftiger Auftritt. Über eine Suchfunktion, Resonanzmöglichkeit oder gar einen RSS-Feed wollen wir lieber gar nicht erst reden.

Nun hat so eine Kanzlerin ja einen Spagat zu bewältigen. Denn es gibt ja noch eine zweite Internet-Seite: www.bundeskanzlerin.de Die Seite ist nun Teil der Regierung, somit anders finanziert und darf sich nicht ganz offensichtlich mischen mit der Wahlkämpferin-Seite. Was ihr nicht gerade hilft.

Die Bundeskanzlerinen-Seite ist etwas für Web-Historiker. So ungefähr sahen sie aus, die Internet-Seiten vor zehn Jahren.

Das ist zackig auf Kante genäht, da ist kein Wort zuviel und der Leser hat bitte nichts zu suchen. Wiederkehrende Informationen werden schön deutsch wiederkehrend, aber nicht unterscheidbar, bezeichnet („Die Woche der Kanzlerin“). Eine weitere Verschlagwortung der Infoflut erfolgt nicht, Reden gibt es selbstverständlich als PDF – nicht, dass jemand auf die Idee käme, hier gäbe es leichthin Informationen.

Und auch hier gilt: Die Regierenden sollen bittschön beim Regieren nicht gestört werden. Ganze Wochen sind im Kalender verwaist – keine öffentlichen Termine. Warum die nicht-öffentlichen, die für Journalisten ja durchaus in Maßen erhältlich sind, nicht eingestellt werden, um so den Eindruck harter Arbeit zu vermitteln? Keine Ahnung. Wer aber den Kanzlerinnen-Kalender durchgeht, könnte den Eindruck bekommen, ihr Job ist mäßig anstrengend.

Ach ja, es gibt noch den Kanzerlinnen-Videocast – ein Format, das auch weiterhin mit höchster Langeweile und Uninspiriertheit zum Exempel dafür geworden ist, wie Online-Videos nicht zu produzieren sind.

Auch für www.bundeskanzlerin.de gilt: Dem Online-Auftritt wird anscheinend keine Bedeutung beigemessen. Es schert sich niemand drum, ob diese Seite irgendjemand weiterhelfen könnte.

Und nun kommt also Steinmeier. Noch ist die Seite nicht freigeschaltet, aber es gibt schon Screenshots. Die wirken aufgeräumt und stellen vor allem einen in den Vordergrund: Steinmeier.

Und das auch per Multimedia:

Die Optik und das Nachvornestellen des Kandidaten zeugen zumindest – im Gegensatz zu Merkels Auftritt – von einer Strategie: Hier soll einer den Menschen nahe gebracht werden.

Doch reicht das?

Auch bei Steinmeier fehlen anscheinend Möglichkeiten zur Kommunikation oder zur detaillierten Suche. Einen RSS-Feed gibt es jetzt schon, er dürfte kaum abgeschafft werden. Ach ja, auf Wahlkampf09 bloggt Steinmeier angeblich, auf seiner Homepage nicht.

Hier wird gesendet, nicht kommuniziert. Das reicht vielleicht noch im Jahr 2009, das Internet wird den Wahlkampf nicht so dominieren wie in den USA. Doch schon in diesem Jahr vergibt der Kandidat damit die Chance, seinen Wählern und vor allem seinen Helfern nahe zu sein.

Vielleicht sollten sich die Wahlkämpfer einmal die Schlachtszene aus „Braveheart“ ansehen. Dort reitet der Schotte Wallace entlang seiner aufgestellten Truppen und motiviert sie mit einer Rede. Doch gleichzeitig nimmt er ihre Zurufe auf und formt sie für sich. Nur so bringt man seine Truppen hinter sich. Das Internet böte für den Wahlkampf diese Möglichkeit. Auch wenn es nicht verhindern kann, dass die Schlacht am Ende verloren wird.

Die Handelsblatt-Serie zum Online-Wahlkampf:

1. Vorbild USA
2. die Agenturen
3. die Parteien
4. Szenen aus der Etappe
5. Blogger und Plattformen


Kommentare


lvgwinner 17. April 2009 um 17:18

In diesem Zusammenhang: http://www.fwsteinmeier.de/

Sehr komisch….

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Christa Sinkel 17. April 2009 um 18:22

schön, gefällt mir gut wie der Frank-Walter Steinmeier mit der neuen Seite auftritt. Sehr persönlich und locker.

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Der Kommentator 17. April 2009 um 19:23

Da hat ja Angela ihr Tagebuch unter http://www.angelas-tagebuch.de/ mehr Interaktivität als die offizielle Seite.

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Johannes Jolmes 18. April 2009 um 13:39

Die Serie ist sehr spannend und beleuchtet viele Aspekte. Nur einer fehlt mir: Wie ist die Verbreitung von Twitter, Facebook, Blogs usw usw in Deutschland? Es wird immer sehr im Soll-Zustand argumentiert und weniger vom aktuellen Ist-Zustand. Das begegnet mir immer sehr oft im Alltag. Ich, als jemand der voll im Web 2.0, Twitter, Facebook usw -Rausch ist, bin in Gesprächen mit Bekannten oftmals von deren Unwissenheit erstaunt. Vielleicht verrennen wir Journalisten uns dann oftmals in dem Hype, weil wir alltäglich damit konfrontiert sind. Das soll nun nicht zukunftspessimistisch klingen, nur wäre es doch mal interessant zu wissen, wie und wie viel die neuen Netzwerke im Alltag genutzt werden? Ob die Klickzahlen immer der beste Indikator dafür sind, wage ich zu bezweiflen. Zahlen über die Qualität der Nutzung habe ich leider noch nicht gefunden, falls ja, würde ich mich freuen, wenn jemand mal einen Link postet. Gruß

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Thomas Koch 18. April 2009 um 17:19

Lieber Herr Jolmes, Daten über die Qualität der Mediennutzung können Sie in Deutschland lange suchen. Es gibt sie nicht, nicht für TV, nicht für Print, warum also für Social Networks? Wir begnügen uns mit quantitativen Nutzerdaten, die allerdings bis mehrere Stellen hinter dem Komma genau. Treu deutsch…

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mark793 18. April 2009 um 23:14

@Johannes Jolmes: Nun, die AG-SM ist ja bereits im vorigen Jahr angetreten mit dem Anspruch, die spezifischen Nutzungsqualitäten im social web zu erforschen und abzubilden, aber mehr als ein \“call for papers\“ ist da bislang nicht rumgekommen. Bei der AGOF gibt es auch Überlegungen, wie man das Geschehen in social networks jenseits der reinen Klickzählerei besser abgebildet kriegt. Aber nach meinem Kenntnisstand stochert man methodisch noch mit der Stange im Nebel.

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Martin 19. April 2009 um 11:05

Obs reicht, wird man erst sehen, wenn die Wahl gelaufen ist. Jedenfalls scheint Wasserhövel in den letzten Jahren einiges verstanden zu haben.
Interessant finde ich übrigens auch, dass die Campaigner nur auf englische Web 2.0-Konzepte wie Twitter und vor allem Facebook setzen – bei Xing oder studivz entdeckt man kaum Wahlkämpfer… bei Facebook hingegen fast alle.

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Matthias 19. April 2009 um 11:36

Und wer glaubt wirklich, dass Web 2.0 den Ausgang der Bundestagswahl ändern kann? Diese wird hierzulande im Massen-TV entschieden.

Dass das bisserl Facebook für den Wahlsieg von Obama verantwortlich gewesen sein soll … was für ein Schmarrn. Selbst parteiintern habe ich niemanden gesprochen, wo dies auch nur die Auswirkungen eines Windhauchs auf die \“Fähnchen im Wind\“ gehabt hätte.

Das Web 2.0 feierte sich selbst, aber die Stimme der Kennedys hat mehr Gewicht als 100.000 virtuelle Facebook-Freunde.

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Michael Eble 19. April 2009 um 13:21

@Johannes Jolmes und Thomas Koch: Für Kinder und Jugendliche finden sich solche Zahlen in den jährlichen KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbandes Südwest. Dort werden die rein quantitativen Daten mittels Anschlussinterviews um qualitative Dimensionen erweitert.

Für Erwachsene (bzw. auch Ki und Ju, aber mit anderer Altersabgrenzung) gibt es qualitative Daten (zumindest in Teilen) in der jährlichen ARD/ZDF-Onlinestudie.

Infos dazu, wie Journalisten Angebote des Web 2.0 nutzen (Facebook ist hier nicht dabei), finden sich bei Machill/Beiler/Zenker (2008).

Eine Übersicht über ähnliche Studien in dem Bereich haben Neuberger/Nuernbergk/Rischke (2007) zusammengestellt.

Mit diesen Studien jenseits der Zahlen von IVW und AGOF kann man grundsätzlich arbeiten. Aber es stimmt schon, im Hinblick auf die Qualität der Nutzung besteht weiterer Forschungsbedarf.

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mk 19. April 2009 um 15:46

mir sind die beiden egal.

steini mag zwar ein toller typ sein, aber ich werde mein kreuzchen nicht bei seiner partei machen können.

angie… nun ja, kann man vorwerfen nicht gerade eine pr-meisterin zu sein, aber ihre partei ist keine option.

ich kann irgendwie alle politiker druchgehen und werde feststellen, dass ihre parteien der letzte rotz sind, weil parteien per se rotz sind.

ein besipiel ist der steinbrück. ich sehe in keiner anderen partei eine alternative die fachlich mit dem mithalten kann, aber das ändert nichts am parteienproblem. tut mir leid steinbrück, ich schätze dich, aber du wirst meine stimme nicht bekommen.

die parteiendemokratie hat ausgedient. sie kann warten bis keiner mehr wählen geht, oder einfach die realität akzeptieren, dass sie bereits heute nicht legimitiert ist.

ich habe mir lange zeit überlegt, ob nicht-wählen automatisch heisst extrem rechts oder extrem links zu wählen – ja das stimmt, und von diesen knallköppen halte schonmal garnichts. aber ich sehe auch nicht ein warum ich irgendeiner degenierten etablierten partei meine zustimmung geben sollte.

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Selcuk 12. August 2009 um 18:04

Erstens muss ich Dir zustimmen, dass die Arbeit nur so gut sein kann, wie man die \“Profis\“ auch machen lässt. Zweitens kann ich dieses ewige Schlechtreden nicht mehr hören. Von wegen, man könne die Wahl über das Internet nicht gewinnen. Natürlich ist dieses Instrument nur eines von einigen (TV, Print,…) jedoch würde ich alle mir zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um mein Ziel zu erreichen. Man bekommt den Eindruck, dass die Herrschaften gar nicht so richtig Kanzler/in werden möchten, wäre am Ende ja mit Arbeit verbunden…

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